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  • 23.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123534

    Oberlandesgericht Nürnberg: Beschluss vom 22.10.2012 – 14 W 31/12

    1. Der testamentarischen Regelung, dass durch die Anordnung der Nacherbfolge sichergestellt werden soll, dass der Nachlass möglichst unabhängig von etwaigen Verbindlichkeiten, die auf den Vorerben zukommen könnten, erhalten bleibt, kann ein der Anwendung von § 2107 BGB entgegenstehender Erblasserwille zu entnehmen sein.
    2. Dem steht nicht entgegen, dass das Testament notariell errichtet und § 2107 BGB dort nicht ausdrücklich angesprochen ist.


    OLG Nürnberg, 22.10.2012
    14 W 31/12
    In Sachen
    A,
    zuletzt wohnhaft: ...
    verstorben am ... 2001
    - Erblasser -
    Beteiligte:
    1) C, ...
    - Beschwerdegegnerin -
    Verfahrensbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte ...
    2) D, ...
    gesetzlich vertreten durch seine Mutter ...
    - Beschwerdeführer -
    Verfahrensbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte ...
    wegen Nachlassbeschwerde
    erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg - 14. Zivilsenat - durch den Richter am Oberlandesgericht Reichard, den Richter am Oberlandesgericht Baltes und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Holzberger folgenden
    Beschluss
    Tenor:
    1.
    Die Beschwerde des Beteiligten D gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Ansbach vom 15.11.2011 wird zurückgewiesen.
    2.
    Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 300.000 € festgesetzt.
    Gründe
    Die Beteiligten streiten darüber, ob die Nacherbeneinsetzung der Beschwerdegegnerin, einer Tochter des Erblassers, gemäß § 2107 BGB in Wegfall geraten ist, weil der zum Vorerben eingesetzte Sohn des Erblassers seinerseits ein nicht leibliches Kind, den Beschwerdeführer, hinterlassen hat.
    I.
    Im notariellen Testament des Erblassers vom 16.9.1997 sind unter II. ("Persönliche Verhältnisse") seine beiden Kinder B und C genannt. Weiter wird dort ausgeführt, dass B noch keine Kinder und C die beiden Töchter X und Y habe. Das Vermögen des Erblassers bestehe vor allem aus seinem land- und forstwirtschaftlichen Anwesen. Unter III. des notariellen Testaments ist folgendes niedergelegt:
    " Erbregelung
    1)
    Herr A setzt hiermit seinen Sohn, Herrn B, zu seinem alleinigen Erben ein.
    2)
    Herr B ist Vorerbe. Zur Nacherbin beruft Herr A seine Tochter, Frau C Die Nacherbfolge tritt mit dem Tod des Vorerben ein. Für das Verhältnis zwischen Vorerben und Nacherbin gelten die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 2112 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches, d.h. der Vorerbe bedarf zur Verfügung über Nachlassgrundstücke der Zustimmung der Nacherbin und ist grundsätzlich nicht berechtigt, Nachlassgegenstände zu verschenken.
    3)
    Die Nacherbin ist zugleich Ersatzerbin für den Fall, dass der Vorerbe, Herr B, vor Eintritt des Erbfalls wegfällt. Das Nacherbenrecht ist nicht vererblich. Ersatznacherben sind die beiden Töchter der Nacherbin, X und Y, zu unter sich gleichen Stammanteilen. Bei Vorableben einer Ersatznacherbin tritt Anwachsung zugunsten des verbleibenden Nacherbenstammes ein. ... Falls die Nacherbin über ihre beiden Töchter hinaus noch ein weiteres Kind hinterlassen sollte, sind - ... - alle Kinder von Frau C Ersatznacherben.
    4)
    Weitere Erbregelungen will Herr A in diesem Testament nicht treffen. Durch die Anordnung der Nacherbfolge will der Erblasser nicht seinen Sohn benachteiligen, sondern lediglich - im Einvernehmen mit dem Vorerben - sicherstellen, dass das land- und forstwirtschaftliche Anwesen als geschlossene Einheit im Familienbesitz möglichst unabhängig von etwaigen Verbindlichkeiten, die auf den Vorerben, Herrn B, zukommen könnten, erhalten bleibt."
    Am 5.5.1998 wurde der Beschwerdeführer geboren. Seine Mutter war damals die Ehefrau des Sohns des Erblassers, der aber nicht der leibliche Vater des Beschwerdeführers ist.
    Am 30.4.2011 verstarb B. Der Beschwerdeführer ist sein Alleinerbe.
    II.
    Zu gerichtlichem Protokoll vom 3.8.2011 hat die Mutter des Beschwerdeführers als alleinige Sorgerechtsinhaberin für diesen einen Erbschein beantragt,
    wonach der Erblasser von seinem Sohn B allein uneingeschränkt beerbt worden sei.
    Diesen Erbscheinsantrag hat das Amtsgericht - Nachlassgericht - Ansbach mit Beschluss vom 15.11.2011 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.
    Der Beschwerdeführer meint, die Verwandtschaft der Nacherbin mit dem Erblasser spiele keine Rolle. Dass der Erblasser das Testament nach Kenntnis von der Geburt des Beschwerdeführers nicht geändert hat, spreche dafür, dass er nach notarieller Beratung die Anwendung von § 2107 BGB, für dessen Anwendungsbereich das Testament keine Regelung enthalte, gewollt habe. Der Sohn des Erblassers sei davon ausgegangen, das Elternhaus bekomme er, nachdem seine Schwester bereits ein Haus erhalten habe; nach der Testamentseröffnung sei er "stinksauer" gewesen, nur ein lebenslanges Wohnrecht bekommen zu haben. Die seiner - des Beschwerdeführers - Geburt vorausgegangene Schwangerschaft sei erst am 15.9.1997 ärztlich festgestellt worden und daher dem Erblasser bei der Testamentserrichtung nicht bekannt gewesen. Ziffer III. 4) des Testaments enthalte keinen Hinweis auf die behauptete Trunksucht des Vorerben, der Immobilienbesitz habe als Ganzes im Nachlass des Vorerben erhalten bleiben sollen. Jedenfalls sei nichts anderes bestimmt worden. Die Erwägung, dass wegen der angeblichen Trunksucht des Vorerben die Möglichkeit bestünde, dass nach dessen Tod seine Gläubiger Zugriff auf das Nachlassvermögen nehmen könnten, sei rein hypothetischer Natur. Von Gläubigern der Nacherbin könne insoweit sogar eine größere Gefahr drohen.
    Der Beschwerdeführer beantragt,
    einen Erbschein des Inhalts zu erteilen, dass B Alleinerbe sei.
    Die Beschwerdegegnerin C beantragt,
    die Beschwerde zurückzuweisen.
    Sie bringt vor, dass der Erblasser mit dem notariellen Testament vom 16.9.1997 bezweckt habe, den Nachlass trotz der Zerrüttung der Ehe seines Sohnes und dessen Alkoholproblemen in der Familie zu halten. Allen Beteiligten einschließlich des Notars sei die Schwangerschaft der Ehefrau des Sohnes ebenso bekannt gewesen wie die Tatsache, dass der Sohn nicht der Vater dieses Kindes ist. Der Notar habe gesagt, dass das entstehende Kind keine Ansprüche auf den Nachlass haben werde. Der Erblasser habe seinen beiden Kindern etwas geben wollen, ihr aber bereits zuvor beim Hausbau geholfen. Ihr sei es damals nicht darum gegangen, unbedingt Erbin zu werden. Sie sei jedenfalls zu Lebzeiten des Erblassers nicht wesentlich bedacht worden. Der Sohn des Erblassers habe durch die Wohnmöglichkeit in dem Nachlassanwesen und durch die daraus erzielbaren Mieteinnahmen versorgt werden sollen, ohne das Anwesen, das dann an sie habe gehen sollen, "vertrinken" zu können. Dass sie auf jeden Fall als Nacherbin zum Zuge habe kommen und nicht habe enterbt werden sollen, ergebe sich auch aus Folgendem: Im nach der Geburt des Beschwerdeführers unverändert gebliebenen Testament sei enthalten, dass der Sohn noch Kinder haben könne und dass ihre Töchter Ersatznacherben sein sollten. Den Zugriff von Gläubigern des eingesetzten Vorerben auf den Nachlass habe der Erblasser ausschließen und daher § 2107 BGB abbedingen wollen.
    Der Senat hat zum Zustandekommen des notariellen Testaments des Erblassers vom 16.9.1997 Notariatsrat Z uneidlich als Zeuge vernommen. Wegen des Inhalts seiner Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18.9.2012 (Bl. 221 ff. d. A.) Bezug genommen.
    III.
    Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der vom Beschwerdeführer als Erbe des Vorerben beantragte Erbschein entspräche nicht der Rechtslage und ist daher nicht zu erteilen. Der als Vorerbe eingesetzte B ist nicht gemäß § 2107 BGB als Vollerbe anzusehen, sondern die Tochter des Erblassers C ist durch Nacherbfolge Erbin geworden.
    1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ergänzungsregel des § 2107 BGB liegen vor. Der Erblasser hat seinen Sohn B, also einen Abkömmling, als Vorerben eingesetzt, als dieser noch kinderlos war. Für die Zeit nach dessen Tod wurde Nacherbfolge angeordnet. B hat mit dem Beschwerdeführer aber einen Abkömmling hinterlassen. Dies ergibt sich aus § 1592 Nr. 1 BGB, da B zum Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers mit dessen Mutter verheiratet war. Dass B nicht der leibliche Vater des Beschwerdeführers ist, ändert daran nichts, da die Vaterschaft nicht erfolgreich angefochten wurde (§ 1599 Abs. 1 BGB). Der Anwendung von § 2107 BGB steht auch nicht entgegen, dass die eingesetzte Nacherbin ebenfalls ein Abkömmling des Erblassers und mit diesem sogar näher verwandt ist als der Nachkomme des eingesetzten Vorerben (BGH, Urteil vom 8.7.1981, Az. IVa ZR 177/80, NJW 1981, 2743 ff.).
    2. Ein von § 2107 BGB abweichender Wille des Erblassers hat aber Vorrang, wenn er im Wege der Testamentsauslegung ermittelt werden kann, wobei für ihn in der Verfügung von Todes wegen wenigstens ein gewisser Anhalt vorhanden sein muss (BGH, a.a.O., Rn. 15 nach [...]). Ein derartiger Wille kann dem notariellen Testament vom 16.9.1997 auch entnommen werden.
    Der Zeuge Z konnte zum Erblasserwillen bei Testamentserrichtung keine Angaben machen, da ihm eine Befassung mit der Angelegenheit nicht erinnerlich und eine solche auch nicht feststellbar ist.
    Mit der Formulierung unter II. des notariellen Testaments, dass "... B noch keine Kinder ..." habe, ist die Möglichkeit, dass solche Abkömmlinge noch geboren werden könnten, angedeutet. Gleichwohl wird im Testament § 2107 BGB nicht ausdrücklich angesprochen. Dadurch hätte der Notar für entsprechende Rechtssicherheit sorgen können.
    Der Umstand, dass der Erblasser keine Änderung seines Testaments vornahm, nachdem er den Beschwerdeführer kennenlernte und wusste, dass es sich nicht um seinen leiblichen Enkel handelt, mag zwar grundsätzlich als Indiz dafür gewertet werden können, dass er die dispositive Vorschrift des § 2107 BGB ausschließen wollte (vgl. Palandt, 71. Aufl., § 2107 BGB Rn. 3; Münchener Kommentar/Grunsky, 5. Aufl., § 2107 BGB Rn. 5; Staudinger/ Avenarius, Neubearb. 2003, § 2107 BGB, Rn. 4; BGH, a.a.O., Rn. 21 nach [...]). Hier ist dieses Verhalten des Erblassers aber bereits deshalb ohne Aussagewert, da unklar ist, ob überhaupt und ggf. welche Überlegungen hierfür maßgeblich waren. Immerhin war der Erblasser ausweislich S. 1 des Testaments vom 16.9.1997 bereits damals querschnittsgelähmt und nicht ausschließbar in der Folgezeit hinsichtlich der durch § 2107 BGB aufgeworfenen Fragen ohne Problembewusstsein.
    Anderes kann auch nicht aus der Einsetzung von Ersatznacherben im Testament hergeleitet werden. Dass der Nachlass innerhalb der Abkömmlinge gehalten werden sollte, erfordert nicht den Ausschluss von Abkömmlingen des Sohnes. Gleiches gilt auch für den Beschwerdeführer. Dass er mangels biologischer Abstammung anders zu behandeln ist, kann dem Testament ebenfalls nicht entnommen werden. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass dem Erblasser die Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung überhaupt bekannt war, da der Beschwerdeführer geltend macht, dass seine Mutter erst am Tag zuvor davon erfahren habe. Dies ist plausibel, da die Geburt erst über sieben Monate später erfolgte. Der Inhalt des früheren aufgehobenen Testaments vom 17.1.1991, in dem der Erblasser seine beiden Kinder zu gleichen Teilen zu Erben einsetzte, ermöglicht ebenfalls keine Abweichung von § 2107 BGB.
    Ziffer III. 4) des Testaments regelt aber ausdrücklich, dass eine Belastung des Nachlasses durch Verbindlichkeiten des Sohnes soweit als möglich verhindert werden soll. Bei Anwendung von § 2107 BGB wäre mit dem Tod des Sohnes als Vorerben die Nacherbfolge entfallen. Der Sohn wäre also nachträglich als Vollerbe anzusehen (vgl. Palandt, a.a.O., § 2107 BGB Rn. 2). Damit könnten aber Gläubiger des Sohnes auf den Nachlass zugreifen. Dem steht der genannte Wille des Erblassers entgegen. Was die Triebfeder des Erblassers war, kann dahin stehen. Dass die Alkoholprobleme des Sohnes eine Rolle gespielt haben, liegt angesichts der Äußerungen der Tochter des Erblassers und der Mutter des Beschwerdeführers im Termin vor dem Senat am 28.2.2012 aber auf der Hand. Inwieweit der Zugriff von Gläubigern der Nacherbin auf den Nachlass droht, ist ohne Bedeutung, da sich das Testament damit nicht befasst. Ob der Erblasserwille durch eine andere Testamentsgestaltung besser verwirklicht worden wäre, ist ebenfalls nicht entscheidend. Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser den Nachlass nur zu Lebzeiten des Sohnes vor dessen Gläubigern schützen wollte, liegen nicht vor.
    IV.
    Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich. Wer etwaige Gerichtskosten zu tragen hat, ergibt sich aus der KostO. Zwar sollen gemäß § 84 FamFG die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem auferlegt werden, der es eingelegt hat. Es erscheint aber unbillig, den minderjährigen und mittellosen Beschwerdeführer mit den Rechtsanwaltskosten der Beschwerdegegnerin, der der Nachlass zufällt, zu belasten.
    Der Geschäftswert ist gemäß § 131 Abs. 4, § 30 Abs. 1 KostO in Höhe des Nachlasswertes festzusetzen.
    Die Voraussetzungen einer Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 2107 BGB