08.01.2010
Finanzgericht München: Urteil vom 20.11.2002 – 4 K 5773/00
Überträgt der Steuerpflichtige ihm allein gehörendes Vermögen gegen eine Leibrente, die an ihn und seinen Ehegatten als Gesamtberechtigte auf Lebensdauer des Längstlebenden zu zahlen ist, so liegt in der Einräumung der Gesamtgläubigerstellung eine freigiebige Zuwendung an den Ehegatten. Unerheblich ist, ob der Ehegatte von dem eingeräumten Recht tatsächlich Gebrauch macht; allein seine zivilrechtliche Rechtsstellung ist entscheidend.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
wegen
Schenkungsteuer
hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung
des Vizepräsidenten des Finanzgerichts …
des Richters am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht
sowie der ehrenamtlichen Richter …
ohne mündliche Verhandlung am 20. November 2002
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob in der Einräumung einer Gesamtgläubigerstellung eine freigebige Zuwendung vorliegt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz –ErbStG–).
I.
Mit notarieller Urkunde vom 23. Dezember 1995 brachte Herr R. in seiner Eigenschaft als persönlich haftender Gesellschafter der … OHG die Grundstücke seines bisherigen Sonderbetriebsvermögens in das Gesellschaftsvermögen ein und überließ im weiteren Gesellschaftsanteile an seine drei Kinder. Im Rahmen der vom Erwerber zu erbringenden Gegenleistungen wurde eine Rentenzahlung von monatlich 15.000 DM vereinbart, die an die Ehegatten R. und T. als Gesamtberechtigte auf Lebensdauer des Längstlebenden zu zahlen ist (s. § 5, Bl. 7 FA-Akte).
Das Finanzamt sah in der Einräumung des hälftigen Rentenstammrechts an Frau T. … (als Gesamtberechtigte gemäß § 428 Bürgerliches Gesetzbuch –BGB–) eine freigebige Zuwendung i. S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 seitens des Ehemanns R.
Die vom Finanzamt am 8. Juli 1998 von der Erwerberin Frau T. (Klägerin) angeforderte Schenkungsteuererklärung wurde nicht abgegeben.
Mit Schenkungsteuerbescheid vom 4. Mai 1999 setzte der Beklagte, das Finanzamt … … (FA), die Schenkungsteuer für den Erwerb der Klägerin nach Abzug des Freibetrags von 250.000 DM in Steuerklasse I auf 8,5 % von 676.200 DM = 57.477 DM fest. In den Erläuterungen wurde die Ermittlung des Erwerbs aufgeschlüsselt (Monatsrente 15.000 DM × 12 = 180.000 DM, davon ½ × Vervielfältiger lt. Bewertungsgesetz 10, 292 = 926.280 DM).
Der dagegen erhobene Einspruch wurde trotz mehrfacher Aufforderung des FA nicht begründet. Der Einspruch blieb erfolglos (s. Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 2000).
Mit der Klage trägt die Klägerin vor, dass ihr Mann an sie kein eigenes Rentenstammrecht übertragen habe. Zu Lebzeiten seien bzw. würden die Zahlungen nur an ihren Ehemann erfolgen (s. Zahlungsbelege). Erst nach dem Tode ihres Mannes könne das FA den gesamten Betrag steuerlich (in voller Höhe) nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG erfassen. Die Schuldner hätten nach § 428 BGB von ihrem Recht Gebrauch gemacht, nur an ihren Ehemann zu zahlen. § 430 BGB sei nicht gegeben, weil die Parteien sich außerhalb des Vertrags auf diese Zahlungsmodalität geeinigt hätten und die Klägerin im Innenverhältnis keine Zugriffsberechtigung zu Lebzeiten gehabt hätte. Diese tatsächliche Durchführung sei entsprechend dem BFH-Urteil vom 18. März 1986 VIII R 316/84, BStBl II 1986, 713 maßgeblich. Auch aus dem BFH-Urteil vom 7. Februar 2001 II B 11/00, BStBl II 2001, 245 ff folge, dass keine Bereicherung vorliege. Da die dauernde Last aus dem Vermögen des Übergebers resultiere, habe kein Anlass bestanden, bereits zu Lebzeiten der Klägerin einen Anspruch auf die Rente einzuräumen (s. BFH-Urteil vom 25. Januar 2001 II R 39/98, DStR 2001, 656, BFH/NV 2001, 908). Außerdem entstehe eine materiell-rechtliche Berechtigung erst mit dem Vorversterben des Ehemanns für die Klägerin. Bis dahin habe sie lediglich ein noch keine Bereicherung auslösende Sicherungsrecht erlangt.
Die Klägerin beantragt
die Aufhebung des Schenkungsteuerbescheids vom 4. Mai 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 2000.
Das Finanzamt beantragt
Klageabweisung
Gemäß BFH-Urteil vom 10. Dezember 1985 VIII R 15/83, BStBl II 1986, 342 sei bei einer Gesamtgläubigerschaft nur von einer Berechtigung zu gleichen Teilen auszugehen, sofern nicht im Innenverhältnis etwas Abweichendes vereinbart worden sei. Dies sei hier nicht geschehen. Außerdem stelle das von der Klägerin herangezogene Urteil vom 18. März 1986 zum Ertragsteuerrecht auf das wirtschaftliche Eigentum ab, das es im Erbschaftsteuergesetz nicht gebe. Entgegen dem BFH-Urteil vom 25. Januar 2001 fehle es hier an einer einschränkenden vertraglichen Vereinbarung. Die tatsächliche Durchführung sowie die Nichtverfolgung ihres Anspruches allein sei nicht maßgebend. Dass die dauernde Last aus dem Vermögen des Ehemanns herrühre, spreche nicht gegen eine Schenkung an die Klägerin. Das Fehlen des Nachweises einer vom Innenverhältnis abweichenden Vereinbarung gehe zu Lasten der Klägerin.
Gründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist insoweit auf die Begründung der Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 2000, die keinen Rechtsfehler erkennen lässt und der er sich anschließt.
Ergänzend führt der Senat aus: Als Bereicherung i. S. des § 7 ErbStG kommt jede Vermehrung der Aktiva und Verminderung der Passiva des Zuwendungsempfängers in Frage (ErbStR 14 Abs. 2 Satz 1). Die Einräumung einer Gesamtberechtigung als Gesamtgläubiger einer Forderung stellt demnach einen steuerpflichtigen Erwerb dar. Ob die Klägerin von ihrem Recht als Gesamtgläubigerin Gebrauch macht, ist schenkungsteuerlich unerheblich. Dem steht auch nicht der Beschluss des BFH vom 7. Februar 2001 (BStBl II 2001, 245) entgegen. Danach stellt der Wegfall der Ausgleichspflicht nach § 430 BGB keinen Erwerb von Todes wegen vom verstorbenen Gesamtgläubiger dar. Der BFH hat vielmehr gefolgert, dass die Verschaffung des Rentenanspruchs eine Schenkung sein könnte (S. 246 a.a.O.). Wie in den Fällen der Errichtung eines Oder-Kontos zugunsten des Ehegatten (s. dazu Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 26. Juli 2001 1 K 2651/00, EFG 2002, 34), entsteht der hälftige Ausgleichsanspruch der Klägerin gemäß § 430 BGB bereits mit der Begründung der Gesamtgläubigerschaft und nicht erst mit deren Auflösung oder Beendigung (s. Palandt, BGB, 60. Aufl., § 430 Anm. 1 i.V.m. § 426 Anm. 3).
Der Umstand, dass bisher die Zahlungen nur an ihren Ehemann erfolgten und die Leibrente aus der Überlassung von Vermögenswerten ihres Ehemanns stammt, steht dem nicht entgegen. Wie bei der Einräumung einer Mitberechtigung an einem Bankkonto kommt es auf die Herkunft des Geldes nicht an (s. Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. Juli 1994 4 K 2118/93, EFG 1995, 125). Entscheidend ist allein die zivilrechtliche Rechtsstellung der Klägerin. Ob sie von ihrem Recht Gebrauch macht, ist schenkungsteuerlich unerheblich. Die Ausführungen des für Einkommensteuer zuständigen 8. Senats im Urteil vom 18. März 1986 (BStBl II 1986, 713) basieren auf der im Einkommensteuergesetz geltenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die im Schenkungsteuerrecht nicht gilt (s. auch BFH, a.a.O., BFH/NV 2001, 908). In der bisherigen Nichtgeltendmachung ihres Anspruchs gegen den Ehemann liegt auch noch nicht eine die Vermutung des § 430 BGB ausschließende Vereinbarung. Einen solchen Nachweis hat die Klägerin nicht geführt. Die bloße Behauptung der Klägerin, allein gestützt auf die tatsächliche Zahlung der Kinder nur an ihren Ehemann (was gemäß § 428 BGB in deren Belieben steht), ist noch kein Nachweis für eine abweichende Vereinbarung (s. Moench, ErbStG, § 10 Rz. 15). Die Folgen der Nichterweislichkeit treffen insoweit die Klägerin (s. auch Finanzgericht Rheinland-Pfalz, a.a.O., EFG 1995, 126 a.E.).
Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).