· Fachbeitrag · Grundstücksveräußerung
Teilentgeltlichkeit bei Erwerb durch Vermächtnis
von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe,Berlin
Der Erwerb eines Grundstücks in Erfüllung eines Vermächtnisses ist ein teilentgeltlicher und damit im Rahmen der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, § 22 Nr. 2 EStG aufteilbarer Vorgang, wenn der Vermächtnisnehmer für den Erwerb des Gegenstands eine Gegenleistung erbringen muss, deren Wert die vermächtnisweise Zuwendung nicht ausgleicht (BFH 29.6.11, IX R 63/10, Abruf-Nr. 112923). |
Sachverhalt
Die Klägerin K und ihre Schwester sind Alleinerbinnen ihrer Mutter (Erblasserin) zu gleichen Teilen. Das Testament gewährte der K das Recht, nach dem Tod der Erblasserin den Grundbesitz zu übernehmen und hierfür der Schwester einen Betrag von 25 % des auf den Tod der Erblasserin festzustellenden Verkehrswerts des Grundbesitzes zu zahlen. Nach dem Tod der Mutter nahm K das Übernahmerecht wahr und zahlte an ihre Schwester 25 % des Verkehrswerts von 238.800 EUR, also 59.700 EUR. Kurz danach veräußerte K den Grundbesitz zu einem Preis von 240.000 EUR. Das FA ermittelte einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn, indem es vom Veräußerungspreis 50 % (= 120.000 EUR) der Grundstückshälfte der Schwester zurechnete und davon 59.700 EUR als Anschaffungskosten abzog. Das FG (20.5.10, EFG 11, 706) folgte dem FA. Nach Ansicht der Klägerin habe sie das Grundstück nur zu 25 % entgeltlich erworben.
Entscheidungsgründe
Die Revision der K ist begründet. Der Veräußerungsgewinn nach § 22 Nr. 2 EStG i.V. mit § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG beläuft sich vor Abzug der Veräußerungskosten auf 300 EUR (= 60.000 EUR ./. 59.700 EUR). Da die Erblasserin der K als Miterbin über ihren Erbteil hinaus etwas zuwenden will (das Grundstück zu einem Preis unter dem Verkehrswert), handelt es sich hier nicht um eine Teilungsanordnung (§ 2048 BGB), sondern um ein Vermächtnis. Der Erwerb von Vermögen aufgrund eines Vermächtnisses erfolgt regelmäßig unentgeltlich, es sei denn, der Vermächtnisnehmer erbringt für den Erwerb des vermachten Gegenstandes eine Gegenleistung. Ein vollumfänglich entgeltliches Geschäft liegt vor, wenn die Gegenleistung des Vermächtnisnehmers den Wert der Zuwendung annähernd ausgleicht (BFH 13.11.02, BFH/NV 03, 820). Muss der Vermächtnisnehmer den Wert nicht voll ausgleichen, handelt es sich um ein teilentgeltliches Erwerbsgeschäft, das in einen entgeltlichen und unentgeltlichen Teil aufzuteilen ist (BFH 31.5.00, BFH/NV 00, 1396).
Soweit die Klägerin unentgeltlich erworben hat, ist ihr nach § 23 Abs. 1 S. 3 EStG die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen. Sie hat mit der Veräußerung des Grundstücks für 240.000 EUR ein nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG steuerbares Veräußerungsgeschäft nur verwirklicht, soweit sie das Grundstück in Erfüllung des Vermächtnisses entgeltlich erworben hatte. Dies geschah in Höhe von 25 %.
Praxishinweis
Betrifft das Vorausvermächtnis - Vermächtnisnehmer ist zugleich Miterbe - einen Betrieb, führt der Vermächtnisnehmer die Buchwerte nach § 6 Abs. 3 EStG fort. Ist Gegenstand des Vorausvermächtnisses hingegen ein einzelner Gegenstand des Betriebsvermögens, den der Vermächtnisnehmer privat nutzt, führt die Erfüllung des Vermächtnisses - stille Reserven vorausgesetzt - zu einem laufenden Entnahmegewinn. Wird der Gegenstand allerdings aus dem Betriebsvermögen der Erbengemeinschaft ins Betriebsvermögen des Vermächtnisnehmers überführt, greift § 6 Abs. 5 EStG (Buchwertfortführung). Die Buchwertfortführung kommt nicht zum Tragen, wenn der Alleinerbe oder die Erbengemeinschaft in Erfüllung eines Vermächtnisses einen Gegenstand des Betriebsvermögens auf einen Dritten überträgt, gleich, ob der Gegenstand beim Dritten Privat- oder Betriebsvermögen wird (BMF 14.3.06, BStBl I 06, 253).