Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Erbschaftsteuergesetz

    BVerfG entscheidet zur Erbschaftsteuer

    von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

    | Der 1. Senat des BVerfG hat die §§ 13a und 13b ErbStG und § 19 Abs. 1 ErbStG für verfassungswidrig erklärt. Die Entscheidung fiel einstimmig; in einem abweichenden Votum gehen allerdings drei Richter davon aus, dass die Regelungen nicht nur einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, sondern auch einen Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip beinhalten ( BVerfG 17.12.14, 1 BvL 21/12, Abruf-Nr. 143542 ). |

    1. Übergangsregelung

    Das BVerfG hat dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30.6.16 eingeräumt, um eine Neuregelung zu treffen. Dem Gesetzgeber wird damit hinreichend Zeit für eine neue - verfassungsrechtlich überzeugendere - Lösung gegeben.

     

    In der Urteilsbegründung, die 296 Textziffern umfasst, kommt das BVerfG zu dem Ergebnis, dass die Verschonung von ErbSt beim Übergang betrieblichen Vermögens in §§ 13a und 13b ErbStG angesichts ihres Ausmaßes mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist.

    2. Entlastung für kleine und mittelständische Unternehmen

    Der Gesetzgeber kann kleine und mittelständische Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und damit auch zur Erhaltung der Arbeitsplätze von der ErbSt weitgehend oder vollständig freistellen. Das BVerfG weist ausdrücklich darauf hin, dass die durch die Verschonungsregelung bewirkte Ungleichbehandlung auch eine Steuerverschonung von 100 % ermöglicht.

     

    PRAXISHINWEIS | Das BMF hat bereits angedeutet, dass es diesen Entscheidungsspielraum nutzen und kleine und mittelständische Unternehmen weiterhin verschonen will. Wohl erst im Gesetzgebungsverfahren wird sich aufhellen, wie der Gesetzgeber kleine und mittelständische Unternehmen definieren will.

     

    3. Einschränkung der Begünstigung für größere Unternehmen

    Die Privilegierung des unentgeltlichen Erwerbs von Betriebsvermögen ist unverhältnismäßig, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.

     

    PRAXISHINWEIS | Im Gegensatz zu kleinen und mittleren Unternehmen bedarf der Übergang großer Unternehmensvermögen der Korrektur und wird zu einer spürbaren Verschlechterung führen. Aufgabe des Gesetzgebers ist es, präzise und handhabbare Kriterien zur Bestimmung der Unternehmen festzulegen, für die eine Verschonung ohne Bedürfnisprüfung nicht mehr in Betracht kommt.

     

    4. Lohnsummenregelung und Zahl der Beschäftigten

    Die Freistellung von der Mindestlohnsumme von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten sieht das BVerfG als unverhältnismäßig an. Es verweist hierzu auf die Ausführungen des BFH, wonach weit über 90 % aller Betriebe in Deutschland nicht mehr als 20 Beschäftigte haben.

     

    Das BVerfG sieht damit die Lohnsummenklausel nicht nur als verfassungsgemäß an, sondern weitet ihren Anwendungsbereich sogar noch aus. Der mit dem Nachweis und der Kontrolle der Mindestlohnsumme verbundene Verwaltungsaufwand ist nach Ansicht des BVerfG nicht so hoch, wie teilweise geltend gemacht wird. Sofern der Gesetzgeber an dem gegenwärtigen Verschonungskonzept festhält, wird er die Freistellung von der Lohnsummenpflicht auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten begrenzen müssen.

     

    PRAXISHINWEIS | Gehen Betriebe mit nicht mehr als 20 Beschäftigten noch vor dem Inkrafttreten eines geänderten ErbStG über, greift die notwendige Verschärfung der Lohnsummenklausel noch nicht.

     

    5. Verwaltungsvermögen und damit verbundene Gestaltungen

    Die Regelung über das Verwaltungsvermögen ist nach Ansicht des BVerfG verfassungswidrig, soweit begünstigtes Vermögen mit einem Anteil von bis zu 50 % Verwaltungsvermögen insgesamt in den Genuss der steuerlichen Privilegierung gelangt. Ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund für eine derart umfangreiche Einbeziehung von Vermögensbestandteilen, die das Gesetz eigentlich nicht als förderungswürdig ansieht, ist für das BVerfG nicht erkennbar. Auch die mit der Abgrenzung des Verwaltungsvermögens verbundenen und vom BFH im Vorlagebeschluss aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten zur Steuerentlastung seien gleichheitsrechtlich nicht zu rechtfertigen.

     

    PRAXISHINWEIS | Da junges Verwaltungsvermögen von der Steuerverschonung ausgeschlossen ist, kann eine Verlagerung privaten Vermögens in den betrieblichen Bereich nicht mehr zur Steuerverschonung führen, wenn die Verlagerung innerhalb von zwei Jahren vor dem Inkrafttreten der Reform des ErbStG erfolgt.

     

    6. Keine uneingeschränkte Fortgeltung bis zur Neuregelung

    Die Fortgeltung der beanstandeten Vorschriften hält das BVerfG auch deshalb für hinnehmbar, weil der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4a ErbStG durch das AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.13 eine der Hauptlücken für unerwünschte Gestaltungen durch „Cash-Gesellschaften“ geschlossen hat. Es weist darauf hin, dass die Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen keinen Vertrauensschutz gegen eine auf den Zeitpunkt der Verkündung dieses Urteils bezogene rückwirkende Neuregelung begründet, die einer exzessiven Ausnutzung gerade der als gleichheitswidrig befundenen Ausgestaltungen der §§ 13a und 13b ErbStG die Anerkennung versagt. Zu beachten ist zudem, dass der Gesetzgeber das Reformgesetz nicht erst zum 30.6.16, sondern auch schon zu einem früheren Zeitpunkt umsetzen kann.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2015 | Seite 3 | ID 43132493