23.01.2003 · IWW-Abrufnummer 030174
Bundesfinanzhof: Urteil vom 23.10.2002 – II R 71/00
Wird ein Grundstück schenkungsweise übertragen und verpflichtet sich der Beschenkte dabei, an einen Dritten ein sog. Gleichstellungsgeld zu zahlen, liegt bezüglich des Grundstücks eine gemischte Schenkung zugunsten des Beschenkten und bezüglich des Gleichstellungsgeldes eine Forderungsschenkung zugunsten des Dritten vor.
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Brüder und waren die Neffen der Frau S. Diese war Eigentümerin zweier Grundstücke in ..., und zwar eines am X-Weg mit einem erhöhten Einheitswert von 208 880 DM und einem Verkehrswert von 800 000 DM, in dem sie gemeinsam mit dem Kläger zu 1 eine Arztpraxis betrieb, und eines weiteren am Y-Weg mit einem erhöhten Einheitswert von 231 700 DM und einem Verkehrswert von 716 000 DM.
Mit notariell beurkundetem Übertragungsvertrag vom 14. Dezember 1994 übertrug S das Grundstück am X-Weg unter Vorbehalt eines lebenslänglichen Nießbrauchs auf den Kläger zu 1. Dieser verpflichtete sich, an den Bruder ein Gleichstellungsgeld von 400 000 DM in Jahresraten von 50 000 DM beginnend mit Ablauf des 31. Dezember 1995 zu zahlen. Der jeweils noch geschuldete Betrag war mit jährlich 5,5 v.H. zu verzinsen.
Mit notariell beurkundetem gleichlautendem Vertrag vom 7. Februar 1995 übertrug sie das andere Grundstück auf den Kläger zu 2 mit der Maßgabe, dass dieser das Gleichstellungsgeld an den Kläger zu 1 zu zahlen hatte.
Am 14. Dezember 1994 hatten die Kläger jeweils mit ihren Ehefrauen in notariell beurkundeter Form vereinbart, dass hinsichtlich der Grundstücke im Falle einer Scheidung kein Zugewinnausgleich stattfinden solle und sie im Todesfalle nur den gemeinsamen Kindern zukommen sollten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah in der Übertragung der Grundstücke gegen Zahlung eines Gleichstellungsgeldes jeweils eine als gemischte Schenkung zu behandelnde Schenkung unter Leistungsauflage und in der Begünstigung durch die Leistungsauflage jeweils eine ebenfalls durch S bewirkte weitere Schenkung gegenüber dem jeweils nicht am Vertragsabschluss beteiligten Bruder. Durch geänderte Bescheide vom 15. August 1996 setzte es die Erbschaftsteuer gegen den Kläger zu 1 auf 118 874 DM und gegen den Kläger zu 2 auf 117 477 DM fest, wovon es einen Teilbetrag von 3 528 DM bzw. 3 307 DM gemäß § 25 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) wegen des Nießbrauchs der mittlerweile verstorbenen S stundete. In der Bemessungsgrundlage von 495 228 DM bzw. 489 556 DM vor Abzug des Freibetrages war die gemischte Schenkung unter Berücksichtigung von Erwerbsnebenkosten von 9 212 DM bzw. 12 694 DM mit 95 228 DM bzw. 89 556 DM enthalten.
Dagegen wandten die Kläger ein, die Verträge vom 14. Dezember 1994 und vom 7. Februar 1995 seien im Zusammenhang zu sehen. Dabei ergebe sich, dass sie den an sich dem jeweiligen Bruder zustehenden hälftigen Miteigentumsanteil an dem übertragenen Grundstück diesem durch Zahlung des Gleichstellungsgeldes abgekauft hätten. Daher habe S den Klägern jeweils einen hälftigen Miteigentumsanteil an einem Grundstück geschenkt. Dabei habe es sich um reine Schenkungen gehandelt. Im Übrigen seien nur Tatbestände des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) erfüllt. Einspruch und Klage blieben jedoch erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, S habe den Klägern nicht lediglich einen Miteigentumsanteil an dem jeweiligen Grundstück übertragen, sondern das Alleineigentum. Kaufverträge zwischen den Klägern über Miteigentumsanteile an den Grundstücken lägen nicht vor. Der Kläger zu 2 sei ebenso wenig Partner des Übertragungsvertrages vom 14. Dezember 1994 gewesen wie der Kläger zu 1 nicht am Vertrag vom 7. Februar 1995 beteiligt gewesen sei. Daran änderten die jeweiligen Verträge zwischen den Klägern und ihren Ehefrauen nichts. S habe sich nach Abschluss des Übertragungsvertrages mit dem Kläger zu 1 noch offen gehalten, ob sie das andere Grundstück ebenfalls aus der Hand geben werde. Wäre S bereits damals verstorben, hätte der Kläger zu 2 keinerlei vertragliche Ansprüche auf den Grundbesitz der S gehabt. Die Verträge der S mit den Klägern stellten aus der Sicht des jeweils nicht beteiligten Bruders Verträge zu Gunsten Dritter mit ihm als Dritten dar. Schenkungsteuerrechtlich liege darin eine Geldschenkung der S an den jeweils begünstigten Bruder.
Mit der Revision machen die Kläger geltend, das FG habe den ihm unterbreiteten Sachverhalt nicht vollständig erfasst und zu Unrecht den Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) für nicht einschlägig gehalten. Außerdem habe das FG den Sachverhalt nicht der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise unterzogen. Der Sachverhalt sei nur dann zutreffend zu erfassen, wenn die Verträge der Kläger mit ihren Ehefrauen einbezogen werden. Sie seien in Gegenwart der S geschlossen worden, und zwar vor den Übertragungsverträgen. Ohne die Eheverträge wäre es zu den Übertragungsverträgen nicht gekommen. Die Verträge bedingten einander, wie auch die Verpflichtung zur Zahlung der Gleichstellungsgelder zeige. Keiner der Kläger hätte das Gleichstellungsgeld aufbringen können; sie seien vielmehr auf die Aufrechnungsmöglichkeit angewiesen gewesen. Bei Würdigung dieser Umstände ergebe sich die Anwendbarkeit der Entscheidung des BFH in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847. Die Entscheidung sei über die Einkommensteuer hinaus auch für andere Steuerarten von Bedeutung.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidungen vom 19. September 1996 die Schenkungsteuerbescheide vom 15. August 1996 dahin zu ändern, dass die Steuer gegen den Kläger zu 1 auf 16 307 DM und gegen den Kläger zu 2 auf 13 222 DM herabgesetzt wird.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
II.
Die Revision ist unbegründet. Das FG ist zu Recht dem FA darin gefolgt, dass S den Klägern die Grundstücke jeweils durch eine als gemischte Schenkung zu besteuernde Zuwendung zu Alleineigentum übertragen und zusätzlich durch die Verpflichtung, dem jeweiligen Bruder ein Gleichstellungsgeld zu zahlen, eine weitere freigebige Zuwendung an den dadurch jeweils Begünstigten bewirkt hat. Gegenstand dieser weiteren Zuwendungen ist der jeweils für den Bruder begründete Anspruch auf dieses Geld.
1. Durch die von S als Vertragspartnerin mit den Klägern abgeschlossenen notariell beurkundeten Verträge vom 14. Dezember 1994 und 7. Februar 1995 ist den Klägern das jeweilige vertragsgegenständliche Grundstück zu Alleineigentum übertragen worden. Deren dabei eingegangene Verpflichtung, ein Gleichstellungsgeld zu zahlen, ändert daran nichts. Zu Unrecht machen die Kläger demgegenüber geltend, es sei zu unterstellen, dass die Geschwister zunächst Mitberechtigte geworden seien und ihren Anteil zum Gleichstellungsbetrag an den Vermögensübernehmer veräußert hätten. Dies ist zwar früher vom Reichsfinanzhof zur Einkommensteuer vertreten worden (vgl. dazu die Nachweise im BFH-Beschluss in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter C. I. 2.); der BFH ist davon jedoch in dem Beschluss des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 ausdrücklich abgerückt. Im Übrigen wäre eine derartige ertragsteuerrechtliche Beurteilung schenkungsteuerrechtlich unbeachtlich.
Zu Unrecht berufen sich die Kläger weiter auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 232, BStBl II 1990, 837), wonach im Einkommensteuerrecht grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Erbauseinandersetzung dem Erbfall als selbständiger Rechtsvorgang nachfolgt und mit diesem keine rechtliche Einheit bildet. Diese in bewusster Übereinstimmung mit dem Zivilrecht getroffene Aussage bezieht sich auf den mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt, dass sich Miterben --also Personen, die am Nachlassvermögen rechtlich und nicht nur wirtschaftlich oder "kraft Unterstellung" beteiligt sind-- auseinander setzen. Im Streitfall aber stehen den Klägern Rechte nur an dem jeweils auf sie übertragenen Grundstück und nicht an dem Grundstück zu, das der jeweils Andere erhalten hat.
2. Das FA, und ihm folgend das FG, hat die Übertragung der Grundstücke auf die Kläger zu Alleineigentum auch jeweils zutreffend als gemischte Schenkung behandelt und den die Gegenleistung übersteigenden Wert der (gemischt) freigebigen Zuwendung jeweils zutreffend bestimmt. Schenkungsteuerrechtlich ist eine Vermögensübertragung, die mit der Verpflichtung des Übernehmers verbunden ist, anderen ein Gleichstellungsgeld zu zahlen, als gemischte Schenkung zu beurteilen, und zwar unabhängig davon, ob auch zivilrechtlich eine gemischte Schenkung oder eine Schenkung unter Auflage (§ 525 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) vorliegt (BFH-Urteil vom 12. April 1989 II R 37/87, BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524). Soweit die Gleichstellungsgelder hinter dem Wert des übertragenen Vermögens zurückbleiben, führen sie zu gemischten Schenkungen, deren schenkungsteuerrechtlich relevanter Wert gemäß den Entscheidungen des BFH vom 14. Juli 1982 II R 125/79 (BFHE 136, 303, BStBl II 1982, 714) sowie vom 14. Dezember 1995 II R 18/93 (BFHE 179, 431, BStBl II 1996, 243, unter II. 2. b) nach dem Verhältnis des Verkehrswerts der Bereicherung des Beschenkten zum Verkehrswert der Leistung des Schenkers zu berechnen ist. Danach sind FA und FG im Streitfall verfahren.
3. Die Übertragung der Grundstücke auf die Kläger jeweils zu Alleineigentum in Verbindung mit der Verpflichtung, dem Bruder ein Gleichstellungsgeld zu zahlen, stellt nicht nur eine (gemischt) freigebige Zuwendung des Grundstücks an den jeweiligen neuen Alleineigentümer dar, sondern jeweils zusätzlich gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG die freigebige Zuwendung einer Geldforderung zu Gunsten des Bruders, der das Gleichstellungsgeld erhalten soll. Zivilrechtlich stellen die beiden Verträge vom 14. Dezember 1994 und 7. Februar 1995 wegen des jeweils dem Bruder zu zahlenden Gleichstellungsgeldes nämlich Verträge zu Gunsten Dritter gemäß § 328 BGB dar, wobei an dem Deckungsverhältnis S als Versprechensempfänger sowie der das Grundstück erhaltende Kläger als Versprechender und an dem Valutaverhältnis S sowie der mit dem Gleichstellungsgeld abzufindende Bruder als begünstigter Dritter beteiligt sind. Der begünstigte Bruder erwirbt dabei gemäß der Auslegungsregel des § 330 Satz 2 BGB unmittelbar das Recht, das Gleichstellungsgeld vom Versprechenden zu fordern. Das Recht ist nach dem jeweiligen Übertragungsvertrag frei verfügbar. Dieses Forderungsrecht --und nicht erst das zu seiner Erfüllung gezahlte Gleichstellungsgeld-- ist Gegenstand der weiteren mit den Übertragungsverträgen jeweils zu Gunsten des Bruders bewirkten Schenkungen gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, die bereits mit Abschluss der Verträge i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt sind (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1980 II R 73/77, BFHE 131, 536, BStBl II 1981, 78; kritisch: Meincke, Erbschaftsteuergesetz, Kommentar, 13. Aufl. 2002, § 9 Anm. 51 --dazu aber wiederum § 7 Anm. 95--). Dass die Gleichstellungsgelder nach den Verträgen in Teilbeträgen erst zu späteren Zeitpunkten fällig geworden sind, steht der Ausführung der Forderungsschenkung mit Vertragsabschluss nicht entgegen.
4. Auf die hier vertretene Beurteilung der Übertragungsverträge vom 14. Dezember 1994 und 7. Februar 1995 haben die Verträge der Kläger mit ihren Ehefrauen keinen Einfluss. Trotz eines gewissen Widerspruchs im klägerischen Vortrag, was den Bindungswillen der S bezüglich des Grundstücks Y-Weg bereits am 14. Dezember 1994 anbelangt, mag eine umfassend angelegte Vermögensübertragung auf die Erbengeneration beabsichtigt gewesen sein; schenkungsteuerrechtlich relevant sind aber nicht Absichten, sondern ist in den Grenzen des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) der zivilrechtliche eingeschlagene Weg. Dies gilt auch dann, wenn die Auswahl unter mehreren möglichen Wegen nicht unter schenkungsteuerrechtlichen, sondern ertragsteuerrechtlichen Gesichtspunkten getroffen worden ist.