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  • · Fachbeitrag · Vollmachten

    Transmortale Vollmacht für den Alleinerben ‒ Konfusion oder „Erbschein light“?

    von RA und Notar, StB, FA ErbR Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, Paderborn

    | Das OLG Nürnberg hatte in seinem Beschluss vom 25.3.24 über die Legitimationswirkung einer transmortalen Vollmacht zu entscheiden für Verfügungen, die der Bevollmächtigte nach dem Tod des als Eigentümer eines Grundstücks eingetragenen Vollmachtgebers vornimmt. Das Gericht hat dabei u. a. klargestellt, dass die Legitimationswirkung nicht dadurch entfällt, dass der Bevollmächtigte dessen Alleinerbe geworden ist. |

     

    Sachverhalt

    Der spätere Erblasser E erteilte seiner Ehefrau F in 1990 eine Generalvollmacht, die ausdrücklich über den Tod hinaus gelten sollte. Von den Beschränkungen des § 181 BGB wurde die Bevollmächtigte ausdrücklich befreit. E verstarb 2022. E war Alleineigentümer eines Grundstücks. Mit notariellem Vertrag aus Mitte 2023 übertrug sich die F dieses Grundstück. Dabei handelte sie auf Veräußererseite ausdrücklich „für die Erben des verstorbenen Herrn E aufgrund Vollmacht des Notars, …, vom 13.2.90 …“ und auf Erwerberseite im eigenen Namen. Sie einigte sich so auch über den Eigentumsübergang und bewilligte und beantragte die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch.

     

    Das Grundbuchamt wies darauf hin, dass aus dem Nachlassverfahren bekannt sei, dass der E von der F allein beerbt worden sei und diese die Erbschaft angenommen habe. Durch ihre Alleinerbenstellung sei die erteilte Vollmacht durch Konfusion erloschen. Sie könne daher nur im Wege der Grundbuchberichtigung mittels Erbscheins eingetragen werden. Dem folgt das OLG Nürnberg in seinem Beschluss vom 25.3.24 (15 Wx 2176/23, Abruf-Nr. 241657) nicht und lässt den Rechtserwerb durch die Vollmacht zu. Die Leitsätze der Entscheidung lauten:

     

    • 1. Die Legitimationswirkung einer transmortalen Vollmacht für Verfügungen, die der Bevollmächtigte nach dem Tod des als Eigentümer eingetragenen Vollmachtgebers vornimmt, entfällt nicht dadurch, dass der Bevollmächtigte dessen Alleinerbe geworden sein kann.
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    • 2. Das Grundbuchamt darf beim grundbuchlichen Vollzug einer Eigentumsübertragung, die der transmortal Bevollmächtigte unter Berufung auf seine Vollmacht vornimmt, dessen Erbenstellung vielmehr nur dann berücksichtigen, wenn sie in der Form des § 35 GBO nachgewiesen ist.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Voraussetzungen für die Eintragung der F als Eigentümerin (§§ 13, 19, 20, 29 GBO) sind hier gegeben. Die Auflassung wurde von der verfügungsberechtigten Person erklärt. Die F hat eine vom E erteilte notarielle Generalvollmacht als Nachweis i. S. v. § 29 Abs. 1 GBO vorgelegt. Die Vollmacht war ausdrücklich auch über den Tod des Vollmachtgebers hinaus gültig und hat die Bevollmächtigte von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

     

    Die F durfte daher nach dem Erbfall den bzw. die Erben in ihrer Gesamtheit vertreten, unabhängig davon, ob diese im Zeitpunkt des Vertreterhandelns bereits feststanden. Eine Voreintragung der Erben nach §§ 39, 40 GBO ist nicht erforderlich. Das Grundbuchamt muss auch vom Fortbestand dieser transmortalen Vollmacht ausgehen, da diese ihre Legitimationswirkung nicht verloren hat. Die Frage, ob eine solche Vollmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers eine wirksame Verfügung des Bevollmächtigten ermöglicht, wenn dieser Erbe des Vollmachtgebers geworden ist, und vor allem, wie im Grundbuchverfahren mit dieser Konstellation umzugehen ist, ist streitig.

     

    • Teilweise wird vertreten, dass eine Eigentumsumschreibung aufgrund eines mit einer solchen Vollmacht vorgenommenen Verfügungsgeschäfts nicht erfolgen könne, da diese durch Vereinigung der Position des Vertreters und des Vertretenen wirkungslos werde bzw. durch sog. „Konfusion“ erlösche (OLG Hamm, Beschluss vom 10.1.13, I-15 W 79/12, DNotZ 13, 689). Eine solche Form der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung sei durch § 164 BGB ausgeschlossen, der eine Personenverschiedenheit zwischen dem Vertreter und dem rechtsgeschäftlich Vertretenen voraussetzt. Folglich müsse eine Vollmacht durch Konfusion erlöschen, wenn der Bevollmächtigte die Vollmachtgeberin allein beerbt.

     

    • Hierbei wird aber teilweise die Einschränkung gemacht, dass dies nur in Fällen gelten soll, in denen der Bevollmächtigte Alleinerbe geworden ist, nicht jedoch bei einem Miterben (OLG München, Beschluss vom 10.2.22, 34 Wx 431/21, BWNotZ 22, 365).

     

    • Unabhängig vom materiellen Erlöschen der Vollmacht wird allerdings zwischenzeitlich von einer in Rechtsprechung und Literatur weithin verbreiteten Meinung vertreten, dass hieraus nicht zwingend ein Hindernis für den grundbuchrechtlichen Vollzug der Eigentumsübertragung folge, da die Vollmacht nicht zwangsläufig wirkungslos werde, sondern ihre Legitimationswirkung bestehen bleiben könne (Demharter/Demharter, GBO § 19 Rn. 81b). Es sei nämlich im Außenverhältnis zum Geschäftsgegner durch §§ 170 bis 173 BGB das Vertrauen auf deren Fortbestand geschützt, was auch vom Grundbuchamt zu beachten sei. Im Interesse eines reibungslosen Rechtsverkehrs sei die Legitimationswirkung als fortbestehend anzusehen, wenn die Vollmacht den Erben weitergehende Handlungsmöglichkeiten eröffne und schutzwürdige Interessen nicht entgegenständen.

     

    Dieser Auffassung schließt sich das OLG Nürnberg an.

     

    Ausschlaggebend hierfür ist das Argument, dass für das Grundbuchamt die materielle Rechtslage in Bezug auf die Erbenstellung des Bevollmächtigten bis zur Vorlage eines förmlichen Nachweises nicht maßgeblich sein kann. Die Rechtsmacht, Verfügungen zu treffen, ist vom Erblasser abgeleitet; die Gesamtrechtsnachfolge spielt insoweit keine Rolle. Aus Sicht des Grundbuchamts bedeutet dies bei Vorlage einer Vollmacht, dass eine etwaige Erbenstellung des Bevollmächtigten unabhängig davon, ob diese offengelegt wird oder nicht, nicht zu überprüfen ist.

     

    Die vom Grundbuchamt zu prüfende Verfügungsmacht des Bevollmächtigten kann nämlich i. S. d. § 29 GBO durch die Vollmachtsurkunde nachgewiesen werden, ohne dass es ‒ mangels Nachweisvorlage i. S. d. § 35 GBO ‒ auf die Erbfolge, die ihm im Falle einer Alleinerbenstellung genauso Verfügungsmacht vermitteln würde, ankäme.

     

    Relevanz für die Praxis

    Ist eine notarielle Generalvollmacht über den Tod hinaus erteilt, behält diese ihre Legitimationswirkung so lange, bis deren Erlöschen feststeht. Selbst wenn die Vollmacht zugunsten des Alleinerben mit dem Tod des Vollmachtgebers durch Konfusion erlischt, müsste die Erbenstellung feststehen. Solange kein Erbschein erteilt ist, steht diese jedoch gerade nicht fest. Wichtig ist dabei jedoch, dass der so über den Tod hinaus Bevollmächtigte allein in seiner Funktion als Bevollmächtigter (für den oder die Erben) auftritt und nicht (auch) in seiner Funktion als (vermeintlicher) Rechtsnachfolger. In dieser Funktion kann er nur aufgrund Erbscheins handeln.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2024 | Seite 135 | ID 50002579

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