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  • · Fachbeitrag · Gemeinschaftliches Testament

    Ehegattentestament: Zur Grundbuchberichtigung bei „erweiterter“ Scheidungsklausel

    von RA und Notar, StB, FA ErbR Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, Paderborn

    | Das Kammergericht Berlin hatte sich in seinem Beschluss vom 29.10.20 mit der Frage zu beschäftigen, ob ein notarielles gemeinschaftliches Testament von Ehegatten zur Grundbuchberichtigung genügt, wenn in diesem Testament eine „erweiterte“ Scheidungsklausel geregelt ist. |

     

    Sachverhalt

    Die Eheleute errichteten ein notarielles Testament, worin sie sich gegenseitig zu alleinigen Vollerben einsetzten. Weiter war in dem Testament eine erweiterte Scheidungsklausel mit folgendem Wortlaut geregelt:

     

    • Scheidungsklausel

    „Für den Fall, dass unsere Ehe vor dem Tode eines Ehegatten aufgelöst oder Klage auf Aufhebung erhoben oder die Scheidung der Ehe beantragt wurde oder im Falle der Zustimmung zur Scheidung durch den Erblasser selbst, sollen die hier getroffenen Verfügungen ihrem ganzen Inhalt nach unwirksam sein, und zwar unabhängig davon, wer von uns beiden den Antrag auf Scheidung gestellt oder Klage auf Aufhebung erhoben hat.“

     

    Nach dem Tod des Ehemanns beantragte Ehefrau E beim Grundbuchamt die Umschreibung von Grundbesitz und verwies dabei auf das notarielle Testament nebst Eröffnungsprotokoll. Das Grundbuchamt hat die Vorlage eines Erbscheins verlangt. Die Tatsache, dass die Ehe weder aufgelöst noch Scheidungsklage eingereicht wurde ‒ was zur Folge hätte, dass das Testament unwirksam wäre ‒, lasse sich mit grundbuchtauglichen Mitteln nicht nachweisen. Dagegen wehrte sich die E, und zwar erfolgreich.

     

    Entscheidungsgründe

    Das Kammergericht gab der Ehefrau recht (Beschluss 29.10.20, 1 W 1463/20, Abruf-Nr. 219171).

     

    Wird das Grundbuch wegen des Todes eines Berechtigten unrichtig, so ist der Nachweis der Erbfolge zwar grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen. Beruht die Erbfolge aber auf einem notariellen Testament, genügt in der Regel dieses Testament nebst Eröffnungsniederschrift (§ 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GBO). Das Grundbuchamt hat ein solches Testament dahin zu überprüfen, ob sich daraus das von dem Antragsteller behauptete Erbrecht ergibt. Entfernte abstrakte Möglichkeiten, die das aus der Verfügung hervorgehende Erbrecht nur unter ganz besonderen Umständen infrage stellen, können hingegen das Verlangen auf Vorlage eines Erbscheins nicht rechtfertigen. Das wird allgemein in Bezug auf die in §§ 2268 Abs. 1, 2077 Abs. 1 BGB enthaltenen gesetzlichen Auslegungsregeln angenommen (Krause in: Meikel, GBO, § 35 Rz. 119).

     

    Danach wird ein gemeinschaftliches Testament seinem ganzen Inhalt nach unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist oder der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes unter jeweils bestimmten weiteren Voraussetzungen die Scheidung der Ehe beantragt, ihr zugestimmt oder den Antrag auf Auflösung der Ehe gestellt hatte. Liegen keine konkreten Anhaltspunkte für eine Scheidung oder ihr gleichstellende Anträge vor, kann das Grundbuchamt keinen Erbschein verlangen. Ansonsten wäre verheirateten Personen ein Nachweis im Rahmen des § 35 Abs. 1 S. 2 GBO nicht möglich.

     

    Hier geht jedoch die testamentarische Scheidungsklausel über die Auslegungsregel der §§ 2268 Abs. 1, 2077 Abs. 1 BGB hinaus. Danach soll das gemeinschaftliche Testament bereits dann unwirksam sein, wenn auch nur einer der Ehegatten einen Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt hat, ohne dass tatsächlich die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe im Zeitpunkt des Todes des Erblassers gegeben sind.

     

    Das Kammergericht verlangt hier gleichwohl keinen Erbschein. Allein der Umstand hoher Scheidungsquoten ändert nichts daran, dass es auch bei einer Scheidungsklausel wie der vorliegenden konkreter Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit des Ehegattentestaments bedarf. Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass während einer bestehenden Ehe ein Scheidungsantrag einmal gestellt worden ist. Gleichwohl handelt es sich doch immer noch um nicht mehr als eine abstrakte Möglichkeit, die den durch § 35 Abs. 1 S. 2 GBO zum Ausdruck kommenden Wert eines notariellen Testaments nicht zu schmälern vermag (Volmer, ZEV 16, 402, 403).

     

    Das Verlangen nach einem Erbschein kommt daher laut Gericht allein dann in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte vorhanden sind, dass einer der Ehegatten einen Scheidungs- oder Aufhebungsantrag gestellt hat.

     

    Relevanz für die Praxis

    Das OLG München ist im Falle einer solchen erweiterten Scheidungsklausel zu dem gegenteiligen Ergebnis gelangt (Beschluss v. 28.10.15, 34 Wx 274/15). Bei der gewählten Klausel genüge schon ein Antrag, der einmal gestellt, dann aber wieder zurückgenommen wurde. Dies und die Scheidung von Ehen sei alles andere als selten.

     

    Immerhin lässt es das OLG genügen, dass die negative Tatsache (kein Scheidungsantrag) durch eine eidesstattliche Versicherung des überlebenden Ehegatten nachgewiesen wird und kein Erbschein erforderlich ist. Dies hat erhebliche Kostenrelevanz. Während eine eidesstattliche Versicherung eine 1,0-Gebühr bezogen auf den Regelgegenstandswert (5.000 EUR) auslöst, fällt bei einem Erbschein eine 1,0-Gebühr für den Antrag und eine 1,0-Gebühr für den Erlass des Erbscheins an; Geschäftswert ist jeweils der volle Wert des Nachlasses. Demzufolge wäre das für den überlebenden Ehegatten ein „teurer Spaß“ geworden.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2020 | Seite 299 | ID 47003063