10.07.2003 · IWW-Abrufnummer 031294
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 13.11.2002 – 16 K 4405/98 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
FINANZGERICHT DÜSSELDORF
16 K 4405/98 E
U R T E I L
In dem Rechtsstreit XXX
wegen Einkommensteuer 1995
hat der 16. Senat in der Besetzung: XXX
ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 13.11.2002 für Recht erkannt:
Unter Änderung des Bescheids vom 27.11.1996 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.5.1998 ist die Einkommensteuer des Klägers für 1995 auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens in Höhe von 23.912 DM festzusetzen. Die Berechnung der Einkommensteuer erfolgt durch das Finanzamt.
Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
T a t b e s t a n d :
Der Kläger erwarb mit am 26.6.1995 notariell beurkundetem Vertrag von seinen Eltern durch Schenkung 151,85/1.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück A-Str in C-Stadt. Außerdem versprachen die Eltern, dem Kläger bis zum 1.9.1995 einen Betrag in Höhe von 100.000 DM zu schenken. Die Schenkung erfolgte ausschließlich unter der Auflage bzw. mit dem Zweck, daß der Kläger diesen Betrag insgesamt für die Errichtung einer Wohnung auf dem o.g. Grundstück gemäß der ihm vorliegenden und bekannten Bauantragszeichnung des Architekten E in C-Stadt verwende. Der Kläger verpflichtete sich gegenüber seinen Eltern auf seine Kosten nach den ihm bekannten Plänen und Bauzeichnungen die Wohnungseigentumsanteile mit zu errichten und die auf ihren Miteigentumsanteil entfallenden Kosten zu tragen - darüberhinaus, insoweit einen entsprechenden privatschriftlichen Vertrag über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu schließen. Geplant war die Errichtung eines Mehrfamilienhauses; dieses war Ende 1995 fertiggestellt ? die Herstellungskosten beliefen sich zum 31.12.1995 auf insgesamt 957.999,41 DM.
Der Kläger ermittelte für sich auf dieser Grundlage Herstellungskosten in folgender Höhe:
Miteigentumsanteil 151,85/1.000 145.425,00 DM
Gerichtskosten 194,17 DM
Notarkosten 95,70 DM
145.714,87 DM
Dementsprechend machte der Kläger im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für 1995 bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung hinsichtlich seiner Wohnung im o.g. Objekt an Absetzungen für Abnutzung - AfA - gemäß § 7 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - einen Betrag in Höhe von 10.201 DM (= 7 % von 145.714,87 DM) geltend.
Das Finanzamt folgte dem nur teilweise. Es rechnete - wegen der Schenkung - einen Betrag in Höhe von 100.000 DM heraus und kam deshalb an AfA nur auf einen Betrag in Höhe von 3.200 DM (= 7 % von 45.714,87 DM). Demzufolge setzte es die Einkommensteuer des Klägers für 1995 auf 5.953,00 DM fest.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Kläger habe - so die Ausführungen des Finanzamts in den Gründen der Einspruchsentscheidung - an Herstellungskosten tatsächlich nur einen Betrag in Höhe von 45.715,00 DM aufgewandt. Hier griffen nämlich die Grundsätze der sog. mittelbaren Grundstücksschenkung. Im Schenkungsvertrag sei eindeutig festgehalten, daß der Geldbetrag für die Errichtung einer Wohnung auf einem genau bezeichneten Grundstück verwendet werden solle. Der Kläger habe somit über diesen Betrag nicht frei verfügen dürfen. Auf § 11 d der Einkommensteuerdurchführungsverordnung - EStDV - in Verbindung mit § 7 EStG könne sich der Kläger nicht berufen. Das setze voraus, daß ein Wirtschaftsgut übertragen worden sei. So sei es hier aber nicht gewesen. Bei Abschluß des Schenkungsvertrags am 26.6.1995 sei das Haus noch gar nicht fertiggestellt gewesen. Im übrigen fehle es an Herstellungskosten des Rechtsvorgängers - die Eltern seien nie Eigentümer des Objekts gewesen.
Dagegen richtet sich die Klage.
Der Kläger ist der Ansicht, vorliegend seien die Grundsätze der sog. mittelbaren Grundstücksschenkung nicht heranzuziehen. Diese - von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ursprünglich im Schenkungssteuerrecht aufgestellt - gälten zwar auch für das Einkommensteuerrecht, jedoch nur im Rahmen der §§ 7 b, 10 e EStG - also bei Sonderausgaben. Hier gehe es dagegen um AfA nach § 7 Abs. 5 EStG und damit um Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG. Im Gegensatz zu Sonderausgaben sei es bei Werbungskosten nicht erforderlich, daß es sich um eigene Aufwendungen handele. Zumindest greife § 11 d EStDV.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Änderung des Bescheids vom 27.11.1996 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.5.1998 seine Einkommensteuer für 1995 auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens in Höhe von 23.912 DM festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Einkommensteuerfestsetzung des Klägers für 1995 ist rechtwidrig, soweit das Finanzamt für das Objekt A-Str. in C-Stadt an AfA gemäß § 7 Abs. 5 Nr. 3 EStG nur einen Betrag in Höhe von 3.200,00 DM angesetzt hat - statt in Höhe von 10.200,00 DM. Hierdurch ist der Kläger in seinen Rechten verletzt.
Zutreffend ist das Finanzamt zwar davon ausgegangen, daß im vorliegenden Fall die Grundsätze zur sog. mittelbaren Grundstücksschenkung einschlägig sind. Jedoch kann der Kläger den streitigen Differenzbetrag gemäß § 11 d Abs. 1 Satz 1 EStDV geltend machen.
In der Regel kommt es für einen Abzug von Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht darauf an, wie diese finanziert wurden - mithin mindern Zuschüsse von privater Seite, die aus privaten Gründen gegeben sind, Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 2002, § 7 Rz 63). Das wird aus § 12 Nr. 2 EStG und § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG hergeleitet ? aber auch aus § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG und §§ 7, 11 d EStDV. Der darin zum Ausdruck kommende Zuwendungsgedanke verlagere Aufwendungen des Dritten außerhalb der Einkommensteuer in den Geschäftsbereich des Bedachten und rechtfertige so den Abzug von Betriebsausgaben/Werbungskosten bei ihm als dem - ohne eigene finanzielle Belastung - wirtschaftlich in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigten Steuerpflichtigen (vgl. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Rz 502). Allerdings ist auch anerkannt, daß Zuschüsse Dritter die Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts mindern können (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31.10.2001 X B 11/01, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2002, 193). Voraussetzung dafür ist es, daß der Zuschuß in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Herstellung des Gebäudes steht (BFH-Urteil vom 26.3.1991 IX R 104/86, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 164, 263, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1992, 999).
Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang ist nach Ansicht des Senats auch bei einer sog. mittelbaren Grundstücksschenkung gegeben. Nach den von der Rechtsprechung zum Schenkungsteuerrecht entwickelten Grundsätzen der sog. mittelbaren Grundstücksschenkung bestimmt sich der Gegenstand der Schenkung nach der Schenkungsabrede und nach dem, was der Bedachte endgültig erhalten hat. Es kommt also darauf an, was nach der Schenkungsabrede geschenkt sein soll und worüber der Bedachte im Verhältnis zum Schenker tatsächlich und rechtlich verfügen kann. Entscheidend ist nicht, auf welche Weise sich das Vermögen des Schenkers mindert, sondern wie sich das Vermögen beim Bedachten vermehrt. Kann der Beschenkte nicht über das ihm zugedachte Geld, sondern (erst) über das damit erworbene Grundstück verfügen, ist Gegenstand der Schenkung das Grundstück. Die Grundsätze der sog. mittelbaren Grundstücksschenkung gelten grundsätzlich auch für das Einkommensteuerrecht (BFH-Urteil vom 8.6.1994 X R 51/91, BFHE 175, 76, BStBl II 1994, 779) - entschieden zu § 7 b EStG (BFH-Urteil vom 15.5.1990 IX R 21/86, BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67) und § 10 e EStG (z.B. BFHBeschluß vom 19.12.1995 X B 229/94 BFH/NV 1996, 548; BFH-Urteile vom 29.7.1998 X R 50/95, BFH/NV 1999, 301 und X R 54/95, BFHE 186, 400, BStBl II 1999, 128; vom 27.7.2000 X R 42/92, BFH/NV 2001, 307). Sie sind nach Ansicht des Senats auch im Rahmen des hier streitigen § 7 Abs. 5 EStG heranzuziehen. Unterstellt man nämlich, dass Gegenstand der Schenkung das Grundstück ist, besteht für eine entgeltliche Anschaffung des Grundstücks bzw. Herstellung eines auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes auf Seiten des Erbwerbers kein Raum mehr. Diese Rechtsfolge ergibt sich unabhängig davon, ob es um eine Förderung nach § 7 b EStG/10 e EStG geht oder um AfA nach § 7 EStG. Es geht in all diesen Regelungen gleichermaßen um Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten.
Im vorliegenden Fall ist Gegenstand der Schenkung nicht der dem Kläger von seinen Eltern zugedachte Betrag in Höhe von 100.000 DM, sondern ein entsprechender Anteil der dem Kläger gehörenden Wohnung des Mehrfamilienhauses A-Str. in C-Stadt. Denn die Schenkung erfolgte ausschließlich unter der Auflage bzw. mit dem Zweck, daß der Kläger diesen Betrag insgesamt für die Errichtung einer Wohnung auf dem o.g. Grundstück gemäß der ihm vorliegenden und bekannten Bauantragszeichnung des Architekten E in Cstadt verwende.
Indessen steht dem Kläger der streitige Differenzbetrag nach § 11 d Abs. 1 Satz 1 EStDV zu. Danach bemessen sich die AfA bei den nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern, die der Steuerpflichtige unentgeltlich erworben hat, nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers oder dem Wert, der beim Rechtsvorgänger an deren Stelle getreten ist oder treten würde, wenn dieser noch Eigentümer wäre, zuzüglich der vom Rechtsnachfolger aufgewendeten Herstellungskosten und nach dem Hundertsatz, der für den Rechtsvorgänger maßgebend sein würde, wenn er noch Eigentümer des Wirtschaftsguts wäre. Diese Voraussetzungen sind hier hinsichtlich des einem Betrag in Höhe von 100.000 DM entsprechenden Anteils der dem Kläger gehörenden Wohnung des Mehrfamilienhauses A-Str. in C-Stadt gegeben. Dem steht entgegen der Ansicht des Finanzamts nicht entgegen, daß bei Abschluß des Schenkungsvertrags am 26.6.1995 das Haus noch gar nicht fertiggestellt war und es im übrigen an Herstellungskosten des Rechtsvorgängers fehlt, weil die Eltern nie Eigentümer des Objekts gewesen sind. Denn die Rechtsfolge einer sog. mittelbaren Grundstücksschenkung ist eine Fiktion - es wird nur unterstellt, daß Gegenstand der Schenkung das Grundstück ist. Diese Fiktion ist konsequent durchzuhalten - jedenfalls besteht für etwas anderes kein sachlich gerechtfertigter Grund. Es erschiene gar willkürlich, bei der Entscheidung über die Frage ?Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten? auf eine Fiktion abzustellen - bei der Entscheidung über § 11 d Abs. 1 EStDV hingegen auf tatsächliche Gegebenheiten. Ist bei einer sog. mittelbaren Grundstücksschenkung Gegenstand der Schenkung eben (erst) das Grundstück sowie ein darauf später errichtetes Gebäude, sind die Aufwendungen für die Herstellung des Gebäudes folgerichtig allein dem Schenker zuzurechnen. Diese Herstellungskosten hätten hier auch Grundlage für AfA der Rechtsvorgänger sein können. Die Schenker - die Eltern des Klägers - waren ursprünglich auch Alleineigentümer des Grundstücks A-Str. in C-Stadt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -.