21.08.2008 · IWW-Abrufnummer 082658
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 17.03.2008 – II B 3/08
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
II B 3/08
Gründe:
I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist die Alleinerbin ihres 1998 verstorbenen Ehemanns (E). Dieser war einer von rd. 1 000 Kommanditisten der X-KG (Besitz-KG), zu deren Gesellschaftsvermögen umfangreicher Grundbesitz gehörte. Darunter befand sich das streitgegenständliche Grundstück, das zusammen mit einem anderen Grundstück eine wirtschaftliche Einheit bildete.
Diese wirtschaftliche Einheit hatte die Besitz-KG langfristig der Y-KG (Betriebs-KG) vermietet. An dieser Betriebs-KG waren als einzige Kommanditistin die Besitz-KG und als einzige Komplementärin eine GmbH beteiligt, deren Geschäftsanteile wiederum E zu 64 v.H. hielt. Die wirtschaftliche Einheit war ertragsteuerrechtlich als Sonderbetriebsvermögen I bei der Betriebs-KG erfasst.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) ermittelte wegen der Vielzahl der Kommanditisten der Besitz-KG sowie wegen deren umfangreichen Grundbesitzes für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer jeweils zu den Bilanzstichtagen "Basiswerte" für die Grundstücke. Mit Bescheid vom 15. Februar 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Dezember 2005 stellte er den Grundstückswert für die streitbefangene wirtschaftliche Einheit gegenüber der Antragstellerin dementsprechend auf den 31. Dezember 1997 in Höhe von ... DM (... ¤) fest, da er zur Ermittlung des Werts des Betriebsvermögens der Besitz-KG erforderlich sei. Zugleich rechnete er das Grundstück als Betriebsgrundstück dem Gewerbebetrieb der Betriebs-KG zu. Die Bewertung erfolgte gemäß § 146 Abs. 2 und 4 des Bewertungsgesetzes in der beim Tod des E geltenden Fassung (BewG) auf der Grundlage des von der Betriebs-KG gezahlten Nutzungsentgelts. Während des anschließenden und noch nicht abgeschlossenen Klageverfahrens, in dem die Antragstellerin weiter eine Bewertung nach § 147 BewG verlangt, beantragte die Antragstellerin zunächst beim FA vergeblich die Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides und sodann --nach zwischenzeitlicher Zahlung der Erbschaftsteuer-- beim Finanzgericht (FG) mit Erfolg die Aufhebung der Vollziehung in Höhe von ... DM. Dabei erklärte sie sich mit dem Bewertungsstichtag einverstanden.
Das FG gelangte nach summarischer Prüfung zu der Ansicht, bei einer doppelstöckigen Personengesellschaft seien Grundstücke, die die Obergesellschaft der Untergesellschaft entgeltlich zur betrieblichen Nutzung überlasse, nach § 147 BewG zu bewerten. Das Nutzungsentgelt könne nicht einer unter Fremden vereinbarten Miete i.S. des § 146 Abs. 2 BewG gleichgestellt werden. Es fehle an einem Interessengegensatz zwischen Ober- und Untergesellschaft. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Grundstücksbewertung bei Betriebsaufspaltungen sei nicht einschlägig. Das von der Obergesellschaft überlassene Grundstück sei nämlich Sonderbetriebsvermögen bei der Untergesellschaft. Das Nutzungsentgelt gehöre daher zu den Vergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dies führe zur Verdrängung des Tatbestandes der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG bewirke, dass die Höhe des Nutzungsentgelts anders als bei einer Betriebsaufspaltung keinen Einfluss auf das Betriebsergebnis der beteiligten Gesellschaften habe. Eine übliche Miete i.S. des § 146 Abs. 3 BewG lasse sich nicht ermitteln.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde wendet sich das FA dagegen, aus der Eigenschaft des Grundstücks als Sonderbetriebsvermögen zu folgern, das Nutzungsentgelt sei keine Miete i.S. des § 146 Abs. 2 BewG. Die ertragsteuerrechtliche Behandlung des Nutzungsentgelts als Vorabgewinn bedeute nicht, dass es nichts über die Ertragskraft des Grundstücks aussage. Die Ertragskraft solle aber nach dem Willen des Gesetzgebers vorrangiger Bewertungsmaßstab sein. Führe dies im Einzelfall zu einem zu hohen Grundstückswert, stehe der Nachweis eines geringeren gemeinen Werts offen.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde ist begründet; der Beschluss des FG über die Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Feststellungsbescheides war daher aufzuheben. Die Feststellung des streitigen Grundstückswerts nach § 146 Abs. 2 BewG ist bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Insoweit bestehen keine ernstlichen Zweifel i.S. des § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheides.
1. Eine Bewertung nach § 147 BewG --wie von der Antragstellerin angestrebt-- kommt nur in Betracht, wenn sich für das zu bewertende bebaute Grundstück eine übliche Miete i.S. des § 146 Abs. 3 BewG nicht ermitteln lässt. Diese Voraussetzung ist im Streitfall schon deshalb nicht erfüllt, weil in Gestalt des von der Betriebs-KG gezahlten Entgelts vereinnahmte Mieten i.S. des § 146 Abs. 2 BewG vorliegen, die bereits innerhalb der Bewertung nach § 146 BewG den Zugang zur üblichen Miete im Sinne des Absatzes 3 der Vorschrift versperren. Damit bleibt erst Recht der Weg in den § 147 BewG verschlossen.
2. Dem Bewertungsverfahren des § 146 Abs. 2 BewG liegt zwar der Gedanke zugrunde, dass die in den letzten drei Jahren vor dem Bewertungsstichtag erzielten Jahresmieten den Ertragswert des zu bewertenden Grundstücks widerspiegeln. Angesichts des typisierenden Charakters der Bedarfsbewertung bebauter Grundstücke ist daraus jedoch nicht zu folgern, die erzielten Mieten seien im Einzelfall daraufhin zu überprüfen, ob ihnen die zugedachte Aussagekraft für den Ertragswert des betreffenden Grundstücks tatsächlich zukommt. Der Gesetzgeber hat vielmehr für bestimmte Sachverhalte ebenfalls typisierend eine derartige Aussagekraft verneint und es damit in allen anderen Fällen bei der Maßgeblichkeit der vereinnahmten Mieten belassen. Dies ist unbedenklich, weil den Grundstückseigentümern gemäß § 146 Abs. 7 BewG der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts offensteht. Zu den Sachverhalten, bei denen die vereinnahmten Mieten unbeachtlich sind, gehören lediglich die entgeltlichen Nutzungsüberlassungen an Angehörige i.S. des § 15 der Abgabenordnung oder an Arbeitnehmer des Eigentümers, nicht aber die Vermietung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung oder von Grundstücken, die im Gewerbebetrieb des Mieters ertragsteuerrechtlich Sonderbetriebsvermögen sind.
3. Für die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung vereinnahmten Mieten hat der BFH dies bereits mehrfach entschieden (Urteil vom 2. Februar 2005 II R 4/03, BFHE 208, 421, BStBl II 2005, 426, sowie Beschluss vom 13. Februar 2008 II B 59/07). Die vereinnahmten Mieten sind dabei allerdings nur insoweit maßgeblich, als sie auf das zu bewertende Grundstück samt Gebäude entfallen. Soweit sie etwa die Nutzung von Betriebsvorrichtungen abgelten, sind sie zuvor gemäß § 138 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG verhältnismäßig zu kürzen.
4. Werden --wie im Streitfall-- die Rechtsfolgen einer Betriebsaufspaltung durch § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG verdrängt (vgl. dazu BFH-Urteile vom 7. Dezember 2000 III R 35/98, BFHE 194, 294, BStBl II 2001, 316, 319, sowie vom 18. August 2005 IV R 59/04, BFHE 210, 415, BStBl II 2005, 830) und ergibt sich stattdessen, dass das zu bewertende Grundstück gemäß § 4 Abs. 1 EStG Sonderbetriebsvermögen im Gewerbebetrieb des Mieters darstellt, weil der Vermieter es als (Mit-)Unternehmer des Betriebs des Mieters diesem Betrieb gewidmet hat (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, unter C.III.6.a bb), ergibt sich auch daraus kein der Anwendung des § 146 Abs. 2 BewG vorgelagertes bewertungsrechtliches Hindernis, die vereinnahmten Mieten zur Bestimmung der Jahresmiete i.S. des § 146 Abs. 2 BewG heranzuziehen.
Die Eigenschaft des zu bewertenden Grundstücks als Sonderbetriebsvermögen wirkt sich über § 12 Abs. 5 Satz 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes i.V.m. § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG lediglich dergestalt aus, dass das Grundstück zunächst dem Gewerbebetrieb des Betriebsunternehmens zugeordnet wird. Dies nimmt ihm aber nicht seine Eignung als Mietobjekt. Gemäß § 97 Abs. 1 a Nr. 1 BewG ist es nämlich sodann dem Grundstückseigentümer --hier der Besitz-KG--, dem es gehört, mit dem Wert vorab zuzurechnen, mit dem es im Wert des Betriebsvermögens des Betriebsunternehmens enthalten ist. Die Zuordnung des Grundstücks(werts) auf den Grundstückseigentümer erfährt auf diese Weise bewertungsrechtlich lediglich einen "Umweg", der aber zivilrechtlich die Eigentumsverhältnisse ebenso unberührt lässt wie die Möglichkeit, zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Betriebsunternehmen einen auch bewertungsrechtlich, d.h. gemäß § 146 Abs. 2 BewG, zu beachtenden Mietvertrag abzuschließen.