30.07.2012 · IWW-Abrufnummer 122272
Finanzgericht des Saarlandes: Beschluss vom 03.01.2012 – 1 V 1387/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Verfahren
...
hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes
am 3. Januar 2012
beschlossen:
Tenor:
1.
Die Vollziehung des Schenkungsteuerbescheides vom 27. September 2011 wird bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt.
2.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
3.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Erlass über die Behandlung der gemischten Schenkungen sowie der Schenkungen unter Auflage (koordinierte Ländererlasse vom 20. Mai 2011, BStBl I 2011, 562) auf die Übertragung eines Kommanditanteils gegen Versorgungsleibrente vom 19. Oktober 2009 anwendbar ist. Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Am 5. Oktober 2006 errichtete der Vater des Antragstellers (künftig: V), die V-GmbH & Co. KG" (künftig: KG) und die "V Geschäftsführung GmbH". V übernahm als einziger Beteiligter die Kommanditeinlage i.H.v. 10.000 EUR. Persönlich haftender Gesellschafter der KG war die V Geschäftsführung GmbH. Gegenstand der KG war der "Erwerb sowie die gewinnbringende Verwaltung und Nutzung von Grundstücken sowie von Anlagen, Einrichtungen und sonstigen Vermögensgegenständen sowie der Erwerb und die gewinnbringende Verwaltung von Unternehmensbeteiligungen". Ebenfalls am 5. Oktober 2006 brachte V diverse Grundstücke sowie die damit in Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten ohne Gegenleistung in die KG ein.
Am 16. November 2006 schenkte V seinem Sohn, dem Antragsteller, einen Teil-Kommanditanteil im Nennbetrag von 3.000 EUR. Diese Schenkung wurde durch Bescheid vom 28. Januar 2010 besteuert.
Am 19. Oktober 2009 übertrug V dem Antragsteller mit Wirkung zum 31. Oktober 2009, 24.00 Uhr (Übergabestichtag) seinen verbliebenen Kommanditanteil im Nennbetrag von 7.000 EUR. Im Gegenzug verpflichtete sich der Antragsteller, V eine Leibrente i.H.v. monatlich 15.000 EUR zu zahlen. Am 10. Mai 2010 reichte der Antragsteller die Schenkungssteuererklärung zu dieser Übertragung beim Antragsgegner ein, in der er dem selbst errechneten Gesamtwert des übertragenen Betriebsvermögens i.H.v 4.684.235 EUR als Auflage die dem V zugesagte Leibrente mit einem Jahreswert von 180.000 EUR gegenüber stellte.
Der Antragsgegner stellte den gemeinen Wert des Kommanditanteils (Nennbetrag 7.000 EUR) durch Bescheid vom 20. September 2011 auf 4.326.431 EUR fest.
Am 27. September 2011 setzte der Antragsgegner für die Übertragung des Kommanditanteils (Nennbetrag 7.000 EUR) Schenkungsteuer i.H.v. 48.535 EUR fest. Hierbei ließ er unter Anwendung des Erlasses vom 20. Mai 2011 die Verpflichtung zur Rentenzahlung statt - wie erklärt - mit 3.362.375 EUR nur im Verhältnis des steuerpflichtigen zum steuerfreien Vermögen und damit i.H.v. 292.518 EUR zum Abzug zu. Dagegen legte der Antragsteller am 28. Oktober 2011 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Den Aussetzungsantrag lehnte der Antragsgegner am 4. November 2011 ab. Über den Einspruch gegen den Schenkungsteuerbescheid wurde noch nicht entschieden.
Am 22. November 2011 hat der Antragsteller beim Finanzgericht sinngemäß den Antrag gestellt,
die Vollziehung des Schenkungsteuerbescheides vom 27. September 2011 bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
Der Erlass vom 20. Mai 2011 sei bei Vollzug der Schenkung noch nicht bekannt gewesen. Nach Treu und Glauben habe im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die Belange des anderen Teiles Rücksicht zu nehmen und dürfe sich nicht mit seinem früheren (nachhaltigen) Verhalten in Widerspruch zu setzen, auf das der andere vertraut habe (BFH vom 9. August 1989, BStBl II 1989, 990 [BFH 09.08.1989 - I R 181/85]). Vertraut habe ein Beteiligter, wenn er durch das Verhalten des anderen Beteiligten veranlasst worden sei, Dispositionen auszuführen, deren Rückgängigmachung ihm nicht mehr möglich oder nicht mehr zumutbar sei (Hundt-Eßwein, NWB 2002, 545). Auch das Vertrauen in Verwaltungsanweisungen sei unter bestimmten Voraussetzungen schützenswert (Scharfenberg, DStR 2010, 1210, 1213; BFH vom 26. September 2007, BStBl II 2008, 405 [BFH 26.09.2007 - V B 8/06]).
Der Antragsteller und V hätten sich vor Übertragung der KG-Anteile umfassend beraten lassen. Bei einer hohen Schenkungsteuerbelastung habe man zunächst auf die Übertragung der Anteile verzichten wollen. Gegenstand der Beratung sei nicht nur die adäquate Versorgung des V, sondern auch die möglichst steuerschonende Übertragung des Betriebsvermögens gewesen. Neben dem "Leibrentenmodell" sei auch das "Nießbrauchsmodell" in Betracht gezogen worden.
Das "Leibrentenmodell" habe bei der Übertragung der KG-Anteile am 31. Oktober 2009 in erbschaftsteuerrechtlicher Hinsicht eine Schenkung unter einer Leistungsauflage dargestellt, für die die Grundsätze einer gemischten Schenkung gegolten hätten (§ 7 ErbStG i.d.F. des ErbStG vom 24. Dezember 2008 und R 17 Absatz 1 Sätze 3 - 5 ErbStR 2003). Diese Grundsätze basierten auf gefestigter BFH-Rechtsprechung (z.B. Urteile vom 12. Dezember 1979, BStBl II 1980, 260 [BFH 12.12.1979 - II R 157/78]; vom 21. Oktober 1981, BStBl II 1982, 83; vom 14. Juli 1982, BStBl II 1982, 714 [BFH 14.07.1982 - II R 125/79]; vom 12. April 1989, BStBl II 1989, 524 [BFH 12.04.1989 - II R 37/87]). Die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage bei der gemischten Schenkung und der Schenkung unter Leistungsauflage hätten sich aus R 17 Absatz 2 ErbStR 2003 und H 17 Absatz 2 ErbStH 2003 ergeben.
Im Rahmen der Erbschaftsteuerreform sei auch § 10 Absatz 6 ErbStG geändert worden. Er habe bisher vorgesehen, dass Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13 a ErbStG befreiten Betriebsvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, in vollem Umfang abzugsfähig seien (bis einschließlich 2008). Ab 2009 seien diese Schulden nur noch im Verhältnis des steuerpflichtigen zum steuerfreien Vermögen abzugsfähig gewesen. Nach herrschender Meinung in der Literatur sei § 10 Absatz 6 ErbStG auch nach seiner Änderung durch das ErbStG vom 24. Dezember 2008 auf gemischte Schenkungen nicht anwendbar gewesen (vgl. stellvertretend Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, Rz. 158 zu § 10, Stand November 2009 und Moench/Weinmann, ErbStG, Rz. 92 und 93 zu § 10, Stand November 2010). Diese Meinung sei auch im koordinierten Ländererlass vom 25. Juni 2009, BStBl I 2009, 713 vertreten worden:
"Da auch nach Neuregelung der Vermögensbewertung für erbschaftsteuerrechtliche Zwecke ab dem 1. Januar 2009 die Grundsätze der gemischten Schenkung weiterhin anzuwenden sind, gilt § 10 Absatz 6 ErbStG weiterhin nicht für Schulden und Lasten, die im Rahmen der Ermittlung des Besteuerungswerts einer gemischten Schenkung als Gegenleistung oder Leistungsauflage berücksichtigt wurden (> R 17 ErbStR)."
Nach diesen Grundsätzen wäre für die Übertragung der KG-Anteile gegen Leibrente keine Schenkungsteuer angefallen. Das Vertrauen des Antragstellers in die ErbStR 2003 sei schützenswert, da die ErbStR 2003 auf einer durch Entscheidungen des BFH gesicherten Rechtslage beruht hätten. Die Rechtslage sei nicht unklar oder verworren gewesen und habe daher nicht in Zweifel gezogen werden müssen. Der Antragsteller habe zum Zeitpunkt der Disposition nicht mit einer Änderung der Rechtsauffassung rechnen müssen, sondern habe sich darin durch den Erlass vom 25. Juni 2009 bestärkt fühlen können.
Der Erlass vom 20. Mai 2011 formuliere die hier anzuwendenden Vorschriften wie folgt:
"Abweichend von R 17 ErbStR 2003 und H 17 ErbStH 2003 und im Vorgriff auf die ErbStR 2011 und ErbStH 2011 gilt für gemischte Schenkungen und Schenkungen unter einer Auflage das Folgende:
Entsprechend § 10 Absatz 1 Satz 1 und 2 ErbStG gilt auch bei der gemischten Schenkung oder Schenkung unter einer Auflage als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Bedachten, soweit sie der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegt."
Danach sollte § 10 Absatz 6 ErbStG nun doch auf eine gemischte Schenkung anzuwenden sein. Der Erlass berücksichtige auch das BFH-Urteil vom 8. Februar 2006 nicht, das der BMF zuvor amtlich veröffentlicht habe. Statt dessen sehe er vor, dass sich die Bewertung von Leistungs-, Nutzungs- und Duldungsauflagen ausschließlich nach den allgemeinen Vorschriften des Bewertungsgesetzes (§§ 1 bis 9, 13 bis 16 BewG) richten sollten (s. "Berechnung des steuerpflichtigen Erwerbs nach neuer und alter Verwaltungsmeinung").
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet zurückzuweisen.
Gemäß den koordinierten Ländererlassen vom 20. Mai 2011 gelte auch bei der gemischten Schenkung oder bei der Schenkung unter einer Auflage als steuerlicher Erwerb die Bereicherung des Bedachten, soweit sie der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliege. Der Erlass sei auf alle noch nicht bestandskräftig veranlagten Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2008 entstanden sei oder entstehe. Vorliegend sei die Steuer am 31. Oktober 2009 entstanden und mit Bescheid vom 27. September 2011 festgesetzt worden.
Der Wert der Rentenleistung sei demnach gemäß §§ 12 und 14 Abs. 1 BewG ermittelt und gemäß § 10 Abs. 6 ErbStG gekürzt worden. Da der Erlass vom 20. Mai 2011 für die Verwaltung bindend sei, könne keine Aussetzung der Vollziehung gewährt werden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Akten des Antragsgegners (Bl. 20) Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist nach § 69 Abs. 4 FGO zulässig und auch begründet. Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des BFH zur erbschaftsteuerlichen Einordnung der gemischten Schenkung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
1. Voraussetzungen der Aussetzung der Vollziehung
Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 2 FGO). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Steuerbescheides bestehen dann, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen, d.h. ein Erfolg des Steuerpflichtigen braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als ein Misserfolg (ständige Rechtsprechung des BFH, grundlegend: Beschlüsse vom 30. Juni 1967 III B 21/66, BStBl III 1967, 533 und vom 28. November 1974 V B 52/73, BStBl II 1975, 239 [BFH 28.11.1974 - V B 52/73]).
2. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
Bei Durchführung einer summarischen Prüfung im vorgenannten Sinne bestehen ernstliche Zweifel daran, ob die Gegenleistung des Antragstellers, die Leibrente für V, nach Maßgabe des § 10 Abs. 6 ErbStG hätte gekürzt werden dürfen.
a. Rechtsgrundlagen
(1) Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist (§§ 5, 13, 13a, 13c, 16, 17 und 18 ErbStG). In den Fällen des § 3 ErbStG gilt unbeschadet Absatz 10 als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegt, die nach den Absätzen 3 bis 9 abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem nach § 12 zu ermittelnden Wert abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 S. 1, 2 ErbStG).
Nicht abzugsfähig sind Schulden und Lasten, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegen. Beschränkt sich die Besteuerung auf einzelne Vermögensgegenstände (§ 2 Abs. 1 Nr. 3, § 19 Abs. 2 ErbStG), so sind nur die damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten abzugsfähig. Schulden und Lasten, die mit teilweise befreiten Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem steuerpflichtigen Teil entspricht. Schulden und Lasten, die mit nach § 13a ErbStG befreitem Vermögen in wirtschaft-lichem Zusammenhang stehen, sind nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a ErbStG anzuset-zenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13a ErbStG entspricht (§ 10 Abs. 6 S. 1-3 ErbStG).
Bis zum 31. Dezember 2008 hatte § 10 Abs. 6 S. 4 ErbStG folgende Fassung:
Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13a ErbStG befreiten Betriebsvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind in vollem Umfang abzugsfähig.
Ab dem 1. Januar 2009 lautet § 10 Abs. 6 S. 4 ErbStG (geändert durch das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24. Dezember 2008, BGBl. I 2008, 3018):
Schulden und Lasten, die mit nach § 13a befreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a ErbStG anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13a entspricht.
(2) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (z.B. BFH vom 13. April 2011 II R 27/09, BStBl II 2011, 730; vom 17. Oktober 2001 II R 72/99, BStBl II 2002, 25 jew. m.w.N.) unterliegt der Schenkungsteuer als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Als steuerpflichtiger Erwerb des Erwerbers gilt seine Bereicherung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG).
Bei der Ermittlung der Bereicherung ist zwischen gemischten Schenkungen und Schenkungen unter Nutzungs- oder Duldungsauflagen zu unterscheiden. Den gemischten Schenkungen sind Schenkungen unter Leistungsauflagen gleichgestellt. Während bei gemischten Schenkungen und Schenkungen unter einer Leistungsauflage nur der die Gegenleistung übersteigende Wert der (gemischten) freigebigen Zuwendung schenkungsteuerrechtlich relevant ist, sind Nutzungs- oder Duldungsauflagen durch Abzug der Last zu berücksichtigen.
Eine Leistungsauflage liegt vor, soweit dem Bedachten Aufwendungen auferlegt sind, er also zu Leistungen verpflichtet ist, die er unabhängig vom Innehaben des auf ihn übergegangenen Gegenstandes oder Rechts auch aus seinem persönlichen Vermögen erbringen kann oder soweit er den Zuwendenden von diesem obliegenden Leistungspflichten (zumindest im Innenverhältnis) zu befreien hat. Ist der Bedachte durch die Auflage zu Geldzahlungen verpflichtet, ist regelmäßig von einer Leistungsauflage auszugehen.
Bei Nutzungs- und Duldungsauflagen handelt es sich um die einer Schenkung beigefügte Nebenabrede, wonach der Bedachte zwar um das Eigentum am Zuwendungsgegenstand bzw. um das zugewendete Recht bereichert ist, ihm aber die Nutzungen (§ 100 BGB) der Sache oder des Rechts nicht sofort gebühren sollen (z.B. bei Bestellung eines Nießbrauchs gemäß §§ 1030 ff. BGB oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gemäß §§ 1090 ff. BGB).
(3) Nach Treu und Glauben kann ein Finanzamt gehindert sein, einen nach dem Gesetz entstandenen Steueranspruch geltend zu machen. Jeder hat im konkreten Steuerrechtsverhältnis auf die berechtigten Belange des anderen angemessen Rücksicht zu nehmen und sich mit seinem früheren Verhalten, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er in irreparabler Weise disponiert hat, nicht in Widerspruch zu setzen. Dies kann der Steuerpflichtige (bereits) gegenüber einer Steuerfestsetzung geltend machen; eines gesonderten Billigkeitsverfahrens bedarf es dazu nicht.
Der Grundsatz von Treu und Glauben verdrängt jedoch gesetztes Recht nur in besonderen Fällen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach dem all-gemeinem Rechtsgefühl in so hohem Maße schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen. Dies kommt nur in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (BFH vom 30. März 2011 XI R 30/09, BStBl II 2011, 613; vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865 jew. m.w.N.).
Ein schützenswertes Vertrauen, das die Pflicht der Finanzverwaltung zum Erlass einer Übergangsregelung auslöst, ist gegeben, wenn als Vertrauensgrundlage eine gesicherte, für die Meinung des Steuerpflichtigen sprechende Rechtsauffassung bestand und die Rechtslage nicht als zweifelhaft erschien, weil die Steuerpflichtigen nicht mit ei-ner Änderung rechnen oder ihnen zumindest Zweifel hätten kommen müssen (BFH vom 26. September 2007 V B 8/06, BStBl II 2008, 405).
b. Anwendung auf den Entscheidungsfall
Der Senat hat schon allein wegen der Rechtsprechung des BFH zur Auslegung des § 10 ErbStG - s. II a (2) - ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
(1) Im Entscheidungsfall hat der Antragsteller die Kommanditanteile von V im Zuge einer Schenkung unter Leistungsauflage, nämlich gegen Einräumung einer Leibrente, erworben. Nach der o.g. ständigen Rechtsprechung des BFH greifen die Abzugsbeschränkungen nach § 10 Abs. 6 ErbStG nicht ein, weil diese Belastung bereits bei Feststellung der Bereicherung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu berücksichtigen ist (... "soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird").
Man mag zwar an der den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 6 ErbStG stark einschränkenden Auffassung des BFH Zweifel hegen. Nach Auffassung des Senats könnte bei summarischer Prüfung § 10 EStG als allgemeine Wertermittlungsvorschrift - zumindest sinngemäß - auch auf die Feststellung der Bereicherung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Anwendung finden. Es erscheint zudem auch nicht ungerechtfertigt, Gegenleistungen nur in dem Umfang zum schenkungsteuerlichen Abzug zuzulassen, soweit sie auf steuerpflichtige Vorgänge entfallen. Dies entsprach auch der Intention des Gesetzgebers bei Änderung des § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG (s. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, München 2009, S. 166). So lange der BFH seine Rechtsprechung aber nicht revidiert hat, führt diese zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Bescheide, die dieser Rechtsprechung nicht gerecht werden.
(2) Ob vorliegend ein im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigender Vertrauensschutz dahingehend zu gewähren ist, dass die Steuer unter Zugrundelegung der Erbschaftsteuerrichtlinien 2003 festgesetzt wird, kann somit letztlich dahinstehen. Der Senat hält jedoch insbesondere im Hinblick auf den koordinierten Ländererlass vom 25. Juni 2009, BStBl I 2009, 713 den Vertrauensschutz in Form einer Übergangsregelung für geboten.
3. Dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung war somit stattzugeben. Die Kosten des Verfahrens werden gemäß § 135 Abs. 1 FGO dem Antragsgegner auferlegt. Die Beschwerde wird in entsprechender Anwendung des § 115 Abs. 2 FGO zugelassen (§ 128 Abs. 3 FGO). Die bisher vom BFH entschiedenen Fälle sind - soweit ersichtlich - zu anderen Fallkonstellationen und zu Zeiträumen vor dem 1. Januar 2009 ergangen.