· Fachbeitrag · Festsetzungsverjährung
Mehrere Schenkungen, mehrere Festsetzungsfristen?
von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin
| Wendet ein Schenker dem Bedachten mehrere Vermögensgegenstände gleichzeitig zu, erlangt das FA aber lediglich Kenntnis von der freigebigen Zuwendung eines dieser Gegenstände, führt dies nicht zum Anlauf der Festsetzungsfrist für die SchenkSt für die übrigen zugewendeten Vermögensgegenstände ‒ so der BFH mit Urteil vom 26.7.17. |
Sachverhalt
Der Kläger K erhielt neben seinen beiden Schwestern mit notariell beurkundetem Schenkungsvertrag vom 5.11.02 (Übertragungsvertrag) von seiner Mutter M Eigentumsanteile von jeweils 1/3 am Grundbesitz B sowie an zwei Eigentumswohnungen (übriger Grundbesitz) gegen Einräumung eines lebenslangen Nießbrauchs.
In der Schenkungsteuerakte des FA befand sich eine Veräußerungsanzeige des Notars vom 7.11.02 für den Grundbesitz B. In der Veräußerungsanzeige wurde der Übertragungsvertrag angegeben und dass der Grundbesitz B aufgrund Schenkung an Verwandte in gerader Linie gemäß anliegender Liste übertragen worden sei, der Tag der Übergabe der 5.11.02 gewesen sei und der von den Parteien zugrunde gelegte Wert des Grundbesitzes 575.000 EUR sowie der Wert des Nießbrauchs 38.000 EUR betragen hätten. In der Anlage zur Veräußerungsanzeige waren K und seine beiden Schwestern als Erwerber namentlich mit der jeweiligen Wohnadresse bezeichnet sowie die Höhe des Erwerbs mit jeweils 1/3 angegeben.
M verstarb im Dezember 2009. Im Oktober 2011 reichte K eine ErbSt-Erklärung ein und erklärte den gesamten im Jahr 2002 durch Schenkung erworbenen Grundbesitz unter Angabe der drei Erwerber als Vorerwerb. Das FA setzte sodann im Jahr 2012 für die Zuwendungen vom 5.11.02 gegenüber K SchenkSt fest und berücksichtigte dabei nicht den Grundbesitz B, jedoch den übrigen Grundbesitz.
Das FG Berlin-Brandenburg wies die Klage am 5.11.15 (14 K 14201/14, ZEV 16, 228) ab. Aufgrund der Anlaufhemmung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alt. 1 AO habe die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres 2009 (Todesjahr der M) begonnen. Im Jahr 2002 habe das FA durch die Veräußerungsanzeige nur Kenntnis vom Erwerb des Grundbesitzes B erlangt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des K ist unbegründet (BFH 26.7.17, II R 21/16, Abruf-Nr. 196889). Die Festsetzungsfrist beträgt für die SchenkSt regelmäßig vier Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO). Nach der für die SchenkSt geltenden Sonderregelung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO beginnt die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 oder 2 AO bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat. Maßgeblich ist die zuerst eingetretene Alternative. § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alt. 2 AO regelt für die SchenkSt einen selbstständigen Hemmungstatbestand, der den Beginn der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 i.V. mit § 170 Abs. 1 und 2 AO) auf den Ablauf des Jahres der Kenntniserlangung des FA von der vollzogenen Schenkung festlegt (BFH 8.3.17, II R 2/15, BStBl II 17, 751, Rn. 18). Dadurch wird bei einer nach § 30 ErbStG bestehenden Anzeigepflicht die in § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO enthaltene dreijährige Anlaufhemmung außer Kraft gesetzt und bei einer für Gerichte und Notare bestehenden Anzeigepflicht nach § 34 ErbStG der Anlauf der Festsetzungsfrist gehemmt (BFH 6.6.07, II R 54/05, BStBl II 07, 954, unter II.3.a).
§ 170 Abs. 5 Nr. 2 Alt. 2 AO verlangt positive Kenntnis des FA von der vollzogenen Schenkung (Name und Anschrift des Schenkers und des Bedachten, Rechtsgrund des Erwerbs). Die Kenntnis von Umständen, die nur zur Prüfung Anlass geben, ob ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt, genügt nicht. Wendet ein Schenker dem Bedachten mehrere Vermögensgegenstände gleichzeitig zu und erlangt das FA ‒ wie im Streitfall ‒ Kenntnis nur von der freigebigen Zuwendung eines dieser Gegenstände, führt dies nicht zum Anlauf der Festsetzungsfrist für die SchenkSt für die übrigen zugewendeten Vermögensgegenstände. Die nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alt. 2 AO erforderliche Kenntnis des FA bezieht sich auf die Schenkung eines jeden einzelnen dieser Vermögensgegenstände. Die Festsetzungsfrist für die SchenkSt für die übrigen zugewendeten Vermögensgegenstände beginnt nicht deshalb zu laufen, weil das FA die Möglichkeit gehabt hätte, durch weitere Ermittlungen Kenntnis von der gesamten freigebigen Zuwendung zu erlangen.
Relevanz für die Praxis
Im Streitfall wurde nur die Zuwendung des nicht in der Veräußerungsanzeige ausgewiesenen übrigen Grundbesitzes der SchenkSt unterworfen. Der BFH ließ offen, ob die Festsetzungsfrist für den dem FA zunächst bekannt gewordenen Erwerb eines Vermögengegenstands gesondert zu laufen beginnt oder ob die Festsetzungsfrist für die Steuer für den gesamten Erwerb erst anläuft, wenn er dem FA insgesamt bekannt geworden oder der Schenker verstorben ist. Ob das FA den Grundbesitz B daher zu Recht nicht in die Bemessungsgrundlage der SchenkSt einbezogen hat, blieb offen.
Bei einer mittelbaren Schenkung hat die Finanzbehörde erst Kenntnis von der vollzogenen Schenkung, wenn sie alle Umstände kennt, die die mittelbare Schenkung begründen. Eine mittelbare Schenkung ist dann vollzogen, wenn die Vermögensverschiebung endgültig ist, also der Beschenkte gegenüber dem Schenker die freie Verfügung über den Gegenstand der freigebigen Zuwendung erhält. Bei einer mittelbaren Geldschenkung entsteht die SchenkSt daher nicht schon mit der Übertragung des Vermögensgegenstandes (z.B. Gesellschaftsanteilen), sondern erst in dem Zeitpunkt, zu dem der Bedachte über den ihm zugewendeten Verkaufserlös im Verhältnis zum Zuwendenden frei verfügen kann (BFH 8.3.17, II R 2/15, ErbBstg 17, 186 f.; BFH 28.3.12, II R 39/10, ErbBstg 12, 205).