06.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133365
Finanzgericht Münster: Urteil vom 12.06.2013 – 3 K 204/11 Erb
Der erbschaft- und schenkungsteuerliche Verschonungsabschlag nach § 13a ErbStG ist auch dann gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 4 ErbStG rückwirkend zu versagen, wenn die Veräußerung der Anteile an einer Kapitalgesellschaft durch die Rechtsnachfolger des verstorbenen Erben innerhalb der fünfjährigen Behaltensfrist erfolgt.
FG Münster v. 12.06.2013
3 K 204 / 11 Erb
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die fünfjährige Behaltensfrist nach § 13a Abs. 5 Nr. 4 Erbschaftsteuergesetz a. F. (ErbStG) vorzeitig mit dem Tod des Erwerbers endet.
Am 29. Juli 2003 starb J. I.. Durch Testament vom 22. Juli 2003 (Urkunden-Rolle Nr. xxx/2003 des Notars N. aus L.) war ihre Tochter N. I. als Alleinerbin eingesetzt. Zum Nachlass gehörten unter anderem auch Anteile an der B. I. GmbH.
Am 31. März 2004 starb N. I., die von den Klägern zu gleichen Teilen beerbt wurde. Die zum Nachlass gehörigen Anteile an der B. I. GmbH veräußerten die Kläger mit Vertrag vom 8. Juni 2004.
Nach Abgabe der Erbschaftsteuererklärung nach J. I. setzte der Beklagte gegenüber jedem Kläger als Gesamtschuldner mit jeweiligem Bescheid vom 7. April 2008 Erbschaftsteuer in Höhe von xxx EUR fest. Die Bescheide ergingen nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Begünstigung nach § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG für die Anteile an der B. I. GmbH berücksichtigte der Beklagte hierbei nicht. In seiner Anlage zum Erbschaftsteuerbescheid führte der Beklagte dazu aus, dass eine Begünstigung wegen der bereits 2004 erfolgten Anteilsveräußerung nicht gewährt werden könne.
Gegen die Bescheide legten die Kläger am 24. April 2008 Einspruch ein. Sie verwiesen auf den Wortlaut des § 13a Abs. 5 Nr. 4 ErbStG, nach dem lediglich eine Steuerschädlichkeit für den Erwerber definiert sei. Im vorliegenden Fall seien die Anteile an der GmbH aber durch die Gesamtrechtsnachfolger der Erwerberin N. I. und nicht durch diese selbst veräußert worden. Die Frist des § 13a Abs. 5 ErbStG sei somit durch die Erwerberin N. I. eingehalten worden bzw. sei sie in diesem Zeitraum verstorben. Im Rahmen der Erbschaftssteuererklärung seien lediglich die Besteuerungsgrundlagen der Erwerberin N. I. zu Grunde zu legen.
Die Kläger verwiesen hierzu auf den Fall der Vor- und Nacherbschaft. Dort stehe der Freibetrag nach § 13a ErbStG sowohl dem Vorerben bei Eintritt des Erbfalls und danach dem Nacherben wiederum bei Eintritt des Nacherbfalls zu. Gleiches gelte auch im vorliegenden Fall, da hier ebenfalls zwei Erbfälle vorlägen. Die Steuervergünstigung nach § 13a ErbStG komme für beide Erbfälle in Betracht. Eine gemeinsame Sperrfrist bestehe nicht.
Zur Vertiefung ihrer Rechtsauffassung trugen die Kläger weiter vor, dass nach dem Sinn und Zweck des § 13a Abs. 5 ErbStG die Veräußerung von demjenigen vorgenommen werden müsse, der die Steuerbegünstigung in Anspruch genommen habe. Werde das Vermögen durch den Zuwendungsempfänger nach dem (unentgeltlichen) Erwerb vom Ersterwerber veräußert, könne die Ver äußerung steuerlich dem Ersterwerber nur in Fällen eines Missbrauchs zugerechnet werden. Im vorliegenden Fall sei aber die Veräußerung nicht willentlich, sondern durch den Eintritt des Erbfalls erfolgt.
Mit der Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2010 – dem Prozessbevollmächtigten am 15. Dezember 2010 gegen Empfangsbekenntnis zugegangen – wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück. Nach § 1922 BGB seien die Kläger in alle Rechte und Pflichten der Erblasserin N. I. eingetreten, so auch in die Behaltensverpflichtung gem. § 13a Abs. 5 ErbStG. Weder aus den Erlassen zu § 13a ErbStG noch aus dem ErbStG selbst ergebe sich, dass die Behaltensfrist des § 13a Abs. 5 ErbStG vorzeitig mit dem Tod des Ersterwerbers ende. Auch aus den Änderungen der Textpassage von der bis zum 27.12.1996 anzuwendenden Fassung des § 13 Abs. 2a ErbStG zu dem § 13a Abs. 5 ErbStG jetziger Fassung ergebe sich nichts anderes. So gelte § 13a Abs. 5 ErbStG nicht nur, wenn die Veräußerung der Anteile durch den Erwerber erfolge, sondern auch durch seine Gesamtrechtsnachfolger. Der Beklagte verwies zu diesem Zweck auf die Rechtsprechung des FG Berlin (Urteil vom 4. Juni 2002 – 5 K 5042/00, EFG 2002, 1466), welches noch zu § 13 Abs. 2a ErbStG ergangen ist.
Mit ihrer Klage vom 12. Januar 2011 – dem Beklagten per Fax am 17. Januar 2011 übermittelt und beim Finanzgericht eingegangen am 18. Januar 2011 – verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Gewährung der Steuervergünstigung gem. § 13a ErbStG weiter. Sie vertiefen ihre Rechtsauffassung mit einem Verweis auf § 13 Abs. 2a ErbStG, der in der passiven Form formuliert gewesen sei („soweit innerhalb von fünf Jahren nach Erwerb … veräußert wird”). Nach der Gesetzesänderung sei in § 13a Abs. 5 ErbStG die passive Form durch die aktive Form ersetzt worden („soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren … veräußert”). Daraus ergebe sich, dass die Veräußerung durch die Erwerberin der Anteile der GmbH – also Frau N. I. – habe stattfinden müssen und nicht durch deren Gesamtrechtsnachfolger. Auch sei § 13a Abs. 5 ErbStG nach der Rechtsprechung eine Missbrauchsverhinderungsklausel. Hiernach möge die Behaltenszeit im Rahmen einer Weiterschenkung von Betriebsvermögen auch von dem Erwerber einzuhalten sein. Das gelte aber nicht im Falle des Todes des Ersterwerbers.
Die angefochtenen Bescheide vom 7. April 2008 hat der Beklagte aus hier nicht streitigen Gründen am 29. Mai 2008 und zuletzt am 20. November 2011 geändert.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die angefochtenen Erbschaftsteuerfestsetzungen in der Fassung der Bescheide vom 20. November 2011 zu ändern und die Steuerbefreiung gem. § 13a ErbStG für den Erwerb der Anteile an der B. I. GmbH zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält bezüglich der Begründung an seiner Auffassung aus der Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2010 fest.
Der Senat hält es für sachgerecht, gemäß § 90a Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO fristgemäß am 17. Januar 2011 per Fax an den Beklagten erhobene Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Erbschaftsteuerfestsetzungen und die Einspruchsentscheidungen sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Der Freibetrag und der verminderte Wertansatz nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2ErbStG werden gewährt, wenn beim Erwerb von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden u. a. Anteile an Kapitalgesellschaften (§ 13a Abs. 4 Nr. 5 ErbStG) auf den Erwerber übergehen. Nach § 13a Abs. 5 Nr. 4 ErbStG fallen der Freibetrag und der verminderte Wertansatz rückwirkend weg, soweit der Erwerber den erworbenen Anteil innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb veräußert. § 13a Abs. 5 ErbStG normiert damit eine Nachsteuerregelung, die bei einer Veräußerung innerhalb der Behaltensfrist nachträglich die Nachversteuerung des bisher begünstigten Vermögens auslöst. Die Frist beginnt mit dem Erbfall und endet mit dem Tag genau fünf Jahre später.
Im vorliegenden Fall begann die Fünf-Jahres-Frist mit dem Tod der Erblasserin J. I. am 29. Juli 2003 und endete am 29. Juli 2008.
Die Behaltensfrist hat auch nicht früher durch den Tod der N. I., der Erbin nach J. I. und damit der Erwerberin i.S.d. § 13a Abs. 5 ErbStG geendet. Nach Auffassung des Senats war die Behaltensfrist vielmehr von den Klägern als Gesamtrechtsnachfolgern der Erwerberin einzuhalten.
Nach dem Wortlaut des § 13a Abs. 5 Nr. 4 ErbStG fällt die begünstigende Wirkung des § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG rückwirkend weg, „soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren (…) veräußert”. Soweit hier auf den Erwerber als Veräußerer abgestellt wird, unterscheidet die Regelung jedoch nicht zwischen Erst- und Zweiterwerber des Vermögens. Dass die Frist durch den Tod des Ersterwerbers endet, regelt § 13a Abs. 5 ErbStG ausdrücklich nicht. Eine teleologische Reduktion dahingehend, nur den Ersterwerber zum Halten des Betriebsvermögens zu verpflichten, ist dabei nicht im Wortlaut der Vorschrift angelegt. Sie würde nach Auffassung des Senats auch dem Sinn und Zweck der Behaltensregelung zuwider laufen.
Das Bundesverfassungsgericht hat aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abgeleitet, dass eine verminderte Leistungsfähigkeit des Erwerbers von Betriebsvermögen, die sich u. a. aus der Sozialgebundenheit und der mangelnden Fungibilität des Vermögens ergeben kann, bei der Erbschaftbesteuerung zu berücksichtigen ist (BVerfG, Beschluss vom 22.06.1995 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165; vgl. auch BFH, Beschluss vom 22.05.2002 II R 61/99, BStBl 2002 II S. 598). Der Gesetzgeber hat in der Folge die zunächst in § 13 Abs. 2a ErbStG a. F. geregelten und durch die Nachfolgevorschrift des § 13a ErbStG weiter ausgestalteten steuerlichen Begünstigungen für Betriebsvermögen auch damit begründet, dass die Betriebsfortführung erleichtert und Arbeitsplätze erhalten werden sollten (Begründung zum Entwurf des Standortsicherungsgesetzes vom 04.01.1993, BR-Drucksache 1/93, 49 und vom 20.01.1993, BT-Drucksache 12/4158, 47; Begründung zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 1997 vom 11 .06.1996, BT-Drucksache 13/4839, 64 ff).
Daran anknüpfend hat sich die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs konsequent am Wortlaut der Begünstigungsnorm orientiert und für das Eingreifen der Nachsteuerregelung allein auf den Tatbestand einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe – unabhängig von deren Motiv – abgestellt (vgl. BFH, Urteile vom 16.02.2005 II R 39/03, BStBl 2005 II S. 571; vom 04.02.2010 II R 35/09, BFH/NV 2010, 1601 für die insolvenzbedingte Aufgabe; vom 17.03.2010 II R 3/09, BStBl 2010 II S. 749 für die Veräußerung aufgrund gesetzlicher Anordnung). Diese mittlerweile gefestigte Rechtsprechung zeigt, dass maßgeblich für die Gewährung und den dauerhaften Erhalt der Begünstigung die sachliche Fortführung des Betriebes ist. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm ist es dabei ohne Belang, ob die Fortführung durch einen Erst- oder einen Folgeerwerber erfolgt. So sieht auch die Finanzverwaltung keinen die Nachversteuerung auslösenden Sachverhalt, wenn z.B. begünstigt erworbenes Vermögen vom Erwerber im Wege der Schenkung weitergegeben wird (vgl. R 62 Abs. 2 Nr. 1 ErbStR sowie die weiteren Fallgruppen, Erbschaftsteuerhandbuch 2003). Dann macht es nach Auffassung des Senats aber auch für die Auslösung der Nachsteuerregelung keinen Unterschied, ob der Erst- oder der Zweiterwerber eine begünstigungsschädliche Veräußerung gem. § 13a Abs. 5 ErbStG vornimmt. Denn die Behaltensvorschrift ist eine Missbrauchsverhinderungsklausel und soll dazu beitragen, dass der Betrieb in seiner Gesamtheit erhalten bleibt und auf die nächste Generation unentgeltlich übergeht, ohne Anreize dafür zu schaffen, zum Beispiel an finanzkräftige Investoren zu veräußern.
Diesem gesetzlichen Regelungszweck würde es zuwider laufen, nur dem Ersterwerber eine Behaltensverpflichtung aufzuerlegen, zumal auch der Erbe das Vermögen des Erblassers gem. § 1922 BGB in dem Zustand übernimmt, in dem es sich beim Erblasser befindet – im vorliegenden Fall also die Anteile an der B. I. GmbH „belastet” mit der laufenden Behaltensfrist nach § 13a Abs. 5 Nr. 4 ErbStG.
So hat bereits das Finanzgericht Berlin zu dem inhaltsgleichen § 13 Abs. 2a ErbStG a. F. entschieden, dass von einem freibetragsschädlichen Verstoß gegen die Behaltensvorschriften auszugehen ist, wenn das vom Erben im Wege vorweggenommener Erbfolge an die Kinder übertragene Betriebsvermögen von diesen innerhalb der Fünf-Jahres-Frist an Dritte weiterveräußert werde (FG Berlin in EFG 2002, 1466; kritisch: Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Kommentar, § 13a n. F. Rz. 169).
Auch die Auffassung der Kläger, dass der Gesetzgeber im Gegensatz zur ursprünglichen Fassung des § 13 Abs. 2a ErbStG a. F. in § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG die passive Form durch die aktive Form ersetzt habe, ändert nichts an der Auffassung des Senats. Insoweit hat das Finanzgericht Berlin (in EFG 2002, 1466) aus Sicht des Senats zutreffend dargelegt, dass die aktive Form nur gewählt wurde, da § 13a Abs. 5 ErbStG um weitere Tatbestände (Land- und Forstwirtschaft) ergänzt wurde, die eine aktive Formulierung notwendig werden ließen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen, da eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage, auf welche Person es für die Anwendung des § 13a Abs. 5 ErbStG a. F. ankommt, nicht ersichtlich ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Diese Frage stellt sich unverändert auch nach Inkrafttreten des ErbStG 2009.