07.07.2022 · IWW-Abrufnummer 230102
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 30.05.2022 – II R 8/21
NV: Ein Prozessbevollmächtigter hat den Ablauf einer Rechtsmittelbegründungsfrist eigenverantwortlich zu überprüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden.
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 03.09.2020 ‒ 11 K 2359/19 BG wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
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Mit Urteil vom 03.09.2020 ‒ 11 K 2359/19 BG wies das Finanzgericht eine Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) ab. Auf die Beschwerde des Klägers ließ der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 15.04.2021 ‒ II B 66/20 die Revision zu. Der Beschluss wurde dem Kläger, der selbst Rechtsanwalt ist, am 18.06.2021, einem Freitag, mittels Zustellungsurkunde in dessen Kanzlei zugestellt.
2
Mit einem am Mittwoch, den 21.07.2021, eingegangenen Schriftsatz beantragte der Kläger wegen Urlaubsabwesenheit vom 19.07. bis 13.08.2021 die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist. Nach einem am 23.07.2021 zugestellten Hinweis der Senatsgeschäftsstelle auf die bereits am 19.07.2021 abgelaufene Revisionsbegründungsfrist beantragte der Kläger mit einem am 26.07.2021 eingegangenen Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete die Revision.
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Zur Wiedereinsetzung führt der Kläger aus, die Rechtsanwaltsfachangestellte habe das Fristende falsch notiert. Am Tag der Zustellung sei das Büro nicht besetzt gewesen, so dass der Posteingang am 21.06.2021 bearbeitet worden sei. Dabei habe die Mitarbeiterin zwar den Fristbeginn auf den 18.06.2021, bei hinreichender Vorfrist aber das Fristende irrtümlich auf den 21.07.2021 eingetragen. Eigentlich habe er, der Kläger, als Sachbearbeiter die Revisionsbegründung ohne Verlängerung der Frist erledigen wollen. Als sich herausgestellt habe, dass dies innerhalb der —unzutreffend notierten— Frist nicht mehr möglich wäre, habe er vermeintlich rechtzeitig die Fristverlängerung beantragt.
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Der Kläger hat dem Antrag eine Eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin beigefügt, die den Vortrag in der Sache bestätigt, ferner einen tabellarischen Auszug mit einer Reihe von Fristdaten bezüglich des vorliegenden Rechtsstreits. Daraus ergibt sich ein Fristbeginn für die Revisionsbegründung am 18.06.2021, eine Vorfrist auf den 05.07.2021 sowie ein Fristablauf auf den 21.07.2021.
II.
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Die Revision ist mangels fristgerechter Begründung unzulässig und deshalb nach §§ 124 Abs. 1 , 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zu verwerfen.
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1. Ist die Revision nicht in der gesetzlichen Form und Frist begründet worden, ist sie nach § 124 Abs. 1 FGO unzulässig. Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO beträgt im Fall des § 116 Abs. 7 FGO —der Stattgabe der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision— die Revisionsbegründungsfrist für den Beschwerdeführer einen Monat nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision. Die Frist kann gemäß § 120 Abs. 2 Satz 3 FGO auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Im Falle der Fristversäumung ist nach Maßgabe von § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten.
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a) Jedes Verschulden —also auch einfache Fahrlässigkeit— schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus ( BFH-Beschluss vom 28.04.2020 ‒ II R 33/18 , BFH/NV 2020, 1079, Rz 12). Das den Angestellten einer Kanzlei unterlaufende Büroversehen kann entschuldbar sein, sofern kein Organisations‒ oder Überwachungsverschulden vorliegt. Unberührt davon bleibt jedoch eigenes Verschulden des Prozessbevollmächtigten, wenn dieses für die Versäumung der Frist ursächlich geworden ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2020, 1079, Rz 13, m.w.N.). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die Prozesserklärungen des selbst postulationsfähigen Beteiligten.
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b) Bereits für die Einhaltung der Rechtsbehelfsfrist gehört zu den Obliegenheiten des Berufsträgers die Prüfung, ob das Datum des Eingangsstempels mit dem von dem Postbediensteten auf dem Briefumschlag eingetragenen Zustellungsdatum übereinstimmt (für die Frist zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde BFH-Beschluss vom 11.10.2019 ‒ IX B 52/19 , BFH/NV 2020, 211, Rz 6). Dies gilt auch für die Einhaltung einer Rechtsbehelfsbegründungsfrist, wenn diese Frist, wie im Falle des § 116 Abs. 7 FGO , ebenso durch eine Zustellung in Gang gesetzt wird und an die Stelle der Rechtsbehelfsfrist tritt. Bei der Prüfung der Revisionsbegründungsfrist sowie der Überwachung des Personals ist der Prozessbevollmächtigte ferner zu besonderer Sorgfalt verpflichtet, denn die Begründungsfrist für die Revision gehört nicht zu den üblichen, häufig vorkommenden und einfach zu berechnenden Fristen ( BFH-Beschlüsse vom 23.08.2016 ‒ IX R 15/16 , BFH/NV 2017, 47, Rz 13, und vom 03.09.2019 ‒ IX R 17/18 , BFH/NV 2020, 27, Rz 15). Ein Prozessbevollmächtigter hat den Ablauf einer Rechtsmittelbegründungsfrist eigenverantwortlich zu überprüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden oder sich sonst die Notwendigkeit einer Überprüfung aufdrängt (für die Revisionsbegründungsfrist BFH-Urteil vom 29.04.2008 ‒ I R 67/06 , BFHE 221, 201, BStBl II 2011, 55, unter B.I.2.; für die Frist zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde BFH-Beschluss vom 28.08.2014 ‒ VII B 12/14 , BFH/NV 2015, 43, Rz 9).
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2. Nach diesen Maßstäben kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden, da dem Kläger ein eigenes Verschulden an der Fristversäumung zur Last fällt. Die unzureichende Beachtung der gebotenen Sorgfalt war auch ursächlich für die Versäumung der Frist. Bei Vorlage der Akten zur notierten Vorfrist und damit rechtzeitig vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hätte der Kläger die Frist selbständig prüfen müssen. Dabei wäre ihm aufgefallen, dass die tatsächlich gemäß § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 , 2 der Zivilprozessordnung , §§ 187 Abs. 1 , 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bereits am 19.07.2021, einem Montag, ablaufende Revisionsbegründungsfrist falsch notiert war.
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a) Aus dem Vortrag, er habe die Revisionsbegründung eigentlich ohne Fristverlängerung fertigstellen wollen, ergibt sich, dass dem Kläger tatsächlich die Akten pflichtgemäß mit der Vorfrist vorgelegt wurden, andernfalls auch Anlass bestanden hätte, zu dem diesbezüglichen Fehler vorzutragen.
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b) Bei dieser Vorlage hat der Kläger versäumt, eigenverantwortlich zu prüfen, ob die Revisionsbegründungsfrist zutreffend berechnet war. Bereits durch den gebotenen Vergleich des Eingangsstempels mit dem Zustellungsdatum wäre ihm aufgefallen, dass die Revisionsbegründungsfrist fehlerhaft notiert war. Zwar war der Fristbeginn korrekt notiert. Der Kläger wäre dabei aber auf das Datum der Zustellung des Zulassungsbeschlusses aufmerksam geworden und damit auch auf den Umstand, dass das notierte Datum des Fristablaufs zum einen zahlenmäßig drei Tage nach dem Datum des Fristbeginns, zum anderen auf einem Mittwoch lag. Waren Montag und Dienstag nicht gleichermaßen Feiertage, was lediglich über Weihnachten denkbar ist, nicht aber im Juli, konnte ein solcher Fristablauf nicht zutreffend berechnet sein. Im Übrigen hat der Kläger nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich, welche Überlegungen er angestellt hat, um die notierte Frist zu verifizieren, und welchen unverschuldeten Irrtümern er bei dieser Prüfung unterlegen gewesen sein könnte. Es ist nur der Schluss möglich, dass der Kläger die gebotene Prüfung der Revisionsbegründungsfrist tatsächlich nicht vorgenommen hat. Darin liegt eigenes Verschulden, das die Wiedereinsetzung ausschließt.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 2 , 139 Abs. 4 FGO .