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  • 14.12.2006 · IWW-Abrufnummer 063702

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 31.05.2006 – II R 66/04

    Ein inländischer Vermögensverwahrer oder -verwalter ist verpflichtet, in die Anzeigen nach § 33 Abs. 1 ErbStG auch Vermögensgegenstände einzubeziehen, die von einer Zweigniederlassung im Ausland verwahrt oder verwaltet werden.


    Gründe:

    I.

    Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein national und international tätiges Kreditinstitut. Die X-Bank, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin zum 1. Januar 1999 geworden ist, hatte im Jahr 1978 eine Zweigniederlassung in London errichtet. Für die von dieser Zweigniederlassung geführten Konten bestand die Anweisung, diese nicht in die beim Tod eines Kunden zu erstattende Anzeige nach § 33 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) einzubeziehen.

    Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung bei der X-Bank forderte die Steuerfahndungsstelle des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) die X-Bank mit Schreiben vom 21. Dezember 1998 unter Berufung auf § 33 ErbStG und § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) auf, ab dem Jahr 1992 alle von der Betriebsstätte in London verwalteten Vermögensgegenstände und Forderungen, die bei dem Tod eines inländischen Erblassers zu dessen Vermögen gehörten oder über die dem Erblasser zur Zeit seines Todes die Verfügungsmacht zustand, in der nach § 5 der Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung (ErbStDV) vorgesehenen Form bis zum 31. März 1999 dem jeweils für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen FA anzuzeigen und der Steuerfahndungsstelle eine Mehrfertigung zu übersenden. Für den Fall der Nichterfüllung wurde ein Zwangsgeld angedroht.

    Im Einspruchsverfahren vertrat die Klägerin die Auffassung, der Bescheid sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, weil es sich um ein unzulässiges Sammelauskunftsersuchen und Ermittlungen "ins Blaue hinein" handele. § 33 Abs. 1 ErbStG sei auf Konten, die bei ausländischen Filialen inländischer Banken geführt würden, nicht anwendbar, weil die Bank dieses Vermögen nicht in ihrem Gewahrsam habe. Denn der Kunde könne von der inländischen Bank für den Fall, dass der ausländische Staat ein Zahlungsmoratorium verhänge, keine Erfüllung verlangen. In § 15 des Geldwäschegesetzes (GWG) sei für eine vergleichbare Fallkonstellation eine Auskunftspflicht ausländischer Zweigniederlassungen inländischer Banken ausdrücklich angeordnet, woran es in § 33 Abs. 1 ErbStG aber fehle. Zudem verletze der angefochtene Verwaltungsakt das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip.

    Während des Einspruchsverfahrens richtete das FA an die Klägerin am 5. Juli 1999 ein Schreiben, mit dem der Tenor des Bescheids vom 21. Dezember 1998 "im Wege der Teilabhilfe" dahin gehend neu gefasst wurde, dass für Todesfälle ab dem Jahr 1992 um Mitteilung aller Personen gebeten wurde, denen zum Zeitpunkt ihres Todes in der Betriebsstätte in London Vermögensgegenstände oder Forderungen zustanden oder denen darüber eine Verfügungsbefugnis erteilt war. Die Auskunft sollte u.a. die genaue Bezeichnung der Anlage, den Nennbetrag der Forderung oder den Kurswert am Todestag enthalten und war bis zum 31. Dezember 1999 zu erteilen. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

    Im Klageverfahren legte die Klägerin ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen ein Urteil des Court of Appeal vom 17. Dezember 1923 in der Sache Tournier v. National Provincial and Union Bank of England und das Ergebnis einer Datenbankrecherche --beides ausschließlich in englischer Sprache-- vor. Aus dem Urteil soll sich nach Auffassung der Klägerin ergeben, dass in Großbritannien errichtete Zweigniederlassungen ausländischer Banken den Finanzbehörden ihres Heimatstaats keine Auskünfte erteilen dürfen.

    Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2005, 461).

    Mit ihrer Revision vertieft und ergänzt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Einspruchs- und Klageverfahren.

    Die Klägerin beantragt,

    das angefochtene Urteil, die Bescheide vom 21. Dezember 1998 und vom 5. Juli 1999 sowie die ergangenen Einspruchsentscheidungen aufzuheben.

    Das FA beantragt,

    die Revision zurückzuweisen.

    II.

    Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

    1. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtmäßig. Die Klägerin ist verpflichtet, in die Anzeigen nach § 33 Abs. 1 ErbStG auch Vermögensgegenstände und Forderungen einzubeziehen, die von ihrer Zweigniederlassung in London verwahrt oder verwaltet werden.

    Nach der genannten Vorschrift hat der, der sich geschäftsmäßig mit der Verwahrung oder Verwaltung fremden Vermögens befasst, diejenigen in seinem Gewahrsam befindlichen Vermögensgegenstände und diejenigen gegen ihn gerichteten Forderungen, die beim Tod eines Erblassers zu dessen Vermögen gehörten oder über die dem Erblasser zur Zeit seines Todes die Verfügungsmacht zustand, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen FA anzuzeigen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

    a) Die Klägerin befasst sich als Kreditinstitut geschäftsmäßig mit der Verwahrung und Verwaltung fremden Vermögens.

    aa) Soweit § 33 Abs. 1 ErbStG die Anzeigepflicht für Vermögensgegenstände, die nicht in einer Forderung des Erblassers gegen den Vermögensverwahrer oder -verwalter selbst bestehen, von dem Gewahrsam des Vermögensverwahrers oder -verwalters abhängig macht, steht der Annahme des Gewahrsams der Klägerin an den Vermögensgegenständen ihrer Kunden, die in einer ausländischen Zweigniederlassung verwahrt oder verwaltet werden, nicht der für eine Zweigniederlassung typische Grad an organisatorischer Selbständigkeit entgegen.

    Der in § 33 Abs. 1 ErbStG verwendete Begriff des Gewahrsams (vgl. dazu Gutachten des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 25. Juni 1920 II D 4/20, RFHE 3, 246, und Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. August 1964 II 125/62 U, BFHE 80, 481, BStBl III 1964, 647) ist umfassender als der zwangsvollstreckungs- oder strafrechtliche Gewahrsamsbegriff. Gewahrsam ist danach ein Zustand unmittelbarer tatsächlicher Einwirkungsmöglichkeit auf Sachen oder Rechte.

    Der Gewahrsam der Klägerin erstreckt sich auch auf Vermögensgegenstände, die in ihren ausländischen Zweigniederlassungen verwahrt werden. Dies folgt schon daraus, dass die durch § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 des Kreditwesengesetzes (KWG) angeordneten internen Kontrollverfahren (internes Kontrollsystem und interne Revision) in vollem Umfang auch Zweigniederlassungen im Ausland erfassen müssen.

    Der Verweis der Klägerin auf die Gefahr eines durch die Bank of England verhängten Zahlungsmoratoriums führt zu keiner anderen Betrachtung. Denn bei der Beurteilung des --rein tatsächlich ausgerichteten-- Gewahrsamsbegriffs ist auf die unter regelmäßigen Umständen gegenwärtig bestehende Zugriffsmöglichkeit abzustellen. Die abstrakte Möglichkeit einer Einschränkung der Verfügungen von Bankkunden über ihre Geldanlagen durch künftige staatliche Maßnahmen steht der Annahme des gegenwärtigen Gewahrsams des vermögensverwahrenden oder -verwaltenden Kreditinstituts nicht entgegen. Im Übrigen müsste die von der Klägerin angestellte Betrachtung angesichts der in Deutschland ebenfalls möglichen Verhängung eines Moratoriums (§ 47 KWG) dazu führen, dass Kreditinstitute auch an Geldanlagen, die im Inland verwahrt werden, keinen Gewahrsam hätten. § 33 Abs. 1 ErbStG liefe damit aber leer.

    bb) Auf den Gewahrsam der Klägerin kommt es nach dem Gesetzeswortlaut ohnehin nicht an, soweit sich die Anzeigepflicht auf Forderungen des Erblassers gegen den Vermögensverwahrer oder -verwalter bezieht. Dies betrifft beispielsweise Festgeldanlagen der im Kontoauszug vom 30. Mai 1995 dokumentierten Art.

    b) Die --dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 ErbStG entsprechende-- Einbeziehung der in ausländischen Niederlassungen inländischer Banken geführten Konten und Depots in die Anzeigepflicht entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung und ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

    aa) Der Gesetzgeber wollte mit der Vorläufernorm des § 33 Abs. 1 ErbStG (§ 59 ErbStG 1919) das Erblasservermögen möglichst vollständig erfassen. Die Steuergesetzgebung der damaligen Zeit war "von dem Bestreben beherrscht, jegliches Verborgenbleiben oder Verstecken von Vermögen unmöglich zu machen" (RFH-Gutachten in RFHE 3, 246, unter Bezugnahme auf die Begründung zum ErbStG 1919, Nr. 376 der Drucksachen der verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung vom 16. Juni 1919). Diese Zielrichtung bestimmt auch § 33 Abs. 1 ErbStG. Nach dem Sinn und Zweck der §§ 30 ff. ErbStG soll die Anzeige u.a. der Vermögensverwahrer und -verwalter das FA über das Vorliegen eines Erwerbsvorgangs unterrichten und damit die möglichst vollständige Erfassung aller Erwerbe sicherstellen. Damit dient auch § 33 Abs. 1 ErbStG in erster Linie dazu, dem FA die Prüfung zu erleichtern, ob und wen es im Einzelfall zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung aufzufordern hat (BFH-Urteile vom 16. Oktober 1996 II R 43/96, BFHE 181, 351, BStBl II 1997, 73; vom 10. November 2004 II R 1/03, BFHE 208, 33, BStBl II 2005, 244; vgl. zum Normzweck auch Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl. 2004, § 33 Anm. 2). Die Herausnahme der Auslandsniederlassungen aus der Anzeigepflicht würde die Erreichung dieses Zwecks --jedenfalls teilweise-- gefährden.

    bb) Die Einbeziehung der genannten Vermögenswerte in die Anzeigepflicht steht in Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die von der Klägerin vertretene einschränkende Auslegung würde die Gefahr mit sich bringen, dass Inländer ihr Vermögen durch Anlage bei Auslandsniederlassungen deutscher Banken dem Anwendungsbereich der Anzeigepflicht entziehen und sich damit --mangels sonstiger Verifikationsmöglichkeiten der inländischen Finanzverwaltung-- faktisch der Erbschaftsbesteuerung entledigen (vgl. zum Verhältnis zwischen materiellen steuerrechtlichen Belastungsnormen und flankierenden verfahrensrechtlichen Regelungen zur Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Urteile des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, und vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56).

    Zwar stehen der inländischen Finanzverwaltung auch hinsichtlich des Vermögens, das bei --rechtlich selbständigen-- ausländischen Banken angelegt ist, nur sehr eingeschränkte Verifikationsmöglichkeiten zur Verfügung. Dies ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht jedoch aufgrund des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips hinzunehmen (BFH-Urteil vom 7. September 2005 VIII R 90/04, BFHE 211, 183, BStBl II 2006, 61; Verfassungsbeschwerde unter dem Az. 2 BvR 2077/05 anhängig). Soweit das Völkerrecht --wie hier (dazu noch unten c bb)-- aber eine Kontrollmöglichkeit zulässt, ist der Gesetzgeber gehalten, die tatsächliche Durchsetzung der materiellen Steuerpflicht nicht durch eine gegenläufige rechtliche Ausgestaltung des Erhebungsverfahrens zu behindern (BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1.). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber der Regelung des § 33 Abs. 1 ErbStG einen Inhalt hat geben wollen, der mit diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar wäre.

    c) Die weiteren von der Klägerin vorgebrachten Gesichtspunkte stehen diesem Auslegungsergebnis ebenfalls nicht entgegen.

    aa) Eine einschränkende Auslegung des gesetzlichen Wortlauts ist weder durch den Regelungszusammenhang des § 33 Abs. 1 ErbStG noch durch andere gesetzliche Vorschriften veranlasst.

    Der Hinweis der Klägerin auf die Haftungsregelung des § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG geht schon wegen des im Vergleich zu § 33 Abs. 1 ErbStG unterschiedlichen Regelungszusammenhangs und -gehalts fehl. § 20 ErbStG soll allein die möglichst vollständige Steuererhebung in Fällen sicherstellen, in denen diese nach der Einschätzung des Gesetzgebers typischerweise gefährdet sein kann. Demgegenüber soll die Anzeigepflicht nach § 33 ErbStG --wie unter II.1.b bb dargelegt-- eine möglichst lückenlose Steuerfestsetzung sicherstellen. § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG enthält nicht etwa einen Haftungstatbestand für den Fall der Verletzung der Anzeigepflichten nach § 33 Abs. 1 ErbStG, sondern knüpft an anderweitige Pflichtverletzungen an.

    Eine Einschränkung des § 33 Abs. 1 ErbStG ergibt sich auch nicht aus § 15 GWG. Denn § 15 Satz 1 GWG bezieht nicht allein die --rechtlich unselbständigen-- Auslandszweigstellen, sondern vor allem die rechtlich selbständigen, aber von einer inländischen Konzernmutter abhängigen Unternehmen im Ausland in die Anzeigepflichten ein. Damit geht diese Regelung weit über § 33 Abs. 1 ErbStG hinaus.

    Gleiches gilt für die von der Klägerin angeführte Sonderregelung für Betriebsstätten in § 90 Abs. 3 Satz 4 AO 1977. Diese Vorschrift ist für die Auslegung des § 33 Abs. 1 ErbStG schon deshalb ohne Bedeutung, weil § 90 AO 1977 ausschließlich Mitwirkungspflichten der Beteiligten betrifft; die nach § 33 Abs. 1 ErbStG Anzeigeverpflichteten sind hingegen nicht Beteiligte eines Besteuerungsverfahrens (vgl. auch § 78 AO 1977). Überdies erklärt sich die Notwendigkeit der in § 90 Abs. 3 Satz 4 AO 1977 getroffenen Regelung daraus, dass die in § 90 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 angeordneten Aufzeichnungspflichten zunächst nur für Geschäftsbeziehungen zwischen rechtlich selbständigen Rechtssubjekten i.S. des § 1 Abs. 2 des Außensteuergesetzes (AStG) gelten. Daraus folgt unmittelbar das Erfordernis einer ausdrücklichen Regelung für Aufzeichnungspflichten zur Gewinnabgrenzung zwischen rechtlich unselbständigen Organisationseinheiten. Für die Auslegung des § 33 Abs. 1 ErbStG, dessen Regelungstechnik schon im Ansatz nicht mit der des § 90 Abs. 3 AO 1977 i.V.m. § 1 Abs. 2 AStG vergleichbar ist, kann daraus nichts hergeleitet werden.

    bb) Allgemeine Regeln des Völkerrechts, die nach Art. 25 des Grundgesetzes (GG) Bestandteil des Bundesrechts sind und den deutschen Gesetzen vorgehen, stehen dieser Auslegung nicht entgegen.

    Zwar ist hoheitliches Handeln der Behörden des einen Staates im Hoheitsbereich eines anderen Staates ohne dessen Zustimmung grundsätzlich völkerrechtswidrig (BVerfG-Urteil vom 22. März 1983 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343, unter B.II.3.b aa, m.w.N.). Eine solche Konstellation ist hier aber nicht gegeben.

    Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz des Völkerrechts, der der Anordnung der unbeschränkten Steuerpflicht im Fall des Vorhandenseins eines inländischen Wohnsitzes entgegensteht (BFH-Urteil vom 24. Januar 2001 I R 100/99, BFH/NV 2001, 1402, unter 2.d; das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 18. Januar 2003 2 BvR 952/01 nicht zur Entscheidung angenommen). Dass es völkerrechtlich kein allgemeines Verbot des Doppelzugriffs gibt, zeigt sich schon daran, dass nahezu alle Staaten eine unbeschränkte Steuerpflicht kennen, die eine weltweite Erstreckung der Bemessungsgrundlage vorsieht (Welteinkommen, Weltvermögen, Weltnachlass). Erst in bilateralen Abkommen verzichten die Staaten --unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit-- auf einen Teil dieses weltweiten Zugriffs. Wenn aber die gesetzliche Ausgestaltung der unbeschränkten Steuerpflicht, die grundsätzlich auch im Ausland belegenes Vermögen erfasst, völkerrechtlich zulässig ist, dann kann die gesetzliche Anordnung einer Anzeigepflicht, die sich an inländische Rechtssubjekte wendet, von diesen aber ggf. auch Angaben im Zusammenhang mit ihrer Auslandsgeschäftstätigkeit erfordert, nicht völkerrechtswidrig sein.

    Deutsche Gerichte überschreiten ihre Gerichtsbarkeit nicht, wenn ihre Urteile ausschließlich Wirkungen im Inland haben und eine Erzwingung nur durch inländische Maßnahmen zulässig ist (Mülhausen, Wertpapier-Mitteilungen 1986, 985, 989). Gleiches gilt für eine gesetzliche Anordnung, die sich --wie § 33 Abs. 1 ErbStG-- an inländische Rechtssubjekte richtet und nur im Inland erzwungen werden kann, sowie für entsprechende Verwaltungsakte deutscher Finanzbehörden. Eine Maßnahme ist auch dann auf das inländische Staatsgebiet beschränkt, wenn von einem inländischen Steuerpflichtigen Unterlagen über eine ausländische Gesellschaft angefordert werden (BFH-Urteil vom 16. April 1986 I R 32/84, BFHE 147, 14, BStBl II 1986, 736, unter 3.c). Die Wirkungen der im Streitfall maßgebenden Anzeigepflicht bleiben indes noch hinter denen der in der vorgenannten Entscheidung zu beurteilenden Maßnahme zurück, weil vorliegend von einem inländischen Kreditinstitut lediglich hausinterne Informationen angefordert werden.

    Auch die Bankenaufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erstreckt sich --wie sich aus § 8 Abs. 3 KWG ergibt-- auf die Zweigniederlassungen einer inländischen Bank in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Für die Aufsicht über die Niederlassungen und die grenzüberschreitenden Dienstleistungen ist die Behörde am Sitz des Instituts zuständig (Herkunfts- oder Sitzlandaufsicht; vgl. Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2004, § 8 Rn. 13); die Aufsichtsbefugnisse der Behörde des Staates der Zweigniederlassung reduzieren sich auf eine bloße Restzuständigkeit (Marwede in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 53 KWG Rn. 4). Diese Rechtslage (für Deutschland § 53b KWG) gilt infolge der Zweiten EG-Bankrechtskoordinierungsrichtlinie vom 15. Dezember 1989 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- vom 30. Dezember 1989, Nr. L 386) spiegelbildlich auch für die Befugnisse der deutschen Aufsichtsbehörden gegenüber der Londoner Niederlassung der Klägerin. Diese Niederlassung unterliegt daher --völkerrechtlich unbedenklich-- ohnehin einem strengen Zugriff deutscher Behörden.

    cc) Die durch Art. 43 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (in der Fassung des Vertrags von Nizza vom 26. Februar 2001, BGBl II 2001, 1666) garantierte Niederlassungsfreiheit ist nicht verletzt, da die ausländische Niederlassung nicht als Anknüpfung für die Auferlegung einer zusätzlichen Pflicht dient. Die Klägerin, deren Geschäftsbetrieb sich sowohl auf das Inland als auch auf das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaats erstreckt, wird hinsichtlich der Anzeigepflicht vielmehr genauso behandelt wie ein Kreditinstitut, dessen Geschäftsbetrieb sich auf das Inland beschränkt. Eine Diskriminierung liegt hierin nicht.

    2. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind auch im Übrigen rechtmäßig.

    a) Sie sind wirksam, insbesondere inhaltlich hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO 1977.

    Die Klägerin rügt insoweit, dass keiner der beiden Bescheide erkennen lasse, bei welchem FA die Anzeige einzureichen sei. Indes ist im Bescheid vom 21. Dezember 1998 ausdrücklich angeordnet, dass die Vermögensgegenstände "dem zuständigen Erbschaftsteuerfinanzamt" anzuzeigen sind. Damit nimmt dieser Verwaltungsakt die gesetzliche Formulierung des § 33 Abs. 1 Satz 1 ErbStG auf, die wiederum an die Zuständigkeitsregelung des § 35 Abs. 1 ErbStG anknüpft. Unklarheiten über das für die Entgegennahme der Anzeige zuständige FA ergeben sich daraus nicht.

    Der Verwaltungsakt vom 5. Juli 1999 enthält zwar keine ausdrückliche Regelung mehr dazu, an welche Behörde die Anzeige zu richten ist. Wegen seiner Bezugnahme auf § 33 ErbStG ist er jedoch dahin auszulegen, dass insoweit die von der gesetzlichen Regelung vorgesehene Rechtsfolge eintreten soll, die Anzeige also an das für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständige FA zu richten ist (§ 33 Abs. 1 Satz 1, § 35 Abs. 1 ErbStG).

    b) Die Verwaltungsakte sind formell rechtmäßig. Insbesondere war das (Steuerfahndungs-)FA für ihren Erlass sachlich zuständig.

    Zu den Aufgaben der Steuerfahndung gehört die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977). Die insoweit an die Aufnahme entsprechender Ermittlungen zu stellenden Anforderungen sind zwar wesentlich geringer als jene, von denen die Einleitung eines Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens (vgl. § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977) abhängt; gleichwohl bedarf es für ein Tätigwerden der Steuerfahndung auch hier eines begründeten Anlasses. Ein solcher ist gegeben, wenn aufgrund konkreter Momente oder allgemeiner Erfahrung eine Anordnung bestimmter Art geboten ist. Zu einer "Rasterfahndung" oder zu Ermittlungen "ins Blaue hinein" ist die Steuerfahndung danach nicht berechtigt (zum Ganzen BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, unter II.2.b, die Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos, s. BVerfG-Beschluss vom 6. April 1989 1 BvR 33/87, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1989, 440; BFH-Beschluss vom 25. Juli 2000 VII B 28/99, BFHE 192, 44, BStBl II 2000, 643, unter II.2.c aa). Vorliegend geht es jedoch nicht um eine "Rasterfahndung" nach bestimmten Bankkunden, sondern lediglich um die Durchsetzung der gesetzlichen Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG, der die Klägerin bisher nicht nachgekommen ist. In der jahrelangen Nichterfüllung der Anzeigepflicht durch die X-Bank und die Klägerin liegt jedenfalls ein "konkreter Moment", der das Tätigwerden der Steuerfahndung als geboten erscheinen lässt.

    Hinzu kommt, dass eine andere Finanzbehörde, die die angefochtenen Verwaltungsakte hätte erlassen können, nicht ersichtlich ist. Insbesondere ist es faktisch keinem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen FA (§ 35 Abs. 1 ErbStG) möglich, die Klägerin zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Anzeigepflichten aufzufordern. Denn bis zur Erfüllung dieser Anzeigepflicht hat keine Dienststelle der Finanzverwaltung Kenntnis davon, welcher Erblasser Vermögensgegenstände von einer ausländischen Zweigniederlassung der Klägerin hat verwahren oder verwalten lassen. Bei dieser Sachlage gehört es zu den Aufgaben des beklagten FA, dessen Steuerfahndungsstelle zumindest Kenntnis davon hatte, dass die Klägerin ihren gesetzlichen Anzeigepflichten nicht nachkam, die Klägerin zur Erfüllung dieser Pflichten aufzufordern.

    c) Die Verwaltungsakte sind auch materiell rechtmäßig.

    aa) Sie finden ihre Ermächtigungsgrundlage in § 33 Abs. 1 ErbStG, da ihr Regelungsgehalt sich im Ergebnis darauf beschränkt, die X-Bank und die Klägerin zur Erfüllung ihrer sich aus der genannten Norm ergebenden Anzeigepflicht aufzufordern. Das Vorbringen der Klägerin, es handele sich um unzulässige Sammelauskunftsersuchen, geht damit schon im Ansatz fehl.

    Die in den Verwaltungsakten von der X-Bank bzw. der Klägerin verlangten Handlungen entsprechen den von § 33 Abs. 1 ErbStG vorgesehenen Rechtsfolgen. Soweit der Verwaltungsakt vom 21. Dezember 1998 eine ausdrückliche Beschränkung auf inländische Erblasser enthält, bleibt er zwar hinter den Rechtsfolgen des § 33 Abs. 1 ErbStG --der eine solche Beschränkung nicht kennt (vgl. aber die im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 13. Juni 2000, Der Betrieb 2000, 2350, vorgesehene Erleichterung, wonach die Bank von einer Anzeige des in einer ausländischen Niederlassung verwahrten Vermögens absehen kann, wenn ihr bekannt ist, dass weder der Erblasser noch ein Erwerber Inländer i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist)-- zurück, kann aber gleichwohl auf diese Norm gestützt werden.

    Der Verwaltungsakt vom 5. Juli 1999 enthält die genannte Beschränkung zwar nicht mehr ausdrücklich. Da das FA aber mit diesem Bescheid dem Einspruch teilweise abhelfen wollte und eine Verböserung nicht beabsichtigt war, ist er dahin gehend auszulegen, dass ebenfalls nur das Vermögen inländischer Erblasser anzuzeigen ist.

    Die im Bescheid vom 21. Dezember 1998 --über die Vorgaben des § 33 Abs. 1 ErbStG hinaus-- enthaltene Anordnung der Übersendung einer Mehrfertigung der Anzeige an das Steuerfahndungs-FA, die ihre Rechtsgrundlage in § 208 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 97 Abs. 1 AO 1977 finden mag, ist im Teilabhilfebescheid vom 5. Juli 1999 nicht mehr enthalten.

    Die vom FA verlangten Einzelangaben entsprechen den Vorgaben des Musters 1 zu § 1 ErbStDV (vor dem 1. August 1998: § 5 ErbStDV a.F.).

    bb) Die Bescheide sind nicht wegen eines Ermessensausfalls zu beanstanden. Die Klägerin ist insoweit der Auffassung, sie befinde sich in einer Pflichtenkollision, weil es der Londoner Zweigstelle nach britischem Recht untersagt sei, die in § 33 Abs. 1 ErbStG verlangten Auskünfte an deutsche Finanzbehörden zu übermitteln. Dies habe das FA im Rahmen seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen müssen.

    Die Klägerin verkennt, dass § 33 Abs. 1 ErbStG eine strikte Anzeigeverpflichtung begründet und nicht etwa das FA ermächtigt, nach seinem Ermessen eine solche Verpflichtung zu begründen. Auch vermag die von der Klägerin behauptete Pflichtenkollision schon deshalb nichts an ihrer Anzeigepflicht zu ändern, weil diese Pflicht allein nach deutschem Steuerrecht zu beurteilen ist. Der deutsche Gesetzgeber hat --ganz abgesehen davon, dass er etwaige Auswirkungen eines Auskunftsverbots nach ausländischem Recht nicht gegen sich gelten lassen muss (vgl. BFH-Urteile vom 16. April 1980 I R 75/78, BFHE 133, 19, BStBl II 1981, 492; in BFHE 147, 14, BStBl II 1986, 736, zu den Auswirkungen einer schweizerischen Strafvorschrift auf eine inländische Mitwirkungspflicht)-- die Anzeigepflicht durch § 33 Abs. 1 ErbStG auch auf Vermögensgegenstände und Forderungen bei bzw. gegen eine(r) ausländische(n) Zweigniederlassung der Klägerin erstreckt (vgl. oben unter II.1.) und nimmt damit auch etwaige Pflichtenkollisionen zu Lasten der Klägerin in Kauf. Es kann daher offen bleiben, ob sich dem von der Klägerin --nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG-- vorgelegten Urteil des Court of Appeal vom 17. Dezember 1923 überhaupt Hinweise auf eine mögliche Pflichtenkollision der Klägerin entnehmen lassen. Das FG, das für die Feststellung des Inhalts ausländischen Rechts zuständig ist (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juli 2003 I R 82/01, BFHE 202, 547, BStBl II 2004, 4, unter II.2.), hat indes nicht feststellen können, dass die in § 33 Abs. 1 ErbStG vorgesehene Anzeige nach britischem Recht unzulässig wäre.

    cc) Die angefochtenen Verwaltungsakte wahren auch die Anforderungen, die aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen. Der der Klägerin durch die Erfüllung der Anzeigepflicht entstehende Verwaltungsaufwand ist der gesetzlichen Anzeigepflicht immanent und im Verhältnis zu der Bedeutung, die eine gleichmäßige Steuererhebung für die Allgemeinheit hat (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG), nicht unangemessen.

    Entgegen der Auffassung der Klägerin war das FA auch nicht verpflichtet, die Wirkungen der angefochtenen Verwaltungsakte lediglich auf zukünftige Erbfälle zu beschränken. Dabei ist entscheidend zu berücksichtigen, dass das FA von der Klägerin nur die Erfüllung der sich ohnehin aus dem Gesetz ergebenden Pflichten verlangt. Zudem war der X-Bank und der Klägerin --wie der Vermerk der Steuerabteilung der X-Bank vom 14. Februar 1991 zeigt-- bekannt, dass mit einer gerichtlichen Bestätigung der Anzeigepflicht zu rechnen war.

    Die sich aus § 33 Abs. 1 ErbStG ergebenden Pflichten werden durch die Vorschrift des § 30a AO 1977 nicht eingeschränkt (so bereits BFH-Beschluss vom 2. April 1992 VIII B 129/91, BFHE 167, 417, BStBl II 1992, 616).

    RechtsgebieteErbStG, GGVorschriftenErbStG § 33 Abs. 1 GG Art. 25