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  • · Fachbeitrag · Aktuelle Rechtsprechung

    BFH zur beschränkten Erbschaftsteuerpflicht im Inland ‒ das Vermächtnis macht den Unterschied!

    von StB Dipl.-Kauffrau Dr. Katrin Dorn, Hamburg / RA StB Dr. Thomas Stein, Ulm

    | Die beschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht ist in Deutschland erfüllt, wenn keiner der Beteiligten Inländer ist, aber bestimmtes inländisches Vermögen übertragen wird. Bei der einfach beschränkten Steuerpflicht muss es sich dabei um Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG, bei der erweitert beschränkten Steuerpflicht um erweitertes Inlandsvermögen i. S. d. § 4 AStG handeln. Der Steuerpflicht in Deutschland unterliegt dann lediglich die Übertragung dieses Vermögens. Der BFH durfte im Verfahren II R 37/19 (Abruf-Nr. 234001 ) darüber entscheiden, ob die beschränkte Steuerpflicht in Deutschland nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG auch dann eröffnet ist, wenn ein in Deutschland belegenes Grundstück im Wege eines Vermächtnisses auf eine Person übertragen wird. |

    1. Der Streitfall vom 23.11.22

    Im Streitfall vermachte die Tante ihrer Nichte ein im Inland belegenes Grundstück im Wege eines Vermächtnisses. Beide Beteiligten hatten im Inland keinen Wohnsitz und auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt, beide waren keine deutschen Staatsangehörigen. In 2014 wurde das Vermächtnis mit notariell beurkundetem Vertrag erfüllt, sodass die Nichte einen entsprechenden Miteigentumsanteil an dem Grundstück erhielt. Daraufhin setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer gegen die Nichte fest. Dagegen wehrte sich diese zunächst mit Einspruch, weil nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland nicht vorlagen. Sie habe nicht das Grundstück selbst, sondern lediglich den Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dem inländischen Grundstück durch Erwerb von Todes wegen erhalten. Einspruch und Klage vor dem FG blieben erfolglos (FG München 10.7.19, 4 K 174/16). Zwar begründe das Vermächtnis nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung eines Anteils an dem inländischen Grundstück, jedoch habe die Klägerin den Miteigentumsanteil an dem inländischen Grundstück infolge der Vollziehung des Vermächtnisses erhalten. Daher lagen nach Auffassung des FG die Voraussetzungen einer beschränkten Erbschaftsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 ErbStG im Streitfall vor. Das wollte die Klägerin jedoch nicht gelten lassen.

    2. Die Entscheidung des BFH

    Der BFH hob das Urteil des FG München und auch den Erbschaftsteuerbescheid auf. Denn nach Auffassung des BFH unterliegt der durch Vermächtnis erworbene Anspruch auf Übertragung des Miteigentumsanteils an dem inländischen Grundstück nicht der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 ErbStG i. V. m. § 121 Nr. 2 BewG. Hier ist nach Auffassung des BFH zu unterscheiden zwischen dem Anspruch auf Übertragung des inländischen Grundstücks und Übertragung des Grundstücks selbst. Da es sich bei dem Anspruch auf Übertragung des Eigentums nicht um Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG handelt, kommt eine beschränkte Steuerpflicht nicht in Betracht. Sollte aus dem BFH-Urteil vom 10.5.17 (II R 53/14, Rz. 1, 14 und 35) inzident eine davon abweichende Auffassung entnommen werden können, hält der erkennende Senat daran nicht mehr fest. Damit konnte die Nichte, wie von ihr begehrt, das Grundstück im Wege des Vermächtnisses erbschaftsteuerfrei erhalten. Anderes mag nur bei Vermächtnissen ausländischen Rechts gelten, etwa Vindikationslegaten, die nicht nur schuldrechtliche, sondern dingliche Wirkung entfalten. Insofern ist die Prüfung des anwendbaren Zivilrechts unbedingt vorneweg zu stellen.

    3. Relevanz für die Praxis

    Der BFH differenziert klar zwischen der Übertragung des Gegenstands selbst und dem Anspruch auf Übertragung des Eigentums an einem solchen Vermögensgegenstand, der durch ein Vermächtnis begründet wird. Dementsprechend begründet die Übertragung eines Gegenstands, wie z. B. eines inländischen Grundstücks, die in § 121 Nr. 2 BewG explizit genannt ist, unter den weiteren Voraussetzungen eine beschränkte Steuerpflicht im Inland, jedoch der aus dem Vermächtnis resultierende Anspruch auf Übertragung eines solchen Grundstücks nicht. Insoweit ist zwischen den Steuerfolgen zu differenzieren. Hätte die Nichte das Grundstück nicht im Wege des Vermächtnisses, sondern als Erbin im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge oder auch als Beschenkte erhalten, wäre der Erwerb steuerbar gewesen. Hingegen wird der Erwerb durch Vermächtnis nicht von § 121 BewG erfasst. Dieser bislang nicht abgesicherte Gestaltungsvorschlag bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht ist nunmehr abgesichert (Stein, Erbschaftsteuerplanung bei beschränkt Steuerpflichtigen, in: Gosch/Grotherr/Bergmann, Steuerplanung und Compliance, Rn. 31).

     

    3.1 Erstreckung auf andere beschränkt steuerpflichtige Vermögenswerte

    Diese Unterscheidung hinsichtlich der Steuerfolgen dürfte für alle in § 121 BewG genannten Gegenstände gelten, d. h. auch für die Übertragung von inländischem Betriebsvermögen oder L+F-Vermögen, jedenfalls bis der Gesetzgeber diese Gesetzeslücke durch eine entsprechende Erweiterung des § 121 BewG schließt. Schließlich prüft der BFH dies nicht unter wirtschaftlichen oder Vergleichbarkeitsaspekten, sondern unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten zur Bestimmung des Inlandsvermögens (BFH 23.11.22, II R 37/19, Rn. 21). Es sind demzufolge andere Prüfungsmaßstäbe wie bei der Begünstigungsfähigkeit nach § 13b Abs. 1 ErbStG erforderlich (R E 13b.1 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 ErbStR).

     

    Entsprechendes sollte auch im Rahmen der erweitert beschränkten Steuerpflicht gelten. Zu beachten ist dabei, dass diese Gestaltung durch Vermächtnis nur gelingt, wenn das Vermächtnis nach dem (vorrangig anzuwendenden) ausländischen Recht keine direkte Wirkung entfaltet, d. h., das Eigentum an dem Grundstück bereits durch das Vermächtnis übergeht.

     

    3.2 Geltung auch für Vorausvermächtnisse?

    Offen ist dabei, ob eine Gestaltung des Hinausstrukturierens aus der beschränkten Steuerpflicht auch auf Basis sogenannter Vorausvermächtnisse erreichbar ist. Dies sind Vermächtnisse, ggf. auch Untervermächtnisse, die den Erben begünstigen. Da in diesem Fall der Erbe der Begünstigte bleibt, ist er weiterhin der Bereicherte. Es liegt daher nahe, dass die Argumentation der Nichtsteuerbarkeit des Sachleistungsanspruchs insoweit nicht durchgreift; schließlich zieht der Erbe in diesem Fall erbschaftsteuerlich keine Belastung ab.

     

    3.3 Folgen für die Begünstigung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4a-c ErbStG

    Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die in dem Urteil enthaltenen Ausführungen zu Steuerbegünstigungen für ein Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b und Nr. 4c ErbStG und für vermietete Immobilien in der aktuellen Fassung des § 13d ErbStG. Damit sind nicht nur Fälle der beschränkten, sondern auch der unbeschränkten Steuerpflicht von diesem Urteil bzw. den Urteilsgründen betroffen. Schließlich wurde befürchtet, dass bei vermächtnisweiser Zuwendung des Familienheims die für § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG erforderliche Eigentumsübertragung nach der engen Auslegung des II. Senats des BFH zu verneinen sei. Diese anderweitige Beurteilung hatte der II. Senat in der Entscheidung II R 37/19 herausgearbeitet.

     

    Zugleich steht diese Beurteilung im Einklang zur bisherigen Rechtsprechung zur vermächtnisweisen Zuwendung des Familienheims. Für die vermächtnisweise Zuwendung eines Familienheims hat der zuständige Senat dort jeweils die Anwendung der Steuerbegünstigungsvorschriften auf einen Erwerb durch Vermächtnis dem Grunde nach bejaht:

     

    • BFH 29.11.17, II R 14/16, BStBl II 18, 362, Rz. 3, 12 und 13, zu einem durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG

     

     

    § 13 Abs. 1 Nr. 4b und Nr. 4c ErbStG und § 13c ErbStG a. F. bzw. § 13d ErbStG n. F. erfordern im Tatbestand u. a. jeweils einen Erwerb von Todes wegen i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 ErbStG ausdrücklich auch einen Erwerb durch Vermächtnis umfasst. Im Gegensatz zu § 2 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 ErbStG setzen sie jedoch mangels Verweises auf § 121 BewG nicht das Vorliegen von Inlandsvermögen voraus. Insoweit hat die Entscheidung II R 37/19 keine Auswirkungen auf die Gewährung der genannten Steuerbefreiungen im Falle der Übertragung durch Vermächtnisse von Immobilien.

     

    FAZIT | Der BFH hat mit Urteil vom 23.11.22 (II R 37/19) klargestellt, dass das Vermächtnis an einem inländischen Grundstück nicht der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht in Deutschland unterliegt. Damit fällt keine Erbschaftsteuer bei Erwerb durch ausländisches Vermächtnis an, weil in diesem Fall kein inländisches Vermögen i. S. d. § 121 BewG übertragen wird, sondern lediglich ein Anspruch auf Übertragung solchen Vermögens erworben wird. Sicherlich wird der Gesetzgeber diese Gesetzeslücke zeitnah schließen. Erfreulich ist zudem die in dem Urteil enthaltene Klarstellung zur Steuerbefreiung für ein Familienheim, sofern dieses durch Vermächtnis übertragen wird.

     
    Quelle: Ausgabe 09 / 2023 | Seite 223 | ID 49663937