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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 06.08.2010 – 1 K 2690/09 E

    Bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die der Veräußerer im Wege der vorweggenommenen Erbfolge durch Schenkung unter Vorbehalt des Nießbrauchs von einem Angehörigen erworben hat, ist der Ablösebetrag für den Verzicht des Rechtsvorgängers auf das Nießbrauchsrecht als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen.


    Tatbestand

    Der Vater des Klägers war im Jahr 2001 mit 90% an der A-GmbH (im Folgenden: GmbH) beteiligt, deren Stammkapital 70.000 DM betrug. Er schenkte dem Kläger aufgrund Notarvertrags vom 21. Mai 2001 einen Gesellschaftsanteil im Nennbetrag von 21.000 DM (30%). Die Anschaffungskosten des Vaters für diese GmbH-Anteile betrugen seinerzeit 175.392,86 DM. Mit notariellem Vertrag vom 15. März 2002 erwarb der Kläger einen Gesellschaftsanteil im Nennbetrag von 2.300 DM (3,29%) zu einem Kaufpreis von 150.000 DM von der bis dahin dritten Anteilseignerin. Im Rahmen der Euroumstellung wurde das Stammkapital der GmbH am 14. Januar 2004 auf 36.000 EUR erhöht. Der Kläger übernahm eine Stammeinlage von 86,90 EUR. Aufgrund Notarvertrags vom 16. März 2004 übertrug der Vater des Klägers diesem einen weiteren Gesellschaftsanteil im Nennbetrag von 23.700 EUR (65,83%) unentgeltlich. In diesem Notarvertrag behielt sich der Vater des Klägers an den übertragenen Gesellschaftsanteilen das lebenslängliche unentgeltliche Nießbrauchsrecht vor. Außerdem wurde vereinbart, dass der Kläger im Falle des früheren Ablebens seines Vaters seiner Mutter als dauernde Last einen monatlichen Betrag in Höhe von 2.000 EUR zahlten musste. Die Anschaffungskosten des Vaters für diese GmbH-Anteile beliefen sich auf 293.270,11 EUR. Nach Durchführung dieser Schenkung betrugen der Anteil des Klägers am Stammkapital der GmbH 35.700 EUR (99,17%) und der Anteil des Vaters am Stammkapital der GmbH 300 EUR (0,83%).

    Der Kläger und sein Vater verkauften sämtliche Anteile an der GmbH aufgrund Notarvertrag vom 19. November 2006 für 3.220.000 EUR an die B-GmbH & Co. KG. Im Rahmen einer Vereinbarung vom 15. Dezember 2006 verzichtete der Vater des Klägers auf das Nießbrauchsrecht und die Mutter des Klägers auf die ihr zustehende aufschiebend bedingte Last mit Wirkung zum 31. Dezember 2006. Als Gegenleistung für den Verzicht auf das Nießbrauchsrecht verpflichtete sich der Kläger einen Ablösebetrag in Höhe von 1.679.800 EUR an seinen Vater zu zahlen. Der Ablösebetrag war fällig mit Zahlung des Kaufpreises durch die B-GmbH & Co. KG an den Kläger. Die Zahlung des Ablösebetrages sollte unmittelbar durch die B-GmbH & Co. KG auf das Konto des Vaters des Klägers erfolgen. Insgesamt leistete die B-GmbH & Co. KG folgende Zahlungen an den Kläger und dessen Vater:

      Vater des Klägers Kläger Summe
    2007 1.279.950 EUR 1.135.050 EUR 2.415.000 EUR
    2008 426.650 EUR 378.350 EUR 805.000 EUR
    gesamt 1.706.600 EUR 1.513.400 EUR 3.220.000 EUR
    Die Übertragung der Anteile erfolgte im Streitjahr 2007. Durch die Veräußerung entstanden dem Kläger Veräußerungskosten in Höhe von 2.365,13 EUR.

    Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2007 erklärte der Kläger einen anzusetzenden Veräußerungsgewinn in Höhe von 525.636,90 EUR, den er wie folgt ermittelte:

    Veräußerungserlös 3.220.000,00 EUR x 99,17% 3.193.166,67 EUR
    ./. Anschaffungskosten 459.727,74 EUR + 1.679.800,00 EUR 2.139.527,74 EUR
    ./. Veräußerungskosten   2.365,13 EUR
    Veräußerungsgewinn   1.051.273,80 EUR
    Anzusetzen nach HEV   525.636,90 EUR
    Im Rahmen des Einkommensteuerbescheids 2007 vom 24. Februar 2009 legte der Beklagte einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 2.731.073 EUR zu Grunde, weil er die Zahlung des Klägers für die Ablösung des Nießbrauchs nicht als nachträgliche Anschaffungskosten anerkannte und das Halbeinkünfteverfahren nicht anwandte.

    Mit dem Einspruch machten die Kläger geltend, der Veräußerungsgewinn unterliege dem Halbeinkünfteverfahren. Außerdem handele es sich bei der Zahlung für die Ablösung des Nießbrauchs um nachträgliche Anschaffungskosten auf die GmbH-Anteile. In der ständigen Rechtsprechung des BFH würden Aufwendungen zur Befreiung eines Grundstücks von dinglichen Belastungen als nachträgliche Anschaffungskosten des Grundstücks angesehen. Dies gelte auch dann, wenn das Nutzungsrecht unentgeltlich eingeräumt oder das Grundstück unentgeltlich erworben worden sei. Es gäbe keinen Grund, die Beurteilung der Ablösung eines Nießbrauchsrechts im Falle einer wesentlichen Beteiligung steuerlich anders zu würdigen als die Abfindung für den Vorbehaltsnießbrauch bei Grundstücken. Vielmehr sei der Begriff der Anschaffungskosten bei Einkünften aus § 17 EStG nach der Rechtsprechung des BFH sogar weiter auszulegen als bei anderen Einkünften.

    Der Beklagte erließ am 12. März 2009 einen nach § 129 AO geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem er auf den vom ihm ermittelten Veräußerungsgewinn in Höhe von 2.731.073 EUR das Halbeinkünfteverfahren anwandte.

    Im Rahmen der Einspruchsentscheidung vom 02. Juli 2009 änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung dahingehend, dass er weitere Anschaffungskosten von 3.712,28 EUR berücksichtigte. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er führte im Wesentlichen aus, der Anschaffungskostenbegriff sei normspezifisch auszulegen. Bei § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG sollten die in einem unentgeltlich übertragenen Anteil enthaltenen stillen Reserven beim Rechtsnachfolger in voller Höhe steuerverhaftet bleiben. Bei der Eigentumsübertragung unter Nießbrauchvorbehalt und der späteren Ablösung des Nießbrauchs gegen Abfindungszahlung handele es sich um zwei getrennte, selbständig zu beurteilende Vorgänge. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 14. Juni 2005 VIII R 14/04, BFHE 210, 278, BStBl II 2006, 15) sei mit der unentgeltlichen Übertragung für den Erwerber der Erwerbsvorgang abgeschlossen und könne keine nachträglichen Anschaffungskosten mehr zu Folge haben. Insbesondere sei die Rechtsprechung des BFH zur Ablösung eines Nießbrauchsrechts an einem Grundstück auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die Ablösung eines Nutzungsrechts an einem Gesellschaftsanteil sei nicht mit der Ablösung eines Nutzungsrechts an einem Grundstück vergleichbar.

    Die Kläger haben am 27. Juli 2009 Klage erhoben.

    Sie wiederholen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und tragen ergänzend vor, weder der Wortlaut des § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG noch dessen teleologischer Inhalt enthielten ein Verbot der Entstehung von eigenen Anschaffungskosten des Erwerbers. Soweit der Beklagte sich auf die Entscheidung des BFH vom 14. Juni 2005 (VIII R 14/04, BFHE 210, 278, BStBl II 2006, 15) berufe, verkenne er, dass der BFH insoweit nur über die Veräußerung durch den Rechtsvorgänger, nicht aber über die Anschaffungskosten des die Ablösung zahlenden Erwerbers entschieden habe. Nach dem vom Beklagten zitierten BFH-Urteil sei die Ablösung des Nießbrauchsrechts losgelöst von der Übertragung der Gesellschaftsanteile im Wege der Schenkung zu würdigen. Hilfsweise seien die Aufwendungen für die Ablösung des Nießbrauchsrechts als Veräußerungskosten zu berücksichtigen, da erst die Ablösung die Erzielung des Veräußerungserlöses ermöglicht habe.

    Die Kläger beantragen,

    den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 12. März 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02. Juli 2009 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 274.392,00 EUR festgesetzt wird, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung vom 02. Juli 2009 und trägt ergänzend vor, Sinn und Zweck der Regelung in § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG sei es, die Wertsteigerung, die sowohl bei dem Rechtsvorgänger als auch bei dem unentgeltlichen Rechtsnachfolger eingetreten sei, steuerlich zu erfassen. Die Einräumung und spätere Ablösung des Vorbehaltsnießbrauchs seien nicht durch das Gesellschaftsverhältnis, sondern vielmehr durch das Verwandtschaftsverhältnis veranlasst. Aus dem gleichen Grund könnten die Aufwendungen auch nicht als Veräußerungskosten berücksichtigt werden.

    Gründe

    Die Klage ist ganz überwiegend begründet.

    Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2007 vom 12. März 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02. Juli 2009 ist insoweit rechtwidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO), als der Beklagte den Veräußerungsgewinn gem. § 17 EStG höher als 525.636 EUR angesetzt hat. Die Klage ist unbegründet, soweit die Kläger eine niedrigere Einkommensteuerfestsetzung als 274.468 EUR beantragt haben.

    Der Beklagte hat die Berücksichtigung des Ablösebetrags für den Verzicht auf das Nießbrauchsrecht bei den Einkünften aus § 17 EStG zu Unrecht versagt.

    Nach § 17 Abs. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzen fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war.

    Diese Voraussetzungen sind im Streitfall mit der Veräußerung der Gesellschaftsanteile an die B-GmbH & Co. KG erfüllt.

    Veräußerungsgewinn ist gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt.

    Der Veräußerungspreis von 3.220.000 EUR ist um die Anschaffungskosten von 2.139.527,74 EUR und die Veräußerungskosten von 2.365,13 EUR zu mindern, so dass sich ein dem Halbeinkünfteverfahren unterliegender Veräußerungsgewinn gem. § 17 Abs. 2 EStG von 1.051.273,80 EUR ergibt.

    Die Anschaffungskosten der Kapitalgesellschaftsanteile des Klägers betragen insgesamt 2.139.527,74 EUR.

    Die ursprünglichen Anschaffungskosten des Klägers belaufen sich auf 459.727,74 EUR.

    Dabei betragen die Anschaffungskosten für die entgeltlich erworbenen Anteile des Klägers einschließlich der Kapitalerhöhung 76.780,68 EUR.

    Hat der Veräußerer den veräußerten Anteil unentgeltlich erworben, so sind als Anschaffungskosten des Anteils die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers maßgebend, der den Anteil zuletzt entgeltlich erworben hat (§ 17 Abs. 2 Satz 5 EStG). Soweit der Kläger Anteile von seinem Vater im Wege der Schenkung erworben hat, sind dessen Anschaffungskosten von 382.947,06 EUR maßgebend (§ 17 Abs. 2 Satz 5 EStG).

    Die Anschaffungskosten des Vaters für die Anteile, die der Kläger aufgrund notariellen Schenkungsvertrags vom 21. Mai 2001 erworben hat, betragen 89.676,94 EUR (175.392,86 DM).

    Soweit der Kläger die Anteile aufgrund notariellen Schenkungsvertrags vom 16. März 2004 erworben hat, belaufen sich die Anschaffungskosten seines Vaters auf 293.270,11 EUR. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 14. Juni 2005 VIII R 14/04, BFHE 210, 278, BStBl II 2006, 15) ist die Übertragung einer wesentlichen Beteiligung i. S. von § 17 EStG unter dem Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts im Wege der vorweggenommenen Erbfolge eine unentgeltliche Vermögensübertragung. Eine Anteilsveräußerung liegt nach der Entscheidung des BFH auch dann nicht vor, wenn das Nießbrauchsrecht später abgelöst wird und der Nießbraucher für seinen Verzicht eine Abstandszahlung erhält, sofern der Verzicht auf einer neuen Entwicklung der Verhältnisse beruht. Da der Kläger und sein Vater im notariellen Schenkungsvertrag vom 16. März 2004 vereinbart haben, dass der Kläger im Falle des früheren Ablebens seines Vaters seiner Mutter als dauernde Last einen monatlichen Betrag von 2.000 EUR zahlten muss und der Kläger gesetzlicher Erbe des übertragenden Vaters ist, handelt es sich nach der Überzeugung des Senats um eine Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Diese Vermögensübertragung ist unentgeltlich erfolgt. Der Verzicht des Vaters des Klägers auf sein Vorbehaltsnießbrauchsrecht gegen eine Ablösezahlung im Jahr 2006 führt im Streitfall nicht dazu, dass die ursprüngliche unentgeltliche Vermögensübertragung auf den Kläger aufgrund notariellen Schenkungsvertrags vom 16. März 2004 rückwirkend als Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG einzustufen ist. Nach der Überzeugung des Senats beruht der Verzicht des Vaters des Klägers auf sein Nießbrauchsrecht auf einer neuen Entwicklung der Verhältnisse. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers beabsichtigen er und sein Vater nicht bereits bei Abschluss des notariellen Schenkungsvertrags am 16. März 2004 den Verkauf ihrer Gesellschaftsanteile. Dies wird auch durch die in diesem Vertrag enthaltenen dauernde Last zugunsten der Mutter des Klägers bestätigt. Darüber hinaus bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger und sein Vater schon bei Abschluss des Notarvertrags am 16. März 2004 beabsichtigten, ihre Anteile zu veräußern. Der Vater des Klägers verzichtete zum 31. Dezember 2006 auf sein Nießbrauchsrecht. Die Ablösezahlung von insgesamt 1.706.600 EUR floss ihm in 2007 und 2008 zu. Damit besteht nach Ansicht des Senats zwischen der Übertragung der Anteile auf den Kläger und der von diesem für die Ablösung des Nießbrauchsrechts geleisteten Zahlung kein erkennbarer sachlicher Zusammenhang.

    Die ursprünglichen Anschaffungskosten von 459.727,74 EUR erhöhen sich um nachträgliche Anschaffungskosten von 1.679.800 EUR auf insgesamt 2.139.527,74 EUR.

    Der BFH hat bereits mehrfach entschieden, dass zu den Anschaffungskosten einer Beteiligung auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung gehören, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind (BFH-Urteile vom 16. April 1991 VIII R 100/87, BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234 und vom 27. Oktober 1992 VIII R 87/89, BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340).

    Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 08. April 1998 VIII R 21/94, BFHE 186, 194, BStBl II 1998, 660 und vom 10. November 1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348) muss der Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten in § 17 EStG weit ausgelegt werden, damit das die Einkommensbesteuerung beherrschende Nettoprinzip im Anwendungsbereich dieser Norm ausreichend wirksam werden kann. Dem durch die Beteiligung veranlassten Ertrag ist der durch sie veranlasste Aufwand gegenüberzustellen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, unter B. II. 2. der Gründe). Als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. von § 17 EStG kommen deshalb nicht nur Aufwendungen in Betracht, die auf der Ebene der Gesellschaft als Nachschüsse oder verdeckte Einlagen zu werten sind, sondern auch sonstige, durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Aufwendungen des Gesellschafters, sofern diese nicht Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder Veräußerungskosten i. S. von § 17 Abs. 2 EStG sind.

    Im Streitfall hat der Kläger die Ablösezahlung in Höhe von 1.679.800 EUR an seinen Vater für den Verzicht auf das Nießbrauchsrecht geleistet, um die spätere Veräußerung der Gesellschaftsanteile zu ermöglichen. Ohne die Ablösung des Nießbrauchsrechts hätte der Kläger die nießbrauchsbelasteten Anteile möglicherweise gar nicht bzw. nur zu einem entsprechend niedrigeren Veräußerungspreis veräußern könne. Dementsprechend sind die Aufwendungen des Klägers in Höhe von 1.679.800 EUR durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen.

    Die Einordnung wird auch durch die Rechtsprechung des BFH zur Befreiung eines Grundstücks von dinglichen Belastungen gestützt: Steht einem Dritten ein dingliches Nutzungsrecht an einem Grundstück zu, so sind die Befugnisse des Eigentümers i. S. von § 903 BGB beschränkt. Löst der Eigentümer das dingliche Nutzungsrecht ab, so beseitigt er die Beschränkung seiner Eigentümerbefugnisse und verschafft sich die vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Grundstück. Hierdurch entstehende Aufwendungen sind nachträgliche Anschaffungskosten des Vermögensgegenstands „Grundstück” i. S. des § 255 Abs. 1 HGB (BFH-Urteile vom 22. Februar 2007 IX R 29/05, BFH/NV 2007, 1100, vom 21. Juli 1992 IX R 14/89, BFHE 169, 313, BStBl II 1993, 484 und vom 15. Dezember 1992 IX R 323/87, BFHE 169, 386, BStBl II 1993, 488). Dementsprechend sind Aufwendungen zur Ablösung eines Nießbrauchsrechts an einem Grundstück auch regelmäßig als nachträgliche Anschaffungskosten des Grundstücks anzusehen (BFH-Urteile vom 21. Juli 1992 IX R 14/89, BFHE 169, 313, BStBl II 1993, 484 und IX R 72/90, BFHE 169, 317, BStBl II 1993, 486). Diese Rechtsprechung wird auch von der Finanzverwaltung angewandt (vgl. BMF-Schreiben vom 24. Juli 1998, BStBl I 1998, 914 Tz. 57).

    Die vorstehenden Rechtssätze des BFH sind nach der Überzeugung des Senats auch auf den vorliegenden Streitfall übertragbar. Durch den Schenkungsvertrag vom 16. März 2004 erwarb der Kläger das mit dem Vorbehaltsnießbrauch belastete Eigentum an dem Gesellschaftsanteil. Durch die Ablösung des Nießbrauchsrechts verschaffte sich der Kläger die vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Gesellschaftsanteil. Erst dadurch war es ihm möglich, den Gesellschaftsanteil lastenfrei zu veräußern. Die hierdurch entstandenen Aufwendungen in Höhe von 1.679.800 EUR sind nachträgliche Anschaffungskosten des Vermögensgegenstands „Kapitalgesellschaftsanteil”. Diese Beurteilung wird nach Ansicht des Senats durch die Rechtsprechung des BFH, dass der Begriff der Anschaffungskosten im Sinne des § 17 Abs. 2 EStG mit Rücksicht auf das die Einkommensbesteuerung bestimmende Nettoprinzip weit auszulegen ist, verstärkt. Wenn Aufwendungen zur Ablösung eines Nießbrauchsrechts an einem Grundstück regelmäßig als nachträgliche Anschaffungskosten des Grundstücks i. S. d. § 255 Abs. 1 HGB anzusehen sind, dann müssen auch Aufwendungen zur Ablösung eines Nießbrauchsrechts an einem Kapitalgesellschaftsanteil regelmäßig als nachträgliche Anschaffungskosten des Kapitalgesellschaftsanteils i. S. d. § 17 Abs. 2 EStG anzusehen sein.

    Entgegen der Ansicht des Beklagten lässt sich auch nicht aus dem Urteil des BFH vom 14. Juni 2005 (VIII R 14/04, BFHE 210, 278, BStBl II 2006, 15) herleiten, dass es sich bei der Ablösezahlung des Klägers nicht um nachträgliche Anschaffungskosten handelt. Der BFH hat mit diesem Urteil allein darüber entschieden, ob eine spätere Ablösezahlung eine ursprünglich unentgeltliche Übertragung gegen Nießbrauchsvorbehalt zu einem entgeltlichen Veräußerungsvorgang macht und der Rechtsvorgänger die Ablösezahlung nach § 17 Abs. 1 EStG zu versteuern hat. Die Entscheidung des BFH enthält aber keine Aussage zur steuerlichen Behandlung der Ablösezahlung beim Leistenden.

    Auch die Regelung in § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG schließt nach der Überzeugung des Senats nicht aus, dass dem Gesellschafter im Anschluss an den unentgeltlichen Erwerb nachträgliche Anschaffungskosten entstehen können, die im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigen sind. Danach kommen als nachträgliche Anschaffungskosten – neben der Ablösezahlung für ein Nießbrauchsrecht – insbesondere die Zuführung von Eigenkapital und Verluste aus Finanzierungsmaßnahmen des Gesellschafters in Gestalt der Gewährung eigenkapitalersetzender Darlehen oder Bürgschaften in Betracht.

    Bei einem danach unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens anzusetzenden Veräußerungsgewinn von 525.636 EUR ergibt sich eine Einkommensteuer von 274.468 EUR, so dass der darüber hinaus gehende Antrag der Kläger keinen Erfolg haben konnte.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

    Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

    VorschriftenEStG § 17 Abs. 1, EStG § 17 Abs. 2 Satz 1, EStG § 17 Abs. 2 Satz 5