26.10.2012 · IWW-Abrufnummer 123237
Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 03.04.2012 – 3 Wx 19/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OLG Brandenburg, 08.08.2012
3 Wx 19/12
Tenor:
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 03.04.2012 (Geschäftszeichen 60 VI 499/11) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 75.247,00 € festgesetzt.
Gründe
I. Am 11.05.2010 errichtete die Erblasserin zusammen mit ihrem zu diesem Zeitpunkt bereits erblindeten Ehemann H... S... ein handschriftliches Testament, in dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. In dem Testament heißt es weiter:
"Erbe des Letztversterbenden soll Frau E... B..., geb. S... und Frau Ch... Bo... sein."
Die Ehe der Erblasserin blieb kinderlos. Die Beteiligte zu 1. und der Beteiligte zu 3. sind Kinder des Ehemannes der Erblasserin aus einer früheren Beziehung; die Beteiligte zu 2. ist die Schwester der Erblasserin.
Herr H... S... verstarb am ....05.2011. Er wurde, da er aufgrund seiner Blindheit kein wirksames eigenhändiges Testament hatte errichten können, gemäß gesetzlicher Erbfolge von der Erblasserin zu 1/2 und von den Beteiligten zu 1. und 3. jeweils zu 1/4 des Nachlasses beerbt.
Am ....07.2011 verstarb die Erblasserin. Die Beteiligte zu 1. begehrt nunmehr die Erteilung eines Erbscheins mit dem Inhalt, dass sie und die Beteiligte zu 2. Erben der Erblasserin zu je 1/2 des Nachlasses geworden sind.
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich die beantragte Erbfolge nicht feststellen lasse. Mit der Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung des Ehemannes der Erblasserin, mit der die Beteiligten zu 1. und 2. als Erben des Letztversterbenden eingesetzt wurden, sei auch die im Testament enthaltene Verfügung der Erblasserin gemäß § 2270 Abs. 1 BGB unwirksam. Es handele sich um wechselbezügliche Verfügungen, da nach § 2270 Abs. 2 BGB anzunehmen sei, dass die Erblasserin in Kenntnis der Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung ihres Ehemannes, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beteiligte zu 1. bereits Erbin nach ihrem Vater geworden sei, eine entsprechende letztwillige Verfügung nicht vorgenommen hätte. Die Auslegung der letztwilligen Verfügung ergebe auch unter Berücksichtigung der Angaben der Beteiligten zu 1. zur besondern persönlichen Beziehung zur Erblasserin und des Umstandes, dass der Beteiligten zu 1. im Frühjahr 2010 eine Kontovollmacht erteilt worden sei, nicht, dass die Erblasserin auch ohne die gegenseitige Erbeinsetzung mit ihrem Ehemann ihre Stieftochter und ihre Schwester als ihre Erben zu gleichen Teilen berufen hätte.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1. mit ihrer Beschwerde.
Zur Begründung führt sie ergänzend unter Vorlage einer Bestätigung der M... aus, dass sich aus dem Umstand, dass die Eheleute S... im April 2010 die gemeinsame Spareinlage, damals valutierend auf einen Betrag von 40.000,00 € auf die Beteiligte zu 1. hätten übertragen wollen, dies aber aufgrund der vertraglichen Bedingungen zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich gewesen sei, ergebe, dass die Erblasserin auch in Ansehung der Unwirksamkeit der Verfügung ihres Ehemannes wie geschehen testiert hätte.
II. Die gemäß § 58 FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Aufgrund der Unwirksamkeit der Verfügung des Ehemannes der Erblasserin ist auch die letztwillige Verfügung der Erblasserin, mit der sie die Beteiligte zu 1. als Erbin eingesetzt hat, gemäß § 2270 Abs. 1 BGB unwirksam, so dass der beantragte Erbschein, der die in der testamentarischen Verfügung der Erblasserin bestimmte Erbfolge zugrunde legen soll, nicht erteilt werden kann.
Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügungen dann wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre, wenn also ein Zusammenhang des Motivs derart besteht, dass die Verfügung des einen Ehegatten deshalb getroffen wurde, weil der andere Ehegatte eine bestimmte andere Verfügung getroffen hatte. Die Prüfung und Bejahung der Wechselbezüglichkeit ist also nicht möglich ohne konkrete Bestimmung, welche Verfügung des anderen Ehegatten zu der Verfügung, deren Wechselbezüglichkeit in Frage steht, korrespektiv sein soll (vgl. BayObLG FamRZ 2004, 142-144).
Als wechselbezügliche Verfügungen kommen hier die Einsetzung der Erblasserin als Erbin durch den Ehemann und die Einsetzung der Tochter des Ehemannes als Schlusserben durch die Erblasserin in Betracht. Die durch Auslegung zu beantwortende Frage ist also, ob die Erblasserin dazu, dass sie (auch) die Tochter ihres Ehemannes als Schlusserbin einsetzte, im Hinblick darauf bestimmt wurde, dass ihr Ehemann, abweichend von der gesetzlichen Erbfolge, allein seine Ehefrau zu seiner Erbin einsetzte und damit seine Abkömmlinge enterbte oder ob diese Verfügungen voneinander unabhängig sein sollten.
Eine solche Unabhängigkeit der hier in Frage stehenden Schlusserbeinsetzung der Tochter durch die Ehefrau zu ihrer Alleinerbeinsetzung durch den Ehemann lässt sich im Wege individueller Auslegung auch unter Berücksichtung aller auch außerhalb der Testamentsurkunde liegenden Nebenumstände nicht feststellen.
Soweit die Beteiligte zu 1. darauf abstellt, ein entsprechender Wille der Erblasserin lasse sich daraus ableiten, dass sie persönlich ein besonders inniges Verhältnis zur Erblasserin gehabt habe, so ist dem nicht zu folgen. Ein solches enges Verhältnis lässt sich nicht feststellen.
Insoweit folgt der Senat den ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts zu den Ungereimtheiten im diesbezüglichen Vortrag der Beteiligten zu 1., wobei besonders hervorzuheben ist, dass die Beteiligte zu 1. trotz des behaupteten intensiven Kontaktes mit der Erblasserin diese nach dem Tod ihres Ehemannes am 28.06.2011 durch Anwaltsschriftsatz aufgefordert hat, etwaig bei ihr vorhandene letztwillige Verfügungen einzureichen und sie die Erblasserin nochmals am 15.08.2011, also mehr als einen Monat nach deren Tod durch ihren Rechtsanwalt hat anschreiben lassen. Dies spricht nicht für ein intensives persönliches Näheverhältnis zwischen der Beteiligten zu 1. und der Erblasserin.
Auch daraus, dass der Ehemann der Erblasserin der Beteiligten zu 1. im April 2010 eine Kontovollmacht erteilt hat, ergibt sich nicht, dass die Erblasserin unabhängig von ihrer Einsetzung als Alleinerbin ihres Ehemannes die Beteiligte zu 1. als Schlusserbin ihres gesamten Vermögens einsetzen wollte. Selbst wenn dieses Konto, was sich aus der vorgelegten Vollmacht allerdings nicht ergibt, ein gemeinsames Konto der Erblasserin und ihres Ehemannes war, lässt sich aus der Erteilung einer Vollmacht für dieses Konto kein Rückschluss auf einen solchen Willen ziehen. Allein die Erteilung einer Kontovollmacht bedeutet nicht, dass der Bevollmächtigte auch uneingeschränkt über das auf dem Konto befindliche Geld verfügen darf; hierzu bedarf es einer gesonderten Vereinbarung. Auch im Zusammenhang mit der von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung nochmals vorgetragenen Absicht der Erblasserin und ihres Ehemannes, kurz vor Errichtung des Testamentes die zum damaligen Zeitpunkt auf einen Betrag von 40.000,00 € valutierende Spareinlage auf die Beschwerdeführerin umschreiben zu wollen, lässt sich nicht auf einen entsprechenden Willen der Erblasserin schlussfolgern. Diese Zuwendung kann, worauf auch das Amtsgericht hinweist, gerade auf der persönlichen Verbundenheit des Ehemannes der Erblasserin mit seiner Tochter beruhen. Wenn sich die Erblasserin hieran zu Lebzeiten ihres Ehemannes beteiligt hat, sagt dies nichts darüber aus, ob sie eine darüber weit hinausgehende testamentarische Zuwendung (ihr Vermögen dürfte ausweislich der Aufstellung des Vertreters der Beteiligten zu 2., der die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten ist, weit über den Anteil der Erblasserin an dieser Spareinlage hinausgehen) auch in Kenntnis des Umstandes, dass sie selbst nicht - zunächst - Alleinerbin ihres Mannes wird und die Beschwerdeführerin bereits am Erbe ihres Ehemannes partizipiert, verfügt hätte.
Wenn sich aber durch Auslegung die gegenseitige Unabhängigkeit der beidseitigen Verfügungen nicht ermitteln lässt, ist nach der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB, von einer Wechselbezüglichkeit der streitgegenständlichen Verfügungen auszugehen. Diese Auslegungsregel kommt hier zur Anwendung. Die Erblasserin und ihr Ehemann haben sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und für den Fall des Überlebens der Erblasserin die Tochter ihres Ehemannes, also eine Person, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist, als Miterbin eingesetzt.
Damit ist diese Verfügung nach § 2270 Abs. 1 BGB unwirksam; der beantragte Erbschein kann nicht erteilt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 131, Abs. 4, 30 KostO, wobei der Senat entsprechend der Aufstellung der Beteiligten zu 2. im Schriftsatz vom 12.04.2012, der die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten ist, von einem Nachlasswert von 150.493,99 € ausgegangen ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.