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  • 05.11.2010 · IWW-Abrufnummer 103592

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 05.05.2010 – 14 K 14168/08

    1. Wurde ein Grundstück unter Vorbehalt eines lebenslänglichen Nießbrauchsrechts zugunsten von zwei Gesamtgläubigern geschenkt, darf die zur Ablösung der gestundeten Schenkungsteuer nach § 25 Abs. 1 S. 3 ErbStG zu zahlende Summe nicht bezogen auf jeden Gesamtgläubiger getrennt berechnet werden (gegen Auffassung der Finanzverwaltung in gleichlautenden Ländererlassen). Vielmehr ist zur Berechnung des Kapitalwertes des Nießbrauchs und des Ablösungsbetrages das Lebensalter und das Geschlecht derjenigen Person maßgebend, für die sich der höchste Vervielfältiger i. S. d. § 14 BewG ergibt.



    2. Auch der Abzinsungsfaktor für die Errechnung des Ablösungsbetrages i. S. d. § 25 Abs. 1 S. 2 ErbStG (Vervielfältiger zu § 12 Abs. 3 BewG) richtet sich nach der statistischen Lebenserwartung des längerlebenden Nutzungsberechtigten.


    FG Berlin-Brandenburg v. 05.05.2010

    14 K 14168/08
    Tatbestand:
    Die Beteiligten streiten um die Berechnung des Ablösungsbetrages nach § 25 Abs. 1 Satz 3 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz – ErbStG – alter Fassung im Falle eines Gesamtgläubigern zustehenden lebenslangen Nießbrauchsrechts.

    Mit Notarvertrag vom 06. Juni 2006 erhielt der Kläger von der Schwester seiner Mutter (seiner am XX.XX.1945 geborenen Tante) und deren Ehemann (seinem am XX.XX.1944 geborenen Onkel) ein den Schenkern gemeinsam gehörendes Grundstück in D unentgeltlich übertragen. Die Schenker behielten sich ein Nießbrauchsrecht für die Lebensdauer des Längerlebenden vor. Wegen der näheren Einzelheiten nimmt der Senat auf die Urkunde Nr. …/2006 des Notars … in … Bezug.

    In den Schenkungsteuererklärungen beantragte der Kläger die Ablösung der gestundeten Steuer gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG.

    Mit Schenkungsteuerbescheiden vom 18. August 2006 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger Schenkungsteuer fest. Die zur Ablösung der gestundeten Steuer zu zahlende Summe berechnete er bezogen auf jeden der Gesamtgläubiger getrennt. Dabei teilte er den jeweiligen Teilbetrag der gestundeten Steuer nach dem Verhältnis der Teilbeträge der Kapitalwerte der Belastung zum Gesamtkapitalwert der Belastung auf. Wegen der näheren Einzelheiten der Berechnung nimmt der Senat auf die Anlagen zu den Bescheiden Bezug.

    Hiergegen wehrte sich der Kläger fristgerecht mit Einspruch.

    Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG sei die Steuer, die auf den Kapitalwert der Belastung entfalle, bis zu deren Erlöschen zinslos zu stunden. Da die gesamte Belastung des Klägers erst mit dem Ableben der Längerlebenden (laut Sterbetafel seiner Tante) wegfalle, seien alleine die für diese geltenden Vervielfältiger anzuwenden.

    Mit geändertem Bescheid über Schenkungsteuer vom 26. September 2007 betreffend die Zuwendung des Onkels setzte der Beklagte die Schenkungsteuer – aus Gründen, die hier keine Rolle spielen – geändert auf 13.061 Euro fest. Mit geändertem Bescheid über Schenkungsteuer vom 26. September 2007 betreffend die Zuwendung der Tante setzte der Beklagte die Schenkungsteuer – aus Gründen, die hier keine Rolle spielen – geändert auf 8.811 Euro fest. Wegen der näheren Einzelheiten der Berechnung nimmt der Senat auf die Anlagen zu den Bescheiden Bezug.

    Mit Einspruchsentscheidungen vom 03. Juli 2008 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

    Ausweislich des ihn bindenden Erlasses vom 03. Juli 2003 – II B 15 – S 3810 – 3/02 sei der Ablösebetrag getrennt – jeweils bezogen auf jeden der Gesamtgläubiger zu berechnen. Denn beim Tod eines der Gesamtgläubiger würde die Stundung insoweit wegfallen.

    Hiergegen wehrt sich der Kläger mit seiner fristgerecht erhobenen Klage.

    Er hält an seiner Einspruchsbegründung fest. Aus seiner Sicht mache es keinen Unterschied, ob zwei Gesamtgläubiger die Nutzung des Grundstücks beanspruchten oder nur einer. Die Belastung bestehe bis zum Tode des Längerlebenden.

    Der Kläger beantragt,

    die geänderten Schenkungsteuerbescheide vom 26. September 2007 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 03. Juli 2008 dahingehend zu ändern, dass die Schenkungsteuer betreffend den Erwerb von Frau B um 525 Euro und betreffend den Erwerb von Herrn C um 712 Euro herabgesetzt wird;

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hält an seiner Einspruchsentscheidung fest.

    Dem Senat hat bei seiner Entscheidungsfindung die die Schenkungen betreffende Schenkungsteuerakte des Beklagten vorgelegen.



    Entscheidungsgründe:
    Die zulässige Klage ist begründet, denn die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide sind rechtswidrig und verletzten den Kläger gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO – in seinen Rechten.

    Die vom Beklagten vorgenommene prozentuale Aufteilung des Kapitalwertes des Nießbrauchs zum Zwecke der Ermittlung getrennter Ablösungsbeträge entspricht nicht der Gesetzeslage. Vielmehr ist zur Berechnung des Kapitalwertes des Nießbrauchs und des Ablösungsbetrages das Lebensalter und das Geschlecht derjenigen Person maßgebend, für die sich der höchste Vervielfältiger im Sinne des § 14 Bewertungsgesetz – BewG – ergibt (zutreffend Ebeling in Kapp/Ebeling, § 25 ErbStG, Rz. 75; siehe auch Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, § 25 ErbStG, Rz. 38). Das ist hier die – statistisch gesehen – länger lebende Tante.

    So spricht § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG von einem „Erlöschen der Belastungen”. Die Belastung des Klägers durch den Nießbrauch fällt erst mit dem Tode des oder der Längerlebenden weg. Der Erwerb ist bis dahin in Höhe des Gesamtwertes der Last gemindert. Denn bei Gesamtgläubigerschaft im Sinne des § 428 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – ist jeder der Gläubiger berechtigt, die volle Summe zu fordern. Der Wegfall eines Mitberechtigten führt nicht zu einem – auch nicht teilweisen – Erlöschen der Belastung (zutreffend Billing, UVR 2008, 62, 64; Gelhaar, UVR 2004, 20, 22; siehe auch Weinmann in Moench, § 25 ErbStG, Rz. 32b m.w.N.). Die auf den Gesamtwert der Last entfallende anteilige Steuer ist bis zum Erlöschen der Last zu stunden. Die gesamte Steuer wird mithin erst fällig, wenn der Längerlebende verstirbt und – in Einklang mit dem das ErbStG beherrschenden Bereicherungsprinzip – der Zuwendungsempfänger durch den Wegfall der Last bereichert ist.

    Daraus ergibt sich, dass auch die zur Ablösung der gestundeten Steuer zu zahlende Summe nicht bezogen auf jeden Gesamtgläubiger getrennt berechnet werden darf. Nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG kann die gestundete Steuer mit dem Barwert nach § 12 Abs. 3 BewG abgelöst werden. Die gestundete oder zu stundende Steuer ist die Steuer, die auf den Nießbrauchswert entfällt. Nur diese ist maßgeblich für die Berechnung der Ablösesumme. Eine vorherige prozentuale Aufteilung des Kapitalwertes des Nießbrauchs zum Zwecke der Ermittlung getrennter Ablösungsbeträge ist im Gesetz nicht geregelt (zutreffend Ebeling in Kapp/Ebeling, § 25 ErbStG, Rz. 75). Angesichts des Vorliegens einer einheitlichen Last des Schuldners gegenüber den Gesamtgläubigern ist für die Berechnung des Kapitalwertes § 14 Abs. 3 BewG heranzuziehen (zutreffend Billing, UVR 2008, 62, 64). Da hier der Nießbrauch mit dem Tod des zuletzt Sterbenden erlischt, sind für die Berechnung des Kapitalwertes des Nießbrauchs das Lebensalter und das Geschlecht derjenigen Person maßgebend, für die sich der höchste Vervielfältiger im Sinne des § 14 BewG ergibt. Auch der Abzinsungsfaktor für die Errechnung des Ablösungsbetrages im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG (Vervielfältiger zu § 12 Abs. 3 BewG) richtet sich nach der statistischen Lebenserwartung des längerlebenden Nutzungsberechtigten.

    Die Neuberechnung der Schenkungsteuer ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der unterlegene Beklagte, § 135 Abs. 1 FGO. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig, § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO, da die Sache nicht so einfach war, dass der Kläger im Vorverfahren auf sachkundige Vertretung hätte verzichten müssen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO, § 708 Nr. 10 Zivilprozessordnung – ZPO –. Der Senat lässt die Revision nicht zu, da kein Grund im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO hierfür besteht. Das Urteil widerspricht zwar gleichlautenden Ländererlassen der Finanzverwaltung. Da § 25 ErbStG jedoch im Rahmen zur Reform der Erbschaftsteuer aufgehoben wurde, besteht kein Bedarf mehr für eine höchstrichterliche Klärung.

    RechtsgebieteErbStG, BewG, BGBVorschriftenErbStG 2006 § 25 Abs. 1 S. 2 ErbStG 2006 § 25 Abs. 1 S. 3 BewG § 12 Abs. 3 BewG § 14 Abs. 3 BGB § 428