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  • 02.11.2006 · IWW-Abrufnummer 063164

    Finanzgericht München: Urteil vom 22.03.2006 – 4 K 1631/04

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Az.: 4 K 1631/04

    Finanzgericht München

    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In der Streitsache XXX
    wegen Schenkungsteuer

    hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung
    [?]
    sowie der ehrenamtlichen Richter

    ohne mündliche Verhandlung am 22. März 2006 für Recht erkannt:

    1. Der Schenkungsteuerbescheid vom 18.12.2002 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 15.04.2003 und der Einspruchsentscheidung vom 03.03.2004 sowie der Änderungsbescheid vom 02.01.2006 werden aufgehoben.

    2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    Rechtsmittelbelehrung XXX

    Gründe:

    Streitig ist, ob es sich bei der unentgeltlichen dinglichen Einräumung eines Mitbenutzungsrechts an einem bisher gemeinsam bewohnten Zweifamilienhaus der Lebensgefährtin um einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang handelt.

    I.

    Mit notarieller Urkunde (V 255/2000) vom 13.07.2000 räumte Frau I (geboren am xx.09.1927) ihrem langjährigen Lebensgefährten (Blatt 12/FA-Akte), dem Kläger, ein lebenslängliches, unentgeltliches Mitbenutzungsrecht an allen Räumen ihres Zweifamilienhauses (216 qm Wohnfläche) und des gesamten Grundstückes (750 qm), ein. Dies wurde im Grundbuch eingetragen. Der Kläger hatte keine umlagefähigen und nicht umlagefähigen Kosten an die Schenkerin zu bezahlen.

    Mit gleicher Urkunde bestellte Frau I dem Kläger ein Nießbrauchsrecht auf Lebzeiten an diesem Grundstück, welches jedoch erst bei ihrem Tod in Kraft treten sollte. Den Kläger hatte sie zuvor bereits als ihren Alleinerben mit Testament vom 09.02.1999 eingesetzt. Am 12.05.2005 heiratete sie den Kläger. Am 02.08.2005 starb Frau I.

    Unter Berücksichtigung der Angaben der Schenkungsteuererklärung vom 25.11.2002 und des vom Finanzamt M festgestellten Grundstückswerts setzte der Beklagte, das Finanzamt, mit Bescheid vom 18.12.2002 Schenkungsteuer in Höhe von 32.291,61 ? (= 63.020 DM) in Steuerklasse III fest (Blatt 31/FA-Akte). Die Bewertung des zugewendeten Mitbenutzungsrechts setzte es mit dem Kapitalwert des hälftigen Jahresmietwerts an.

    Aufgrund des Antrags des Klägers vom 11.02.2003 stellte das Finanzamt mit Änderungsbescheid vom 15.04.2003 während des Einspruchverfahrens die Besteuerung auf Jahresversteuerung nach § 23 ErbStG um. Der Einspruch gegen den Schenkungsteuerbescheid blieb erfolglos (siehe Einspruchsentscheidung ? EE ? vom 03.03.2004). Wegen der Frage der Verfassungsmöglichkeit des ErbStG blieb die Steuerfestsetzung weiterhin in vollen Umfang vorläufig gemäß § 165 Abs. 2 AO.

    Mit der Klage trägt der Kläger vor, dass durch die Einräumung des Mitbenutzungsrechts weder eine Entreicherung bei der Zuwendenden noch eine Bereicherung bei ihm eingetreten sei, weil diese Mitbenutzung schon seit Jahren im Rahmen der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgt sei und entsprechend der Rechtsprechung des BGH (BGHE 132,820) und des BFH (BStBl II 1984, 371) die Gebrauchsüberlassung einer Sache keine das Vermögen mindernde Zuwendung sei. Die dingliche Absicherung sei nur aus formalen Gründen erfolgt. Für den Fall der Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft hätte die Zuwendende einen Löschungsanspruch wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage gehabt. Die Streitsache sei dem Fall vergleichbar, über den das FG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 02.04.2002 Az.: 4K 1869/01 DStR 2002/1078 entschieden habe. Der Kläger habe stets seit 16 Jahren dort mit seiner Lebensgefährtin unentgeltlich gewohnt. Lediglich im Jahr 1999 und 2000 habe die Zuwendende negative Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung dieses Hauses erklärt (./. 8 DM und ./. 136 DM siehe Blatt 58/FG-Akte), die jedoch nicht von Mietzinszahlungen des Klägers stammten (Blatt 59/FG-Akte). Der Kläger habe bereits vor Abschluss des notariellen Vertrags schuldrechtlich vereinbart, dass er aufgrund der Lebensgemeinschaft das Anwesen unentgeltlich mitbenutzen dürfe. Erst nach dem Ableben seiner Lebensgefährtin liege bei ihm eine Bereicherung vor, die ihm jedoch bereits durch die Einsetzung als Alleinerbe verschafft worden sei.

    Mit Änderungsbescheid vom 02.01.2006 (Bl. 93/FG-Akte) setzte das Finanzamt wegen des Todes der verpflichteten Ehefrau (verheiratet seit 12.05.2005) am 02.08.2005 den Kapitalwert des Nutzungsrechts gemäß § 175 Abs. 1 Satz Nr. 2 AO nach der tatsächlichen Laufzeit auf 89.515 DM herab und die Schenkungsteuer auf 13.141 DM (6.718,89 ?) fest. Die Schenkungsteuer für das erste Jahr setzte es auf 1.402 DM und auf 3.468 DM für die weiteren Jahre fest. Das Finanzamt sah wegen des aufschiebend bedingten Nießbrauches das Mitbenutzungsrecht als mit dem Tod der Lebensgefährtin auflösend bedingt nach § 5 Abs. 1 BewG an und setzte den Vervielfältiger je mit 4,388 statt bisher 14,030 gemäß Ablage 9a zu § 13 BewG an.

    Der Kläger beantragt nunmehr sinngemäß,
    die mit Änderungsbescheid vom 02.01.2006 bzw. 15.04.2003 festgesetzte Schenkungsteuer in Höhe von 13.141 DM (6718, 89 ?) ersatzlos aufzuheben.

    Das Finanzamt beantragt
    Klageabweisung.

    Der Kläger habe im Gegensatz zum Fall des FG Rheinland Pfalz durch den Vertrag erstmals eine gesicherte Rechtsposition auf Dauer erlangt.
    Den vom Kläger gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat der Senat mit Beschluss vom 19.08.2004 abgelehnt.

    II.

    Die Klage ist begründet.

    Der Senat hält an seiner im Beschluss vom 19.08.2004 Az.: 4 V 1632/04 wegen Aussetzung der Vollziehung vertretenen Auffassung nicht mehr fest.

    Bei der Einräumung des Mitbenutzungsrechts, um das es im Streitfall geht, fehlt es bereits an der entreichernden Vermögenshingabe, weil lediglich die Mitbenutzung einer Wohnung gestattet wird, die auch von der Eigentümerin aufgrund ihrer Eigentümerstellung für eigene Wohnzwecke genutzt wird. Die Wohnräume und das Grundstück bildeten sowohl vor als auch nach dem Vertragsabschluss die gemeinsame Wohngrundlage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die bei Vertragsabschluss zwischen dem Kläger und seiner Lebenspartnerin bereits seit ca. 16 Jahren bestanden hatte. Durch die notarielle Fixierung dieser Lebenssituation und deren Eintrag im Grundbuch ist weder das Vermögen des Klägers gemehrt noch das der Lebensgefährtin gemindert worden. Der Umstand, dass dieses Recht dinglich gesichert wurde, ändert daran nichts. Dinglich gesicherte Nutzungsrechte führen zwar in aller Regel zu einer Entreicherung des Eigentümers (siehe BFH vom 29.11.1983 VIII R 384/83, BStBl II 1984, 73, 373), weil seine Nutzungsbefugnis dadurch mit Wirkung für eventuelle Rechtsnachfolge auf Dauer beseitigt oder zumindest eingeschränkt wird. Andererseits ist die Verpflichtung mit einer drittten Person alle Wohnräume teilen zu müssen bzw. das entsprechende Nutzungsrecht nach Auffassen des Senats nicht bewertungsfähig, insbesondere nicht mit der Hälfte des Mietwerts. Auch greift § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG insoweit nicht ein. Der Umstand, dass im Gegensatz zum Fall des FG Rheinland-Pfalz, wo lediglich die alleinige Nutzung einer Wohnung im 1. Stock eingeräumt wurde, das Mitbenutzungsrecht nicht für den Fall der Auflösung der Lebensgemeinschaft ausdrücklich auflösend bedingt war, sondern auf die Lebenszeit des Klägers beschränkt war, steht hier nicht entgegen, weil der Kläger schon nach den Grundlagen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage hier keine vom Fortbestand der Lebensgemeinschaft unabhängige Nutzungsbefugnis erlangte. Was soll ein anteiliges Mitbenutzungsrecht, wenn die enge Beziehung zu anderen Nutzungsberechtigten nach Jahrzehnten plötzlich fehlt.

    Bei der Einräumung des postmortalen Nießbrauchsrechts handelt es sich um einen aufschiebend bedingten Erwerb von Todes wegen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG, der zwar der Erbschaftssteuer unterliegt, wobei jedoch wegen der Alleinerbschaft des Klägers der Kapitalwert des Nießbrauchswerts als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 Abs. 3 ErbStG den Erwerb insoweit saldiert.

    Die Kostenentscheidung erfolgt gem. § 135 Abs. 1 FGO.

    Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

    RechtsgebietErbStGVorschriften§ 7(1) Nr. 2 ErbStG