05.09.2013
Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 14.05.2013 – 15 K 180/12
- Wiederkehrende Leistungen aufgrund eines „Versorgungsvertrags” oder „Altenteilsvertrags” sind i.d.R. als dauernde Last abziehbar.
- Der Altenteilsvertrag erfüllt i.d.R. den tatbestand der Vermögensübergabe.
- Versorgungsleistungen müssen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG „lebenslang und zugleich wiederkehrend” sein.
- Unter § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG fallen nur Versorgungsleistungen, die bis zum Tode des Empfängers zu erbringen sind. Das Merkmal
„lebenslang” lässt ein anderes Verständnis nicht zu.
- Einmalzahlungen stellen keine wiederkehrenden Leistungen dar und erfüllen damit nicht das Merkmal einer dauernden Last.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Leistungen, die die Klägerin als Vermögensübernehmerin im Jahre 2010 (Streitjahr) gegenüber
ihren Eltern aufgrund eines Hofübergabevertrages erbracht hat, als Versorgungsleistungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a des
Einkommensteuergesetzes (EStG) abzugsfähig sind. Im Einzelnen geht es um eine Ratenzahlung auf eine einmalige Zahlungsverpflichtung
und um die Erfüllung von Einkommensteuerschulden der Eltern aus einem vor der Hofübergabe liegenden Veranlagungsjahr.
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger ist von Beruf Landwirt. Die Eltern
der Klägerin führten einen landwirtschaftlichen Betrieb.
Mit notariell beurkundetem Hofübergabevertrag vom 24. Juni 2008 übertrugen die Eltern der Klägerin (im Folgenden: die Vermögensübergeber)
im Wege vorweggenommener Erbfolge zum 1. Juli 2008 die zum Betrieb gehörenden Grundstücke auf die Klägerin. Die Vermögensübergeber
übertrugen auch das zum Betrieb gehörende Inventar, sämtliche Lieferrechte und Zahlungsansprüche, die mit den Grundstücken
verbunden sind, auf die Klägerin. Durch den Vertrag wurden mehrere Verpflichtungen der Klägerin begründet. Hierzu gehören
u. a. die Fortführung des Betriebes und die Übernahme einer Bankverbindlichkeit. Unter § 4 Abs. 1 des Vertrages verpflichtete
sich die Klägerin überdies, an die Vermögensübergeber als Gesamtgläubiger auf deren Lebenszeit ab 1. Juli 2008 als dauernde
Last monatlich einen Betrag in Höhe von 1.500,00 € zu zahlen. Unter Hinweis auf § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) wurde
eine Änderbarkeit dieses Betrages vereinbart.
Die Vertragsparteien trafen unter § 4 Abs. 5 folgende Vereinbarung:
„Als weitere Gegenleistung hat die Annehmerin an die Abgeber eine einmalige Zahlung von … € zu erbringen.
Die Zahlung dieses Betrages wird der Annehmerin auf die Dauer von 5 Jahren bis zum 30.06.2013 gestundet und ist in jährlichen
Raten von 20 % des jeweils erzielten Gewinns vor Steuern zu tilgen. In jedem Fall ist der gesamte noch offen stehende Betrag
jedoch am 30.06.2013 zur Zahlung fällig. …”
Unter § 5 Abs. 3 trafen die Klägerin und die Vermögensübergeber folgende Vereinbarung:
„Zum Zeitpunkt des Besitzübergangs nicht ausgezahlte Förderungsmittel, Rübengelder, nicht abgeerntete Früchte und der Erlös
hierfür sowie gelagerte Ernten oder Teile davon stehen der Annehmerin zu.
Die Annehmerin übernimmt die gesamte aufstehende Ernte 2008. Im Gegenzug verpflichtet sie sich zur Übernahme und Zahlung der
Einkommensteuer der Abgeber für die früheren Veranlagungszeiträume, sofern diese unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen
oder noch nicht veranlagt wurden; etwaige Steuerguthaben aus diesen Zeiträumen stehen ihr zu. …”
Die Kläger führen den landwirtschaftlichen Betrieb in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) fort. Die
Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 2008 und der Jahresabschluss für das Wirtschaftsjahr 2008/2009 wurden im Juni 2010 erstellt.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die von der Klägerin zu erbringenden Leistungen wertmäßig unterhalb des Kapitalkontos
nach der Eröffnungsbilanz liegen.
Durch geänderten Bescheid für 2008 über Einkommensteuer lehnte es das FA ab, Einkommensteuerzahlungen der Klägerin für die
Vermögensübergeber gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG zum Sonderausgabenabzug zuzulassen. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies
das FA mit Einspruchsentscheidung vom 2. November 2011 als unbegründet zurück. Ausweislich der unter § 5 des Hofübergabevertrages
getroffenen Vereinbarung handele es sich bei der Verpflichtung der Klägerin zur Übernahme von Einkommensteuerschulden nicht
um eine Versorgungsleistung, sondern um eine Gegenleistung für die aufstehende Ernte 2008. Außerdem zähle die Übernahme von
Steuerschulden nicht zum Inbegriff der Versorgungsleistungen i. S. des Art. 96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch
(EGBGB) i. V. m. §§ 5 bis 17 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Nds. AGBGB). Die Einspruchsentscheidung
wurde gerichtlich nicht angefochten.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger bei den Sonderausgaben als dauernde Last „Ehef.: Altenteil”
geltend. Der hierzu angegebene Gesamtbetrag setzt sich nach der Anlage zum Mantelbogen aus dem Baranteil in Höhe von 18.000,00
€ (= 1.500,00 € x 12 Monate) sowie aus „Abschlag vertraglich vereinbarte Zahlung” und „Steuerzahlungen 2007” zusammen.
Durch den für das Streitjahr erteilten Einkommensteuerbescheid brachte das FA Versorgungsleistungen lediglich in Höhe von
18.000,00 € („Baranteil”) als Sonderausgaben in Abzug.
Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein. Sie begehrten, die im Streitjahr nach § 4 Abs. 5 des Hofübergabevertrages geleistete
Abschlagszahlung bei den Sonderausgaben zu berücksichtigen. Der eingelegte Rechtsbehelf blieb erfolglos.
Im Klageverfahren haben die Kläger erstmalig eine auf den 12. Februar 2010 datierte privatschriftliche „Ergänzung zum Übertragungsvertrag
vom 24.06.2008” vorgelegt. Hiernach ist die geschuldete Einmalzahlung unabhängig vom Gewinn in vier Raten zu leisten, und
zwar die erste Rate in Höhe von 2/5 des vereinbarten Betrages bis 28. Februar 2010 und drei weitere gleich hohe Raten bis
zum 28. bzw. 29. Februar des Folgejahres. Im Übrigen sollten die Regelungen aus dem Notarvertrag fortgelten.
Die Kläger machen geltend, vor Abschluss der Vereinbarung vom 12. Februar 2010 seien noch keine Zahlungspflichten der Klägerin
aus § 4 Abs. 5 des notariell beurkundeten Vertrages fällig gewesen, weil die Ergänzungsvereinbarung vor der Erstellung des
Jahresabschlusses für das Wirtschaftsjahr 2008/2009 getroffen worden sei. Auch die Verpflichtung zur Zahlung des Einmalbetrages
sowie zur Übernahme von Steuerschulden gehörten zu den von der Klägerin geschuldeten Versorgungsleistungen. Zivilrechtlich
enthalte ein Vermögensübergabevertrag wie der am 24. Juni 2008 geschlossene Hofübergabevertrag typischerweise ein Gefüge von
Abreden, durch die sich der Vermögensübernehmer nicht nur zur Zahlung eines Baraltenteils, sondern auch zur Erbringung weiterer
Einzelleistungen verpflichte. Diesen Vereinbarungen sei steuerlich Folge zu leisten. So sei in Rechtsprechung (z. B. Urteil
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Februar 2006 X R 5/04, BFHE 212, 450, BStBl II 2007, 160), Verwaltungsanweisungen (z.
B. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 11. März 2010 IV C 3-S 2221/09/10004, 2010/0188949, BStBl I 2010,
227) und Literatur (z. B. Heinicke in Schmidt, EStG, 32. Aufl., § 10 Rz 58) anerkannt, dass auch bestimmte einmalige Aufwendungen
wie etwa die Kosten für die Beerdigung des Vermögensübergebers als Versorgungsleistungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG
in Abzug zu bringen seien. Nichts anderes könne für die hier in Streit stehenden Verpflichtungen der Klägerin gelten.
In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte ergänzend geltend gemacht, die im Notarvertrag vereinbarte Einmalzahlung
diene der Schließung einer bei der Vermögensübergeberin entstandenen Versorgungslücke. Zum Zeitpunkt der Hofübergabe sei die
Vermögensübergeberin erst 58 Jahre alt gewesen. Der vereinbarte Betrag solle dazu beitragen, die Versorgung der Übergeberin
bis zum Erreichen des gesetzlichen Rentenalters sicher zu stellen.
Das FA hält die Klage für unbegründet. Bei den in Rede stehenden Aufwendungen der Klägerin handele es sich nicht um wiederkehrende
Versorgungsleistungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Ergänzend weist das FA auf die Gründe der Einspruchsentscheidung
vom 2. November 2011 hin.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Durch den angefochtenen Bescheid sind die Kläger nicht in deren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung
- FGO -). Das FA hat die Teilzahlung (2/5 des vereinbarten Betrages) sowie die Zahlung von Einkommensteuerschulden der Vermögensübergeber
zu Recht nicht als Versorgungsleistungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG zum Sonderausgabenabzug zugelassen.
1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung (a. F.) sind Sonderausgaben die auf besonderen
Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen,
die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben.
a) Handelt es sich steuerrechtlich um eine dem Vertragstypus des „Versorgungsvertrages” bzw. „Altenteilsvertrages” vergleichbare
Vermögensübergabe, sind die - grundsätzlich schon aufgrund der Rechtsnatur des Vertrages abänderbaren - wiederkehrenden Leistungen
nach der Rechtsprechung des BFH zu § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a. F. in der Regel als „dauernde Last” abziehbar (z. B. BFH-Beschluss
vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, 328, BStBl II 1990, 847; BFH-Urteile vom 25. August 1999 X R 38/95, BFHE 190,
302, BStBl II 2000, 21; in BFHE 212, 450, BStBl II 2007, 160).
Zwar ist der steuerrechtliche Begriff der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen nicht an die zivilrechtlichen Voraussetzungen
eines Altenteilsvertrages (Leibgedinges) geknüpft. Der Altenteilsvertrag erfüllt jedoch im Regelfall den Tatbestand der Vermögensübergabe
(BFH-Urteile vom 25. März 1992 X R 196/87, BFHE 167, 408, BStBl II 1992, 1012, und in BFHE 212, 450, BStBl II 2007, 160).
b) Das Steuerrecht bildet den am Maßstab des Leibgeding-/ Altenteilsvertrages ausgeformten zivilrechtlichen Inhalt des dem
Anwendungsbereich der § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a. F. / § 22 Nr. 1 EStG zuzuordnenden Versorgungsvertrages ab. Hierdurch werden
auch Inhalt und Umfang der als dauernde Last abziehbaren Altenteils-/ Versorgungsleistungen vorgeprägt. Aufwendungen, die
zum Kernbestand des bürgerlich-rechtlichen Altenteils-/ Leibgedingvertrages gehören, sind grundsätzlich auch steuerlich zu
berücksichtigen. Der Rechtsbegriff „Versorgungsleistungen” umfasst damit jedenfalls solche Zuwendungen zur Existenzsicherung,
durch welche laufende Grundbedürfnisse des Bezugsberechtigten wie Wohnen und Ernährung und der sonstige Lebensbedarf abgedeckt
werden. Darüber hinaus sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a. F. als Sonderausgaben abziehbar aber auch einmalige Aufwendungen,
die - wie die Kosten für die Beerdigung und das Grabmal des Altenteilers - nach dem Zivilrecht zum Inbegriff „typischer” Versorgungsleistungen
gehören (BFH-Urteile in BFHE 212, 450, BStBl II 2007, 160, unter II. 2.; vom 19. Januar 2010 X R 17/09, BFHE 228, 77, BStBl
II 2010, 544).
In zivilrechtlicher Hinsicht sind die Interessen der Beteiligten eines Versorgungsvertrages exemplarisch und richtungsweisend
bewertet in den zu Art. 96 EGBGB ergangenen landesrechtlichen Ausführungsgesetzen (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1992 X R 141/88,
BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499, unter 4. a; in BFHE 212, 450, BStBl II 2007, 160, unter II. 1.), also auch in §§ 5 bis
17 Nds. AGBGB. Diese Bestimmungen beschreiben u. a. Inhalt und Grenzen der den Vertragspartnern obliegenden Leistungsverpflichtungen
(BFH-Urteile in BFHE 190, 302, BStBl II 2000, 21, und in BFHE 212, 450, BStBl II 2007, 160, unter II. 1.).
Hiernach ist das bürgerlich-rechtliche Altenteil ein Inbegriff von Versorgungsleistungen verschiedener Art, die durch die
gemeinsame Zweckbestimmung, den Berechtigten ganz oder teilweise zu versorgen, zu einer rechtlichen Einheit verbunden sind
(Beschluss des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 3. Februar 1994 V ZB 31/93, BGHZ 125, 69, NJW 1994, 1158; BFH-Urteile in BFHE
166, 564, BStBl II 1992, 499, und in BFHE 212, 450, BStBl II 2007, 160). Kosten für die Beerdigung des Altenteilers, die Aufwendungen
für ein ortsübliches Grabmal einschließen, sind in zivilrechtlicher Hinsicht Bestandteil des besagten Inbegriffs. Auch der
BGH geht davon aus, dass die Verpflichtung zur Tragung von Beerdigungs- und Grabpflegekosten zu einem „Gefüge von Abreden
(gehört), die für vorweggenommene Erbfolgen geradezu typisch sind” (BGH-Urteil vom 27. Juni 1990 XII ZR 95/89, NJW-RR 1990,
1283; BFH-Urteil in BFHE 212, 450, BStBl II 2007, 160, unter II. 1.).
2. Durch Art. 1 Nr. 5 Buchst. a des Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008) vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150) ist §
10 Abs. 1 Nr. 1a EStG geändert worden. Nach der Neufassung sind Sonderausgaben auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende,
lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die
bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, wenn der Empfänger unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Dies gilt auch für
Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines Betriebs oder Teilbetriebs (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG).
Diese Gesetzesfassung ist nach § 52 Abs. 23g Satz 1 EStG auf alle Versorgungsleistungen anzuwenden, die auf nach dem 31. Dezember
2007 vereinbarten Vermögensübertragungen beruhen.
a) Das JStG 2008 beruht auf einem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 4. September 2007 (BT-Drucks 16/6290). Die Wörter
„auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende, lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen” sah bereits der ursprüngliche
Gesetzentwurf vor (BT-Drucks 16/6290, S. 8).
Hauptanwendungsfall des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG sind nach Auffassung der Entwurfsverfasserin Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen
im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge. Die Vermögensübergabe werde in diesen Fällen unter bestimmten Voraussetzungen als
ein Vorgang des Familien- und Erbrechts angesehen, der in der Regel unentgeltlich erfolge. Im Grundfall der Vermögensübergabe
übertrügen die Eltern zu Lebzeiten einen Betrieb auf ihre Kinder. Die Kinder verpflichteten sich im Gegenzug, eine monatliche
Geldrente zu leisten, die sich am Versorgungsbedürfnis der Eltern orientiere. Daher seien die beiderseitigen Leistungen in
der Regel nicht nach kaufmännischen Gesichtspunkten ausgewogen. Die Versorgungsleistungen könnten jedoch von den Kindern als
Sonderausgaben abgezogen werden und seien bei den Eltern als sonstige Einkünfte zu versteuern, wenn das übertragene Vermögen
ausreichende Erträge abwerfe. Diese Regelung erleichtere die Übergabe von Betrieben an die nächste Generation.
Gegenstand einer unentgeltlichen Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen könne nach der neueren BFH-Rechtsprechung aber
auch die Übertragung von Geldvermögen, Wertpapieren, typisch stillen Beteiligungen und selbst genutztem Wohneigentum sein
(BFH-Beschluss vom 12. Mai 2003 GrS 1/00, BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95). Dies ermögliche Steuergestaltungen, die die gesetzgeberisch
beabsichtigten Grenzen überschritten. Mit der beabsichtigten Änderung werde der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG
auf seinen Kernbereich, nämlich die Übertragung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, Gewerbebetrieben und von Betriebsvermögen
Selbständiger in der Rechtsform des Einzelunternehmens oder der Personengesellschaft zurückgeführt. Hierdurch solle die Regelung
zielgenauer als die bisherige wirken und Mitnahmeeffekte sowie missbräuchliche Gestaltungen verhindern (BT-Drucks 16/6290,
S. 53).
b) Unter § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG fallen nur privat veranlasste Versorgungsleistungen. Bei einer privaten Vermögensübergabe
gegen Versorgungsleistungen überträgt der Vermögensübergeber bei wirtschaftlicher Betrachtung das Vermögen ohne die vorbehaltenen
Erträge und deshalb unentgeltlich an den Vermögensübernehmer (Söhn in Kirchhoff/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rz D 261 ff.).
Versorgungsleistungen umfassen grundsätzlich Aufwendungen zur Existenzsicherung, durch die Grundbedürfnisse wie Wohnen, Ernährung
und der sonstige Lebensbedarf lebenslänglich abgedeckt werden. Die Leistungen bestehen typischerweise aus Nutzungsüberlassungen
(Altenteilswohnung), Sachwerten und Barzahlungen.
Die Versorgungsleistungen müssen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG „lebenslang” und zugleich „wiederkehrend” sein. Nach dem eindeutigen
Gesetzeswortlaut liegen also nicht zwei selbständig nebeneinander stehende Begünstigungsalternativen vor (Söhn in Kirchhoff/
Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rz D 271).
Teilweise wird in der Literatur die Ansicht vertreten, das Merkmal „lebenslang” habe keine Änderung der materiellen Rechtslage
zur Folge. Denn die Voraussetzung lebenslanger Leistungen sei von der Rechtsprechung (z. B. BFH-Urteil vom 31. August 1994
X R 58/92, BFHE 176, 333, BStBl II 1996, 672) schon nach alter Rechtslage aus dem Charakter der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen
hergeleitet worden (so Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 10 Rz 78). Dagegen sollen nach überwiegender Auffassung nach
früherem Recht mögliche Ausnahmen durch die Neufassung ausgeschlossen werden. Zeitlich beschränkte Versorgungsleistungen -
etwa zur Schließung einer Versorgungslücke beim Berechtigten - seien nicht mehr zum Sonderausgabenabzug zuzulassen (so Söhn
in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rz D 271, 208; Blümich/Hutter, EStG, § 10 Rz 95; Lindberg in Frotscher, EStG, §
10 Rz 46). Dies entspricht auch dem BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 227, Tz 56. Hiernach müssen die Versorgungsleistungen auf
die Lebenszeit des Empfängers gezahlt werden. Auf bestimmte Zeit beschränkte Leistungen können nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG
nicht berücksichtigt werden. Das Merkmal „lebenslang” umfasse nur Leistungen von der Vermögensübergabe bis zum Tod des Übergebers
(Heinicke in Schmidt, EStG, 32. Aufl., § 10 Rz 58).
Überdies müssen die Aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG wiederkehrend sein, d. h. sie müssen vereinbarungsgemäß laufend
erbracht werden (Heinicke in Schmidt, EStG, 32. Aufl., § 10 Rz 58). Einmalige Leistungen werden grundsätzlich nicht erfasst
(Söhn in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rz D 268). Sofern Aufwendungen wie Bestattungskosten, die zu den typischen
Altenteils- bzw. Versorgungsleistungen gehören und ihrer Natur nach nur einmalig anfallen, nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.
F. als abzugsfähig anerkannt sind, soll diese Beurteilung für die neue Gesetzesfassung grundsätzlich fortgelten (Kulosa in
Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 10 Rz 79).
3. Werden diese Grundsätze auf den Streitfall übertragen, sind die in Rede stehenden Aufwendungen nicht nach § 10 Abs. 1 Nr.
1a EStG als Sonderausgaben abziehbar.
a) Auch unter Berücksichtigung der privatschriftlichen „Ergänzung” vom 12. Februar 2010 begründet die Pflicht zu einer Einmalzahlung
keine nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abzugsfähige Versorgungsleistung. Hierbei handelt es sich weder um eine lebenslange noch
um eine wiederkehrende Leistung.
aa) Der Senat folgt der in der Literatur vorherrschenden und auch von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung, wonach
nur solche Versorgungsleistungen unter § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG fallen, die bis zum Tode des Empfängers zu erbringen sind.
Ein anderes Verständnis lässt das Merkmal „lebenslang” nicht zu.
Im Streitfall wird diese Voraussetzung durch den nach § 4 Abs. 1 des Notarvertrages als dauernde Last monatlich zu zahlenden
Betrag von 1.500,00 € erfüllt. Dagegen endet die Pflicht zu einer ratenweise zu leistenden Einmalzahlung nicht mit dem Tod
der Vermögensübergeber, sondern im Jahre 2013 mit Zahlung der letzten Rate von 1/5 des vereinbarten Betrages. Deshalb handelt
es sich auch bei der im Streitjahr gezahlten Rate nicht um einen Teil einer lebenslangen Leistung.
bb) Darüber hinaus handelt es sich bei der Zahlung einer Rate auf den geschuldeten Einmalbetrag auch im Lichte des in der
mündlichen Verhandlung ergänzten Klägervortrags nicht um einen Teil einer wiederkehrenden Leistung.
(1) Die vereinbarte Einmalzahlung mag, dem Vorbringen der Kläger folgend, dazu dienen, eine zeitliche Versorgungslücke bei
der Vermögensübergeberin zwischen Hofübergabe und Erreichen des gesetzlichen Rentenalters zu schließen. Die Vertragsparteien
haben jedoch in § 4 Abs. 5 des Notarvertrages eine nicht wertgesicherte „Einmalzahlung” vereinbart, und insoweit ist die Vereinbarung
nicht durch die am 12. Februar 2010 privatschriftlich getroffene Abrede geändert worden. Denn auch hierin ist von dem „Betrag
in Höhe von … €” die Rede. Geändert wurden lediglich die Vereinbarungen zur Höhe und zur Fälligkeit der einzelnen Raten.
(2) Den §§ 5 bis 17 Nds. AGBGB ist nicht zu entnehmen, dass - u. U. ratenweise zu erbringende - Einmalzahlungen zu den typischen
Bestandteilen eines Versorgungs- bzw. Altenteilsvertrages gehören. Auch in diesen landesrechtlichen Bestimmungen ist von „wiederkehrenden
Leistungen” (§ 6 Satz 1 Nr. 1 Nds. AGBGB) die Rede, die im Zweifel für die Lebensdauer des Gläubigers zu entrichten sind (§
7 Abs. 1 Nds. AGBGB). Die Leistungen sind im Voraus zu erbringen, und zwar zeitabschnittsweise (§ 8 Nds. AGBGB). Diese Auslegungsregeln
sind auf Einmalzahlungen indessen nicht anwendbar. Anders als es bei Beerdigungs- und Grabpflegekosten der Fall ist, gehören
Einmalzahlungen nicht zu den Abreden, die für vorweggenommene Erbfolgen typisch sind.
Auch nach der zu § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a. F. ergangenen Rechtsprechung stellen Einmalzahlungen keine wiederkehrenden Leistungen
dar und erfüllen damit allein begrifflich nicht das Merkmal einer „dauernden” Last (Urteil des Finanzgerichts - FG - Köln
vom 16. Februar 2005 11 K 1795/01, EFG 2005, 1030; so wohl auch BFH-Beschluss vom 22. Februar 2005 X B 97/04, BFH/NV 2005,
1085). Ist eine Einmalzahlung nicht bei den Sonderausgaben zu berücksichtigen, wird die Aufwendung auch nicht dadurch abziehbar,
dass sie - wie es vorliegend aufgrund der Ergänzungsvereinbarung vom 12. Februar 2010 der Fall ist - zeitlich gestreckt wird.
Eine Abziehbarkeit „um der äußeren Form der Wiederkehr willen” scheidet aus (BFH-Urteil vom 31. Juli 2002 X R 39/01, BFH/NV
2002, 1575).
(3) Schließlich kann die von der Klägerin im Streitjahr geleistete Zahlung nicht als integraler Bestandteil der nach § 4 Abs.
1 des Vertrages geschuldeten und gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in Ansatz zu bringenden Versorgungsleistungen angesehen werden
(vgl. Söhn in Kirchhoff/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rz D 196 zu § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a. F.). Da der Altenteilsvertrag
zivilrechtlich ein Inbegriff von Rechten verschiedener Art (Sach-, Natural-, Dienst- und Geldleistungen) ist, bilden die geschuldeten
Versorgungsleistungen jedenfalls nach der zu § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a. F. ergangenen Rechtsprechung eine Einheit und müssen
deshalb einheitlich beurteilt werden (BFH-Urteil vom 19. Januar 2005 X R 23/04, BFHE 209, 91, BStBl II 2005, 434). Allerdings
ist auch dieser Rechtsprechung nicht zu entnehmen, dass Einmalzahlungen abzugsfähig sind. So betrifft etwa das BFH-Urteil
in BFHE 209, 91, BStBl II 2005, 434 die Durchführung eines Hofübergabe- und Altenteilsvertrages, in dem sich der Übernehmer
- wie die Klägerin unter § 4 Abs. 1 und 2 des Notarvertrages vom 24. Juni 2008 - zur Zahlung eines wertgesicherten monatlichen
Baraltenteils, nicht aber darüber hinaus zu einer Einmalzahlung verpflichtet hatte. Anders als bei Bestattungskosten geht
es bei der ratenweisen Zahlung des im Notarvertrag vereinbarten Betrages nicht um eine Aufwendung, die ihrer Natur nach nur
einmalig anfällt (vgl. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 10 Rz 79).
b) Entsprechendes gilt für die Übernahme der Einkommensteuerschulden „für die früheren Veranlagungszeiträume” (§ 5 Abs. 3
Satz 3 des Notarvertrages). Auch bei der Übernahme der Steuerschulden für vorangegangene Zeiträume handelt es sich weder um
lebenslange noch um wiederkehrende Versorgungsleistungen. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, die Einkommensteuerforderungen
des FA gegen die Vermögensübergeber für künftige Veranlagungsjahre und auf Lebenszeit der Vermögensübergeber zu begleichen.
Insoweit unterscheidet sich im Streitfall der Hofübergabevertrag von dem Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 15. Mai 1986
III R 190/82 (BFHE 147, 22, BStBl II 1986, 714) zugrunde lag und für den der BFH die Übernahme der Steuerschulden durch den
Vermögensübernehmer als dauernde Last i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a. F. qualifiziert hat.
Im Übrigen kann nicht verkannt werden, dass die von den Vertragsparteien in § 5 Abs. 3 Satz 3 des Notarvertrages gewählte
Formulierung („Im Gegenzug verpflichtet sie sich …”) so zu verstehen ist, dass es sich bei der Übernahme der Steuerschulden
um eine Gegenleistung der Klägerin für noch nicht ausgezahlte Förderungsmittel, Rübengelder, nicht abgeerntete Früchte etc.
handelt. Versorgungsleistungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG liegen jedoch nur dann vor, wenn die vom Vermögensübergeber
einerseits und die vom Vermögensübernehmer andererseits geschuldeten Leistungen nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis
stehen (vgl. etwa BFH-Urteil vom 20. Juni 2007 X R 2/06, BFHE 218, 259, BStBl II 2008, 99; BMF-Schreiben in BStBl I 2010,
227, Tz 5 f.).
4. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO als unbegründet abzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.