· Fachbeitrag · Anfechtung
Zahlungseingänge der letzten zehn Jahre unsicher
| Der Gläubiger ist zufrieden: Durch eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Schuldner konnten nicht nur die Kosten der Rechtsverfolgung, sondern auch noch die gesamte oder doch wesentliche Teile der Hauptforderung und der Zinsen eingetrieben werden. Doch dann kommt - oft erst nach Jahren - die böse Überraschung: Der Schuldner hat inzwischen einen Insolvenzantrag gestellt und erstrebt gegebenenfalls die Restschuldbefreiung. Der Insolvenzverwalter begehrt nun die früheren Zahlungen zurück und ficht sie an. Als Grundlage für seinen Anfechtungsanspruch nennt er § 133 InsO. |
1. Kenntnis des begünstigten Gläubigers erforderlich
Nach § 133 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der begünstigte Gläubiger zurzeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der begünstigte Gläubiger wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
2. Fünf Hürden für anfechtenden Insolvenzverwalter
§ 133 InsO stellt für den darlegungs- und beweispflichtigen Insolvenzverwalter also fünf Hürden bis zur erfolgreichen Anfechtung auf. Scheitert der Insolvenzverwalter an einer der Hürden - was das Ziel des Gläubigers sein muss - scheitert die Anfechtung als Ganzes. Erforderlich für eine erfolgreiche Anfechtung ist Folgendes:
- 1. Rechtshandlung des Schuldners,
- 2. die innerhalb der Anfechtungsfrist von zehn Jahren, zurückgerechnet ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, liegt,
- 3. eine objektive Gläubigerbenachteiligung,
- 4. eine subjektive Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners und
- 5. die Kenntnis des bevorzugten Gläubigers von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners.
In der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde hierzu - durchaus nicht immer zum Nachteil des Einzelgläubigers -, wie aus der Rechtsprechungsübersicht aus S. 104 ff. ersichtlich, entschieden.
PRAXISHINWEIS | Selbstverständlich kann ein Gläubiger auch von einer erfolgreichen Anfechtung durch den Insolvenzverwalter profitieren, wenn ein anderer Gläubiger eine erhebliche Befriedigung in anfechtbarer Weise erlangt hat und die Insolvenzmasse nun durch die Anfechtung so gestärkt wird, dass sich die Insolvenzquote spürbar erhöht. |
Rechtsprechungsübersicht / | |
BGH 6.2.14, IX ZR 148/13, Abruf-Nr. 141445
Maßgeblicher Zeitpunkt | Der Anfechtungsgegner muss zum Zeitpunkt ihrer Vornahme (§ 140 InsO) gewusst haben, dass die Rechtshandlung des Schuldners dessen Gläubiger benachteiligt und dass der Schuldner dies auch wollte (BGH 17.7.03, IX ZR 272/02, ZIP 03, 1799). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige der Vollendung des Rechtserwerbs. |
BGH 16.1.14, IX ZR 31/12, Abruf-Nr. 140374
Rechtshandlung | Unterlässt es der Schuldner, dessen Konten durch seinen Gläubiger gepfändet sind, ein weiteres Konto zu eröffnen und Zahlungen seiner Schuldner auf dieses freie Konto zu leiten, steht diese Unterlassung einer Rechtshandlung nicht gleich. |
BGH 5.12.13, IX ZR 93/11, Abruf-Nr. 140240
Zahlungsunfähigkeit | In die Prognose, die bei der Prüfung drohender Zahlungsunfähigkeit vorzunehmen ist, sind auch Zahlungspflichten einzubeziehen, deren Fälligkeit im Prognosezeitraum nicht sicher, aber überwiegend wahrscheinlich ist. |
BGH 21.11.13, IX ZR 128/13, Abruf-Nr. 140008
Rechtshandlung | Eine vom Schuldner veranlasste Banküberweisung ist eine Rechtshandlung, auch wenn zuvor zugunsten des Zahlungsempfängers der Anspruch auf Auszahlung des Bankguthabens gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurde. |
BGH 21.11.13, IX ZR 128/13, Abruf-Nr. 140008
Pfändungspfandrecht | Ein Pfändungspfandrecht kann der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn der Schuldner die Entstehung des Pfandrechts zielgerichtet gefördert hat. |
BGH 7.11.13, IX ZR 248/12, Abruf-Nr. 133680
Inkongruenz | Das einen Benachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis nahelegende Beweisanzeichen der Inkongruenz setzt voraus, dass ernsthafte Zweifel an der Liquiditätslage des Schuldners bestehen. Ein Benachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis kann nicht allein aus dem Umstand hergeleitet werden, dass der Schuldner seinem Gläubiger eine sofort bei Bestellung und nicht erst im Insolvenzfall wirksame Sicherung gewährt. |
BGH 7.11.13, IX ZR 49/13, Abruf-Nr. 133687
Kenntnis Zahlungsunfähigkeit | Tilgt der Schuldner Sozialversicherungsbeiträge über einen Zeitraum von zehn Monaten jeweils mit einer Verspätung von drei bis vier Wochen, kann das Tatgericht zu der Würdigung gelangen, dass der Sozialversicherungsträger allein aus diesem Umstand nicht auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners schließen musste. |
BGH 24.10.13, IX ZR 104/13, Abruf-Nr. 133600
Benachteiligungsabsicht | Bewirkt der Schuldner eine Überweisung, indem er eigene Mittel über das Konto seines Vaters einem Gläubiger zuwendet, kann sich dieser als Anfechtungsgegner nicht der Möglichkeit verschließen, dass die Zahlung auf einer Rechtshandlung des Schuldners beruht und die Gläubigergesamtheit benachteiligt. |
BGH 19.9.13, IX ZR 4/13, Abruf-Nr. 133353
Benachteiligungsabsicht | Wird der Gläubiger tatsächlich durch eine Zahlung des Schuldners befriedigt, hat er von dessen Benachteiligungsvorsatz Kenntnis, wenn er um die Willensrichtung des Schuldners weiß und nach allgemeiner Erfahrung eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Schuldners zugrunde legen muss. |
BGH 13.6.13, IX ZR 259/12, Abruf-Nr. 132957
Leistungsmittler | Hat der Schuldner eine Leistungsmittlerin eingeschaltet, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich unmittelbar das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert, richtet sich die Deckungsanfechtung allein gegen den Dritten als Empfänger, wenn es sich für diesen erkennbar um eine Leistung des Schuldners handelte. |
BGH 21.2.13, IX ZR 52/10, Abruf-Nr. 131345
Indizienbeweis (Verlust) | Sowohl der Gesichtspunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit als auch derjenige der Inkongruenz können ihre Bedeutung als Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners verlieren, wenn die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist. |
BGH 14.2.13, IX ZR 115/12, Abruf-Nr. 130942
Wissensvertreter(Sachbearbeiter) | Beauftragt eine Behörde oder ein Sozialversicherungsträger eine andere zuständige Behörde mit der Vollstreckung fälliger Forderungen mit der Folge, dass diese für das Vollstreckungsverfahren als Gläubigerin der Forderung fingiert wird, muss sich die ersuchende Behörde das Wissen des Sachbearbeiters der ersuchten Behörde zurechnen lassen. |
BGH 24.1.13, IX ZR 11/12, Abruf-Nr. 130581
Leistungsmittler | Die Vorsatzanfechtung gegenüber einem Leistungsmittler setzt nicht die Anfechtbarkeit der Leistung auch gegenüber dem Leistungsempfänger voraus. Die für die Vorsatzanfechtung von Zahlungen des Schuldners an Dritte gegenüber seiner kontoführenden Bank als Leistungsmittlerin erforderliche Kenntnis der Bank vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners liegt nicht allein deshalb vor, weil die Bank die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kennt. |
BGH 10.1.13, IX ZR 13/12, Abruf-Nr. 130315
Wissensvertreter(Rechtsanwalt) | Ein vom Gläubiger mit der Durchsetzung einer Forderung gegen den späteren Insolvenzschuldner beauftragter Rechtsanwalt ist Wissensvertreter des Gläubigers, soweit er sein Wissen aus allgemein zugänglichen Quellen erlangt oder es über seine Internetseite selbst verbreitet hat. Die Angaben des Rechtsanwalts auf seiner Internetseite zu der Liquiditätslage des späteren Insolvenzschuldners können ein Beweisanzeichen für die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz darstellen. |
BGH 10.1.13, IX ZR 28/12, Abruf-Nr. 141446
Indizienbeweis | Es genügt, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. |
BGH 10.1.13, IX ZR 28/12, Abruf-Nr. 141446
Subjektive Voraussetzungen | Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung muss der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme prüfen. |
BGH 20.12.12., IX ZR 130/10, Abruf-Nr. 130487
Gläubigerbenachteiligung | Geht einer Vollabtretung eine Sicherungsabtretung voraus, liegt die objektive Gläubigerbenachteiligung in dem Entzug des zunächst in der künftigen Insolvenzmasse verbleibenden Vermögenskerns. |
BGH 6.12.12, IX ZR 3/12, Abruf-Nr. 130317
Wegfall Zahlungsunfähigkeit | Der Gläubiger muss beweisen, dass die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch eine mit ihm getroffene Ratenzahlungsvereinbarung nachträglich entfallen ist.
Die Kenntnis des Gläubigers von einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit entfällt nicht durch den Abschluss einer vom Schuldner vereinbarungsgemäß bedienten Ratenzahlungsvereinbarung, wenn bei dem gewerblich tätigen Schuldner mit weiteren Gläubigern zu rechnen ist, die keinen vergleichbaren Druck zur Eintreibung ihrer Forderungen ausüben.
Begleicht der Schuldner die gegen einen Dritten gerichtete Forderung des Gläubigers, greift das Beweisanzeichen der inkongruenten Deckung ein, wenn zum Zeitpunkt der Leistung Anlass bestand, an der Zahlungsfähigkeit des Schuldners zu zweifeln. |
BGH 22.11.12, IX ZR 62/10, Abruf-Nr. 130050
Zahlungsunfähigkeit | Wird ein befristetes Darlehen durch Zeitablauf fällig, ist die Verpflichtung des Schuldners zur Tilgung bei der Prüfung seiner Zahlungsfähigkeit regelmäßig zu berücksichtigen, auch wenn der Darlehensgeber zur Rückzahlung nicht konkret aufgefordert hat.
Dem Schuldner kann die Zahlungsunfähigkeit trotz gewährter Prolongation des Darlehens drohen, wenn die in dieser Zeit geführten Umschuldungsverhandlungen keine sichere Erfolgsaussicht bieten. |
BGH 22.11.12, IX ZR 142/11, Abruf-Nr. 123853
Kontopfändung | Hat der Gläubiger außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums ein Pfandrecht an einem Kontoguthaben des Schuldners erwirkt, liegt in der Überweisung des Guthabens von dem Schuldner an den Gläubiger wegen des insoweit bestehenden Absonderungsrechts keine Gläubigerbenachteiligung.
Die Pfändung des Guthabens selbst unterliegt als Rechtshandlung des Gläubigers nicht der Vorsatzanfechtung. |
BGH 22.11.12, IX ZR 22/12, Abruf-Nr. 141448
Insolvenz Leistungsmittler | In der Insolvenz des Leistungsmittlers kann die Tilgung einer fremden Schuld wegen vorsätzlicher Benachteiligung der Insolvenzgläubiger gegenüber dem Forderungsgläubiger angefochten werden, wenn dem Forderungsgläubiger dieser Vorsatz bekannt war. Durch die erfolgreiche Anfechtung gegen den Gläubiger lebt dessen Forderung gegen den Leistungsschuldner wieder auf, auch wenn dieser im Drei-Personen-Verhältnis mit dem Insolvenzschuldner nicht identisch ist. |
BGH 15.11.12, IX ZR 205/11, Abruf-Nr. 123776
Nahestehende Person | Werden vor dem gesetzlichen Dreimonatszeitraum Deckungshandlungen des Insolvenzschuldners gegenüber einer ihm nahestehenden Person angefochten, braucht der Anfechtungsgegner nicht zu beweisen, dass ihm ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, unbekannt war. Bei Prüfung dieser Kenntnis hat der Tatrichter die Nähe zum Schuldner im Vornahmezeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung aber als Indiz zu würdigen. |
BGH 15.11.12, IX ZR 205/11, Abruf-Nr. 123776
Nahestehende Person | Eine Person kann einer juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit auch nahestehen, wenn ihr als freiberuflicher oder gewerblicher Dienstleister alle über die wirtschaftliche Lage des Auftraggebers erheblichen Daten üblicherweise im normalen Geschäftsgang zufließen, sodass sie über den gleichen Wissensvorsprung verfügt, den sonst ein mit der Aufgabe befasster leitender Angestellter des Schuldnerunternehmens hätte (hier: ausgelagerte Buchhaltung). |
BGH 8.11.12, IX ZR 77/11, Abruf-Nr. 141449
Gläubigerbenachteiligung | Voraussetzung einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung ist, dass ohne Hinzutreten weiterer Umstände die Befriedigungsmöglichkeiten aus dem Schuldnervermögen bereits durch die angefochtene Rechtshandlung beeinträchtigt wurden. Durch den Eintritt des Insolvenzschuldners in einen Mietvertrag tritt keine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ein. |
BGH 25.10.12, IX ZR 117/11, Abruf-Nr. 123568
Wegfall Zahlungsunfähigkeit | Von einer Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit kann nicht ausgegangen werden, wenn sich der Schuldner durch die Befriedigung seiner gegenwärtigen Gläubiger der Mittel entäußert, die er zur Begleichung seiner künftigen, alsbald fällig werdenden Verbindlichkeiten benötigt. |
BGH 14.6.12, IX ZR 145/09, Abruf-Nr. 122174
Rechtshandlung | Stellt ein Schuldner einen Scheck aus und übergibt diesen einem anwesenden und vollstreckungsbereiten Vollziehungsbeamten, beruht die durch Einlösung des Schecks erfolgte Zahlung auch dann auf einer Rechtshandlung des Schuldners, wenn der Vollziehungsbeamte ohne die Ausstellung des Schecks erfolgreich in das sonstige Vermögen des Schuldners vollstreckt hätte. |
BGH 26.4.13, IX ZR 74/11, Abruf-Nr. 121559
Treuhänder | Ein uneigennütziger Treuhänder unterliegt der Vorsatzanfechtung, wenn er nach Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ihm überlassene Geldbeträge vereinbarungsgemäß an bestimmte, bevorzugt zu befriedigende Gläubiger des Schuldners weiterleitet. Ein uneigennütziger Treuhänder, der anfechtbar erlangte Gelder des Schuldners weisungsgemäß an dessen Gläubiger auszahlt, ist zum Wertersatz verpflichtet, ohne sich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen zu können. |
BGH 9.2.12, IX ZR 48/11, Abruf-Nr. 141450
Kenntnis Zahlungsunfähigkeit | Geht der Anfechtungsgegner von einer umfassenden, insolvenzfesten Sicherung seiner Forderungen aus, scheidet eine Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners aus. |
BGH 12.1.12, IX ZR 95/11, Abruf-Nr. 120399
Direktversicherung | Entrichtet eine GmbH nach drohender Zahlungsunfähigkeit die Prämien für eine Direktversicherung ihres Geschäftsführers weiter, auf welche dieser nach seinem Anstellungsvertrag Anspruch hat, benachteiligt dies im Regelfall trotz der als Gegenleistung erhaltenen Dienste die Gläubiger der Gesellschaft und kann bei entsprechendem Vorsatz gegenüber dem Geschäftsführer angefochten werden. |