02.08.2013 · IWW-Abrufnummer 132716
Finanzgericht Münster: Urteil vom 25.04.2013 – 3 K 2939/10 F
1) Bei einem mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstück ist zur Ermittlung der Grundbesitzwerte für die wirtschaftliche Einheit
des belasteten Grundstücks und für die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts von einem Gesamtwert auszugehen, der sich
für den Grund und Boden einschließlich der Gebäude vor Anwendung des § 139 BewG ergäbe, wenn die Belastung nicht bestünde.
2) Der Gesamtwert ist nach den Vorschriften der §§ 143, 146 bis 150 BewG zu ermitteln.
3) Auch bei der Bewertung erbbaurechtsbelasteter Grundstücke ist der Ansatz eines Mindestwerts nach § 146 Abs. 6 BewG zu berücksichtigen.
4) Der Gebäudewert beträgt in diesen Fällen 80% des Ertragswerts nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG, nicht etwa 80% des Gesamtwerts.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 3. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht
… Ehrenamtliche Richterin … Ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 25.04.2013 für Recht
erkannt:
Tatbestand
Streitig ist, wie ein bebautes Grundstück, das mit einem Erbbaurecht belastet ist, für Zwecke der Schenkungsteuer zu bewerten
ist.
G übertrug der Klägerin am 13.12.2008 unentgeltlich zahlreiche Grundstücke, dazu gehörte u. a. das bebaute und mit einem Erbbaurecht
belastete Grundstück A-Straße 1 in O. Für Zwecke der Einheitsbewertung ist das Grundstück als Einfamilienhaus bewertet.
Der Beklagte verzichtete auf die Anforderung einer Erklärung durch die Klägerin „aufgrund der Vielzahl der Schenkungen und
aufgrund dessen, dass die Efin. (gemeint ist die Klägerin) nicht über alle notwendigen Daten verfügte” (Einspruchsentscheidungen
vom 06.07.2010). Die Klägerin reichte auch keine Feststellungserklärungen ein.
Der Beklagte stellte den Grundbesitzwert auf den 13.12.2008 für Zwecke der Schenkungsteuer anhand der Daten in der Einheitswertakte
für das Grundstück auf 56.500 Euro fest.
Dabei ermittelte der Beklagte den Gebäudewert nach dem Ertragswertverfahren und den Wert des Grund und Bodens ausgehend von
den Bodenrichtwerten, die vom Gutachterausschuss der Gemeinde zum Besteuerungszeitpunkt zugrundegelegt worden sind. Da der
Gebäudewert im Ertragswertverfahren von 94.255 Euro niedriger war als der Wert für den Grund und Boden von 131.997 Euro, ging
der Beklagte für die Ermittlung des Gesamtwerts von 75.404 Euro (80 % von 94.255 Euro) für den Gebäudewert und 56.593 Euro
für den Grund und Boden (131.997 Euro ./. 75.404 Euro) aus. Den Grundbesitzwert für das mit einem Erbbaurecht belastete Grundstück
stellte er danach auf 56.500 Euro fest. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Bescheid über die gesonderte Feststellung
des Grundbesitzwertes auf den 13.12.2008 für Zwecke der Schenkungsteuer für die wirtschaftliche Einheit A-Straße 1 vom 07.09.2008.
Gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 13.12.2008 legte die Klägerin Einspruch ein.
Entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Mindestwert nicht anzusetzen. Der Bescheid sei schon wegen des Ansatzes des
Mindestwertes gemäß § 146 Abs. 6 Bewertungsgesetz (BewG) und der sich in dem Bescheid anschließenden Aufteilung dieses Mindestwerts
in einen Gebäudewert von 80 % des Ertragswerts gem. § 146 Abs. 2 – 5 BewG und einen Anteil von Grund und Boden in Höhe des
Differenzbetrages bis zum Mindestwert rechtsfehlerhaft. Zutreffenderweise sei § 148 Abs. 4 Satz 1 BewG als lex specialis bei
Erbbaugrundstücken bzw. Erbbaurechten als „Rechtsgrundverweisung” auf die Bewertungsregelungen für bebaute Grundstücke zu
sehen. Im Rahmen der Ermittlung des Gesamtwerts des § 148 Abs. 1 BewG werde das (Erbbau)Grundstück entsprechend seiner Eigenart
nach den „normalen” Verfahren der §§ 145 ff. BewG bewertet. Handele es sich um bebaute (Erbbau) Grundstücke, greife § 148
Abs. 4 Satz 1 1. Halbsatz BewG ein, wonach der Gebäudewert 80 % des nach § 146 Abs. 2 – 5 BewG ermittelten Werts betrage.
Das heiße nichts anderes, als dass für Zwecke der wegen § 148 Abs. 1 BewG vorzunehmenden Aufteilung des nach allgemeinen Bewertungsregelungen
ermittelten Gesamtwertes der Gebäudeanteil 80 % des nach dem für bebaute, unbelastete Grundstücke einschlägigen Bedarfswertverfahrens
gemäß § 146 Abs. 2 – 5 BewG betrage. Dies ändere aber nichts daran, dass sich der Gesamtwert nach dem Bedarfswertverfahren
bestimme.
Konsequenterweise führe § 148 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz BewG im Anschluss aus, dass der verbleibende Teil des Gesamtwerts
(= Differenz zu den nach Bedarfswertverfahren gem. § 146 Abs. 2 – 5 BewG) dem Wert des Grund und Bodens entspreche. Mit anderen
Worten, der Grund- und Bodenanteil bei bebauten Erbbaugrundstücken betrage 20 % des nach Bedarfswertverfahren ermittelten
Wertes.
Die Rechtsgrundverweisung des § 148 Abs. 4 Satz 1 1. Halbsatz BewG auf das Bedarfswertverfahren des § 146 Abs. 2 – 5 BewG
führe dazu, dass in der Regel § 148 BewG in seiner der für den hier streitigen Fall geltenden Fassung von vornherein nicht
anzuwenden sei.
Diese Auffassung decke sich damit, dass der Mindestwert nach § 146 Abs. 6 BewG nach der Gesetzesbegründung zur Neufassung
des § 148 BewG nicht Berechnungsgröße geworden sei. Nach dem Wortlaut des § 148 Abs. 4 BewG in seiner hier streitentscheidenden
Fassung und der Gesetzesbegründung sei für Zwecke der Bewertung nach § 148 BewG der Mindestwert nicht zu ermitteln.
Soweit sich der Beklagte zu seiner Rechtsauffassung zum Ansatz des Mindestwerts auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
zu § 148 BewG a. F. berufen wolle, werde darauf hingewiesen, dass diese Rechtsprechung bereits deshalb für den streitigen
Sachverhalt nicht mehr einschlägig sein könne, weil die Gesamtnorm des § 148 BewG in ihrer für den Streitfall anzuwendenden
Fassung vollständig – insbesondere auch in systematischer Hinsicht – geändert worden sei.
Vorsorglich werde daher angemerkt, dass der Feststellungsbescheid rechtsfehlerhaft sein, selbst wenn auf die Bewertung des
hier streitigen Erbbaurechts der Mindestwert des § 146 Abs. 6 BewG anzuwenden sei. Denn insoweit müsse gelten, dass der dann
anzusetzende Mindestwert gleichzeitig den Gesamtwert i. S. d. § 148 Abs. 1 BewG darstelle. Das bedeute, der Gesamtwert im
Sinne des § 148 Abs. 1 BewG würde durch den Mindestwert des § 146 Abs. 6 BewG fingiert. Da aber gem. § 148 Abs. 1 BewG gelte,
dass der Gesamtwert des zu bewertenden Erbbaurechts nach den für die jeweilige Grundstücksart einschlägigen Bewertungsmethoden
zu ermitteln sei, müsse auch gelten, dass die innerhalb einer Bewertungsmethode anzuwendenden Regelungen weiter gelten. Wenn
also das Erbbaurecht nach §§ 146, 148 Abs. 1 BewG zu bewerten sei, eine Bewertung nach § 146 Abs. 3 – 5 BewG aber durch den
Mindestwert des § 146 Abs. 6 BewG verdrängt werde, dann sei für die Anwendung der Regelungen des § 146 Abs. 2 – 5 BewG innerhalb
der Aufteilungsnorm des § 148 Abs. 4 Satz 1 BewG kein Raum. Denn diese könnten zutreffenderweise und sinnlogisch innerhalb
des § 148 Abs. 4 Satz 1 BewG nur dann zur Anwendung kommen, wenn der Gesamtwert auch tatsächlich nach § 146 Abs. 2 – 5 BewG
ermittelt worden sei.
Käme es aber dazu, dass der Mindestwert des § 146 Abs. 6 BewG einschlägig würde, und somit die § 146 Abs. 2 – 5 BewG verdränge,
dann müsse § 148 Abs. 4 Satz 1 BewG – wenn man den Mindestwert überhaupt unterstellen dürfte – so verstanden werden, dass
der Mindestwert zu 80 % auf das Gebäude und zu 20 % auf den Grund und Boden aufzuteilen sei und so den Gesamtwert des § 148
Abs. 1 BewG darstelle.
Das heiße, auch dann wenn man den Mindestwert des § 146 Abs. 6 BewG bei der Bewertung von (bebauten) Erbbaurechtsgrundstücken
als zulässigen Wertansatz betrachten könne, sei der Feststellungsbescheid rechtsfehlerhaft, weil der Mindestwert in diesem
Fall zu 80 % in einen Gebäude – und zu 20 % in einen Grund- und Bodenanteil aufzuteilen wäre, weil für die Anwendung der Regelungen
aus § 146 Abs. 2 – 5 BewG kein Raum wäre.
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Wenn ein Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet sei, sei nach §
148 Abs. 1 BewG bei der Ermittlung des Grundbesitzwertes für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundst ücks und für
die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts von dem Gesamtwert auszugehen, der sich für den Grund und Boden einschließlich
der Gebäude vor Anwendung des § 139 BewG ergebe, wenn die Belastung nicht bestünde.
Diese Vorschrift habe zur Folge, dass bei der Bewertung von mit Erbbaurecht belasteten Grundstücken zunächst ein sog. Gesamtwert
nach den Vorschriften der §§ 143, 146 – 150 BewG zu ermitteln sei. Demnach könne – entgegen der Auffassung der Klägerin –
gegebenenfalls auch der Mindestwert nach § 146 Abs. 6 BewG anzusetzen sein. Bei den zu bewertenden Grundstücken komme der
Mindestwert zum Zuge, da der Wert des Grund und Bodens höher sei als der Wert, der sich aus dem 12,5-fachen der Jahresmiete
ergebe.
Nach § 148 Abs. 2 BewG entfalle der Wert des Grund und Bodens auf die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks.
Der Gebäudewert entfalle nach § 148 Abs. 3 BewG allein auf die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts, wenn die Dauer dieses
Rechts im Besteuerungszeitpunkt mindestens 40 Jahre betrage oder der Eigentümer des belasteten Grundstücks bei Erlöschen des
Erbbaurechts durch Zeitablauf eine den Wert des Gebäudes entsprechende Entschädigung zu leisten habe.
§ 148 Abs. 4 BewG regele lediglich, wie der zuvor ermittelte
Gesamtwert auf den Gebäudewert und auf den Wert des Grund und Bodens
aufzuteilen sei. Dabei werde unterschieden, ob es sich um ein Grundstück handele, bei dem der anteilige Grund und Boden gesondert ermittelt
worden sei oder nicht.
Bei der Ermittlung des Gesamtwerts sei im Streitfall der Grund- und Bodenanteil nicht gesondert ermittelt worden, da die Bewertung
nach den Vorschriften für das Ertragswertverfahren gem. § 146 BewG erfolgt sei. Die Aufteilung des von dem im Ertragswertverfahren
ermittelten Gesamtwerts sei in § 148 Abs. 4 Satz 1 BewG geregelt. Demnach betrage der Gebäudewert 80 % des nach § 146 Abs.
2 – 5 BewG ermittelten Werts und nicht, wie von der Klägerin hilfsweise vertreten, 80 % des Gesamtwerts. Der Gebäudewert sei
also unabhängig davon, ob ein Mindestwert zum Zuge komme oder nicht. Dies sei auch nachvollziehbar, da der Gebäudewert für
sich betrachtet unabhängig vom Wert des Grund und Bodens sein müsse, auf dem das Gebäude stehe.
In § 148 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz BewG sei auch ausdrücklich geregelt, dass der Wert des Grund und Bodens der verbleibende
Teil des Gesamtwerts nach Abzug des Gebäudewerts sei. Aus diesem Grund sei zu Recht der Gebäudewert von dem Gesamtwert abgezogen
worden, um den Wert des Grund und Bodens zu erhalten.
Ein niedrigerer gemeiner Wert sei von der Klägerin nicht nachgewiesen, da dieser Nachweis regelmäßig nur durch ein Gutachten
des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken möglich sei. Ein
solches Gutachten habe die Klägerin nicht vorgelegt. Die eigenen Berechnungen der Klägerin ersetzten nicht ein solches Gutachten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Einspruchsentscheidung vom 06.07.2010.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und vertieft ihr Vorbringen. Nach ihrer Rechtsauffassung sei vom Mindestwert
(131.997 Euro) auszugehen, der auf das Erbbaurecht entfallende Wert betrage davon 20%, das seien 26.000 Euro. Auf die Berechnung
im Schriftsatz vom 04.07.2011 wird Bezug genommen.
Sie führt ergänzend aus, wenn die Bewertung so vorgenommen werde, wie es der Beklagte getan habe, komme es zu einer Erbschaftsteuerbelastung,
die nicht durch die regelmäßigen niedrigen Erbbauzinsen gedeckt sei. Die Anwendung des Mindestwerts nach § 148 BewG führe
zu einem zu hohen (erbschaft)steuerlichen Wert für die streitgegenständlichen Erbbaugrundstücke. Dies stellt die Klägerin
beispielhaft am Grundstück B-Straße 3 dar; wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 24.06.2011.
Diese Auswirkungen, die alleine aus der Anwendung des Mindestwertes nach § 148 BewG resultierten, führten im Ergebnis dazu,
dass der Mindestwert zu einer Erbschaftsteuerlast führe, die konfiskatorische Züge habe, jedenfalls aber nicht mehr mit dem
Gleichheitssatz, Artikel 3 Grundgesetz, zu vereinbaren sei, insbesondere dann, wenn man die Bewertung nach § 148 BewG mit
anderen Bewertungsmethoden für Grundbesitz, die sich am gemeinen Wert orientierten vergleiche. Der Erbbaugrundbesitz werde
mit vergleichbaren Grundbesitzarten verfassungswidrig im Rahmen der Bewertung ungleich behandelt. Hinzu komme, dass die Bewertungsregelungen
des BewG in der Fassung nach der Erbschaftsteuerreform auch grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegneten. So
führten die Regelungen des BewG nach der Fassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes dazu, dass in Abhängigkeit von Grundstücksnutzung,
Grundstücksart und Steuerart vier verschiedene Bewertungsvorschriften bestünden.
Die Klägerin führt weiter vertiefend aus, nachdem die Sache mit den Beteiligten erörtert worden ist, dass zwar höchstrichterliche
Rechtsprechung zum Verständnis des § 148 Abs. 4 Satz 1 BewG (auf jeden Fall insoweit) nicht vorliege, als dass die Aufteilung
von Mindestwerten i. S. d. § 146 Abs. 6 BewG im Bereich des § 148 Abs. 4 Satz 1 BewG erfolgen solle. Demgegenüber werde aber
die Rechtsauffassung der Klägerin von den Kommentierungen überwiegend unterstützt. Sie bezieht sich dazu auf folgende Kommentarstellen:
Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, 9. bzw. 14. Erglfg. Stand Febr. 2009 bzw. Januar 2001, § 148 Tz 6,9,10 und Schaffner in
Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG 2. Aufl. 2009, § 148 Tz 10. Lediglich von Mannek/Blum (in Gürsching/Spenger, Bewertungsrecht,
8. Erglfg. Stand Sept. 2009, § 148 Tz 14) werde mit Hinweis auf den Wortlaut des § 148 Abs. 4 Satz 1 BewG die Auffassung des
Beklagten vertreten.
Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/2712, 88 f.) entspreche einer Beschreibung des Wortlauts des § 148 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz
1 BewG, begründe diesen aber nicht näher. Auch wenn der Wortlaut und die Gesetzesbegründung für die Rechtsauffassung des Beklagten
sprächen, sei diese Rechtsauffassung unzutreffend. Das Wortargument, wonach sich die Wertbestimmung im Rahmen des § 148 BewG
alleine aus den Regelungen des § 146 Abs. 4 – 5 BewG heraus ergeben solle, sei nicht abschließend schlüssig. So eröffne der
Gesetzgeber in § 148 Abs. 4 BewG selbst den Bezug auf den Gesamtwert, weil § 148 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 BewG laute: „Der
verbleibende Teil des Gesamtwertes entspricht dem Wert des Grund und Bodens.”
Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber habe unabhängig von seiner Gesetzesbegründung, die den Gesetzeswortlaut lediglich beschreibe,
aber nicht begründe, auch im Rahmen des § 148 Abs. 4 Satz 1 BewG auf den Gesamtwert des § 148 Abs. 1 BewG abstellen wollen.
Damit werde auch im Rahmen der nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG vorzunehmenden Aufteilung in Gebäudewert und Wert des Grund und
Bodens in erster Linie der Gesamtwert maßgeblich. Wenn aber der Gesamtwert zu ermitteln sei, dann erfolge dies nach den allgemeinen
Bewertungsregelungen der § 138 ff. BewG. Für bebaute Grundstücke bedeute dies, dass sich der Gesamtwert unter Zugrundelegung
des gesamten Ertragswertverfahrens ermittele. Bestandteil des gesamten Ertragswertverfahrens sei aber auch der Mindestwert
des § 146 Abs. 6 BewG, und zwar nach dem insoweit tatsächlich eindeutigen Willen des Gesetzgebers zwingend: „Der für ein bebautes
Grundstück nach dem Absätzen 2 – 5 anzusetzende Wert darf nicht geringer sein …”.
Die Tatsache, dass der Gesetzgeber diesen Geltungswiderspruch, nämlich zwingende Einbeziehung des Mindestwerts nach § 146
Abs. 6 BewG in das Ertragswertverfahren einerseits und Ausblendung des Mindestwertes nach § 146 Abs. 6 BewG im Bereich des
Ertragswertverfahrens bei bebauten Erbbaurechtsgrundstücken andererseits im Bereich der Bewertung vergleichbarer wirtschaftlichen
Einheiten vorgenommen habe, wenn er ihn überhaupt gesehen habe, zeige, dass der Gesetzgeber von einem nicht zu rechtfertigenden
unterschiedlichen Verständnis des Ertragswertverfahrens im Bereich der Bewertung von Grundstücken und grundstücksgleichen
Rechten für Zwecke der Schenkung und Erbschaftsteuer ausgehe, das auch nicht durch die Gesetzesbegründung zu rechtfertigen
sei.
So verstehe auch die herrschende Meinung in der Literatur den Verweis in § 148 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 BewG als Gesamtverweis
auf das gesamte Ertragsverfahren des § 146 Abs. 2 – 6 BewG.
Hinzu komme, dass der Gesetzgeber bei Neuordnung des § 148 BewG in seiner hier streitgegenständlichen Fassung (wohl) den Fall
nicht gesehen habe, in dem der Mindestwert als Endergebnis des Ertragswertverfahrens aus § 146 BewG zum Gesamtwert i. S. d.
§ 148 BewG werde, wie dies bei den streitgegenständlichen Erbbaurechten der Fall sei.
Der Mindestwert sei ein Mindestertragswert bzw. eine nach unten begrenzter Ertragswert. Das bedeute, dass, wie dies die Klägerin
vorgenommen habe, 20 % des Mindest(ertrags)wertes auf den Grund und Boden entfallen müssten. De lege ferenda sei er als Berechnungsgröße
in § 148 Abs. 4 BewG mit einzubeziehen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 13.12.2008 für Zwecke der Schenkungsteuer vom
07.09.2009 (StNr. A-Straße 1) und die Einspruchsentscheidung vom 06.07.2010 aufzuheben und den Grundbesitzwert auf 26.000
Euro festzusetzen,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen. Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung.
Die Berichterstatterin hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Auf das Protokoll über den Erörterungstermin
vom 27.06.2011 wird hingewiesen.
Der Senat hat am 25.04.2013 mündlich verhandelt; auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten,
§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte hat den Grundbesitzwert für das erbbaurechtsbelastete Grundstück
zutreffend festgestellt.
Nach § 148 Abs. 1 BewG ist bei einem mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstück bei der Ermittlung der Grundbesitzwerte für
die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks und für die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts von dem Gesamtwert
auszugehen, der sich für den Grund und Boden einschließlich der Gebäude vor Anwendung des § 139 BewG ergäbe, wenn die Belastung
nicht bestünde.
Ausdrücklich regelt § 148 Abs. 1 BewG, dass Gegenstand der Bewertung bei erbbaurechtsbelasteten Grundstücken die beiden wirtschaftlichen
Einheiten „Erbbaurecht” und „belastetes Grundstück” sind und für die Bewertung deshalb von einem Gesamtwert auszugehen ist
(vgl. Mannek/Blum in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 148 Anm. 25 – 28; Schaffner in Kreutziger/Schaffner/Stephany, Bewertungsgesetz,
Kommentar, 2. Aufl. 2004, § 148 Rn. 8, 9).
Der Gesamtwert ist nach den Vorschriften der §§ 143, 146 bis 150 BewG zu ermitteln. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann
demzufolge auch der Mindestwert nach § 146 Abs. 6 BewG anzusetzen sein, denn aus der gesetzlichen Regelung ergibt sich an
keiner Stelle, dass bei der Bewertung erbbaurechtsbelasteter Grundstücke der Ansatz des Mindestwertes nach § 146 Abs. 6 BewG
ausgeschlossen ist.
Nach § 146 Abs. 6 BewG darf der für ein zu bebauendes Grundstück nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG anzusetzende Wert nicht geringer
sein als der Wert, mit dem der Grund und Boden allein als unbebautes Grundstück nach § 145 Abs. 3 BewG zu bewerten wäre. Denn
die Bebauung eines Grundstücks wird nach den Vorstellungen, die im BewG ihren Niederschlag gefunden haben, nicht als Wertminderung
angesehen, die zu einer Wertminderung des Werts für das Grundstück führt, wenn es unbebaut wäre.
Da im Streitfall der Mindestwert für das Grundstück höher ist als der nach § 146 BewG im Ertragswertverfahren ermittelte Gebäudewert,
kommt grundsätzlich der Mindestwert zur Anwendung.
Die Aufteilung richtet sich nach § 148 Abs. 4 Satz 1 BewG. Bei nach § 146 BewG zu bewertenden Grundstücken beträgt der Gebäudewert
danach 80 Prozent des nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG ermittelten Werts; der verbleibende Teil des Gesamtwerts entspricht dem
Wert des Grund und Bodens. Der Gebäudewert beträgt danach 80 Prozent des Ertragswerts nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG und nicht
etwa 80 Prozent des Gesamtwerts, der in diesen Fällen dem Mindestwert nach § 146 Abs. 6 BewG entspricht (vgl. Mannek/Blum,
a. a. O., § 148 Anm. 41). Dies entspricht der gesetzlichen Regelung in § 148 Abs. 4 1. Halbsatz BewG, der ausdrücklich auf
§ 146 Abs. 2 bis 5 BewG verweist und nicht etwa auch auf § 146 Abs. 6 BewG. Davon ist auch der Beklagte ausgegangen, denn
er hat für Zwecke der Aufteilung 80 Prozent des Wert des Gebäudes angesetzt (80 % von 94.255 Euro = 75.404 Euro).
Nach § 148 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz BewG errechnet sich der Wert des Grund und Bodens nach dem verbleibenden Teil des Gesamtwerts.
Der Gesamtwert ist in diesen Fällen der Mindestwert, von dem der Gebäudewert abzuziehen ist, der mit 80 Prozent des Ertragswerts
an § 146 Abs. 2 bis 5 BewG anzusetzen ist. Im Streitfall beträgt der Mindestwert 131.997 Euro, nach Abzug des Werts des Gebäudes
von 75.404 Euro verbleibt der auf den Grund und Boden entfallende Wert mit abgerundet 56.500 Euro.
Diese Ermittlung wird auch vertreten von Mannek/Blum (a. a. O., § 148 Anm. 41 und 42 mit Berechnungsbeispiel) und Halaczinsky
(a. a. O., § 148 Anm. 8 mit Berechnungsbeispiel). Halaczinsky weist allerdings zutreffend darauf hin, dass in diesen Fällen
die Summe der Werte (Gebäudewert und Summe des Grund und Bodens) höher ist, als der Ertragswert, der für die Ermittlung des
Gebäudewerts herangezogen wird (im Streitfall 75.404 Euro und 56.000 Euro = 131.404 Euro gegenüber vollem Gebäudewert 94.255
Euro). Halaczinsky weist aber ebenso zutreffend darauf hin, dass dies nach dem Entwurf des StBereinG 1999 auch so geplant
gewesen sei und gegebenenfalls de lege ferenda eine Änderung in Betracht gezogen werden müsse, die den Mindestwert als Berechnungsgröße
in § 148 Abs. 4 BewG miteinbeziehe (Halaczinsky (a. a. O., § 148 Anm. 8).
Soweit sich die Klägerin auf die Kommentierung von Schaffner (a. a. O.) beruft, ist darauf hinzuweisen, dass dort in der ersten
Auflage der Kommentierung in Anm. 12 zu § 148 BewG zur Ermittlung beim Ansatz des Mindestwerts ohne weitere Begründung ausgeführt
zwar wird, dass von dem Mindestwert 80 % auf das Gebäude und 20 % auf den Grund und Boden entfallen, was der Auffassung der
Klägerin entspricht. In der 2. Auflage, 2004 erschienen, wird dies aber korrigiert; danach entfallen von dem gemäß § 146 Abs.
2 bis 6 BewG ermittelten Wert 20 % auf das Gebäude und 80 % auf den Grund und Boden. Aus der Bezugnahme auf den nach § 146
Abs. 2 bis 6 BewG ermittelten Wert wird deutlich, dass auch Schaffner für die Berechnung des auf den Grund und Boden entfallenden
Anteils nicht vom Mindestwert ausgeht.
Die Begründung zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 (BT-Drucks. 16/2712, 88) spricht im Übrigen, was die Klägerin auch
nicht verkennt, ebenfalls für die vom Beklagten ermittelte Aufteilung; denn zur Begründung des § 148 Abs. 4 BewG wird dort
ausgeführt:
„Die Vorschrift regelt die Ermittlung des Gebäudewertes und des Bodenwertes bei einem bebauten Grundstück. Ist das Grundstück
nach § 146 BewG zu bewerten, ergibt sich der Gebäudewert aus dem nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG ermittelten Ertragswert. Dies
gilt auch in den Fällen des § 146 Abs. 6 BewG. Der Ansatz mit 80 Prozent des Ertragswerts entspricht bei typisierender Betrachtungsweise
dem Gebäudewertanteil des bebauten Grundstücks. Eine vergleichbare Regelung enthält § 149 BewG.”
Für die von der Klägerin vorgenommene Auslegung der gesetzlichen Vorschriften besteht nach Auffassung des Senats danach kein
Raum.
Soweit die Klägerin vorträgt, es komme bei der Bewertung, wie sie vom Beklagten vorgenommen werde, zu einer Erbschaftsteuer,
die gegen das Übermaßverbot verstoße, ist diese Frage nicht im Verfahren der Feststellung des Grundbesitzwertes zu prüfen,
sondern gegebenenfalls im Verfahren der Erbschaftsteuerfestsetzung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO); außerdem erfordert
die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).