25.03.2010
Bundesfinanzhof: Urteil vom 19.01.2010 – X R 17/09
Hat sich der Vermögensübernehmer gegenüber den Vermögensübergebern (Eltern) in einem Vermögensübergabevertrag verpflichtet, die Kosten einer standesgemäßen Beerdigung zu tragen, so sind die dadurch nach dem Tod des Letztverstorbenen entstandenen angemessenen Aufwendungen als dauernde Last i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar, soweit nicht der Vermögensübernehmer, sondern ein Dritter Erbe ist.
Gründe
I.
1
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) übernahm im Übergabevertrag vom 22. Juni 1990 als Gegenleistung für die Übergabe mehrerer Grundstücke samt Gebäuden u.a. die Verpflichtung, die Kosten für eine standesgemäße Beerdigung seiner Eltern, der Vermögensübergeber, zu tragen.
2
Nach dem Tod der letztversterbenden Mutter des Klägers entstanden diesem unstreitig Beerdigungskosten in Höhe von 4.149 EUR. Erbin der Mutter war die Schwester des Klägers.
3
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr 2005 fest, ohne die geltend gemachten Beerdigungskosten zu berücksichtigen.
4
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1455 veröffentlichtem Urteil statt. Beerdigungskosten seien Bestandteil des Inbegriffs "typischer" Versorgungsleistungen. Ihre Abziehbarkeit als dauernde Last ende auch nicht deswegen, weil der letzte Altenteilsberechtigte versterbe und ein Dritter Erbe nach dem Letztversterbenden werde. Maßgebendes Kriterium für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut Gegenstand einer unentgeltlichen Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein könne, sei die Vergleichbarkeit mit dem Vorbehaltsnießbrauch. Die Vermögensübergabe müsse sich so darstellen, dass die vom Übernehmer zugesagten Leistungen --obwohl sie von ihm erwirtschaftet werden müssen-- als zuvor vom Übergeber vorbehaltene --abgespaltene-- Nettoerträge vorstellbar seien. Dies sei für die Abziehbarkeit --und materiell-rechtlich korrespondierend für die Steuerbarkeit-- der privaten Versorgungsrente konstituierend (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Februar 2006 X R 5/04, BFHE 212, 450, BStBl II 2007, 160; vom 31. März 2004 X R 66/98, BFHE 205, 285, BStBl II 2004, 830; vom 11. Oktober 2007 X R 14/06, BFHE 219, 160, BStBl II 2008, 123). Auch im Streitfall habe sich der Letztversterbende hinsichtlich der Beerdigungskosten vom Übernehmer zu erwirtschaftende Nettoerträge vorbehalten. Gegen die Abziehbarkeit der Beerdigungskosten als Sonderausgaben spreche auch nicht das der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen zu Grunde liegende Korrespondenzprinzip. Zum einen könne die generelle Geltung eines Prinzips, dass wiederkehrende Leistungen beim Empfänger nach § 22 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtig seien, weshalb sie korrespondierend beim Zahlenden als Sonderausgaben abziehbar sein müssten, dem EStG nicht entnommen werden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 12. Mai 2003 GrS 1/00, BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95). Zum anderen könnten im Streitfall die vorbehaltenen Erträge in Gestalt der Beerdigungskosten des Letztversterbenden einem Empfänger als wiederkehrende Einkünfte (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugerechnet werden. Soweit der Kläger aufgrund des Übergabevertrags verpflichtet sei, die Beerdigungskosten auch für die Letztversterbende zu tragen, liege ein Vertrag zugunsten Dritter --im Streitfall zugunsten der Erbin-- vor. Die Erbin sei von den Beerdigungskosten entlastet; die Abziehbarkeit der dauernden Last beim Kläger entspreche deren Steuerbarkeit bei der Erbin. Damit sei der materiell-rechtlichen Korrespondenz zwischen Abzugs- und Besteuerungstatbestand infolge des Transfers der steuerlichen Leistungsfähigkeit rechtstechnisch Rechnung getragen worden.
5
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Der Abzug der Beerdigungskosten scheitere an dem Grundsatz der materiell-rechtlichen Korrespondenz. Aus dem Vorliegen eines Vertrags zugunsten Dritter, der Erbin, könne nicht geschlossen werden, die Erbin müsse die Aufwendungen als sonstige Einkünfte versteuern. Die Erbin trete in die Rechtsstellung der Erblasserin ein. Der Erblasserin seien Einnahmen in Höhe der Beerdigungskosten nicht mehr zugeflossen, weil sie im Zeitpunkt ihrer Entstehung nicht mehr gelebt habe. Deshalb seien auch der Erbin insoweit keine Einnahmen zugeflossen.
6
Das FA beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
8
Zu Recht sei das FG von einem Vertrag zugunsten Dritter ausgegangen. Bei der Erbin seien die Aufwendungen der Besteuerung zu unterwerfen, die der Kläger als Sonderausgaben abziehen könne.
II.
9
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass die Aufwendungen für die Beerdigung der Mutter des Klägers als Sonderausgaben abziehbar sind.
10
1.
Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Handelt es sich steuerrechtlich um eine dem Vertragstypus des "Versorgungsvertrags"/"Altenteilsvertrags" vergleichbare Vermögensübergabe, sind die --grundsätzlich schon aufgrund der Rechtsnatur des Vertrags abänderbaren-- wiederkehrenden Leistungen in der Regel als "dauernde Last" abziehbar (ausführlich hierzu Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, 328, BStBl II 1990, 847; zusammenfassend Senatsurteil vom 25. August 1999 X R 38/95, BFHE 190, 302, BStBl II 2000, 21, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
11
2.
Zutreffend ist das FG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats davon ausgegangen, dass das bürgerlich-rechtliche Altenteil Versorgungsleistungen verschiedener Art umfasst, die durch die gemeinsame Zweckbestimmung, den Berechtigten ganz oder teilweise zu versorgen, zu einer rechtlichen Einheit verbunden sind, und dass auch die Kosten für die Beerdigung des Altenteilers Bestandteil dieser Leistungen sind (vgl. Senatsurteil in BFHE 212, 450, BStBl II 2007, 160, m.w.N.). Das FG ist der Rechtsprechung des erkennenden Senats auch insoweit gefolgt, als es die generelle Abziehbarkeit der Beerdigungskosten als Sonderausgaben --obwohl nicht wiederkehrend-- aus deren Zugehörigkeit zum "Inbegriff der Versorgungsleistungen" folgert.
12
3.
Die aufgrund der getroffenen vertraglichen Verpflichtung geschuldeten und erbrachten Aufwendungen für die Beerdigungskosten des letztversterbenden Altenteilers sind im Streitfall als dauernde Last abziehbar, weil nicht der Kläger, sondern seine Schwester Erbin der Mutter ist (so auch Schönfelder, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2006, 233; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG Rz 79; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rz D 196; Kanzler, Finanz-Rundschau 2006, 743; anderer Ansicht Stöcker in Bordewin/ Brandt, § 10 EStG Rz 225, sowie Blümich/Hutter, § 10 EStG Rz 152, die beide darauf abstellen, dass Beerdigungskosten nicht laufend gezahlt werden, sondern nur einmalig entstehen können).
13
a)
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kennzeichnet die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen, dass sich der Vermögensübergeber Teile der nunmehr vom Vermögensübernehmer zu erwirtschaftenden Nettoerträge vorbehält. Der Vorbehalt der Erträge stellt sich dar als ein "Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit". Dieser wird in der Weise rechtstechnisch verwirklicht, dass die Aufwendungen beim Übernehmer nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar und die entsprechenden Zuflüsse beim Übergeber nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerbar sind, und bedingt eine materiell-rechtliche Korrespondenz zwischen Abzugs- und Besteuerungstatbestand (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 219, 160, BStBl II 2008, 123). Die materiell-rechtliche Korrespondenz von Abziehbarkeit und Steuerbarkeit ist dem Rechtsprinzip des Vorbehalts der Vermögenserträge immanent.
14
b)
Da im Streitfall eine Korrespondenz zwischen Abziehbarkeit und Steuerbarkeit gegeben ist, können die Beerdigungskosten als dauernde Last qualifiziert werden. Für die Abziehbarkeit der dauernden Last ist maßgeblich, dass der Übergeber "das Vermögen --ähnlich wie beim Nießbrauchsvorbehalt-- ohne die vorbehaltenen Erträge, die ihm nunmehr als Versorgungsleistungen zufließen, übertragen hat" (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, unter C.II.2.c). Die Versorgungsleistungen sind somit als vorbehaltene Vermögenserträge zu charakterisieren. Deshalb kommt eine Abziehbarkeit von wiederkehrenden Leistungen als Sonderausgaben nur dann in Betracht, wenn andererseits vorbehaltene Erträge in Gestalt der Beerdigungskosten einem Empfänger als wiederkehrende Einkünfte (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugerechnet werden können.
15
Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Der Kläger war aufgrund des Übergabevertrags verpflichtet, die Beerdigungskosten für die Letztversterbende zu tragen; diese vertragliche Regelung geht der gesetzlichen Regelung in § 1968 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor. Da die Erbin damit im Innenverhältnis von der Verpflichtung zur Tragung der Beerdigungskosten entbunden war, ist von einem Vertrag zugunsten Dritter, der Erbin, auszugehen. Ihr und nicht der verstorbenen Mutter, der Erblasserin, sind die Einnahmen in Höhe der ersparten Beerdigungskosten zugeflossen und deshalb können ihr die vorbehaltenen Erträge in Gestalt der Beerdigungskosten als wiederkehrende Einkünfte (§ 24 Nr. 2, § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugerechnet werden. Der Grundsatz der materiell-rechtlichen Korrespondenz ist gewahrt.