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  • 15.04.2021 · IWW-Abrufnummer 221771

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 11.03.2012 – 3 K 3054/19 AO

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster


    Tenor:

    Der Bescheid vom 15.07.2019 und die Einspruchsentscheidung vom 27.09.2019 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die mit Schenkungsteuerbescheiden auf den 09.01.2019 vom 23.05.2019 und vom 06.11.2019 festgesetzte Schenkungsteuer für 10 Jahre ab dem jeweiligen Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuer bzw. der Mehrsteuer zu stunden.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

    Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

    1

    Tatbestand

    2

    Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des beklagten Finanzamts, die Schenkungsteuer auf eine Schenkung ihrer Tante an sie selbst nach § 28 Abs. 3 Satz 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) zu stunden.

    3

    Die Klägerin ist Alleineigentümerin des Grundstücks L-Straße 10 in S-Stadt, wo sie lebt und ein Blumengeschäft betreibt. Dieses Objekt ist seit dem Jahr 2008 mit einer Grundschuld von 235.000 EUR belastet (Grundbuch von S-Stadt, geführt beim Amtsgericht S-Stadt, Blatt xxx). Des Weiteren ist die Klägerin hälftige Miteigentümerin einer zur Vermietung bestimmten Ferienwohnung im J-Straße 36 in H-Stadt. Sie erwarb dieses Objekt zusammen mit ihrem Ehemann auf Grundlage eines notariellen Bauträgervertrages vom 04.11.2016 für einen Kaufpreis von 99.500 EUR (§§ 4, 5 des Vertrages, UR Nr. xxx des Notars Dr. N. C. in T-Stadt), welcher vollständig fremdfinanziert wurde (Darlehen der Sparkasse über 99.500 EUR, Nr. xxx). Zur Besicherung des Darlehens wurde das Objekt mit einer Grundschuld von 70.000 EUR belastet (Wohnungs-Grundbuch von H-Stadt, geführt beim Amtsgericht T-Stadt, Blatt xxx, Bestandsverzeichnis Nr. xxx).

    4

    Die in W-Stadt wohnende Frau N. M. schenkte der Klägerin, ihrer Nichte, mit notariellem Vertrag vom 09.01.2019 das Mietwohngrundstück X-Straße 4 in S-Stadt. Die Übertragung erfolgte ausweislich § 3 des Vertrages lastenfrei, bis auf die in Abt. xxx lfd. Nr. xxx des Grundbuchs eingetragene Belastung (Recht zum Verbieten der Windfeder), die die Klägerin übernahm. Die Schenkerin behielt sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vor, § 5 des Vertrages. Die mit dem Vertrag und seiner Vollziehung zusammenhängenden Kosten sollte nach § 11 des Vertrages die Klägerin tragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 9.01.2019 (UR-Nr. xxx des Notars T. X. in S-Stadt) Bezug genommen.

    5

    Für diesen Erwerbsvorgang setzte der Beklagte mit Bescheid vom 23.05.2019 gegenüber der Klägerin Schenkungsteuer in Höhe von 7.095 EUR fest. Der im Bescheid angesetzte Wert des Grundvermögens wurde mangels gesonderter Feststellung vorerst geschätzt; dementsprechend erging der Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Als Fälligkeitsdatum für die Steuer gab der Beklagte den 27.06.2019 an.

    6

    Ihren mit Schreiben vom 27.05.2019 gestellten Antrag auf Stundung nach § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG begründete die Klägerin damit, dass sie wegen des Nießbrauchsvorbehalts keine Einnahmen aus dem erworbenen Grundstück erziele. Der Gesamtbetrag ihrer Einkünfte habe sich im Jahr 2017 auf 20.591 EUR belaufen; es seien Krankenversicherungsbeiträge von 4.700 EUR zu zahlen gewesen. Das Gebäude L-Straße 10 in S-Stadt sei mit Darlehen belastet. Auf die Familienwohnung entfalle ein Darlehen von ca. 50.000 EUR; auch auf ihrem Betrieb laste ein Darlehen von 44.700 EUR. Im Zusammenhang mit den dort belegenen verpachteten Garagen bestehe eine weitere Bankverbindlichkeit von 26.000 EUR. Diese Zahlen seien für 2018 und wahrscheinlich auch für 2019 gültig. Angesichts der bestehenden finanziellen Verpflichtungen sehe sich die Sparkasse zur weiteren Kreditvergabe nicht in der Lage. Die Schenkung des Mietwohngrundstücks in der X-Straße habe sie, die Klägerin, überrascht. Als sie die anderen Immobilien erworben habe, sei diese Schenkung nicht abzusehen gewesen.

    7

    Der Beklagte lehnte die Stundung mit Bescheid vom 15.07.2019 ab. Im Einspruchsverfahren brachte die Klägerin eine Bestätigung der Sparkasse, ihrer Hausbank, vom 20.08.2019 bei, nach der keine Ausweitung der Kreditlinie darstellbar sei, weil die Klägerin bei ihr nicht über ausreichendes Barvermögen verfüge.

    8

    Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27.09.2019 zurück. Die Klägerin habe zwar begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13d Abs. 3 ErbStG erworben. Eine Stundung sei jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil die Schenkerin als Gesamtschuldnerin zur Zahlung der Steuer herangezogen werden könne. Sie erhalte die Mieteinnahmen aus dem Grundstück. Diese Inanspruchnahme komme allerdings erst dann in Betracht, wenn die Vollstreckung bei der Beschenkten fruchtlos verlaufen sei. Werde der Schenker in Anspruch genommen, obwohl er im Verhältnis zum Beschenkten die Steuer nicht zu tragen habe, stehe ihm möglicherweise ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch gemäß § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu.

    9

    Mit ihrer am 11.10.2019 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie sei nicht in der Lage, die festgesetzte Steuer aus eigenem Vermögen aufzubringen. Eine Kreditaufnahme sei ihr nicht möglich. Aus dem erworbenen Vermögen erziele sie wegen des Nießbrauchsvorbehalts keine Einnahmen. Einer Beleihung bzw. Belastung des erworbenen Vermögens stehe der Übergabevertrag entgegen.

    10

    Voraussetzung für eine Stundung nach § 28 ErbStG sei nicht, dass der Erwerber die Möglichkeit der Kreditaufnahme ausgeschöpft habe, denn die Kreditzinsen seien einkommensteuerlich nicht zu berücksichtigen. Die von ihr, der Klägerin, angestrebte Beleihung anderer Vermögenswerte durch die Hausbank sei daran gescheitert, dass sie nicht in der Lage sei, weitere Tilgungsbeiträge zu leisten. Zwischenzeitlich habe sich ihre finanzielle Situation weiter negativ entwickelt. Coronabedingt habe ihr Betrieb zeitweise schließen müssen. Die Umsätze nach der Wiedereröffnung seien hinter den Vorjahresumsätzen zurückgeblieben.

    11

    Während des Klageverfahrens hat die Klägerin eine Bestätigung der Sparkasse vom 24.10.2019 vorgelegt. Darin teilt die Bank unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 20.08.2019 mit, dass sie der Kreditanfrage der Klägerin über 7.100 EUR nicht entsprechen könne, da sie das streitgegenständliche Objekt nicht zur Besicherung heranziehen könne. Eine Belastung sei gemäß Übergabevertrag zu Lebzeiten der Schenkerin ausgeschlossen. Aufgrund der Gesamtkonstellation könne die Sparkasse das Vorhaben nicht begleiten.

    12

    Nach einer von der Klägervertreterin erstellten Liquiditätsrechnung standen der Klägerin im Jahr 2019 finanzielle Mittel in Höhe von 4.965 EUR zur Verfügung. Hierzu hat die Klägerin Dokumente aus dem Kanzlei-Rechnungswesen (kurzfristige Erfolgsrechnungen, Summen und Saldenlisten für den Monat Dezember 2019 bzw. betriebswirtschaftliche Auswertungen) sowie Jahreskontoauszüge für sechs Darlehen beigebracht. Danach beliefen sich die Einkünfte der Klägerin im Jahr 2019 (einschließlich Abschreibungen) auf 21.241 EUR. Dem standen laufende Ausgaben für die Krankenversicherung von 5.828 EUR, Zins- bzw. Tilgungsleistungen an diverse Banken von 17.488 EUR und eine hälftige Zahlung von 855 EUR für die Küche in der Ferienwohnung gegenüber. Die Abschreibungen von 7.895 EUR wurden bei der Liquiditätsberechnung als erhöhender Faktor in die Angabe der noch zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel einbezogen.

    13

    Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Jahreskontoauszüge für den Zeitraum 01.01.2019 bis 31.12.2019 hatte sie insgesamt sechs Darlehen (Sparkasse, Darlehen Nr. 1, 2, 3, 4 und 5, allesamt Annuitätendarlehen; Bauspardarlehen Nr. 6) zu bedienen. Am 01.01.2019 beliefen sich diese Verbindlichkeiten auf insgesamt 220.610,40 EUR, am 31.12.2019 auf 201.608,46 EUR. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die jeweiligen Jahreskontoauszüge für 2019.

    14

    Die Schenkungsteuerfestsetzung auf den 09.01.2019 ist am 06.11.2019 auf 10.530 EUR geändert und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden.

    15

    Zwischenzeitlich ist die Schenkungsteuer vollumfänglich beglichen worden. Am 27.09.2019 wurde ein Betrag von 7.340 EUR (Schenkungsteuerfestsetzung vom 23.05.2019 nebst Säumniszuschlägen und Vollstreckungskosten) durch Drittschuldnerzahlung auf Grund der ausgebrachten Kontenpfändung vom Konto der Klägerin geleistet. Der Mehrbetrag auf Grund des Änderungsbescheides vom 06.11.2019 wurde zusammen mit Säumniszuschlägen, insgesamt 3.469 EUR, am 09.01.2020 von der Schenkerin direkt an den Beklagten überwiesen. Hierzu trägt die Klägerin vor, sie habe die 7.340 EUR darlehensweise von ihrer Mutter, Frau N. N., erhalten, denn angesichts der Zwangsvollstreckungsmaßnamen hätte sie sonst keine Blumen mehr für ihren Laden einkaufen können. Es habe sich um die einzigen finanziellen Reserven ihrer Mutter gehandelt. Den von der Schenkerin geleisteten Nachzahlungsbetrag müsse sie ebenfalls als Darlehen zurückzahlen.

    16

    Die Klägerin beantragt,

    17

    den Bescheid vom 15.07.2019 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.09.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Schenkungsteuer nach § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG für einen Zeitraum von 10 Jahren zu stunden.

    18

    Der Beklagte beantragt,

    19

    die Klage abzuweisen,

    20

    hilfsweise,

    21

    die Revision zuzulassen.

    22

    Der Beklagte wiederholt und vertieft seine Ausführungen aus der Einspruchsentscheidung und verweist darauf, dass die Steuerschuld zwischenzeitlich ohne Veräußerung des Mietwohngrundstücks gezahlt worden sei. Woher das Geld hierfür stamme, könne dahin stehen.

    23

    Der Gesetzgeber habe nach der Aufhebung des § 25 ErbStG a.F. und der Einführung von § 28 Abs. 3 ErbStG zum 01.01.2009 keine Stundung der Schenkungsteuer allein auf Grund eines Nießbrauchsvorbehalts mehr vorgesehen. Eine Stundung müsse nunmehr unabhängig vom Vorliegen eines Nießbrauchsvorbehalts geprüft werden.

    24

    Letztlich habe die Klägerin die Entstehung der Schenkungsteuer bewusst herbeigeführt, indem sie die Schenkung im Notarvertrag mit allen Rechtsfolgen angenommen habe.

    25

    Überdies seien Schenkerin und Beschenkte unabhängig davon, dass sich die Klägerin als Beschenkte im Notarvertrag vom 09.01.2010 zur Übernahme aller mit dem Vertrag zusammenhängenden Kosten verpflichtet habe, nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) Gesamtschuldner der Schenkungsteuer. Eine Stundung sei nach R E 28 Abs. 7 Satz 4 ErbStR ausgeschlossen, wenn der Schenker zur Zahlung der Schenkungsteuer herangezogen werden könne.

    26

    Dem Schreiben der Sparkasse vom 24.10.2019 sei nicht zu entnehmen, ob die Beleihung anderer Vermögenswerte angestrebt worden sei. Es reiche nicht als Nachweis dafür aus, dass die Klägerin alle Möglichkeiten zur Kreditaufnahme ausgeschöpft habe.

    27

    Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 09.10.2019 und vom 09.07.2020 (Prozessbevollmächtigte der Klägerin) bzw. vom 15.07.2020 (Beklagter) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

    28

    Entscheidungsgründe

    29

    Die Entscheidung ergeht im Einvernehmen der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.

    30

    1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage i.S. des § 40 Abs. 1 FGO zulässig. Durch die Begleichung der Schenkungsteuer hat sich das Klagebegehren nicht erledigt. Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin (§ 40 Abs. 2 FGO) besteht weiterhin, denn ein die Stundung ablehnende Verwaltungsakt erledigt sich nicht durch die Tilgung der Steuerschuld, deren Stundung begehrt wird. Eine Erledigung des Rechtsstreits kann nur durch Stattgabe des Antrages auf Stundung während der Rechtshängigkeit der Streitsache herbeigeführt werden (vgl. BFH-Urteile vom 02.07.1986, I R 39/83, BFH/NV 1987, 696; vom 22.04.1988, III R 269/84, BFH/NV 1989, 428; vom 23.06.1993, X R 96/90, BFH/NV 1994, 517, jeweils zu § 222 AO). Das beklagte Finanzamt hat im Streitfall keinen solchen Verwaltungsakt erlassen.

    31

    2. Die Klage ist begründet.

    32

    Die Ablehnung der Stundung im Bescheid vom 15.07.2019 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.09.2019 ist rechtswidrig, weil die Klägerin nach § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG einen Anspruch auf Stundung der Schenkungsteuer hat, § 101 Satz 1 FGO.

    33

    a. Bei Verpflichtungsklagen auf Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts ‒ wie bei der Entscheidung über eine Stundung nach § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG (vgl. FG Münster, Urteil vom 20.11.2017, 3 K 396/16 AO, EFG 2018, 139) ‒ kommt es grundsätzlich auf die im Zeitpunkt der Entscheidung in der Tatsacheninstanz bestehende Sach- und Rechtslage an (vgl. BFH, Urteile vom 14.03.2012, XI R 33/09, BFHE 236, 283, BStBl II 2012, 477; vom 20.03.2019, X R 4/18, BFH/NV 2019, 808, jeweils m. w. N.). Da das Stundungsbegehren nach § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG jedoch auf ein Hinausschieben der Fälligkeit des Steueranspruchs gerichtet ist und das Gesetz damit auf einen bestimmten vor der Entscheidung des Gerichts liegenden Zeitpunkt abstellt, sind vorliegend die Verhältnisse am Tag der Steuerentstehung maßgeblich (vgl. auch Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 28 Rz. 16, sowie nachfolgend unter 2.b.dd. der Entscheidungsgründe).

    34

    b. Die Klägerin hat gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG einen Anspruch auf Stundung der Schenkungsteuer aus dem Erwerb vom 09.01.2019. Nach dieser Vorschrift ist auf Antrag einem Erwerber die Erbschaftsteuer gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG zu stunden, die auf begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13d Abs. 3 ErbStG entfällt, soweit der Erwerber die Steuer nur durch Veräußerung dieses Vermögens aufbringen kann.

    35

    aa. § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG findet, da der Wortlaut der Norm allgemein auf einen „Erwerb“ abstellt, auch auf die Schenkungsteuer Anwendung (ebenso Eisele in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 28 Rz. 6.1; Jochum in: ErbStG - eKommentar, § 28 Stundung (Fassung vom 15.12.2018), Rz. 26). Maßgeblich ist im Streitfall, dem ein Erwerb im Jahr 2019 zugrunde liegt, die Vorschrift in der Fassung des Gesetzes vom 11.12.2018 (BGBl. I S. 2338), vgl. § 37 Abs. 16 Satz 1 ErbStG. Sie entspricht inhaltlich im Wesentlichen der durch Gesetz vom 24.12.2008 (BGBl. I 2008, 3018) eingeführten Stundungsregelung des § 28 Abs. 3 ErbStG a.F. Durch sie soll aus wohnungsmarktpolitischen Gründen und zum Schutz des Erwerbers vermieden werden, dass dort genanntes Vermögen zwangsweise ‒ allein zum Zwecke der Begleichung der darauf entfallenden Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer ‒ veräußert werden muss (vgl. Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucksache 16/11107, S. 12; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 28 Rz. 13).

    36

    bb. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG sind im Streitfall erfüllt. Die Klägerin hat mit dem Mietgrundstück begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13d Abs. 3 ErbStG erworben ‒ insofern herrscht zwischen den Beteiligten auch kein Streit ‒ und konnte die darauf entfallende Schenkungsteuer im maßgeblichen Zeitpunkt der Steuerentstehung (s.o. unter Ziffer 2.a.)nur durch Veräußerung dieses Vermögens aufbringen.

    37

    Die Formulierung „soweit er die Steuer nur durch Veräußerung dieses Vermögens aufbringen kann“ soll den Rechtsanspruch auf Stundung (nur) in den Fällen ausschließen, in denen der Erwerber die auf das begünstigte Vermögen entfallende Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer entweder aus weiterem erworbenem Vermögen oder aus seinem vorhandenen eigenen Vermögen aufbringen kann (vgl. Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucksache 16/11107, S. 12 f.).

    38

    Die Klägerin konnte die Schenkungsteuer im Zeitpunkt der Steuerentstehung, d.h. am 09.01.2019, als ihre Tante ihr das Mietwohngrundstück schenkte (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG), nicht aus weiterem erworbenem Vermögen aufbringen, weil sie allein dieses Objekt (unter Nießbrauchsvorbehalt) erhielt.

    39

    Auch aus ihrem vorhandenen eigenen Vermögen konnte sie die Schenkungsteuer nicht aufbringen. Auf der Grundlage der ausführlichen Darlegungen der Klägerin, die vom Beklagten auch nicht substantiiert bestritten worden sind, und den von ihr beigebrachten Unterlagen steht zur Überzeugung des Gerichts fest (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), dass die Klägerin nicht über die notwendige Liquidität verfügte, um die Schenkungsteuer von letztlich mehr als 10.000 EUR begleichen zu können.

    40

    Im Jahr 2019 erwirtschaftete sie ausweislich der nachvollziehbaren und durch die beigebrachten Belege plausibilisierten Liquiditätsrechnung so geringe Mittel, dass ihr von ihren Einkünften nach Abzug der Krankenversicherungsbeiträge von 5.828 EUR und der Zins- und Tilgungsleistungen an die Banken von 17.488 EUR sowie einer Ausgabe von 855 EUR für die Küche in der Ferienwohnung lediglich liquide Mittel von weniger als 5.000 EUR zum Leben verblieben.

    41

    Ihr standen auch keine erheblichen sonstigen liquiden Mittel zur Verfügung, aus denen sie die Schenkungsteuer hätte begleichen können. Wie die Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren dargelegt und anhand diverser Belege wie dem Einkommensteuerbescheid 2017 sowie Darlehenskontoauszügen plausibilisiert hat, hatte sie im Jahr 2017 ebenfalls nur Einkünfte von rund 20.000 EUR zu verzeichnen. Dem standen vor allem Darlehen gegenüber, für die sie Annuitäten mindestens im Umfang von nachgewiesenen 7.740 EUR (12 x 645 EUR, Darlehen 1) leistete, sowie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von 4.685 EUR (Einkommensteuerbescheid 2017 vom 23.07.2018). Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im Jahr 2018 Liquiditätsreserven hätte aufbauen können bzw. gehabt hätte, liegen nicht vor. Die Klägerin hat auch selbst vorgetragen, dass sie ihre angespannte Liquiditätssituation im Jahr 2018 gegenüber 2017 nicht wesentlich verändert habe. Wie die weitere Entwicklung, insbesondere die Zahlen des Jahres 2019, die im Jahr 2019 ausgebrachte Kontenpfändung und die Ablehnung einer weiteren Kreditvergabe durch die Hausbank mangels ausreichenden Barvermögens der Klägerin im August 2019 zeigen, hatte die Klägerin am 09.01.2019 keine ausreichenden Liquiditätsreserven, um die Schenkungsteuer begleichen zu können.

    42

    Selbst durch eine Veräußerung der in ihrem Eigentum stehenden weiteren Immobilien, d. h. des hälftigen Miteigentumsanteils an der Ferienwohnung in H-Stadt sowie des Grundstücks L-Straße 10 in S-Stadt, hätte sich die Klägerin die für eine Begleichung der Schenkungsteuer notwendige freie Liquidität nicht mit der notwendigen Gewissheit beschaffen können. Die auf diesen Grundstücken lastenden Grundschulden von 70.000 EUR (für das gesamte Wohnungseigentum, d.h. auch für das hälftige Miteigentum ihres Ehemannes) bzw. von 235.000 EUR (L-Straße 10 in S-Stadt) dienten zur Absicherung von noch nicht beglichenen Bankverbindlichkeiten von 220.610,40 EUR zum Stichtag 01.01.2019. Eine Veräußerung dieser Immobilien, über deren Marktwert nichts Näheres bekannt ist, hätte deshalb nicht mit hinreichender Sicherheit einen entsprechenden Geldzufluss erwarten lassen. Der Senat kann angesichts dessen die Frage dahinstehen lassen, ob Wohnimmobilien wie die Ferienwohnung in H-Stadt bzw. die ‒ teils als zu eigenen Wohnzwecken genutzte ‒ Immobilie L-Straße 10 in S-Stadt ‒ überhaupt nach Sinn und Zweck des § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG als solches eigenes Vermögen, das für die Begleichung der Schenkungsteuer einzusetzen wäre, anzusehen sein könnten. Wenn § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG dazu beitragen soll, dass ein funktionierender Markt auf dem Wohnungssektor erhalten bleibt, indem das Angebot einer Vielzahl von Mietwohnungen durch private Eigentümer einen Gegenpol gegen die Marktmacht großer institutioneller Anleger setzt, ist zumindest zweifelhaft, ob ein Erwerber verpflichtet sein soll, statt des erworbenen Objektes andere Wohnobjekte zu veräußern, um dadurch die für die Begleichung der Schenkungsteuer notwendige Liquidität zu erlangen. In der Literatur wird weitergehend sogar die Auffassung vertreten, dass der Erwerber nur bereits vorhandene eigene liquide Mittel zur Begleichung der Steuer einsetzen müsse (Eich, ErbStB 2011, 114, 116).

    43

    Der Stundungsbedürftigkeit der Klägerin steht nicht entgegen, dass sie zur Finanzierung der Schenkungsteuerzahlung im familiären Umfeld Kredite bei ihrer Mutter bzw. ihrer Tante, der Schenkerin, aufnehmen konnte. Zwar wird sich ein Erwerber grundsätzlich darauf verweisen lassen müssen, dass vorrangig vor der Stundung gemäß § 28 Abs. 3 ErbStG die Finanzierung im Kreditwege zu erfolgen hat (vgl. Finanzgericht Köln Beschluss vom 10.08.2012, 9 V 1481/12, juris; ebenso Wälzholz in: Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG, § 28 ErbStG Rz. 33; kritisch insoweit Eisele in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 28 Rz. 6.1; Eich, ErbStB 2011, 114, 116; offen lassend für den Fall, dass der Kredit nicht durch Erträge aus dem erworbenen Vermögen bedient werde kann, FG Münster, Urteil vom 20.11.2017, 3 K 396/16 AO, EFG 2018, 139 ). Einen Kredit zu marktüblichen Bedingungen bei einer Bank konnte die Klägerin aber nicht aufnehmen, wie sie durch Vorlage der ablehnenden Schreiben ihrer Hausbank vom 20.08.2019 bzw. vom 24.10.2019 mit hinreichender Gewissheit nachgewiesen hat. Die von der Sparkasse angegebenen Gründe für ihre Entscheidung, dass die Klägerin nicht über genug Barvermögen bei ihr verfüge bzw. sie das streitgegenständliche Objekt nicht zur Besicherung heranziehen könne, sind zumindest plausibel und angesichts der angespannten Liquiditätslage der Klägerin, die wegen des Nießbrauchsvorbehalts der Schenkerin keine Einnahmen aus dem geschenkten Objekt erzielt, auch nachvollziehbar.

    44

    Es würde die Anforderungen an einen Erwerber in Bezug auf eine Steuerstundung nach § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG jedoch überspannen, wenn er gehalten wäre, sich jenseits des üblichen Kapitalmarkts zu refinanzieren. Der Zweck des Gesetzes, den Erwerber vor einer zwangsweisen Veräußerung des begünstigten Erwerbes zu schützen, darf nicht so weitgehend verstanden werden, dass Geldbeschaffungsmöglichkeiten jedweder Art stets die Stundungsbedürftigkeit des Erwerbers ausschließen würden. Letztlich bestände sonst die Gefahr, dass ein Steuerpflichtiger gehalten wäre, sich zu nicht fremdüblichen und ihn einseitig benachteiligenden Konditionen zu refinanzieren, oder er die Vermögenssituation naher Angehöriger gegenüber dem Staat weitestgehend aufdecken und darlegen müsste, aus welchen Gründen diese ihm im Einzelfall keinen Kredit einräumen. Eine solche Auslegung des Gesetzes würde nach Auffassung des Senats zumindest Art. 2 Abs. 1 GG, ggf. auch Art. 6 Abs. 1 GG, verletzen und wäre überdies der Einzelfallgerechtigkeit nicht dienlich, weil es an objektiven Kriterien fehlt, was jenseits der üblichen Bedingungen des Kapitalmarkts dem Steuerschuldner für eine Kreditaufnahme zumutbar und wie groß der Kreis der zumutbar in Anspruch zu nehmenden Angehörigen wäre.

    45

    cc. Einer Stundung nach § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG steht der Umstand nicht entgegen, dass sich die Klägerin durch die Annahme der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt selbst in die Situation begeben hat, dass sie keine Erträge aus dem geschenkten Mietobjekt erzielt. Der Streitfall bietet keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese im Rechtsverkehr durchaus übliche Vorgehensweise von rechtsmissbräuchlichen Erwägungen getragen gewesen wäre. Abgesehen davon hat der Gesetzgeber in § 28 Abs. 3 Satz 2 ErbStG eine Steuerstundung für selbstgenutzte Immobilien, d.h. für Objekte vorgesehen, aus denen der Erwerber keine Erträge erzielt. Dass ein Objekt keinen für den Beschenkten zur Tilgung der Steuer verwendbaren Ertrag abwirft, kann für die Frage, ob eine Stundung zu gewähren ist, daher nicht per se als schädlich angesehen werden.

    46

    Schließlich kann der Stundung der Schenkungsteuer gegenüber dem Erwerber nicht entgegen gehalten werden, dass der Schenker möglicherweise als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden kann. Diese in den Erbschaftsteuerrichtlinien und Teilen der Literatur vertretene Auffassung (R E 28 Abs. 7 Satz 4 ErbStR; vgl. auch den Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucksache 16/11107, S. 13; ebenso Wälzholz in: Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG, § 28 Rz. 34; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 28 Rz. 17) hätte im praktischen Ergebnis zur Folge, dass eine Stundung bei einem Erwerb unter Lebenden fast immer ausgeschlossen wäre (ebenso Kobor in: Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 28 Rz. 39). Diese Konsequenz ist jedoch weder im Wortlaut des § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG angelegt, noch mit dem Zweck der Vorschrift, den Erwerber bzw. einen funktionierenden Wohnungsmarkt zu schützen, vereinbar. Der Wortlaut des § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG stellt ausschließlich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Erwerbers und auf dessen Steuerschuld ab (ebenso Eisele in: Kapp/Ebeling, ErbStG, 83. Lieferung 03.2020, § 28 ErbStG Rz. 6.1.; Kirschstein in: Stenger/Loose, ErbStG, § 28 ErbStG Rz. 34; Eich, ErbStB 2011, 114, 116; Söffing/Thonemann, ErbStB 2009, 325, 336). Demgegenüber ist die wirtschaftliche und steuerliche Situation des Schenkers ein für die Stundung nach § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG nicht relevanter Umstand. Die Frage, ob der Schenker als Gesamtschuldner bei einer Stundung der Schenkungsteuer gegenüber dem Beschenkten ermessensfehlerfrei in Anspruch genommen werden kann (§ 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG i.V.m. § 44 AO), ist eine der Entscheidung über die Steuerstundung für den Beschenkten nachgelagerte Fragestellung.

    47

    dd. Die Stundung ist im vorliegenden Fall für einen zehnjährigen Stundungszeitraum ab Fälligkeit der festgesetzten Steuer zu gewähren. D.h. der Stundungszeitraum beginnt für den mit Bescheid vom 23.05.2019 festgesetzten Steuerbetrag von 7.095 EUR mit dessen Fälligkeit und für die im Bescheid vom 06.11.2019 festgesetzten Mehrsteuern mit deren Fälligkeit. Die Länge des Zeitraums, für den bei Vorliegen der Stundungsvoraussetzungen die Stundung gewährt wird, steht nicht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzverwaltung (entgegen Kobor in: Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 28 Rz. 35; Kirschstein: in Stenger/Loose, ErbStG, § 28 Rz. 36), sondern richtet sich danach, für welchen Zeitraum die Stundung beantragt ist und ob bis zum Ergehen der Gerichtsentscheidung Gründe vorliegen, insbesondere solche im Sinne des § 28 Abs. 3 Satz 4 ErbStG, die im Streitfall nicht gegebenen sind, aus denen die begehrte Stundung endet. Der Stundungszeitraum beginnt bei einer Stundung nach § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuer. Denn eine Stundung schiebt die Fälligkeit eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis hinaus (vgl. BFH-Urteil vom 08.07.2004, VII R 55/03, BStBl II 2005, 7, zu § 222 AO). Auch unter dem Gesichtspunkt, dass nach § 28 Abs. 3 Satz 5 ErbStG i.V.m. § 234 Abs. 1 Satz 1 AO für die Dauer der gewährten Stundung Zinsen erhoben werden, scheidet eine Vorverlagerung des Beginns des Stundungszeitraums für Stundungen nach § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG aus. Da der Steuerpflichtige die festgesetzte Schenkungsteuer erst im Zeitpunkt der Fälligkeit zu entrichten hat, müsste er, wenn der Stundungszeitraum vor Fälligkeit beginnen würde, für diesen Zeitraum bereits Stundungszinsen entrichten, obwohl eine Zahlungspflicht noch nicht besteht und eine Stundung ins Leere ginge.

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    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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    4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

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    5. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

    RechtsgebietErbStG 1974Vorschriften§ 28 ErbStG 1974