· Fachbeitrag · Lebensversicherung
Bezugsberechtigung für die Todesfallleistung
von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn
Der Bezugsberechtigung einer Lebensversicherung liegt in der Regel ein Schenkungsvertrag zugrunde. Widerruft der Erbe den Botenauftrag der Lebensversicherung, dem Bezugsberechtigten das Schenkungsangebot zu übermitteln vor dessen Ausführung und Annahme, kann der Schenkungsvertrag nicht mehr wirksam zustande kommen. Die Lebensversicherungssumme fällt dann in den Nachlass. (BGH 10.4.13, IV ZR 38/12, Abruf-Nr. 132286). |
Sachverhalt
Der Erblasser hatte die Klägerin K - seine erste Ehefrau - in einem Lebensversicherungsvertrag mit der Beklagten als Bezugsberechtigte der Todesfallleistung benannt. Erbin des Verstorbenen ist seine zweite Ehefrau. Nachdem die Versicherung Kenntnis vom Tode des Erblassers erhalten hatte, wandte sie sich an die Erbin mit der Bitte um Mitteilung der Adresse der K, erhielt jedoch keine Antwort. Auf Anfrage teilte das Einwohnermeldeamt die aktuelle Adresse der K mit, nicht aber deren - aus Anlass ihrer Wiederverheiratung - vollzogenen Namenswechsel. Zwei von der beklagten Lebensversicherung unter dem früheren Namen der K an deren neue Adresse übersandte Schreiben kamen mit dem Vermerk „Anschrift nicht zu ermitteln“ zurück.
Mit Anwaltsschreiben widerrief die Erbin gegenüber der Versicherung den zugunsten der K erteilten Übermittlungsauftrag des Erblassers. Die Versicherung zahlte daraufhin die Versicherungsleistung von 50.106 EUR an die Erbin aus. K meint, die Versicherung habe die ihr gegenüber bestehende Pflicht zur Übermittlung des Schenkungsangebots des Erblassers durch unzureichende Ermittlungen nach ihrem Aufenthalt und Namen verletzt, und fordert deshalb Schadensersatz in Höhe der Versicherungsleistung.
Entscheidungsgründe
Bei Verfügungen unter Lebenden zugunsten Dritter auf den Todesfall ist zwischen dem Deckungs- und Zuwendungsverhältnis zu unterscheiden:
- Das Deckungsverhältnis ist die der K im Rahmen des Lebensversicherungsvertrags eingeräumte Bezugsberechtigung für die Todesfallleistung.
- Das Zuwendungsverhältnis (Valutaverhältnis) ist die Rechtsbeziehung zwischen dem verfügenden Versicherungsnehmer (dem Versicherten, hier dem Erblasser) und dem Begünstigten (hier der K).
Beide Rechtsverhältnisse unterliegen sowohl hinsichtlich der durch sie begründeten Rechtsbeziehungen als auch mit Blick auf die Anfechtung von Willenserklärungen dem Schuldrecht. Erbrechtliche Bestimmungen finden insoweit keine Anwendung.
Die Bezugsberechtigung für die Todesfallleistung verschafft dem Begünstigten im Versicherungsfall eine im Deckungsverhältnis jedenfalls insoweit unentziehbare Rechtsstellung, als die Erben des Versicherungsnehmers diese Bezugsberechtigung nicht mehr ändern oder widerrufen können.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats, beantwortet grundsätzlich allein das Valutaverhältnis, für das hier nur eine Schenkung in Betracht kommt, ob der Begünstigte die Versicherungsleistung im Verhältnis zu den Erben des Versicherten behalten darf. Die Erklärung des Versicherten gegenüber dem Versicherer, es werde der K eine Bezugsberechtigung für die Todesfallleistung eingeräumt, enthält zugleich den konkludenten Auftrag an den Lebensversicherer, ihr nach Eintritt des Versicherungsfalls das Schenkungsangebot des Versicherten zu überbringen. Ein insoweit mit Botendiensten beauftragter Versicherer erfüllt diesen Auftrag im Regelfall durch Auszahlung der Versicherungssumme an den Begünstigten, weil darin konkludent das Schenkungsangebot des Verstorbenen zum Ausdruck kommt. Dieses Angebot kann der Begünstigte durch Annahme des Geldes konkludent annehmen.
Im Streitfall ist ein wirksamer Schenkungsvertrag zwischen dem Versicherten und der K allerdings nicht zustande gekommen, weil die Versicherung den jetzigen Familiennamen der K nicht ermittelt hat und es ihr deshalb nicht gelungen ist, der K das Schenkungsangebot zu übermitteln, ehe ihr Botenauftrag von der Erbin widerrufen wurde.
Entscheidend war hier, ob ein pflichtwidriges Versäumnis der Versicherung darin zu sehen ist, dass sie, etwa durch eine neuerliche, erweiterte Anfrage an das Einwohnermeldeamt, keine weiteren Ermittlungen in Bezug auf eine mögliche Namensänderung der K angestellt hat.
Dies hat das Berufungsgericht zutreffend verneint, da die Versicherung schon die erste Auskunft des Einwohnermeldeamts dahingehend verstehen durfte, dass diese nicht nur den aktuellen Wohnsitz, sondern auch den aktuellen Familiennamen benannt habe, sodass sie keinen Anlass mehr für weitere Ermittlungen in Bezug auf eine Namensänderung der K gehabt habe.
Praxishinweis
Da die Bezugsberechtigung einer Lebensversicherungssumme in aller Regel eine Schenkung im Valutaverhältnis (Versicherungsnehmer - begünstigte Person) darstellt und das Schenkungsangebot erst nach dem Tod des Versicherungsnehmers von der Versicherung an die begünstigte Person übermittelt wird, befindet sich der Schenkungsvertrag bis zur Auszahlung an den Begünstigten in einem Schwebezustand. Während dieser Zeit kann der Erbe das Schenkungsangebot widerrufen. Der Begünstigte geht für diesen Fall leer aus, die Versicherungssumme fällt dann in den Nachlass. Diese Konstruktion führt nicht selten zu einem „Wettlauf“ zwischen Begünstigtem und den Erben.
Weiterführende Hinweise
- Brüggemann, Lebensversicherungen im Blickpunkt, ErbBstg 12, 138 ff.