18.10.2002 · IWW-Abrufnummer 021444
Bundesfinanzhof: Urteil vom 24.07.2002 – II R 33/01
1. Die Rechtsprechung des Senats, wonach eine Grundstücksschenkung ausgeführt ist, sobald die Auflassung beurkundet und die Eintragungsbewilligung erteilt ist, hat zur Voraussetzung, dass die Umschreibung nachfolgt.
2. Unterbleibt die Umschreibung, weil die Schenkungsabrede zuvor aufgehoben wird, liegt in der Aufhebung weder eine Rückschenkung des Grundstücks noch eine anderweitige Zuwendung seitens des ursprünglich Bedachten.
Gründe:
I.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 18. April 1996 verpflichtete sich der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) seiner Tochter ein Grundstück schenkweise zu übertragen. Das Grundstück wurde mit dem Tag der Beurkundung übergeben und zugleich die Auflassung erklärt. Noch bevor die bereits beantragte Umschreibung erfolgen konnte, hoben die Parteien den Vertrag durch privatschriftliche Erklärung vom 5. Juni 1996 wieder auf. Den Antrag auf Umschreibung des Grundstücks nahmen sie zurück.
In der Vertragsaufhebung sah der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) eine Rückschenkung seitens der Tochter an den Kläger und setzte durch Bescheid vom 22. Oktober 1998 gegen den Kläger eine Schenkungsteuer von 21 386 DM --berechnet nach dem nicht abgerundeten Grundstückswert von 145 800 DM-- fest.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Nach Auffassung des FG fehlt es an einer Bereicherung des Klägers. Die Tochter habe ihm weder das Grundstück noch den Übereignungsanspruch zugewendet. Eine Grundstücksschenkung scheide aus, da die Tochter nicht Eigentümerin gewesen sei. Die Aufgabe des Übereignungsanspruchs stelle kraft Gesetzes, nämlich gemäß § 517 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), keine Bereicherung dar. Der Anwendung des § 517 BGB stehe nicht entgegen, dass der Tochter vor der Vertragsaufhebung bereits ein Anwartschaftsrecht auf das Grundstück zugestanden habe.
Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung der §§ 7 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Zu Unrecht stelle das FG auf den fehlenden zivilrechtlichen Eigentumserwerb der Tochter sowie auf § 517 BGB ab. Schenkungsteuerrechtlich maßgeblich sei vielmehr, dass die Grundstücksschenkung seitens des Klägers an die Tochter bereits mit der Auflassung und dem Erfüllen der weiteren Eintragungsvoraussetzungen ausgeführt gewesen sei. Denn daraus folge, dass die Vertragsaufhebung einen erneuten Schenkungsvorgang darstellen müsse. § 517 BGB habe demgegenüber zurückzutreten.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten. Da er noch Inhaber des Vollrechts gewesen sei, könne er durch den Verzicht auf ein Anwartschaftsrecht an demselben Gegenstand nicht bereichert sein.
II.
Die Revision ist unbegründet. Mit der Aufhebung des Vertrages vom 18. April 1996 hat die Tochter keine freigebige Zuwendung des Grundstücks an den Kläger bewirkt. Der angefochtene Steuerbescheid ist zu Unrecht ergangen.
1. Es kann auf sich beruhen, ob die Vereinbarung über die Aufhebung des Vertrages vom April 1996 zu ihrer Wirksamkeit der Form des § 313 Satz 1 BGB bedurft hätte (vgl. dazu Kanzleiter in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch --Münch-Komm--, Bd. 2., 3. Aufl. 1994, § 313 Anm. 58) und welche Bedeutung gegebenenfalls der Rücknahme des Umschreibungsantrags und/ oder dem § 41 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) zukäme; denn selbst bei Wirksamkeit der Vertragsaufhebung fehlte es im Streitfall an einer Zuwendung.
a) Das Grundstück scheidet als Gegenstand einer Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aus, weil es dem Kläger bei Vertragsaufhebung noch gehörte. Daran vermag die Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Zeitpunkt der Ausführung einer Grundstücksschenkung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. September 1990 II R 150/88, BFHE 163, 214, BStBl II 1991, 320, m.w.N.) nichts zu ändern. Gemäß dieser Rechtsprechung ist eine Grundstücksschenkung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt, wenn die Auflassung (§ 925 BGB) beurkundet worden ist und der Schenker die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewilligt hat (§ 19 der Grundbuchordnung). Diese Vorverlegung des Ausführungszeitpunkts einer Grundstücksschenkung vor den Zeitpunkt der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB) ist im Hinblick darauf geschehen, dass der Schenker damit alles zur Bewirkung der Leistung Erforderliche getan hat.
Die Rechtsprechung hat aber zur Voraussetzung, dass die Umschreibung im Grundbuch und damit der Eigentumswechsel auf den Beschenkten oder gegebenenfalls dessen Erben nachfolgt oder nur deshalb unterbleibt, weil der Beschenkte bzw. dessen Erbe die unmittelbare Umschreibung vom Schenker auf einen Dritten, --etwa nach Abtretung des Verschaffungsanspruchs oder Übertragung des Anwartschaftsrechts-- veranlasst hat (a.A.: Moench, Erbschafts- und Schenkungsteuergesetz, § 9 Anm. 32 a). Bezüglich eines solchermaßen zivilrechtlich abgeschlossenen auf den Eigentumsübergang gerichteten Vorgangs sollte ein unter dem Gesichtspunkt der §§ 11, 14 oder 37 ErbStG sinnvoller Ausführungszeitpunkt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bestimmt, nicht aber im Falle eines letztlich nicht zustande gekommenen Eigentumsübergangs auf den Beschenkten, dessen Erben oder --durch diese veranlasst-- auf einen Dritten, und damit bei einem Verbleib des Grundstücks im Vermögen des ursprünglichen Eigentümers, durch Vorverlegung des Ausführungszeitpunkts eine Grundstücksschenkung fingiert werden. Der Schenker hat zwar mit der Auflassung und Eintragungsbewilligung alles für die Leistung, nämlich die Eigentumsverschaffung, Erforderliche getan; dennoch steht der Leistungserfolg bis zur Eigentumsumschreibung noch aus (§ 873 Abs. 1 BGB). Daraus folgt, dass das Grundgeschäft bis zur Eigentumsumschreibung auf den Beschenkten oder auf dessen Erben oder --veranlasst durch diese-- auf einen Dritten noch aufgehoben werden kann, ohne dass die Aufhebung eine Grundstücksschenkung des ursprünglich Beschenkten an den Grundstückseigentümer bewirkt.
b) Die Tochter hat dem Kläger durch die Vertragsaufhebung auch keinen anderen Gegenstand zugewendet, so dass auf sich beruhen kann, ob die Zuwendung eines anderen Gegenstandes durch den angefochtenen Steuerbescheid überhaupt erfasst wäre. Das Anwartschaftsrecht, auf das die Tochter im Wege der Vertragsaufhebung verzichtet hat, scheidet als Gegenstand einer Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gegenüber dem Kläger als dem Inhaber des Vollrechts aus.
Vom Eigentum her betrachtet ist das Anwartschaftsrecht erst eine Vorstufe zum Eigentumserwerb (so Metzger in Bürgerliches Gesetzbuch - RGRK, 12. Aufl., Bd. II, 2. Teil 1978, § 517 Anm. 2), so dass die Bedeutung der Aufhebung des Grundgeschäfts für den Noch-Eigentümer nicht im Verzicht des Vertragspartners auf das Anwartschaftsrecht liegt, sondern im Erlass der noch nicht erfüllten Verschaffungspflicht (so Kollhosser in MünchKomm, § 517 Anm. 3). Der Erlass des Verschaffungsanspruchs aber stellt ebenfalls keine freigebige Zuwendung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar, weil die Begründung dieses Anspruchs bei der Tochter noch nicht zu einer steuerbaren Vermögensmehrung geführt hatte (Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 7 Anm. 48).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).