18.05.2012
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 29.03.2012 – II B 65/11
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen, soweit sie überhaupt die Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfüllen, nicht vor.
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1. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) als rechtsgrundsätzlich herausgestellte Frage, ob als wirtschaftlicher Eigentümer i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) eines Einfamilienhausgrundstücks derjenige anzusehen ist, dem ein dingliches Wohnrecht eingeräumt und zu dessen Gunsten eine im Wege einer einstweiligen Verfügung erwirkte Vormerkung auf Rückübereignung des Grundstücks eingetragen ist, hat mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung.
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a) Wirtschaftlicher Eigentümer i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ist derjenige, der die tatsächliche Herrschaftsmacht über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Ein wirtschaftlicher Ausschluss in diesem Sinne liegt vor, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers besteht oder der Herausgabeanspruch keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 2006 IX R 63/04, BFH/NV 2006, 2225; vom 24. Juni 2004 III R 50/01, BFHE 206, 551, BStBl II 2005, 80, m.w.N.).
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b) In der Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteile in BFH/NV 2006, 2225; vom 18. Juli 2001 X R 15/99, BFH/NV 2002, 175; vom 1. Oktober 1997 X R 91/94, BFHE 184, 179, BStBl II 1998, 203, jeweils m.w.N.) ist geklärt, dass die Bestellung eines lebenslangen dinglichen Wohnungsrechts an einem im Eigentum eines anderen stehenden bebauten Grundstücks nicht zum wirtschaftlichen Eigentum des Wohnungsrechtsinhabers führt.
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c) Es ist nicht klärungsbedürftig, dass der aus einem dinglichen Wohnrecht Berechtigte auch dann nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks wird, wenn --wie im Streitfall-- zu seinen Gunsten eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums für die Dauer von 19 Jahren eingetragen war. Wirtschaftliches Eigentum wird noch nicht dadurch begründet, dass der bürgerlich-rechtliche Eigentümer im Verhältnis zu dem das Wirtschaftsgut Nutzenden Verfügungsbeschränkungen unterworfen wird (BFH-Urteil vom 7. November 2001 II R 32/99, BFH/NV 2002, 469; Klein/Brockmeyer/Ratschow, AO, 10. Aufl., § 39 Rz 11). Demgemäß geht im Fall der unentgeltlichen Übertragung eines Grundstücks unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs das wirtschaftliche Eigentum auch dann zusammen mit dem zivilrechtlichen Eigentum auf den Erwerber über, wenn neben dem Nießbrauch ein schuldrechtliches Veräußerungsverbot vereinbart und dieses durch eine Rückauflassungsvormerkung gesichert worden ist (BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2005 X B 128/05, BFH/NV 2006, 704, m.w.N.). Denn weder aufgrund des vorbehaltenen Nutzungsrechts noch aufgrund des schuldrechtlichen Veräußerungsverbots kann der Nießbraucher ähnlich einem Eigentümer über die Substanz des Grundstücks verfügen. Für ein dingliches Wohnungsrecht, das einem Nießbrauch ähnlich ist (vgl. z.B. Palandt/Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, 70. Aufl., § 1093 Rz 1), kann nichts anderes gelten.
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d) Soweit die Klägerin vorträgt, sie sei gemäß des von ihr erstrittenen Beschlusses des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz vom 22. November 2011 im Verhältnis zum Wohnrechtsinhaber nicht verpflichtet, die Lasten des Hausgrundstücks zu tragen, handelt es sich um neues, im Verfahren wegen einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 118 Abs. 2 FGO unzulässiges tatsächliches Vorbringen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 54, m.w.N.). Im Übrigen wird wirtschaftliches Eigentum eines dinglich Nutzungsberechtigten nicht dadurch begründet, dass dieses während der Dauer des Nutzungsrechts die öffentlichen Abgaben zu tragen hat (BFH-Urteil vom 24. Juli 1991 II R 81/88, BFHE 165, 290, BStBl II 1991, 909).
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e) Soweit die Klägerin auf das zu § 16 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) ergangene BFH-Urteil vom 1. Juli 2008 II R 36/07 (BFHE 220, 555, BStBl II 2008, 882) verweist, genügt das Vorbringen nicht den Darlegungsanforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Beschwerdebegründung lässt insoweit völlig unberücksichtigt, dass die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO für das als Rechtsverkehrsteuer ausgestaltete, an den bürgerlich-rechtlichen Rechtsvorgang anknüpfende Grunderwerbsteuerrecht ohne Bedeutung ist (z.B. Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 39 AO Rz 32; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 1 Rz 2, jeweils m.w.N.). Das gilt auch für die Frage, ob die Rückgängigmachung eines Grundstückskaufvertrags den Anforderungen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG genügt.
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f) Die weiteren Einwendungen der Klägerin gegen die Richtigkeit des angegriffenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können, sind von vornherein unbeachtlich. Das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (z.B. BFH-Beschlüsse vom 7. Dezember 2007 VIII B 68/07, BFH/NV 2008, 590; vom 20. Februar 2008 VIII B 103/07, BFH/NV 2008, 980, ständige Rechtsprechung). Dass insoweit ein zur Revision führender besonders schwerer materiell-rechtlicher Fehler des Finanzgerichts vorliege, hat die Klägerin nicht dargelegt und ist auch nach Aktenlage nicht ersichtlich.
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2. Aus den vorstehenden Gründen ist die Revision auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen, da es sich bei dem Erfordernis einer Revisionsentscheidung zur Rechtsfortbildung um einen Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 22. August 2011 III B 192/10, BFH/NV 2011, 2043).
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3. Den Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) hat die Klägerin nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt. Mit dem Vorbringen, die Vorentscheidung weiche von dem zu § 16 Abs. 1 GrEStG ergangenen BFH-Urteil in BFHE 220, 555, BStBl II 2008, 882 ab, ist die Entscheidungserheblichkeit dieser Abweichung aus den unter 1. e) genannten Gründen nicht substantiiert dargetan. Dies gilt ebenso im Hinblick auf den Beschluss des OLG Koblenz vom 22. November 2011, der keinerlei Aussage zum wirtschaftlichen Eigentum i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO enthält.