26.09.2013 · IWW-Abrufnummer 133010
Oberlandesgericht Düsseldorf: Beschluss vom 17.07.2013 – 3 Wx 76/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Düsseldorf
I-3 Wx 76/13
Tenor:
Das Rechtsmittel wird auf Kosten der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 3.000 €
G r ü n d e :
I.
Die Beteiligte zu 1) ist seit 1989 die Lebensgefährtin des verwitweten Erblassers. Der Beteiligte zu 2) ist der 1966 geborene Sohn des Erblassers und dessen im Jahr 1988 vorverstorbenen Ehefrau.
Der Erblasser hatte mit seiner Ehefrau am 01.07.1976 ein gemeinsames notarielles Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und bestimmten, dass der Beteiligte zu 2) der Erbe des Längstlebenden sein sollte.
In dem Testament heißt es weiter:
„§ 5
Sollte (der Beteiligte zu 2) nach unserem gemeinsamen Tode oder nach dem Tode des Überlebenden von uns versterben ohne das 21. Lebensjahr vollendet zu haben und ohne eheliche Abkömmlinge zu hinterlassen, so soll er nur als Vorerbe eingesetzt sein; Nacherben sind in diesem Falle, wenn er im Zeitpunkt seines Ablebens verheiratet war, seine Ehefrau oder, wenn er nicht verheiratet war (…) zu gleichen Teilen.
Wir wollen, soweit wir das können, auf diese Weise verhindern, daß nicht eheliche Kinder unseres Sohnes und daß unsere Verwandten der zweiten bis fünften Ordnung Erben werden.
§ 6
Sollte (der Beteiligte zu 2) vor dem Tode des Überlebenden von uns aus irgendeinem Grunde weggefallen sein, kann der Längstlebende sowohl über das Ererbte als auch über seinen eigenen Nachlaß letztwillig frei verfügen.
§ 8
Auch wenn der Überlebende von uns wieder heiratet, sollen seine Verfügungen bestehen bleiben und nur die Wechselbezüglichkeit zu den Verfügungen des Erstversterbenden aufgehoben werden.“
Durch notarielle Erklärung vom 19.06.1979 änderten die Ehegatten das vorgenannte Testament in einigen Bestimmungen ab. Sie bestimmten unter § 5 Abs. 1 andereNacherben. Im Übrigen blieben § 5 sowie §§ 6 und 8 der letztwilligen Verfügung vom 01.07.1976 unberührt.
Unter dem 16.04.2012 errichtete der Erblasser eine handschriftliche letztwillige Verfügung, in der er die Beteiligte zu 1) zu seiner Alleinerbin berief.
Am 08.01.2013 erteilte das Amtsgericht Geldern der Beteiligten zu 1) antragsgemäß einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein. Einwendungen gegen den Antrag hatte der Beteiligte zu 2) seinerzeit nicht erhoben, weil ihm die notariellen Testamente zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt waren.
Mit Schreiben vom 28.02.2013 hat das Amtsgericht mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Erbschein vom 08.01.2013 wegen Unrichtigkeit einzuziehen, weil der Erblasser auf Grund der zwischenzeitlich eröffneten Testamente und der dort wechselseitig getroffenen Verfügungen an der Errichtung eines Testaments zugunsten der Beteiligten zu 1) gehindert gewesen sei.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 08.03.2013 hat der Beteiligte zu 2) der Einziehung des Erbscheins zugestimmt und geltend gemacht, die letztwillige Verfügung vom 16.04.2012 widerspreche der bindend gewordenen Erbeinsetzung seiner Person in dem gemeinsamen Testament seiner Eltern vom 01.07.1976, von dem er bislang keine Kenntnis gehabt habe.
Die Beteiligte zu 1) hat ausgeführt, die Voraussetzungen für die Einziehung seien nicht gegeben. Sie hat geltend gemacht, die Erbeinsetzung der eigenen Kinder in einem gegenseitigen Testament sei in der Regel nicht wechselbezüglich. Jedenfalls aber sei das gemeinsame Testament aus dem Jahre 1976 ergänzend dahingehend auszulegen, dass die Wechselbezüglichkeit nicht nur bei erneuter Eheschließung des überlebenden Ehegatten entfallen solle, sondern auch bei Begründung einer neuen Lebensgemeinschaft. Bei Abfassung des Testaments hätten die Eheleute nicht vorhergesehen, dass anstelle einer Wiederverheiratung auch die Begründung einer Lebensgemeinschaft in Betracht kommen könnte.
Durch Beschluss vom 12.03.2013 hat das Amtsgericht den Erbschein eingezogen und der hiergegen gerichteten Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 18.04.2013 durch Beschluss vom 23.04.2013 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die gemäß § 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat den Erbschein zu Recht eingezogen.
Die Erbfolge richtet sich nach dem gemeinschaftlichen Testament aus dem Jahre 1976, das nach dem Tod der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers hinsichtlich der wechselbezüglichen Verfügungen bindend geworden ist.
Zu den wechselbezüglichen Verfügungen zählt im vorliegenden Fall auch die Einsetzung des Beteiligten zu 2) als Erben des Längstlebenden.
Allerdings wird bei gegenseitiger Erbeinsetzung der Ehegatten und Einsetzung der gemeinsamen Kinder als Schlusserben regelmäßig anzunehmen sein, dass jeder Ehegatte die Kinder wegen des Verwandtschaftsverhältnisses einsetzt und nicht nur, weil der andere dies tut. Jedoch kann die Erbeinsetzung des Schlusserben durch den Überlebenden wechselbezüglich sein zu seiner Einsetzung als Alleinerben durch den Erstversterbenden.
Hiervon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Dafür sprechen eindeutig die in §§ 6 und 8 getroffenen Regelungen. Da in § 6 bestimmt ist, dass der Überlebende für den Fall, dass der Beteiligte zu 2) vor seinem Tode aus irgendeinem Grunde weggefallen sein sollte, sowohl über das Ererbte als auch über seinen eigenen Nachlass letztwillig frei verfügen könne, lässt dies nur den Rückschluss zu, dass anderenfalls die Schlusserbeneinsetzung des Beteiligten zu 2) auch für den Überlebenden bindend sein sollte.
Soweit nach § 8 der letztwilligen Verfügung die Wechselbezüglichkeit der getroffenen Vereinbarungen für den Fall der Wiederverheiratung entfallen sollte, kann das Testament entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) nicht dahingehend ergänzend ausgelegt werden, dass dies auch für den Fall des Eingehens einer Lebensgemeinschaft geltend sollte.
Es ist schon zweifelhaft, ob insoweit überhaupt eine Lücke vorliegt oder ob die Eheleute den Wegfall der Bindungswirkung bewusst auf den Fall des Eingehens einer neuen ehelichen Lebensgemeinschaft beschränkt haben. Denn immerhin haben sie durchaus den Fall bedacht, dass der Sohn eine nichteheliche Verbindung eingehen könnte und die aus einer solchen Verbindung etwa entstammenden Nachkömmlinge von der Nacherbenfolge ausschließen wollen, wie sie in § 6 ausdrücklich betonen.
Jedenfalls aber kann nicht angenommen werden, dass, hätten sie bei Errichtung des Testaments den Fall bedacht, dass der Überlebende von ihnen nach dem Tod des Erstversterbenden eine nichteheliche Lebensgemeinschaft eingehen könnte, es ihrem Willen zum damaligen Zeitpunkt entsprochen hätte, den Überlebenden von den Bindungen aus den wechselzeitigen Verfügungen zu befreien. Dagegen spricht die in § 6 deutlich zum Ausdruck gekommene ablehnende Haltung gegenüber einer nichtehelichen Verbindung. Dass der Ehemann der Erblasserin seine Einstellung zu einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nach dem Tod der Ehefrau offenbar geändert hat, ist unerheblich, da es auf den - mutmaßlichen - Willen der Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung ankommt.
2.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.