27.11.2015 · IWW-Abrufnummer 145886
Landesarbeitsgericht Nürnberg: Beschluss vom 27.05.2015 – 4 Ta 45/15
1. Vertreten in einem Berufungsverfahren dieselben Prozessbevollmächtigten sowohl die Schuldnerin (bis zur Unterbrechung infolge der Insolvenzeröffnung gem. § 240 ZPO ) als auch den Insolvenzverwalter (nach Aufnahme des Verfahrens), so kann im Rahmen des § 11 I RVG nur die das Mandat des Insolvenzverwalters betreffende Vergütung festgesetzt werden, denn nur insoweit handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit. Für die Bewertung des Berufungsverfahrens nach erfolgter Aufnahme greift die Sonderregelung des § 182 InsO , wenn der Gläubiger seine ursprüngliche Zahlungsklage abändert und zu dem Antrag nach § 180 I InsO übergeht. (amtlicher Leitsatz)
2. Der auf dem Mandat der Schuldnerin beruhende Vergütungsanspruch ist vom Anwalt nach Rechnungstellung als Insolvenzforderung geltend zu machen. Die Bewertung des Berufungsverfahrens bis zur Unterbrechung nach § 240 ZPO erfolgt nach allgemeinen Grundsätzen; diesbezüglich greift die Sonderregelung des § 182 InsO nicht. (amtlicher Leitsatz)
Tenor:
1. Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 09.03.2015, Az.: 2 Ca 3518/12, abgeändert.
2. Die vom Beklagen an die Rechtsanwälte H. zu zahlende Vergütung wird gem. § 11 Abs. 1 RVG auf EUR 406,98 (in Worten: Euro vierhundertsechs 98/100) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.07.2014 festgesetzt.
3. Von den gerichtlichen Kosten des Festsetzungsverfahrens haben die Beklagtenvertreter 13/15 und der Beklagte 2/15 zu tragen.
Gründe
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I. Der Kläger hat gegen die Firma P. e. K., vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei H., beim Arbeitsgericht Nürnberg am 27.02.2013 ein obsiegendes Endurteil über eine Zahlungsforderung von EUR 33.382,78 zuzüglich von Zinsen erwirkt.
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Hiergegen hat die beklagte Firma, vertreten durch ihre erstinstanzlichen Prozessvertreter, am 30.07.2013 Berufung beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingelegt (Az.: 3 Sa 167/13). Mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 01.09.2013 ist über das Vermögen der Firma das Insolvenzverfahrens eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden.
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Das Berufungsverfahren ist daraufhin unterbrochen und erst Anfang 2014 wieder aufgenommen worden.
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Im Verhandlungstermin des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 04.07.2014 haben die bisherigen Prozessbevollmächtigten der Firma nun den Beklagten vertreten. Der Kläger hat in diesem Termin seinen Klageantrag abgeändert und die Feststellung seiner Forderung zur Insolvenztabelle begehrt. Die in dem Berufungsverfahren gestellten Sachanträge haben sich auf die geänderte Klage bezogen. Mit Urteil vom 04.07.2014 hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg das Ersturteil entsprechend der vorgenommenen Klageänderung abgeändert und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen.
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Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 15.07.2014 den Streitwert für das Berufungsverfahren 3 Sa 167/13 auf EUR 33.382,78 festgesetzt.
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Auf der Basis dieses Streitwerts haben die Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit Schriftsatz vom 28.07.2014 die Festsetzung der Vergütung gem. § 11 RVG in Höhe von EUR 2.789,36 zuzüglich von Zinsen beantragt.
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Der Beklagte hat hiergegen eingewandt, gem. § 182 InsO belaufe sich der zu berücksichtigende Streitwert für das von ihm erteilte Mandat nach Insolvenzeröffnung lediglich auf die zu erwartende Quote von ca. 4%.
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Mit Beschluss vom 09.03.2015 hat der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht Nürnberg die vom Beklagten zu tragende Vergütung wie beantragt auf EUR 2.789,36 zuzüglich von Zinsen festgesetzt.
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Gegen den ihm am 10.03.2015 zugestellten Beschluss hat der Beklagte mit dem beim Erstgericht am 17.03.2015 eingegangenen Schriftsatz vom 13.03.2015 Beschwerde eingelegt und auf die im Rahmen des § 182 InsO zu berücksichtigende Quote von ca. 4% hingewiesen.
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Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 15.04.2015 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.
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Auf den Abänderungsantrag des Beklagten vom 27.04.2015 hin hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg in dem Verfahren 3 Sa 167/113 mit Beschluss vom 18.05.2015 den Streitwertbeschluss vom 15.07.2014 dahingehend berichtigt, dass ein Streitwert von EUR 1.335,28 festgesetzt wird. Es hat hierbei gem. § 182 InsO eine zu erwartende Quote von 4,06% zugrunde gelegt.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.
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II. 1. Die Beschwerde des Beklagten ist zulässig.
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Sie ist statthaft, §§ 11 Abs. 2 Satz 2 RVG , 104 Abs. 3 ZPO , 11 Abs. 2 RPflG , und auch frist- und formgerecht eingelegt worden.
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2. Die Beschwerde ist sachlich begründet.
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Den Prozessbevollmächtigten des Beklagten steht ein gem. § 11 Abs. 1 RVG festzusetzender unmittelbarer Zahlungsanspruch gegen den Insolvenzverwalter für das von ihm nach der Insolvenzeröffnung erteilte Mandat nur in Höhe von EUR 406,98 zuzüglich von Zinsen zu.
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Insoweit ist der ergangene Festsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg abzuändern.
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a) Für den von den Rechtsanwälten H. gem. § 11 RVG gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemachten Zahlungsanspruch kommt es auf die Bewertung des Mandats an, das ihnen der Insolvenzverwalter nach der Unterbrechung des Berufungsverfahrens 3 Sa 167/13 und Aufnahme dieses Verfahrens zur Wahrnehmung des Verhandlungstermins am 04.07.2014 erteilt hat.
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Diesbezüglich ist der in dem Berufungsverfahren 3 Sa 167/13 ergangene Streitwertbeschluss vom 18.05.2015 maßgebend. Dieser berücksichtigt bei der Bewertung des Rechtsstreits zur Anmeldung einer vom Insolvenzverwalter bestrittenen Forderung zur Insolvenztabelle gem. § 180 Abs. 1 InsO zutreffend die Sonderregelung in § 182 InsO . Danach ist nicht auf den Nominalbetrag der anzumeldenden Forderung abzustellen, sondern auf den bei der Verteilung zu erwartenden Zahlbetrag.
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Diese Sonderregelung greift auch im Falle einer Aufnahme des Verfahrens bei einem gegen die Insolvenzschuldnerin geführten und infolge der Insolvenz unterbrochenen Zahlungsrechtsstreits, § 180 Abs. 2 InsO .
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Nur bezüglich des vom Insolvenzverwalter selbst erteilten Mandats kann der Prozessbevollmächtigte gem. § 11 RVG die Festsetzung seiner als Masseforderung zu qualifizierenden Vergütung begehren.
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Soweit die Vergütungsansprüche des Prozessbevollmächtigten das bisherige Mandat der Insolvenzschuldnerin betreffen, liegt lediglich eine zur Insolvenztabelle anzumeldende Vergütungsforderung vor (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., § 11 RVG Rdz 247).
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Die vorliegende Vergütungsfestsetzung gem. § 11 RVG schließt nicht aus, dass die Rechtsanwälte H. ihren aus dem Mandat der Insolvenzschuldnerin resultierenden Vergütungsanspruch als Insolvenzforderung geltend machen.
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Für die Bewertung des Berufungsverfahrens bis zur Unterbrechung durch die Insolvenzeröffnung greift die Sonderregelung des § 182 InsO nicht, so dass für diesen Verfahrensabschnitt auf den Nominalbetrag abzustellen ist.
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b) Ausgehend von einem Streitwert von EUR 1.335,28 belaufen sich die festzusetzende 1,6 Verfahrensgebühr (VV 3200) auf EUR 184,- und die 1,2 Terminsgebühr (VV 3202) auf EUR 138,-. Unter Hinzurechnung der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (VV 7002) von EUR 20,- und der Umsatzsteuer auf die Vergütung (VV 7008) von EUR 64,98 ergibt sich hieraus der Gesamtbetrag von EUR 406,98.
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III. 1. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG .
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2. Die Kostenentscheidung bezieht sich alleine auf die Gerichtskosten, denn eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt, § 11 Abs. 2 Satz 6 RVG .
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3. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, §§ 78 Satz 2 , 72 Abs. 2 ArbGG .