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  • 04.03.2010

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 16.12.2009 – II R 44/08


    Gründe

    1

    I.

    Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) gründete am 19. März 2004 eine Ein-Mann-Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und bestimmte sich sowie seine Tochter (T) zu alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern. Dabei befreite er lediglich sich selbst von den Beschränkungen nach § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Die Bestimmung der Geschäftsführer entsprach dem § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages, wonach die Gesellschafterversammlung mit 2/3-Mehrheit eine derartige Regelung treffen konnte. Gemäß § 7 Abs. 2 Buchst. b des Vertrages gehörte es zu den "Aufgaben der Gesellschafterversammlung", die Geschäftsführer zu bestellen und abzuberufen. Besondere Anstellungsverträge wurden nicht geschlossen.

    2

    Mit Vertrag vom gleichen Tag gründeten die GmbH als einzige Komplementärin und der Kläger als einziger Kommanditist eine Grundstücksvermietungs-GmbH & Co. KG (KG), an deren Vermögen die GmbH nicht beteiligt war. Zur Geschäftsführung und Vertretung war allein die GmbH berechtigt. Gesellschafterbeschlüsse sollten von einer Gesellschafterversammlung gefasst werden. Je 1.000 EUR der Kommanditeinlage gewährten eine Stimme; der GmbH stand kein Stimmrecht zu. Sodann brachte der Kläger Grundbesitz in die KG ein, der mit einem Betrag von 1.999.000 EUR auf einem "eigenhänderisch gebundenen Rücklagenkonto" verbucht wurde.

    3

    Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23. Dezember 2004 übertrug der Kläger schenkweise seine Kommanditbeteiligung sowie die infolge der Einbringung des Grundbesitzes erlangte Rechtsposition aus dem Rücklagenkonto auf T. Dabei behielt er sich den Nießbrauch an der Kommanditbeteiligung einschließlich des Rücklagenkontos vor. Während der Dauer des Nießbrauchs standen "die Stimm- und Verwaltungsrechte" der T dem Kläger zu. Soweit es sich dabei um ihr kraft Gesetzes zustehende Rechte handelte, bevollmächtigte T den Kläger zu deren Ausübung.

    4

    Beschlüsse über die eine bestimmte Grenze (15% des festgestellten Gewinns) unterschreitende Dotierung der Rücklagen, über die Auflösung von Rücklagen sowie über eine solche Gewinnverteilung und Entnahme, die zu einem Wiederaufleben der Haftung der T gemäß § 172 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs (HGB) führen würden, durfte der Kläger allerdings nur mit Zustimmung der T fassen.

    5

    Auf der anderen Seite sollten der T bestimmte Rechte verbleiben, die sie aber nur mit Zustimmung des Klägers ausüben durfte oder sollte. Zustimmungsbedürftig verblieb ihr "das Stimmrecht" bei Beschlüssen über:

    6

    a)

    Änderung des Gesellschaftszwecks,

    b)

    Änderung der Beteiligungsverhältnisse,

    c)

    Änderung der Berechnung der Höhe der Auszahlungskonditionen und des Schlüssels für die Verteilung des Gewinns, Auseinandersetzungsguthabens oder Liquidationserlöses,

    d)

    Änderung der Regelungen über die Zuführung zu den Rücklagen und die Entnahmebefugnisse,

    e)

    Änderung des Zinssatzes für Guthaben auf den Gesellschafterkonten,

    f)

    Einlagenerhöhungen oder -herabsetzungen,

    g)

    Auflösung, Fortsetzung oder Umwandlung der Gesellschaft,

    h)

    sonstige Änderungen des Gesellschaftsvertrages, die die Rechtsstellung des Klägers als Nießbraucher beeinträchtigen würden.

    7

    Nur mit Zustimmung des Klägers sollte sie folgende "Gestaltungs- und Verfügungsrechte" ausüben können:

    8

    a)

    die Kündigung der KG,

    b)

    die Erhebung der Auflösungsklage gemäß § 133 HGB,

    c)

    die ganze oder teilweise Veräußerung des Kommanditanteils,

    d)

    die Erhebung sonstiger Klagen aus dem Gesellschaftsverhältnis, soweit sie die Angelegenheiten zu a) bis c) betreffen.

    9

    Darüber hinaus sah die Schenkungsabrede in einer Reihe von Fällen ein Widerrufsrecht für den Kläger vor, und zwar u.a. dann, wenn T die nach den vorstehend aufgeführten Regelungen erforderliche Zustimmung des Klägers nicht einholen sollte. Dieser übernahm schließlich die Schenkungsteuer und beantragte die Vergünstigungen gemäß § 13a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der 2004 geltenden Fassung.

    10

    Mit Bescheid vom 9. März 2005 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) unter Vorbehalt der Nachprüfung Schenkungsteuer in Höhe von 289.123 EUR gegen den Kläger fest und stundete davon einen Teilbetrag von 112.100 EUR. Die Steuervergünstigungen gemäß § 13a ErbStG versagte er, da T mangels Mitunternehmerinitiative nicht Mitunternehmerin geworden sei.

    11

    Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage auf Gewährung der Steuervergünstigungen gemäß § 13a ErbStG statt. T sei Mitunternehmerin geworden, da sie ausreichend Mitunternehmerrisiko trage und Mitunternehmerinitiative entfalte. Ihr Mitunternehmerrisiko bestehe darin, dass ihr die nicht entnahmefähigen Gewinne sowie die Gewinne aus der Auflösung stiller Reserven zustünden. Eine ausreichende Mitunternehmerinitiative ergebe sich aus ihren Mitwirkungsrechten in den Angelegenheiten, die der Kläger nicht ohne Zustimmung der T regeln sowie in denen T --wenn auch mit Zustimmung des Klägers-- selbst aktiv werden könne. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 1734 veröffentlicht.

    12

    Mit der Revision rügt das FA die fehlerhafte Anwendung des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG. T habe zwar ein Mitunternehmerrisiko zu tragen; sie verfüge jedoch nicht über ein ausreichendes Maß an Mitunternehmerinitiative. Selbst bei den wenigen der T verbliebenen Möglichkeiten, initiativ zu werden, sei sie auf die Zustimmung des Klägers angewiesen und stehe diesem bei Nichteinholen seiner Zustimmung das Recht zu, die Schenkung zu widerrufen. Bei dieser Ausgestaltung der Mitwirkungsrechte der T sei nicht erkennbar, dass ihre Rechte wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert seien, die einem Kommanditisten kraft Gesetzes zustünden.

    13

    Das FA beantragt,

    die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    14

    Der Kläger beantragt,

    die Revision zurückzuweisen.

    15

    Er trägt vor, bei der Frage, ob T ausreichend Mitunternehmerinitiative entfalten könne, sei auch ihre Stellung als alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der GmbH zu berücksichtigen. So habe der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 14. Oktober 2003 VIII B 281/02 (BFH/NV 2004, 188) entschieden, die Mitunternehmerinitiative des stillen Gesellschafters einer GmbH und Still könne sich aus seiner Stellung als Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH ergeben.

    16

    II.

    Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat dem Kläger zu Recht die Steuervergünstigungen des § 13a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 ErbStG zugesprochen.

    17

    1.

    Gemäß § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG kommen die Vergünstigungen des Abs. 1 und 2 der Vorschrift in Betracht für inländisches Betriebsvermögen beim Erwerb u.a. eines Anteils an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes. Dabei sind die genannten Steuervergünstigungen nur zu gewähren, wenn das von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden erworbene Vermögen durchgehend sowohl beim bisherigen als auch beim neuen Rechtsträger den Tatbestand des Abs. 4 Nr. 1 der Vorschrift erfüllt (BFH-Urteile vom 10. Dezember 2008 II R 34/07, BFHE 224, 144, BStBl II 2009, 312, sowie vom 14. Februar 2007 II R 69/05, BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443). Es reicht daher nicht, dass eine Gesellschaft gewerblich geprägte Personengesellschaft geblieben ist, wenn es am Erwerb eines Mitunternehmeranteils deshalb fehlt, weil der übertragene Gesellschaftsanteil ertragsteuerrechtlich als wirtschaftliches Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) einem Vorbehaltsnießbraucher zuzurechnen ist.

    18

    2.

    Die somit erforderliche Mitunternehmerstellung hat T im Streitfall erlangt. Entgegen der Ansicht des FA fehlt es dazu nicht an der notwendigen Mitunternehmerinitiative.

    19

    a)

    Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person bestimmenden Umstände zu würdigen (BFH-Urteil vom 19. Februar 1981 IV R 152/76, BFHE 133, 180, BStBl II 1981, 602). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kommanditist gemäß § 164 Satz 1 HGB ohnehin von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist. Lediglich bei außergewöhnlichen Geschäften i.S. des § 116 Abs. 2 HGB bedarf es der Zustimmung des Kommanditisten (so Urteil des Reichsgerichts vom 22. Oktober 1938 II 58/38, RGZ 158, 302, 306 ff.; Koller in Koller/Roth/Mork, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 6. Aufl. 2007, § 164 Rz 4; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., 2002, S. 1538). Darüber hinaus haben die Kommanditisten nur die Informations- und Kontrollrechte gemäß § 166 Abs. 1 HGB, die sich auf den Jahresabschluss beziehen.

    20

    b)

    Geht es allerdings darum, die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander zu verändern, also um sog. Grundlagengeschäfte (vgl. dazu Koller in Koller/Roth/Mork, a.a.O., § 114 Rz 2), sind die Kommanditisten nach § 161 Abs. 2 i.V.m. § 119 Abs. 1 HGB uneingeschränkt zu beteiligen (Koller in Koller/ Roth/Mork, a.a.O., § 119 Rz 1). Zu diesen Geschäften gehören auch die Feststellung des Jahresabschlusses sowie die Ent-scheidung über die Gewinnverwendung (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. März 1996 II ZR 263/94, BGHZ 132, 263; Karsten Schmidt, a.a.O., S. 1539).

    21

    c)

    Vor diesem gesetzlichen Hintergrund ist nach der Rechtsprechung dem Erfordernis der Mitunternehmerinitiative bereits dann genügt, wenn die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschaftsrechten besteht, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen (so BFH-Urteil vom 11. Juli 1989 VIII R 41/84, BFH/NV 1990, 92). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Möglichkeit zur Teilnahme an den Grundlagengeschäften bei dem Gesellschafter verblieben ist (vgl. dazu Wacker in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 28. Aufl. 2009, § 15 Rz 266 und 751).

    22

    3.

    Ein nach den Vorgaben des BGB ausgestalteter Nießbrauch lässt die Mitunternehmerinitiative des den Nießbrauch bestellenden Erwerbers einer Kommanditbeteiligung nicht entfallen (BFH-Urteil vom 1. März 1994 VIII R 35/92, BFHE 175, 231, BStBl II 1995, 241, 245). Im Streitfall ist in dem Übertragungsvertrag vom 23. Dezember 2004 jedoch von den Vorgaben des BGB abgewichen worden. Die "Stimm- und Verwaltungsrechte" der T als neuer Kommanditistin sollten für die Dauer des Nießbrauchs dem Kläger zustehen. T bevollmächtigte ihn zu deren Ausübung. Gleichwohl ist die Stellung der T noch der eines Kommanditisten angenähert.

    23

    Dies folgt daraus, dass T im Bereich der Grundlagengeschäfte ihr Stimmrecht noch persönlich ausüben durfte. Zwar hatte sie dazu jeweils die Zustimmung des Klägers einzuholen; entscheidend ist jedoch, dass der Kläger in diesem Bereich nicht ohne T handeln konnte, weil er selbst kein stimmberechtigter Gesellschafter der KG war. Damit war er gehindert, den Gesellschaftsvertrag der KG in wesentlichen Punkten zu ändern und T gegen deren Willen aus der Gesellschaft auszuschließen. Dieser Umstand reicht aus, um ihr Mitunternehmerinitiative zuzuerkennen.

    24

    4.

    Auf die Frage, ob die Stellung der T als Geschäftsführerin --aber nicht zugleich Gesellschafterin-- der Komplementär-GmbH ebenfalls ausreichen würde, der T Mitunternehmerinitiative zuzubilligen, braucht ebenso wenig eingegangen zu werden, wie auf die Erwägung des FG, dass die Fähigkeit zur Entfaltung von Mitunternehmerinitiative durch den schenkweise erworbenen Kommanditanteil selbst vermittelt worden sein müsste.