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  • 19.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242791

    Oberlandesgericht München: Beschluss vom 12.06.2024 – 33 Wx 270/23 e

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht München 

    Beschluss vom 12.06.2024


    xxx, Vatikanstadt
    - Erblasser -
    Beteiligte:
    xxx
    - Beschwerdeführer -
    Verfahrensbevollmächtigter:
    Rechtsanwalt xxx
    wegen Nachlassbeschwerde

    erlässt das Oberlandesgericht München - 33. Zivilsenat - durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht xxx, den Richter am Oberlandesgericht xxx und die Richterin am Landgericht xxx am 12.06.2024 folgenden
    Beschluss

    Tenor:
    1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts München - Nachlassgericht - vom 04.08.2023, Az. 612 VI 5854/23, wird zurückgewiesen.
    2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
    3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Der am 16.04.1927 in Marktl am Inn geborene Erblasser wurde im Jahr 1977 zum Erzbischof von München und Freising geweiht und im Jahr 1982 Kardinalpräfekt der Kongregation für die Glaubenslehre im Vatikan. Er war von seiner Wahl am 19.04.2005 an bis zu seinem Amtsverzicht am 28.02.2013 Papst und damit Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche sowie das Staatsoberhaupt des Staates Vatikanstadt. Als emeritierter Papst zog der Erblasser am 02.05.2013 in das Vatikankloster Mater Ecclesiae in den Vatikanischen Gärten der Vatikanstadt, wo er am 31.12.2022 verstarb.

    Der Beschwerdeführer beantragte am 16.01.2023 bei dem Amtsgericht München - Nachlassgericht - die Anordnung einer Nachlasspflegschaft zur Ermittlung des bzw. der Erben des Erblassers und begründete dies mit einem von ihm gegen den Erblasser angestrengten zivilgerichtlichen Verfahren vor dem Landgericht Traunstein, Az. 5 O 1304/22, welches nach dem Tod des Erblassers gegen die - jedenfalls dem Beschwerdeführer unbekannten - Erben fortgeführt werden solle. Mit Beschluss vom 04.08.2023 wies das Nachlassgericht diesen Antrag als unzulässig zurück mit der Begründung, dass es zur Entscheidung hierüber bereits international nicht zuständig sei. Im Übrigen sei der Antrag aber auch unbegründet.

    Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 28.09.2023. In der Beschwerdebegründung vom 18.10.2023 stimmte der Beschwerdeführer dem Nachlassgericht zwar darin zu, dass die Voraussetzungen einer internationalen Zuständigkeit des Amtsgerichts München nach Art. 10 EuErbVO nicht vorliegen, jedenfalls wenn man der Auffassung sei, dass Passiva nicht zum Nachlassvermögen iSv. Art. 10 Abs. 2 EuErbVO gehören. Jedoch habe das Nachlassgericht übersehen, dass nach Art. 11 EuErbVO eine internationale Notzuständigkeit des Amtsgerichts München bestehe.

    Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 26.10.2023 nicht abgeholfen und die Akten mit Verfügung vom selben Tag dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Mit Verfügung vom 08.11.2023 übermittelte das Nachlassgericht dem Senat im Nachgang zur Akte die Beschwerdebegründung vom 18.10.2023 mit dem Hinweis, dass diese der zuständigen Richterin erst an diesem Tag vorgelegt worden sei und führte u.a. aus, dass und aus welchen Gründen es eine Notzuständigkeit des Amtsgerichts München für nicht gegeben erachte.

    Das Geburtshaus des Erblassers in Marktl am Inn wurde im Frühjahr 2006 durch eine kirchliche Stiftung aus Privatbesitz erworben. Das ehemalige Eigenheim des Erblassers in Pentling, welches dieser Ende 1970 bezogen hatte, übertrug der Erblasser im August 2010 an das "Institut Papst Benedikt XVI.".

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird vollumfänglich auf den Akteninhalt Bezug genommen.

    II.

    Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Nachlassgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 04.08.2023 im Ergebnis zutreffend als unzulässig zurückgewiesen.

    1. Der Senat kann sogleich in der Sache entscheiden. Zwar hat sich das Nachlassgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung nicht mit dem Beschwerdevorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer etwaigen internationalen Notzuständigkeit der deutschen Gerichte gem. Art. 11 EuErbVO auseinandergesetzt, sondern lediglich pauschal auf die im angefochtenen Beschluss genannten Gründe Bezug genommen, da es ersichtlich davon ausgegangen ist, dass die Beschwerde nicht begründet worden war. Nachdem die Entscheidung des Nachlassgerichts im Ergebnis jedoch nicht zu beanstanden ist und es überdies auch im Rahmen seiner Verfügung vom 08.11.2023 bereits dargelegt hat, dass und aus welchen Gründen es eine Notzuständigkeit nach Art. 11 EuErbVO nicht für gegeben erachte, war eine Aufhebung der Nichtabhilfeentscheidung und Zurückverweisung an das Nachlassgericht zur erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens vorliegend nicht erforderlich.

    2. Wie das Nachlassgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, ist das Amtsgericht München vorliegend bereits international nicht zuständig.

    a) Der Erblasser hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes bereits durchgehend jedenfalls seit dem Jahr 2005 zweifelsohne im Staat Vatikanstadt. Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gem. Art. 4 EuErbVO scheidet daher aus.

    b) Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 10 EuErbVO ist im gegenständlichen Verfahren ebenfalls nicht gegeben.

    aa) Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob der Erblasser durch den Erwerb der vatikanischen Staatsangehörigkeit oder mit seiner Wahl zum Papst im Jahr 2005 - zugleich als Staatsoberhaupt des Staates Vatikanstadt - die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat, wie das Nachlassgericht und auch der Beschwerdeführer in Übereinstimmung mit einer im Schrifttum geäußerten Ansicht (Renner, ZAR 2005, 282 ff.) meinen, oder ob vielmehr in Übereinstimmung mit einer anderen Ansicht (Barz, BayVBl. 2006, 210 ff.) davon auszugehen ist, dass der Erblasser auch nach seinem Amtsantritt im Vatikan weiterhin deutscher Staatsangehöriger geblieben ist. Denn im Ergebnis kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an.

    bb) Wie das Nachlassgericht zutreffend erkannt hat, wäre weitere Voraussetzung für eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 10 Abs. 1 EuErbVO neben der deutschen Staatsangehörigkeit des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes oder eines gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland binnen der letzten fünf Jahre vor Anrufung des Gerichts jedenfalls kumulativ in beiden Fällen die Belegenheit von Nachlassvermögen in dem betreffenden Mitgliedsstaat. Daran fehlt es vorliegend.

    Positives Nachlassvermögen des Erblassers befindet sich nicht in Deutschland, denn sowohl das Elternhaus des Erblassers in Markl als auch dessen ehemaliger Wohnsitz in Pentling gehörten gerichtsbekannt jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt des Erbfalls nicht zum Nachlass des Erblassers. Passiva hingegen zählen nicht zum Nachlassvermögen im Sinne des Art. 10 Abs. 2 EuErbVO (vgl. MüKoBGB/Dutta, 9. Aufl. 2024, EuErbVO, Art. 10 Rn. 5).

    c) Auch die Voraussetzungen einer Notzuständigkeit (forum necessitatis) nach Art. 11 EuErbVO liegen nicht vor.

    aa) Zwar können die Gerichte eines Mitgliedsstaates in Ausnahmefällen in einer Erbsache entscheiden, wenn es nicht zumutbar ist oder sich als unmöglich erweist, ein Verfahren in einem Drittstaat, zu dem die Sache einen engen Bezug aufweist, einzuleiten oder zu führen.

    Ausweislich Erwägungsgrund 31 EuErbVO erweist sich eine Verfahrenseinleitung bzw. -führung etwa dann als rechtlich oder tatsächlich unmöglich, wenn nach dem Recht des betreffenden Staates keine Zuständigkeit besteht - ggf. auch bei fehlender Gerichtsbarkeit wegen breiterer Gewährung von Immunität - oder weil die Rechtspflege wegen Krieg, Bürgerkrieg, Besatzung oder aufgrund einer Naturkatastrophe in einem eigentlich zuständigen Staat still steht (Burandt/Rojahn/Burandt/Schmuck, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, EuErbVO, Art. 11 Rn. 1). Darüber hinaus kann eine entsprechende Unmöglichkeit in einem sog. "gescheiterten Staat" gegeben sein, der seine grundlegenden Funktionen nicht mehr erfüllen kann (vgl. MüKoFamFG/Rauscher, 3. Aufl. 2019, EU-ErbVO, Art. 11 Rn. 4).

    Auch die rechtliche oder tatsächliche Unzumutbarkeit der Verfahrenseinleitung oder -führung wäre geeignet, eine entsprechende Notzuständigkeit nach Art. 11 EuErbVO zu begründen. Eine solche könnte beispielsweise dann vorliegen, wenn die zu erwartende Entscheidung absehbar gegen den ordre public des potentiell nach Art. 11 EuErbVO zuständigen Staates verstößt, was sich aus Verfahrensrecht (rechtliches Gehör), vor allem aber aus dem angewendeten materiellen Recht (Ungleichbehandlung wegen Geschlecht, Religion, Staatsangehörigkeit) ergeben kann, oder wenn mit einer absehbar gravierend überlangen Verfahrensdauer, korruptionsgeneigten Gerichten, fehlender Gewähr eines fairen Verfahrens oder auch mit persönlichen Risiken im Fall der Einreise in den Gerichtsstaat (politische Verfolgung, ggf. auch Strafverfolgung) oder erheblich belastenden gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten (Kommunikation, Reise, Vertretung am Gerichtsort, Gerichtskosten, Verwaltungskosten) zu rechnen wäre (MüKoFamFG/Rauscher, 3. Aufl. 2019, EU-ErbVO, Art. 11 Rn. 5).

    bb) Die genannten Voraussetzungen liegen hier indes ersichtlich nicht vor. Auch wenn es sich bei dem Staat Vatikanstadt zweifellos um einen Drittstaat im Sinne des Art. 11 EuErbVO handelt, ist weder die Einleitung noch die Führung des gegenständlichen Verfahrens in diesem Drittstaat unzumutbar oder gar unmöglich im Sinne der Vorschrift. Eine entsprechende - rechtliche oder tatsächliche - Unmöglichkeit behauptet der Beschwerdeführer schon nicht.

    Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit der Verfahrenseinleitung oder -führung zur Anordnung einer Nachlasspflegschaft zur Ermittlung des bzw. der Erben des Erblassers vor den Gerichten des Staates Vatikanstadt in der oben beschriebenen oder in vergleichbarer Art und Weise sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Allein die Tatsache, dass es sich beim Staat Vatikanstadt um eine absolute Monarchie mit der Folge fehlender Gewaltenteilung handelt, macht die Einleitung und Durchführung erbrechtlicher Verfahren - allein um ein solches geht es im vorliegenden Fall - nicht unzumutbar, auch wenn es sich bei dem Erblasser um den emeritierten Papst handelt. Denn dort existieren vier unabhängige, aber assoziierte und funktionsfähige Gerichte, bestehend aus Einzelrichtern (1. Instanz), Gerichtshof (2. Instanz), Appellationsgericht mit sechs Richtern (3. Instanz) und Kassationshof, besetzt mit drei Richtern (4. Instanz), welche die Judikative des Staates Vatikanstadt sicherstellen. Dem Beschwerdeführer drohen bei der Einleitung und Durchführung des allein gegenständlichen erbrechtlichen Verfahrens zur Erbenermittlung hinsichtlich des Erblassers, welche er bislang noch nicht einmal versucht hat, weder erkennbare Rechtsverletzungen noch Ungleichbehandlungen oder andere persönliche Risiken. Auch wenn der Beschwerdeführer eine Prozessführung vor den deutschen Gerichten bevorzugen würde, steht die internationale Zuständigkeit in erbrechtlichen Verfahren nicht zu seiner Disposition, zumal es sich bei Art. 11 EuErbVO um eine Notzuständigkeit in absoluten Ausnahmesituationen handelt (BeckOKG, EuErbVO, Art. 11 Rn. 8).

    3. Da es aus den genannten Gründen vorliegend bereits an einer internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte fehlt, kommt es auf die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts München für die gegenständliche Anordnung der Nachlasspflegschaft nicht mehr entscheidungserheblich an.

    Gleiches gilt für die Frage der Begründetheit des Antrags des Beschwerdeführers auf Bestellung eines Nachlasspflegers zur Erbenermittlung.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

    Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

    RechtsgebietEuErbVOVorschriftenArt. 4 EuErbVO; Art. 10 EuErbVO; Art. 11 EuErbVO

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