03.05.2012
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 21.12.2011 – 7 K 1935/10
1. Das DBA-Frankreich ist hinsichtlich der Erbschaftsteuer nur auf Erbfälle anzuwenden, die nach seinem Inkrafttreten am 3.4.2009 eingetreten sind.
2. Haben der Erblasser und die Erbin ihren Wohnsitz in Deutschland, ist die in Frankreich erhobene Erbschaftsteuer auf Kapitalvermögen in Frankreich, das nach der Definition des § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG i. V. m. § 121 BewG nicht zum Auslandsvermögen gehört, nicht auf die deutsche Erbschaftssteuer anzurechnen.
3. Die von dem Erben zu zahlende französische Erbschaftsteuer ist nach § 10 Abs. 8 ErbStG nicht von der deutschen Erbschaftsteuer abzuziehen.
3. Die Besteuerung des Erwerbs von Auslandsvermögen nach § 21 ErbStG, für den auch ausländische Erbschaftsteuer gezahlt wird, verstößt weder gegen die unionsrechtlich gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit noch gegen das Diskriminierungsverbot und die Eigentumsgarantie nach europäischem Recht.
4. Führt die Doppelbesteuerung zu einem Härtefall, ist dies durch nationale Billigkeitsregelungen auszugleichen.
5. Aus Art. 6 des EU-Vertrages folgt kein generelles Übermaßverbot, das eine Gesamtsteuerbelastung der Besteuerung durch zwei Mitgliedstaaten in Höhe von mehr als 50 % vebietet. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer verschließt sich schon wesensgemäß der Anwendung eines Halbteilungsgrundsatzes.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 7. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Dezember 2011 durch Präsident des Finanzgerichts … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richterin … Ehrenamtlicher Richter …
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anrechnung der französischen Erbschaftsteuer auf die anteilige deutsche Erbschaftsteuer sowie (hilfsweise) deren Abzug als eine Nachlassverbindlichkeit von der Bemessungsgrundlage der deutschen Erbschaftsteuer.
Die Klägerin ist als Erbin zu einem Viertel am Nachlass ihrer am 5. April 2000 verstorbenen Großtante (Erblasserin) beteiligt. Der Nachlass bestand aus Kapitalvermögen in Deutschland und Frankreich. Der Anteil der Klägerin daran belief sich auf insgesamt 815.790 DM. Die Erblasserin besaß die französische Staatsangehörigkeit, der Wohnsitz der Erblasserin befand sich in Deutschland. Neben der Klägerin gab es zwei weitere Erben mit einem Viertel bzw. einem Halb Anteil am Nachlass. Alle Erben haben ihren Wohnsitz in Deutschland.
Die auf das in Frankreich befindliche Vermögen fällige französische Erbschaftsteuer (droits de succession) wurde unter Berücksichtigung geringfügiger Abschläge von der Bemessungsgrundlage nach dem für Großnichten vorgesehenen Steuersatz (55%) in Höhe von FF 1.285.3182 (= 383.237 DM) festgestellt. Diesen Betrag hat der die Erbschaft abwickelnde französische Notar im Namen der Klägerin an die französische Staatskasse abgeführt. Der Nettobetrag des aus Frankreich stammenden Erbanteils der Klägerin beläuft sich demnach auf 327.469 DM (167.432,24 EUR).
Für das gesamte erworbene in- und ausländische Vermögen setzte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) mit Bescheid vom 20. Dezember 2001 Erbschaftsteuer in Höhe von 98.003 DM (50.108 EUR) fest. Dabei berücksichtigte das FA zunächst die französische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG).
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 18. Januar 2002 Einspruch ein. Am 23. April 2004 erging gegenüber der Klägerin ein geänderter Erbschaftsteuerbescheid. Das FA erhöhte die Erbschaftsteuer der Klägerin auf 234.697 DM (=119.998,67 EUR) und versagte den Abzug der französischen Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit.
Das Bundesministerium der Finanzen und das Finanzministerium Baden-Württemberg, welche sich mit dem Fall befasst haben, kamen zu der Ansicht, dass es aufgrund des fehlenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und der geltenden Rechtslage zu einer Doppelbesteuerung mit französischer und deutscher Erbschaftsteuer komme. Zur Beseitigung der Doppelbesteuerung schlug das Bundesministerium der Finanzen einen Teilerlass der deutschen Erbschaftsteuer vor. Daraufhin erließ das FA der Klägerin durch Verwaltungsakt vom 23. April 2007 Erbschaftsteuer in Höhe von 40.559,25 EUR.
Die Klägerin wandte sich – statt einer Verfolgung der ihr eventuell in Frankreich zustehenden Rechte – zusammen mit den Miterben in einer Petition an das Europäische Parlament (EP) in Straßburg (Petition). Die vom EP mit der Frage befasste Europäische Kommission forderte Deutschland und Frankreich im Jahre 2004 mit gleichlautenden Schreiben zur einvernehmlichen Beseitigung der Doppelbesteuerung auf, da letztere als Widerspruch zum Binnenmarkt nicht akzeptabel sei. Daraufhin haben die beiden Staaten ihre ruhenden Verhandlungen über ein DBA in Sachen Erbschaftsteuer wieder aufgenommen und am 12. Oktober 2006 unterschrieben. Nach diesem Abkommen darf – in Übereinstimmung mit dem OECD-Musterabkommen von 1982 – allein der Wohnsitzstaat des Erben eine Erbschaft besteuern (mit Ausnahme von Grundstücken und bestimmten beweglichen Gegenständen). Frankreich weigerte sich, dieses am 3. April 2009 in Kraft getretene Abkommen rückwirkend auf die Klägerin anzuwenden.
Am 13. Februar 2008 erging erneut ein geänderter Erbschaftsteuerbescheid. Das FA reduzierte die Erbschaftsteuer auf 233.653 DM (=119.464,88 EUR) und berücksichtigte die inzwischen festgesetzte Einkommensteuer der Erblasserin als Nachlassverbindlichkeit. Dagegen legte die Klägerin am 5. März 2008 erneut Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 22. April 2010 wies das FA den Einspruch mit der Begründung zurück, dass eine Anrechnung der französischen Erbschaftsteuer an den Voraussetzungen des § 21 ErbStG i.V.m. § 121 Bewertungsgesetz (BewG) scheitere. § 121 BewG erfasse kein Kapitalvermögen. Ziehe ein ausländischer Staat weitere Vermögensgegenstände als die in § 121 BewG genannten heran, so sei eine erweiterte Steueranrechnung gegen den Gesetzeswortlaut aus Gründen der Billigkeit nicht möglich.
Ein Abzug der französischen Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit komme wegen § 10 Abs. 8 ErbStG nicht in Betracht. Die vorn Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer sei nach dieser Vorschrift nicht abzugsfähig. Die Nichtabzugsfähigkeit sei nicht auf die deutsche Erbschaftsteuer beschränkt.
Die Klägerin hat am 20. Mai 2010 beim Finanzgericht Baden-Württemberg Klage erhoben. Mit ihrem Hauptantrag begehrt sie die Anrechnung der französischen Erbschaftsteuer auf die anteilige deutsche Erbschaftsteuer. Hilfsweise wird der Abzug der französischen Erbschaftsteuer wie eine Nachlassverbindlichkeit von der Bemessungsgrundlage der deutschen Erbschaftsteuer begehrt.
Zur Begründung trägt sie vor, dass mit der Anfechtung des Steuerbescheids nicht die prinzipielle Legitimität einer deutschen Besteuerung auch des ererbten französischen Vermögens in Frage gestellt werde. Deutschland müsse jedoch die französische Steuer anrechnen, nachdem Frankreich seinen Anspruch bereits an der Quelle befriedigt habe. Dem Umstand der vorherigen Besteuerung in Frankreich komme somit eine rechtliche Bedeutung für den deutschen Steueranspruch zu.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die mangelnde Einigung zwischen den beiden Vertragsstaaten nicht zu ihren Lasten ausgehen dürfe. Es sei ihr auch nicht zuzumuten, sich selbst mit Verfahren in zwei Staaten gegen die Doppelbesteuerung zu wehren. Die Doppelbesteuerung habe sich erst durch die anschließende deutsche Besteuerung ergeben. Im Übrigen habe sie für die in Frankreich einbehaltene Steuer weder einen Steuerbescheid noch eine Rechtsmittelbelehrung erhalten. Es sei die Angelegenheit der Bundesrepublik Deutschland, ihre Steuerforderung hinsichtlich des von der Klägerin geerbten französischen Vermögens gegenüber Frankreich geltend zu machen und von Frankreich eine Beteiligung an der dort erhobenen französischen Erbschaftsteuer einzufordern.
Die Klägerin ist ferner der Ansicht, dass die deutsche Besteuerung gegen das Diskriminierungsverbot des EU-Rechts sowie gegen die Eigentumsgarantie nach europäischem und deutschem Recht (Menschenrechtskonvention des Europarats, EU-Grundrechte-Charta, Grundgesetz – GG –) verstoße. Der Steuerbescheid sei zum einen wegen nicht angerechneter französischer Erbschaftsteuer rechtswidrig, soweit diese Nichtanrechnung zu einer (kumulativen) Doppelbesteuerung und der damit verbundenen Diskriminierung der Klägerin führe. Insoweit beanstande sie die relative Höhe des Steuersatzes. Zum anderen sei er rechtswidrig, weil er das Eigentumsrecht der Klägerin insofern verletze, als er zur bereits bestehenden Belastung – mit französischer Steuer (55 %) – die deutsche Erbschaftsteuer hinzufüge, obwohl die zulässige Belastungsgrenze von 50 % bereits erreicht und sogar überschritten sei. Somit sei auch die absolute Höhe des Steuersatzes zu beanstanden.
Unter EU-Recht verletze der Steuerbescheid die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG, jetzt Art. 63 AEUV) im Binnenmarkt und das Eigentum (Art. 6 EUV i.V.m Art. 1 1. ZP-EMRK, jetzt Art. 17 GRCh). Die Doppelbesteuerung, die aus der Nichtanrechnung der in Frankreich gezahlten Erbschaftsteuer durch Deutschland herrührt, stelle eine Diskriminierung dar, da die daraus resultierende Belastung über die Belastung eines innerstaatlichen Erwerbes sowohl in Deutschland als auch in Frankreich hinausgehe.
Der in der Rechtssache C-67/08 (Urteil vom 12. Februar 2009 – Block) vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH; jetzt Gerichtshof der Europäischen Union) behandelte Fall der Erhebung doppelter Erbschaftsteuer sei mit dem vorliegenden weitgehend ähnlich, nur dass in jenem Verfahren die Anrechnung spanischer Erbschaftsteuer begehrt wurde. Ein wichtiger Unterschied bestehe allerdings darin, dass die aus deutschen und spanischen Steuern resultierende Gesamtbelastung weniger als 50% betragen habe, während sie sich vorliegend – unter Einschluss des Steuererlasses aus Billigkeitsgründen – auf über 71% belaufe. Ferner habe der EuGH den Rechtsbegriff des Binnenmarktes (Art. 14 Abs.2 EG, jetzt Art. 26 AEUV) und die wechselseitige Loyalitätspflicht der Mitgliedstaaten (Art. 10 EG, jetzt Art. 4 EUV in der Fassung des Vertrags von Lissabon) nicht in seine Argumentation einbezogen.
Es sei evident, dass bei der sukzessiven und kumulativen Auferlegung von Steuern in mehreren Mitgliedstaaten dem betroffenen Bürger jegliche Erfahrung des Binnenmarktes und eines Europa der Bürger vorenthalten werde. Eine Doppelbesteuerung stelle eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit dar.
Die in einer (juristischen) Doppelbesteuerung liegende Beschränkung sei mehr und anderer Art als die vom EuGH hingenommene parallele Anwendung nationaler Rechtsvorschriften: eine derartige Beschränkung folge nicht aus dem Wechsel von einer in eine andere Rechtsordnung, sondern resultiere aus der gleichzeitigen Anwendung zweier Rechtsordnungen auf denselben Sachverhalt. Eine kumulative Besteuerung mit zwei Erbschaftsteuern führe zwangsläufig auch zu einer Diskriminierung, weil der an sich legitime Zweck der Steuererhebung zu einer weniger günstigen Behandlung der Erben mit ererbtem Auslandsvermögen führe. Darin liege nicht nur ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit, sondern zugleich einer gegen die Rechtspflichten, denen die Mitgliedstaaten aufgrund des Binnenmarktes unterworfen seien. Für die in der Doppelbesteuerung liegende diskriminierende Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit sei auch keine Rechtfertigung vorhanden. Die grundsätzliche wechselseitige Anerkennungspflicht entfalle nicht deshalb, weil das Unionsrecht in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Union keine allgemeinen Kriterien für die Verteilung der Kompetenzen der Mitgliedstaaten untereinander vorschreibe. Die Gewährleistung der Grundfreiheiten des Binnenmarktes könne nicht davon abhängig gemacht werden, dass zwei Mitgliedstaaten sich zuvor in ihrem positiven Kompetenzkonflikt einigen. Da die Frage nach der Verteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen zwei Mitgliedstaaten mit ihrem Eingriff in Rechte des Steuerpflichtigen nichts zu tun habe, müsse die in der Doppelbesteuerung liegende Diskriminierung dadurch beseitigt werden, dass der zweite Staat nur noch eine etwaige Steuerdifferenz erheben dürfe.
Aufgrund des erheblich höheren französischen Steuersatzes (55 %) verbleibe auch bei Berücksichtigung des teilweisen Steuererlasses eine Gesamtbelastung des französischen ererbten Vermögens von 71,76 %. Ein solcher Erbschaftsteuersatz widerspreche dem Übermaßverbot, das als allgemeines rechtsstaatliches Prinzip auch als EU-Recht anwendbar sei. Bereits zur Zeit des Erbfalls habe der Schutz des Eigentums aufgrund der allgemeinen Vorschrift des Art. 6 des EU-Vertrags gegolten. Die der Klägerin insgesamt auferlegte Erbschaftsteuer sei zumindest insoweit ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Eigentumsrecht, als ihr durch die zweite – deutsche – Besteuerung ihrer Erbschaft eigentlich nur 16 % und selbst bei Berücksichtigung des teilweisen Steuererlasses lediglich gut 28 % des ererbten französischen Vermögens verblieben sind. Das Eigentum und das damit untrennbar verbundene Erbrecht als Grundlage für das „Gebrauchmachen von der allgemeinen Handlungsfreiheit” sei aber dann in seiner Substanz beeinträchtigt, wenn der Anteil des Staates am Erbe überwiege und so der Wille des Erblassers zu mehr als der Hälfte zugunsten eines Zwangsvermächtnisses an den Staat verdrängt werde. Daher erscheine die französische Besteuerung in Höhe von 55 % für sich allein genommen bereits als übermäßig im Sinne des 1. Zusatzprotokolls (ZP)-EMRK, da sie der Klägerin mehr als die Hälfte der Verfügungsmacht über ihr Erbe entzogen habe. Diese innerstaatliche, nichtdiskriminierende Regelung liege allerdings außerhalb des Anwendungsbereichs des EU-Rechts. Eine Erbschaft mit grenzüberschreitendem Bezug hingegen falle in dessen Anwendungsbereich. Auch wenn die Mitgliedstaaten über einen weiten politischen Ermessensspielraum hinsichtlich der Auferlegung und Ausgestaltung von Steuern verfügten, rechtfertige dies nicht, Vorbelastungen der Steuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat (teilweise) zu ignorieren. Ein nach EU-Recht verbotenes Übermaß der Besteuerung liege deshalb dann vor, wenn die Gesamtbelastung in beiden Mitgliedstaaten zusammen mehr als 50% betrage oder wenn die Vorbelastung im erstbesteuernden Staat diesen Steuersatz erreicht habe.
Die Klägerin beantragt, dem Gerichtshof der Europäischen Union gem. Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
„Gebieten die EU-Verträge, insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG, jetzt Art 63 AEUV) und die Loyalitätspflicht (An. 10 EG, jetzt Art 4 EUV) in Verbindung mit dem Binnenmarktprinzip (Art. 14 Abs.2 EG, jetzt Art. 26 Abs.2 AEUV), an der Quelle erhobene französische Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuerschuld anzurechnen?
Steht Art. 6 EUV in der bis zum 30.11.2009 gültigen Fassung in Verbindung mit Art. 1 des (Ersten) Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (jetzt Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) einer über 50% hinausgehenden Besteuerung einer Erbschaft entgegen, soweit der übersteigende Steuerbetrag aus einer weiteren Besteuerung in einem anderen Mitgliedstaat (hier Deutschland) herrührt?
Bejahendenfalls: Kann der Erbe seinen Anspruch auf Beseitigung einer solchen Doppelbesteuerung auch dann gegenüber dem zweitbesteuernden Staat geltend machen, wenn dessen Steueranspruch der besser fundierte ist?”
Die Klägerin ist außerdem der Auffassung, dass der angegriffene Steuerbescheid gegen das Grundgesetz (GG) verstoße. Es seien nicht nur der Gleichheitssatz (Art. 3 GG), sondern auch die von Art. 14 GG und/oder Art. 2 GG geschützte Eigentums- und Erbrechtsposition der Klägerin als spezielle Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt. Daneben verstoße die Nichtberücksichtigung der französischen Steuer gegen das Gebot der Europafreundlichkeit (Art. 23 GG).
Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz bestehe darin, dass die Belastung der Klägerin durch die deutsche Besteuerung zu einer höheren Last führe als bei einer rein deutschen Erbschaft. Der verfassungsrechtlich legitime Zweck der Steuererhebung erlaube keine diskriminierende, weil weniger günstige, Behandlung der Erben mit ererbtem Auslandsvermögen. Das Finanzamt sei rechtlich gehalten, die französische Besteuerung bei der Anwendung des deutschen Steuerrechts unabhängig von der Existenz eines bilateralen Doppelbesteuerungsabkommens zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus der zentralen Rechtsposition, die dem Individuum vom Grundgesetz zuerkannt und die von den staatlichen Organen zu beachten sei.
Die doppelte Erbschaftsteuerbelastung von Erben ausländischer Vermögenswerte lasse sich auch nicht mit budgetären Erfordernissen rechtfertigen. Der Bedarf an öffentlichen Haushaltsmitteln sei an sich zwar ein legitimes Ziel für die Auferlegung und Ausgestaltung einer Steuer, aber auch dabei müssten die Wertorientierungen des GG beachtet werden. Eine gesetzliche Regelung, die beim Gebrauchmachen der allgemeinen Handlungsfreiheit steuerlich ungereimte Lasten auferlege, entspreche diesen Anforderungen nicht.
Die deutsche Besteuerung ohne Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer beeinträchtige die Verfügungs- und Testierfreiheit in unverhältnismäßiger und damit nicht mehr legitimer Weise. Es sei dem Erblasser als Ausfluss seines Eigentumsrechts überlassen, sein Vermögen im In- oder im Ausland zu halten, ohne dass der Staat deshalb steuerlich unterschiedliche Folgen daran knüpfen dürfte. Der Erblasser trage zwar das Risiko einer unterschiedlichen Besteuerung nach Maßgabe des jeweils anwendbaren Steuerrechts, dieses Risiko umfasse jedoch nicht das einer Doppelbesteuerung. Diese doppelte Belastung könne nicht mit der Sozialbindung des Eigentums gerechtfertigt werden. Der deutsche Gesetzgeber halte im Fall der Klägerin einen Steuersatz von 29 % für angemessen und sehe im Erbschaftsteuergesetz einen absoluten Höchstsatz von 50 % vor. Damit entspreche er dem sog. Halbteilungsgrundsatz, den das BVerfG im Jahre 1995 im Hinblick auf die zulässige Gesamtbelastung mit Vermögensertrags- und Vermögenssubstanzbesteuerung aus dem Grundgesetz abgeleitet habe (BVerfG-Urteil vom 22. Juni 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121). Bei der Erbschaftsbesteuerung der Klägerin handele es sich sogar ausschließlich um die Besteuerung von Vermögenssubstanz aus Anlass des unentgeltlichen Rechtsträgerwechsels, so dass die vom BVerfG bezeichnete Grenze hier erst recht beachtet werden müsse.
Im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten der EU komme die vom FA nicht hinreichend berücksichtigte europafreundliche Grundhaltung des GG hinzu, wie sie in Art. 23 GG ihren Ausdruck gefunden habe. Es sei aufgrund dieses Artikels geboten, auch EU-ausländische Sachverhalte bei der Anwendung deutscher Vorschriften zu berücksichtigen. Dies erfordere, dass die in Frankreich gezahlte Erbschaftsteuer nicht nur billigkeitshalber, sondern aus Gründen des Rechts in die deutsche Besteuerung einbezogen werden müsse.
Sollte das Finanzgericht den Begriff „Auslandsvermögen” in § 21 ErbStG i.V.m. § 121 BewG nicht verfassungskonform dahingehend auslegen, dass die von der Klägerin bezahlte ausländische Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet werden muss, beantragt die Klägerin die Entscheidung des BVerfG zu der Auffassung des Finanzgerichts einzuholen,
dass § 21 ErbStG i.V. m. § 121 BewG mit der Eigentums- und Erbrechtsgarantie (Art. 14 GG) sowie mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 GG) insoweit unvereinbar ist, als die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer, die auf ererbte Auslandsguthaben erhoben worden ist, auf die deutsche Erbschaftsteuer ausgeschlossen ist,
dass diese Vorschrift darüber hinaus mit dem Grundsatz europafreundlichen Verhaltens (Art. 23 GG) insoweit unvereinbar ist, als die Anrechnung EU-ausländischer Erbschaftsteuer, die auf ererbte EU-Auslandsguthaben erhoben worden ist, auf die deutsche Erbschaftsteuer ausgeschlossen ist
Der Verstoß gegen höherrangiges EU-Recht führe ferner dazu, dass die damit unvereinbaren Vorschriften des deutschen Steuerrechts, auf denen der Steuerbescheid beruhe, nicht angewendet werden dürfen.
Zur Begründung ihres Hilfsantrages trägt die Klägerin vor, dass zumindest die Bemessungsgrundlage für die deutsche Erbschaftsteuer um die in Frankreich das Erbe belastende Steuer zu kürzen sei. Bei ihr handele es sich um eine durch den Erbfall entstandene Last, die nicht anders zu beurteilen sei als sonstige durch den Erbfall entstandene Kosten. Entgegen der Auffassung des FA sei die französische Erbschaftsteuer keine von dem Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer im Sinne von § 10 Abs. 8 ErbStG. Das Abzugsverbot betreffe nur die deutsche Steuer. Es bestehe weder eine aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 8 ErbStG ableitbare Notwendigkeit noch ein rechtspolitisches Bedürfnis für eine Auslegung dieser Vorschrift, wonach unter „eigener Erbschaftsteuer” auch an der Quelle erhobene ausländische Erbschaftsteuer zu verstehen sei.
Auch EU-rechtlich müsse die ausländische Steuer von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Sollte der Senat sich der von der Klägerin vertretenen Auslegung des § 10 Abs. 8 ErbStG nicht anschließen können, beantragt die Klägerin, auch insoweit eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen und die oben vorgeschlagenen Vorabentscheidungsfragen wie folgt zu ergänzen:
„hilfsweise:
3. Gebieten die EU-Verträge, insbes. Art. 56 EG (jetzt Art. 65 AEUV) sowie Art 10 EG (jetzt Art. 4 EUV) in Verbindung mit Art 14 EG (jetzt Art 26 Abs. 2 AEUV), an der Quelle einbehaltene Erbschaftsteuer eines Mitgliedstaates von der Bemessungsgrundlage für die anschließend im Wohnsitzstaat des Erben erhobene Erbschaftsteuerschuld abzuziehen?”
Die Klägerin beantragt,
den Erbschaftsteuerbescheid des Finanzamts vom 13. Februar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. April 2010 dahingehend zu ändern, dass
die Erbschaftsteuer – unter Anrechnung der in Frankreich gezahlten Erbschaftsteuer bis zur Höhe der anteiligen deutschen Erbschaftsteuer – auf 14.085,34 EUR festgesetzt wird.
hilfsweise, den Erbschaftsteuerbescheid des Finanzamts vom 13. Februar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. April 2010 dahingehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer – unter Abzug der in Frankreich gezahlten Erbschaftsteuer von der Bemessungsgrundlage – auf 49.684,79 EUR festgesetzt wird.
Der FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht es sich auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt es vor, dass aufgrund der geltenden Rechtslage weder eine Anrechnung der französischen Steuer noch ein Abzug als Nachlassverbindlichkeit möglich seien. Die deutschen Finanzbehörde seien einer Doppelbesteuerung insoweit entgegengetreten, als der Klägerin ein Anteil der deutschen Erbschaftsteuer gem. § 163 Abgabenordnung (AO) erlassen wurde. Eine weitergehende Reduzierung der Erbschaftsteuer komme nicht in Betracht. Der EuGH habe entschieden, dass eine parallele Besteuerung durch zwei Mitgliedstaaten, die sich aus der fehlenden Harmonisierung der nationalen Besteuerungssysteme ergebe, für sich betrachtet keinen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht darstelle. Eine internationale Doppelbesteuerung sei primär den völkerrechtlichen Vorschriften zu unterwerfen, die über Art. 25 GG als Bestandteil des Bundesrechts gelten.
Das FA trägt weiter vor, dass allein in dem Umstand, dass auf das ererbte Vermögen mehr als 50 % Steuern zu zahlen sind, keine Verletzung des Eigentumsrechts nach Art. 14 Abs. 1 GG zu sehen sei. Bereits die französische Erbschaftsteuer beinhalte einen regulären Steuersatz von 55 %. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, weshalb es der Klägerin nicht zugemutet werden könne, sich gegen die in Frankreich festgesetzte Steuer und deren Höhe zur Wehr zu setzen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens wird auf die Einspruchsentscheidung vom 22. April 2010, die dem Senat bei seiner Entscheidung vorliegende Erbschaftsteuerakte und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat hat am 21. Dezember 2011 mündlich verhandelt. Auf die Niederschrift wird verwiesen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2011 auf ein neu anhängiges Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH hingewiesen, welches dort unter dem Az. C-540/11 ( Levy et Sebbag) geführt wird. Er ist der Ansicht, dass dieses Verfahren die Vorlage an den EuGH im Streitfall zusätzlich als sinnvoll und prozessökonomisch erscheinen lasse.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet
Der geänderte Erbschaftsteuerbescheid vom 13. Februar 2008 ist rechtmäßig; er verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Sowohl die fehlende Anrechnung der französischen Erbschaftsteuer auf die anteilige deutsche Erbschaftsteuer ( 1.) als auch der versagte Abzug der französischen Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit ( 2.) sind rechtlich nicht zu beanstanden.
1. Anrechnung der französischen Erbschaftsteuer auf die anteilige deutsche Erbschaftsteuer
a) Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG ist bei Erwerbern, die in einem ausländischen Staat mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden Steuer herangezogen worden sind, dann, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz im Inland hatte, die ausländische Steuer insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt, sofern nicht ein Doppelbesteuerungsabkommen anzuwenden ist. Was unter Auslandsvermögen i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG zu verstehen ist, ist in Abs. 2 der Vorschrift geregelt.
Die Erblasserin hatte – wie auch die Klägerin – ihren Wohnsitz im Inland. Das Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer mit Frankreich ist erst am 3. April 2009 in Kraft getreten und nur auf Erbfälle anzuwenden, die nach diesem Stichtag eingetreten sind (vgl. Art. 19 Abs. 2 Satz 2 DBA Deutschland-Frankreich). Da der Erbfall bereits vor diesem Stichtag eingetreten ist, ist das DBA nicht maßgeblich, mit der Folge, dass § 21 ErbStG grundsätzlich anzuwenden ist.
Der Anrechnung der französischen Steuer steht jedoch entgegen, dass das Kapitalvermögen nach der gesetzlichen Definition des Auslandsvermögens in § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG nicht zu diesem Vermögen gehört. Nach dieser Definition gelten für den Fall, dass der Erblasser zur Zeit seines Todes Inländer war, nur solche auf einen anderen Staat entfallenden Vermögensgegenstände als Auslandsvermögen, die ihrer Art nach in § 121 BewG genannt sind. Dazu zählt ausländisches Kapitalvermögen nicht. Eine Anrechnung der französischen Erbschaftsteuer nach § 21 ErbStG kommt daher nicht in Betracht.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin greift auch der Einwand nicht durch, dass es im Streitfall zu einer mit unionsrechtlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarenden Doppelbesteuerung mit deutscher und französischer Erbschaftsteuer komme. Der EuGH hat entschieden, dass die Mitgliedsstaaten beim gegenwärtigen Entwicklungsstand des Unionsrechts über eine gewisse Autonomie verfügen und deshalb nicht verpflichtet sind, ihr eigenes Steuersystem an die verschiedenen Steuersysteme der anderen Mitgliedsstaaten anzupassen, um namentlich die sich aus der parallelen Ausübung ihrer Besteuerungsbefugnis ergebende Doppelbesteuerung zu beseitigen (vgl. EuGH-Urteil vom 12. Februar 2009 C-67/08, Block, Slg 2009 I-833). Die in § 21 ErbStG geregelte Besteuerung eines Erwerbs von Auslandsvermögen, für den auch ausländische Erbschaftsteuer gezahlt wurde, verstößt damit weder gegen die unionsrechtlich gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 und Art. 58 EG; jetzt Art. 63 und Art. 65 AEUV) noch gegen das Diskriminierungsverbot und die Eigentumsgarantie nach europäischem Recht.
aa) Art. 56 Abs. 1 EG verbietet nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ganz allgemein Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten (vgl. EuGH-Urteil vom 22. April 2010 C-510/08, Mattner, Slg 2010, I-3553). Die steuerliche Behandlung von Erbschaften und Schenkungen fällt unabhängig davon, ob es sich um Geldbeträge, um bewegliche oder um unbewegliche Güter handelt, unter die Vertragsbestimmungen über den Kapitalverkehr; ausgenommen sind die Fälle, die mit keinem ihrer wesentlichen Elemente über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen.
In der Rechtssache C-67/08 (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-883m, Block) hat der EuGH entschieden, dass es der Kapitalverkehrsfreiheit nicht entgegensteht, wenn bei der Berechnung von Erbschaftsteuer, die von einem Erben mit Wohnsitz in der Bundesrepublik auf Kapitalforderungen gegen ein in Spanien ansässiges Finanzinstitut geschuldet wird, die in Spanien entrichtete Erbschaftsteuer auf die in der Bundesrepublik geschuldete Erbschaftsteuer nicht angerechnet wird, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt seines Ablebens seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik hatte. Der EuGH hat also für diesen Sachverhalt die fehlende Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer nicht beanstandet. Das Unionsrecht schreibt bei seinem gegenwärtigen Entwicklungsstand und in einer Situation, in der es um die Entrichtung von Erbschaftsteuer geht, in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Europäischen Union keine allgemeinen Kriterien für die Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-883). Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten beim gegenwärtigen Entwicklungsstand des Unionsrechts vorbehaltlich dessen Beachtung über eine gewisse Autonomie in diesem Bereich verfügen und deshalb nicht verpflichtet sind, ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der anderen Mitgliedstaaten anzupassen (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-883). Zwar ist der Klägerin zuzustimmen, dass in der Rechtssache C-67/08 die aus deutschen und spanischen Steuern resultierende Gesamtbelastung weniger als 50% betragen hat. Ferner hat der EuGH den Rechtsbegriff des Binnenmarktes (Art. 14 Abs.2 EG, jetzt Art. 26 AEUV) und die wechselseitige Loyalitätspflicht der Mitgliedstaaten (Art. 10 EG, jetzt Art. 4 EUV in der Fassung des Vertrags von Lissabon) nicht in seine Argumentation einbezogen. Der Senat hält jedoch die Rechtsausführungen des EuGH für eindeutig und interpretiert sie dahingehend, dass Härtefälle wie der Streitfall durch nationale Billigkeitsmaßnahmen ausgeglichen werden müssen. Er sieht deshalb auch von einer Vorlage an den EuGH im erstinstanzlichen Verfahren ab.
bb) Aus den gleichen Erwägungen heraus vermag der Senat in der fehlenden Anrechnung auch keinen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und die Eigentumsgarantie nach europäischem Recht zu sehen. Ein zur Zeit des Erbfalls gültiger Schutz des Eigentums aufgrund der allgemeinen Vorschrift des Art. 6 des EU-Vertrags umfasst zumindest kein generelles Übermaßverbot, welches eine Gesamtsteuerbelastung in beiden Mitgliedstaaten von zusammen mehr als 50% verbietet. Aufgrund des erheblich höheren französischen Steuersatzes (55 %) wäre ein solches Übermaß im Streitfall bereits durch die französische Besteuerung erfüllt. Die Klägerin trägt selbst vor, dass diese innerstaatliche, nichtdiskriminierende Regelung allerdings außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts liegt. Der Senat verkennt nicht, dass im Streitfall durch die fehlende Anrechnungsmöglichkeit Vorbelastungen der Klägerin in einem anderen Mitgliedstaat in einem besonders hohen Maß (teilweise) nicht berücksichtigt werden. Da die Mitgliedstaaten jedoch über einen weiten politischen Ermessensspielraum hinsichtlich der Auferlegung und Ausgestaltung von Steuern verfügen, teilt der Senat die vorgetragenen europarechtlichen Bedenken nicht.
c) In der fehlenden Anrechnungsmöglichkeit liegt auch kein Verstoß gegen das GG. Das Grundrecht auf Eigentum in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 GG schreibt keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung („Halbteilungsgrundsatz”) vor. Auch lässt sich den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655 – Vermögensteuerbeschluss –) eine solche Belastungsobergrenze nicht entnehmen, die unabhängig von der dort allein streitgegenständlichen Steuerart – der Vermögensteuer – Geltung beanspruchen könnte und auf andere Steuerarten übertragbar wäre. Im Übrigen verschließt sich die Erbschaft- und Schenkungsteuer als Substanzsteuer schon wesensgemäß der Anwendung eines Halbteilungsgrundsatzes (vgl. BFH-Beschluss vom 27. März 2006 II B 161/05, BFH/NV 2006, 1301). Anhaltspunkte für eine den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. § 3 Abs. 1 GG verletzende Besteuerung sind nicht erkennbar.
2. Abzug der französischen Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit
Nach Auffassung des Senats kann die von der Klägerin gezahlte und auf das Kapitalvermögen in Frankreich entfallende französische Erbschaftsteuer nicht nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden. Einem Abzug der französischen Erbschaftsteuer steht § 10 Abs. 8 ErbStG entgegen. Danach ist die von dem Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer nicht abzugsfähig. Diese Bestimmung unterscheidet nicht zwischen der von dem Erwerber zu entrichtenden eigenen deutschen und ausländischen Erbschaftsteuer. Der Wortlaut des Gesetzes ist insoweit nicht eindeutig und die Versagung des Abzuges der ausländischen Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit deshalb auch umstritten (vgl. für eine Versagung des Abzugs: Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 13. Mai 2009 4 K 155/08, EFG 2009, 1310, Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 10 Rn. 268; Weinmann in Moench/Kien-Hümbert/Weinmann, ErbStG § 10 Rn. 104; a.A. Meincke, ErbStG, § 10 Rn. 59; Schuck in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, ErbStG § 10 Rn. 155). § 10 Abs. 8 ErbStG greift nicht die Begriffsbestimmung des § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG auf, der die der deutschen Erbschaftsteuer entsprechende Steuer als „ausländische Steuer” bezeichnet. Dennoch spricht die differenzierte Regelung der Anrechnung ausländischer Steuer nach § 21 Abs. 1 und 2 ErbStG für die Anwendung des § 10 Abs. 8 ErbStG auch auf die ausländische Erbschaftsteuer. Dem Gesetz ist ferner kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass § 10 Abs. 8 ErbStG hinsichtlich der von dem Erwerber entrichteten ausländischen Erbschaftsteuer nur dann nicht anwendbar sein soll, wenn und soweit die ausländische Steuer nicht nach § 21 ErbStG angerechnet werden kann.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).