06.04.2011 · IWW-Abrufnummer 111149
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 15.09.2010 – 3 K 3232/07
Der bei einer Veräußerung an einen fremden Dritten erzielte Kaufpreis für ein Wirtschaftsgut liefert den sichersten Anhaltspunkt für den Wert (gemeiner Wert bzw. Verkehrswert) des Wirtschaftsguts. Es ist daher nicht sachgerecht, ein Sachverständigengutachten zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts stets vorrangig gegenüber einer stichtagsnahen Veräußerung zu berücksichtigen.
FG Berlin-Brandenburg v. 15.09.2010
3 K 3232/07
Tatbestand:
Nachdem die Erblasserin, …, am 7. Dezember 2004 verstorben war, forderte das für die Erbschaftsteuerveranlagung zuständige Finanzamt … den Beklagten mit Verf ügung vom 8. Dezember 2006 auf, die Feststellung des Grundbesitzwertes gemäß § 138 Abs. 5 Bewertungsgesetz – BewG – (in der im Streitfall anzuwendenden Fassung – a.F. –) für das in … belegene Nachlassgrundstück auf den Todestag der Erblasserin durchzuführen. Das Grundstück wird als sog. Erholungsgrundstück bezeichnet, liegt im Außengebiet im Sinne von § 35 Baugesetzbuch – BauGB – und besteht aus den Flurstücken X (948 m²) und Y (125 m²). Bei dem Flurstück Y handelt es sich nach der Grundbucheintragung um eine Verkehrsfläche bzw. Straßenland.
Mit Bescheid vom 13. Februar 2007 über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 7. Dezember 2004 stellte der Beklagte für Zwecke der Erbschaftsteuer den Grundbesitzwert für das genannte Grundstück in Höhe von 42.500 EUR fest.
Hierbei ging der Beklagte vom Mindestwert gemäß § 146 Abs. 6 BewG a.F. aus, den er wie folgt ermittelte:
– Grundstücksfläche (nur Flurstück X) 948 m² × 56,24 EUR abzüglich 20 %
= 42.650 EUR, abgerundet: 42.500 EUR.
Den Ertragswert des mit einem Bungalow (48 m² Wohnfläche) bebauten Grundstücks berechnete der Beklagte mit 13.305 EUR, sodass er den höheren der beiden Werte als Mindestwert feststellte.
Hiergegen legte der vom Amtsgericht … durch Bestallungsurkunde vom … 2004 zum Nachlasspfleger bestellte hiesige Prozessbevollmächtigte rechtzeitig Einspruch ein; in der Bestallungsurkunde ist der Todestag der Erblasserin mit 9. Dezember 2004 angegeben. Den Einspruch begründete der Nachlasspfleger wie folgt: Das Grundstück sei lediglich mit einer Gartenlaube bzw. einem Wochenendhaus bebaut, welches über kein Badezimmer verfüge; zudem sei es nicht an die öffentliche Abwasserentsorgung angeschlossen, weshalb es nicht bestimmungsgemäß genutzt werden dürfe.
Auch der vom Beklagten ermittelte Bodenwert (Mindestwert) entspreche nicht den tatsächlichen Wertverhältnissen. So sei zum Zwecke des Verkaufs des Grundstücks auf den 5. Juli 2005 ein Verkehrswertgutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Grundstückssachverständigen erstellt worden, welches einen Verkehrswert von 12.000 EUR für das Grundstück ausweise; auf das Gutachten vom 16. Juli 2005 nebst Anlagen (Bl. 7 – 25 der Streitakte) wird Bezug genommen.
Der Beklagte bat daraufhin am 5. März 2007 den Bausachverständigen – BSV – seiner Bewertungsstelle um eine baufachliche Stellungnahme. Der BSV führte in seiner Antwort vom 14. März 2007 aus, zwar sei das vorgelegte Verkehrswertgutachten des Sachverständigen … in sich schlüssig und nachvollziehbar, es könne aber dennoch nicht als Nachweis eines niedrigeren Grundstückswertes herangezogen werden, da das Grundstück mit Vertrag vom 6. September 2005 zu einem Preis von 30.000 EUR veräußert worden sei. Somit sei erwiesen, dass der Wert laut Gutachten (12.000 EUR) nicht den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielenden Preis darstelle. Dieser betrage nachweislich 30.000 EUR; dieser Wert sei als Grundstückswert festzustellen.
Der Nachlasspfleger erwiderte hierauf, dass nach dem Bewertungsgesetz und den dazu ergangenen Richtlinien (§ 146 Abs. 7 BewG a.F., R 163 Abs. 1 Satz 2 Erbschaftsteuerrichtlinien – ErbStR –) der Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts vom Steuerpflichtigen durch Vorlage eines Verkehrswertgutachtens eines Sachverständigen geführt werden könne. Dies sei durch das Gutachten des Sachverständigen … zeitnah – auf den 5. Juli 2005 – zum Todestag der Erblasserin – 7. Dezember 2004 – geschehen.
Der später – im September 2005 – erzielte höhere Kaufpreis sei nicht in Ansatz zu bringen, da nach den Bestimmungen der R 163 Sätze 3 und 4 ErbStR der Nachweis eines niedrigeren Wertes durch Bezugnahme auf einen erzielten Kaufpreis eindeutig subsidiär gegenüber der Wertfeststellung durch ein Sachverständigengutachten sei.
Ergänzend sei noch darauf hinzuweisen, dass Gegenstand des Grundstückskaufvertrages vom 6. September 2005 neben dem Grundstück noch ein in der Garage abgestellter Pkw … gewesen sei (Hinweis auf Foto Nr. 7 zum Gutachten des Sachverständigen – Bl. 22 der Streitakte).
Der Beklagte erließ am 25. April 2007 einen gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung – AO – geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 7. Dezember 2004, durch welchen er den Wert auf 30.000 EUR feststellte. Erneut legte er seiner Feststellung den Mindestwert zugrunde, den er aufgrund der stichtagsnahen Veräußerung im September 2005 durch den Grundstückskaufvertrag als nachgewiesen erachtete.
Der Nachlasspfleger hielt an seinem Begehren, den Wert auf 12.000 EUR festzustellen, weiter fest. Er führte an, der Berücksichtigung des Wertes laut Gutachten sei schon deshalb der Vorzug zu geben, weil der Stichtag der Gutachtenerstellung (5. Juli 2005) näher am Bewertungsstichtag (9. Dezember 2004) gelegen habe, als der Verkauf (6. September 2005). Zudem sei zu berücksichtigen, dass der zu erzielende Kaufpreis von nicht kalkulierbaren Zufällen, wie dem Geschick des Maklers und/oder der Kompetenz des Käufers, abhinge. Diese Unsicherheit der Kaufpreisfindung dürfe nicht Grundlage einer gesetzlichen Regelung sein.
Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 7. August 2007 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Der Grundstückswert sei zutreffend mit 30.000 EUR festgestellt worden. Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts sei den Klägern nicht gelungen. Der gemeine Wert werde gemäß § 9 Abs. 2 BewG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des jeweiligen Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Da beim Verkauf 30.000 EUR erzielt worden seien, spiegele das vorgelegte Verkehrswertgutachten über 12.000 EUR offensichtlich nicht den gemeinen Wert bzw. Verkehrswert des Grundstücks wider. Daher sei dem Wert laut Kaufvertrag der Vorzug zu geben, zumal weder vorgetragen noch ersichtlich sei, dass Wertveränderungen im Zeitraum von zwei Monaten zwischen Gutachtenerstellung und Verkauf eingetreten seien.
Hiergegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Klage, mit der die Kläger weiterhin eine Grundbesitzwertfeststellung in Höhe von 12.000 EUR begehren. Im Wesentlichen wiederholen sie ihren Vortrag aus dem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren. Ergänzend weisen sie darauf hin, dass es ausschließlich durch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse gelungen sei, das Grundstück zu einem Preis oberhalb des durch das Gutachten festgestellten Verkehrswertes zu veräußern. Derartige Umstände dürften gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG bei der Wertberechnung nicht berücksichtigt werden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger durch Vorlage der Sterbeurkunde klargestellt, dass die Erblasserin am 7. Dezember 2004 und nicht – wie fälschlich in der Bestallungsurkunde angegeben – am 9. Dezember 2004 verstorben ist. Des Weiteren hat der Prozessbevollmächtigte im Verhandlungstermin eine Ablichtung des notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrages vom 6. September 2005 zur Urkundenrolle Nr. … des Notars … überreicht. Dieser Urkunde ist zu entnehmen, dass die Vertragsbeteiligten übereinstimmend davon ausgingen, dass das Eigentum des auf dem Streitgrundstück abgestellten Pkw … ebenfalls auf den Käufer übergehen sollte (§ 1 des Kaufvertrages), dieses Fahrzeug allerdings als schrottreif angesehen wurde (§ 8 des Kaufvertrages).
Die Kläger beantragen,
den Bescheid vom 25. April 2007 über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 7. Dezember 2004 betreffend das Grundstück …, in Gestalt der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 7. August 2007 zu ändern, indem der Grundbesitzwert auf 12.000 EUR festgestellt wird;
die Zuziehung des Klägervertreters im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte, der im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Einspruchsverfahren.
Ergänzend trägt der Beklagte vor, dass seines Erachtens das Verkehrswertgutachten auch deshalb keine Berücksichtigung finden könne, weil es nicht den Wert auf den Todeszeitpunkt sondern auf den Tag der Grundstücksbesichtigung (= 5. Juli 2005) wiedergebe.
Dem Senat hat bei seiner Entscheidung neben der Streitakte die vom Beklagten für das streitbefangene Grundstück geführte Grundbesitzwertakte zum Aktenzeichen … nebst einem Hefter mit dem Einspruchsvorgang vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte über die Sache verhandeln und entscheiden, obwohl für den Beklagten niemand im Termin erschienen war, weil das Gesetz die Anwesenheit der Beteiligten im Verhandlungstermin nicht vorschreibt und der Beklagte mit der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 91 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Die Kläger werden durch den angegriffenen Feststellungsbescheid nicht in ihren Rechten verletzt, weil dieser Bescheid nicht rechtswidrig ist (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Insbesondere ist es den Klägern nicht gelungen, den Nachweis zu erbringen, dass der gemeine Wert des Grundstücks niedriger ist, als vom Beklagten zuletzt festgestellt.
Die Bewertung des vorliegenden Grundstücks für Zwecke der Erbschaftsteuer (Bedarfsbewertung) richtet sich nach § 138 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 BewG a.F. in Verbindung mit – i.V.m. – § 146 BewG a.F., da es sich um ein bebautes Grundstück handelt. Der Umstand, dass die Aufbauten (Bungalow, Schuppen und Garage) nicht dem neuesten Standard entsprechen bzw. Mängel aufweisen und dass wegen der mangelhaften Abwasserentsorgung möglicherweise ein behördliches Verbot der Grundstücksnutzung zu dauernden Wohnzwecken besteht, ändert nichts an der Eigenschaft „bebaut” des Grundstücks; denn die Gebäude sind – wenn auch ggf. nur in eingeschränktem Umfang – als solche nutzbar (vgl. § 145 Abs. 2 BewG a.F.), sodass nicht von einem unbebauten Grundstück auszugehen ist.
Der Beklagte hat das Grundstück im Ausgangsbescheid im typisierenden Verfahren nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1996 (vgl. § 138 Abs. 4 BewG a.F. mit 42.500 EUR bewertet, wobei es sich hierbei um den sog. Mindestwert gemäß § 146 Abs. 6 i.V.m. § 145 Abs. 3 BewG a.F. handelte. Mit dem hiergegen erhobenen Rechtsbehelf haben die Kläger geltend gemacht, der gemeine Wert betrage lediglich 12.000 EUR, und sie haben sich zum Nachweis des niedrigeren Wertes auf ein von ihnen in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten bezogen.
Gemäß § 146 Abs. 7 BewG a.F. ist ein niedrigerer Grundstückswert festzustellen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der gemeine Wert des Grundstücks niedriger als der nach den Absätzen 2 bis 6 des § 146 BewG a.F. ermittelte Wert ist.
§ 146 Abs. 7 BewG a.F. regelt nicht, wie der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zum maßgeblichen Bewertungsstichtag (Zeitpunkt der Entstehung der Steuer: § 9 des Erbschaftsteuergesetzes – ErbStG –) zu führen ist (BFH-Urteil vom 10. November 2004 II R 69/01, BStBl 2005 II S. 259). Ebenso wie ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah erzielter Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli 2004 II R 55/01, BStBl II 2004, 703) kann ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken (vgl. R 177 ErbStR 2003) als Nachweis dienen (BFH-Urteil vom 8. Oktober 2003 II R 27/02, BStBl II 2004, 179). Der Steuerpflichtige ist grundsätzlich frei in der Wahl, welches dieser Mittel zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts er wählt.
Führt der Steuerpflichtige den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts gemäß § 146 Abs. 7 BewG durch ein Gutachten, so handelt es sich um ein Privatgutachten und damit um substantiiertes, urkundlich belegtes Parteivorbringen (vgl. BFH-Urteil vom 4. März 1993 IV R 33/92, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1993, 739; Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 27. Mai 1982 III ZR 201/80 , Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 1982, 2874), das grundsätzlich der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegt (§ 96 Abs. 1 FGO; vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1982 IV R 176/78, BStBl II 1983, 417).
Das von den Klägern beigebrachte Verkehrswertgutachten wurde von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken auf den Stichtag 5. Juli 2005 (= Tag der Besichtigung durch den Sachverständigen) zum Zwecke der „Verkehrswertfeststellung für Nachlasspflegschaft” nach § 194 BauGB erstellt. Dieses Gutachten ist grundsätzlich geeignet, den Nachweis für einen niedrigeren Verkehrswert auf den Feststellungszeitpunkt (= Todestag der Erblasserin) im Sinne des § 146 Abs. 7 BewG a.F. zu erbringen. Zwar wurde die Bewertung nicht für Zwecke der Erbschaftsteuer und auch nicht auf den maßgeblichen Stichtag durchgeführt, der erkennende Senat hält diese Abweichungen indes im Streitfall für unschädlich. Denn sowohl die Verkehrswertermittlung nach § 194 BauGB als auch diejenige nach § 138 Abs. 3 Satz 1 BewG a.F. richten sich nach denselben Vorschriften (Wertermittlungsverordnung – WertV – und Wertermittlungsrichtlinien – WertR –) und beide haben dasselbe Ziel, nämlich der Ermittlung des Verkehrswerts eines Grundstücks zu dienen.
Der Umstand, dass vorliegend der Verkehrswert im Gutachten nicht auf den Todestag der Erblasserin festgestellt wurde, wird vom Gericht deshalb als unschädlich angesehen, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass in dem relativ kurzen Zeitraum zwischen Todestag (= 7. Dezember 2004) und Besichtigungszeitpunkt (= 5. Juli 2005) entscheidende Wertveränderungen am Bewertungsobjekt eingetreten wären. Insbesondere hat der Gutachter bei seiner Bewertung die vom Gutachterausschuss auf den 1. Januar 2005 veröffentlichten Bodenwerte berücksichtigt, also dieselben Werte, welche auch bei Durchführung der Bewertung auf den Todestag der Erblasserin anzuwenden gewesen wären.
Da das Gutachten auch im Übrigen keinen Anlass gibt, an dessen Richtigkeit zu zweifeln – was auch vom Beklagten ausdrücklich bestätigt wurde – ist es grundsätzlich als urkundlich belegtes Parteivorbringen durch das Gericht zu berücksichtigen.
Allerdings unterliegt die Wertung dieses Parteivorbringens gemäß § 96 Abs. 1 FGO der freien Beweiswürdigung durch das Gericht (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1982 IV R 176/78, BStBl II 1983, 417). Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass sich das Finanzgericht als Tatsacheninstanz aufgrund einer Gesamtwürdigung aller bekannten Umstände eines Falles seine Überzeugung bildet (vgl. Darstellung bei von Groll in Gräber, FGO, 6. Aufl. 2006, § 96 Rz. 15 ff. m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes kann die Aussage des BFH, der Steuerpflichtige sei grundsätzlich frei in der Wahl, welches der zugelassenen Mittel zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts er wähle (vgl. Urteil vom 10. November 2004 II R 69/01, BStBl II 2005, 259), nicht dahingehend verstanden werden, dass es dem Finanzgericht beim Vorliegen sowohl eines vom Steuerpflichtigen beigebrachten Sachverständigengutachtens als auch eines zeitnahen Grundstückskaufvertrages versagt wäre, beide Beweismittel für seine Überzeugungsbildung heranzuziehen. Der im Finanzgerichtsprozess herrschende Untersuchungsgrundsatz (vgl. § 76 Abs. 1 FGO) gebietet es, bei der Wertung des Parteivorbringens – hier also des von den Klägern beigebrachten Gutachtens – auch weitere Erkenntnisse, die – wie hier – durch den Beklagten oder aber aufgrund eigener Ermittlungstätigkeit des Gerichts gewonnen werden, bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen.
Im Streitfall ist das Gericht unter Abwägung aller relevanten Umstände zu der Überzeugung gelangt, dass der gemeine Wert des Grundstücks vom Beklagten im Ergebnis zutreffend auf 30.000 EUR festgestellt wurde. Ausschlaggebend hierfür ist die Überlegung, dass der bei einer Veräußerung an einen fremden Dritten erzielte Kaufpreis für ein Wirtschaftsgut den sichersten Anhaltspunkt für den Wert (gemeiner Wert bzw. Verkehrswert) des Wirtschaftsguts liefert.
Die von den Klägern vertretene Ansicht, ein Sachverständigengutachten sei stets vorrangig gegenüber einer stichtagsnahen Veräußerung zu berücksichtigen, wird vom Gericht nicht geteilt; ein derartiger Vorrang ist weder dem Gesetz noch den Richtlinien zu entnehmen, und er wäre auch nicht sachgerecht. Vielmehr folgt für den erkennenden Senat aus § 9 Abs. 2 BewG, dass der Gesetzgeber sich von dem Gedanken leiten ließ, dass der Marktpreis den gemeinen Wert eines Wirtschaftsguts am treffendsten widerspiegelt; denn in § 9 Abs. 2 BewG heißt es: „Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen…”
Dies bedeutet, dass der nach den Regeln von Angebot und Nachfrage frei ausgehandelte Marktpreis für ein Wirtschaftsgut – unter Außerachtlassung ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse – die beste Gewähr dafür bietet, den wahren Wert (gemeiner Wert bzw. Verkehrswert) eines Wirtschaftsgutes abzubilden. Die Wertermittlung durch einen Gutachter stellt demgegenüber stets eine mit zahlreichen Unwägbarkeiten verbundene Schätzung dar, die – auch wenn das Gutachten in sich schlüssig ist und nach den gesetzlichen Regeln erstellt wurde – zu Werten führen kann, die vom Verkehrswert weit entfernt liegen.
Letztlich bestätigt sich diese Einschätzung des Gerichts im vorliegenden Fall: Obwohl das vorgelegte Gutachten keine offensichtlichen Mängel aufweist, wurde beim Verkauf des Grundstücks ca. zwei Monate nach Gutachtenerstellung ein Preis erzielt, der mehr als doppelt so hoch wie der vom Gutachter festgestellte Wert ist. Außergewöhnliche Umstände, die die Preisfindung bei der Veräußerung des Grundstücks beeinflusst haben könnten, sind nicht ersichtlich.
Insbesondere dürfte nach Vorliegen des notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrages unstreitig sein, dass die Mitveräußerung des schrottreifen Pkw sich jedenfalls nicht erhöhend auf den Kaufpreis ausgewirkt hat.
Der Vortrag der Kläger, der erzielte hohe Kaufpreis sei ausschließlich dem besonderen Geschick des eingeschalteten Maklers bzw. der Unerfahrenheit des Käufers zu verdanken, vermag keine besonderen Verhältnisse im Sinne des § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BewG zu belegen. Denn derartige Umstände sind typisch für den „gewöhnlichen Geschäftsverkehr” im Sinne des § 9 Abs. 2 BewG. Dass der Grundstückserwerber über den wahren Zustand – und damit Wert – des Grundstücks getäuscht worden wäre, ist indes weder vorgetragen noch ersichtlich.
Da der Kaufpreis innerhalb eines Jahres nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommen ist, ist er geeignet, als Nachweis eines niedrigeren Werts im Sinne des § 146 Abs. 7 BewG a.F. bzw. § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG a.F. zu dienen (vgl. R 177 Abs. 2 bzw. R 163 Abs. 2 ErbStR).
Der Umstand, dass der Beklagte in seinem Änderungsbescheid bei der Berechnung des Grundbesitzwertes von 30.000 EUR diesen erneut – fälschlich – als „Mindestwert” (des Grund und Bodens) bezeichnet hat, obwohl es sich um den durch den Kaufvertrag nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert des bebauten Grundstücks im Sinne des § 146 Abs. 7 BewG a.F. handelte, ist unschädlich. Insoweit liegt eine falsche Begründung des Verwaltungsaktes vor, die – soweit der zutreffende Wert der Höhe nach festgestellt wird – den Bescheid nicht rechtswidrig macht; im Übrigen hat der Beklagte die Bedarfsbewertung in seiner Einspruchsentscheidung auch zutreffend begründet.
Nach alledem war die Klage als unbegründet abzuweisen; eine Revisionszulassung kam nicht in Betracht, da ein Zulassungsgrund im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.