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  • · Fachbeitrag · Kapitalvermögen

    Aktuelle Entwicklungen bei der Abgeltungsteuer

    von Dipl.-Finw. Michael Seifert, Steuerberater, Troisdorf

    | Seit Einführung der Abgeltungsteuer treten immer wieder von der Rechtsprechung noch ungeklärte Rechtsfragen auf. Besonders die Vielzahl anhängiger Verfahren macht den Praktikern hier das Leben schwer. Nachfolgend werden daher die für die tägliche Beratungspraxis wesentlichen Einzelfragen kompakt dargestellt. |

    1. Einnahmen aus Kapitalvermögen und Zinsen gem. § 233a AO

    Zur ertragsteuerlichen Erfassung der Zinsen auf Steuernachforderungen und Steuererstattungen nach § 233a AO hat die Finanzverwaltung bereits umfassend Stellung bezogen (LfSt Bayern 18.2.11, DStR 11, 411):

     

    • Erstattungszinsen i.S. des § 233a AO sind danach als Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig, soweit sie nicht zu den Betriebseinnahmen gehören. Werden Erstattungszinsen festgesetzt, so sind diese bei Zufluss als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen.

     

    • Bei den Nachzahlungszinsen handelt es sich um nicht berücksichtigungsfähige private Schuldzinsen i.S. des § 12 Nr. 3 EStG.

     

    PRAXISHINWEIS |  

    Der BFH hatte bereits in 2010 entschieden, dass gesetzliche (Erstattungs-) Zinsen nach § 233a AO beim Empfänger nicht der Besteuerung unterliegen, soweit sie auf Steuern entfallen, die nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbar sind (BFH 15.6.10, VIII R 33/07, BStBl II 11, 503) . Durch eine klarstellende rückwirkende Änderung im JStG 2010 wurde dann jedoch bestimmt, dass diese Zinserträge nach § 233a AO als Kapitalerträge anzusehen sind (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 EStG).

     

    Fraglich ist zum einen, ob diese (rückwirkende) Regelung verfassungsgemäß ist. Der BFH hat hier zumindest ernstliche Zweifel geäußert (BFH 22.12.11, VIII B 146/11, BFH/NV 12, 575). Die abschließende Entscheidung bleibt aber den jeweiligen Hauptsacheverfahren vorbehalten. Das FG Rheinland-Pfalz hat gegen die rückwirkend angeordnete Besteuerung keine verfassungsrechtlichen Bedenken (FG Rheinland-Pfalz 29.5.12, 3 K 1954/11, Rev. BFH: VIII R 26/12; so auch FG Hamburg 22.3.13, 6 K 69/11, Az. BFH: VIII R 30/13; a.A. FG Schleswig-Holstein 27.1.12, 1 V 226/11, EFG 12, 619, rkr.). Zudem führen laut FG Rheinland-Pfalz auch die aufgrund einer vom Schuldner erzwungenen Kapitalüberlassung vereinnahmten Zinsen (z.B. Verzugszinsen, Prozesszinsen oder Erstattungszinsen) zu Einnahmen aus Kapitalvermögen; eine Einkunftserzielungsabsicht sei nicht erforderlich.

     

    Demgegenüber sind die (privaten) Erstattungszinsen nach § 233a AO nach Auffassung des FG Münster (10.5.12, 2 K 1947/00 E, Rev. BFH: VIII R 28/12) weiterhin nicht steuerbar, weil § 12 Nr. 3 EStG - trotz der gesetzlichen Änderung durch das JStG 2010 - den einzelnen Einkunftsarten systematisch vorangehe. Vergleichbare Fälle sollten im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren offengehalten werden.

     

     

    Beachten Sie | Nach Auffassung der Finanzverwaltung hat das BFH-Urteil vom 15.6.10 keine Bedeutung für den Bereich der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer. Eine Kapitalgesellschaft verfügt steuerlich nicht über eine außerbetriebliche Sphäre. Deshalb sind dem Grunde nach alle Einnahmen Betriebseinnahmen; dies gilt auch für Erstattungszinsen gemäß § 233a AO. Auch Erstattungszinsen zur Gewerbesteuer zählen weiterhin zu den steuerpflichtigen Einnahmen. Nach § 4 Abs. 5b EStG werden nur die Nachzahlungszinsen als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben behandelt.

     

    PRAXISHINWEIS |  

    Auch der BFH hat per Beschluss bekräftigt, dass Zinsen auf erstattete Körperschaftsteuerzahlungen das Einkommen der Kapitalgesellschaft erhöhen (BFH 15.2.12, I B 97/11, BStBl II 12, 697). Hiergegen wurde allerdings Verfassungsbeschwerde eingelegt (KSt: 2 BvR 1407/12; GewSt: 1 BvR 1608/12).

     

    Sofern Einsprüche gegen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide mit der Begründung eingelegt werden, eine Erfassung der Zinsen sei rechtswidrig, gewährt die Finanzverwaltung keine Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO; OFD Münster, aktualisierte Kurzinfo KSt 6/2010 vom 14.11.12). Soweit ein Einspruch auf das beim BVerfG anhängige Verfahren gestützt wird, ruht das Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 S. 2 AO.

     

    2. Ausnahmen von der Abgeltungsteuer

    Bei Einführung der Abgeltungsteuer auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen wurde eine Ausnahmeregelung festgelegt. Die Abgeltungsteuer gilt nach § 32d Abs. 2 EStG nicht für Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 und 7 sowie Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 7 EStG,

     

    • a)wenn Gläubiger und Schuldner einander nahe stehende Personensind, wenn die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 S. 1 Hs. 2 EStG keine Anwendung findet,

     

    • b)wenn sie von einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft oder Genossenschaft beteiligt ist. 2Dies gilt auch, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahe stehende Person ist.

     

    Hinweis | Gesetzesziel ist es, sog. Steuersatzspreizungen zu vermeiden.

     

    2.1 Darlehen an nahe stehende Personen

    Sind Gläubiger und Schuldner der vorgenannten Kapitalerträge einander nahestehende Personen (siehe BMF 9.10.12, BStBl I 12, 953, Rz. 136 und FG Baden-Württemberg 16.4.13, 8 K 3100/11), ist die sog. Abgeltungsteuer nicht anwendbar, wenn

     

    • die Darlehenszinsen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind,
    • diese Darlehenszinsen im Zusammenhang mit Einkünften stehen, die der inländischen Besteuerung unterliegen und
    • auf die das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG keine Anwendung findet.

     

    Diese Kapitalerträge sind zwingend der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen.

     

    • Beispiel

    E gewährt seinem Sohn ein Darlehen für den Erwerb seines Privathauses von 300.000 EUR und vereinbart eine jährliche Verzinsung von 3 %. Der Darlehensvertrag ist steuerlich anzuerkennen.

     

    Die Darlehenszinsen in Höhe von (300.000 EUR x 3 % =) 9.000 EUR sind nach den Regelungen der Abgeltungsteuer zu besteuern, weil der Darlehensnehmer die Zinsen nicht als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten geltend machen kann.

     
    • Abwandlungsfall

    Wie zuvor, allerdings wird das Darlehen an den Sohn für ein vermietetes inländisches Objekt gewährt.

     

    Die Zinseinnahmen unterliegen nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht den Regelungen der Abgeltungsteuer.

     

    Fraglich ist gegenwärtig, ob die Versagung der Abgeltungsteuer verfassungsgemäß ist (verfassungsrechtlich unbedenklich: FG Niedersachsen 18.6.12, 15 K 417/10, EFG 12, 2009, Rev. BFH: VIII R 9/13 und FG Baden-Württemberg 16.4.13, 8 K 3100/11, Rev. BFH VIII R 35/13).

     

    Die Urteilsfälle betreffen die Darlehensgewährung zwischen Angehörigen i.S. des § 15 AO. Die Kläger wenden sich im Wesentlichen dagegen, dass allein aufgrund der Tatsache, dass es sich bei den Beteiligten um Angehörige handelt, die Abgeltungsteuer ausscheidet. Die im Darlehensvertrag im Übrigen vereinbarten Konditionen halten einem Fremdvergleich statt.

     

    PRAXISHINWEIS | Der BFH hat die Revisionen zugelassen (BFH 1.2.13, VIII B 115/12 unter Fortsetzung als Revisionsverfahren VIII R 9/13 - Vorverfahren FG Niedersachsen - sowie VIII R 35/13 - Vorverfahren FG Baden-Württemberg). Einspruchsverfahren, die mit dem Fall vergleichbar sind, ruhen bei entsprechendem Antrag kraft Gesetz (§ 363 Abs. 2 S. 2 AO). Die Finanzverwaltung gewährt allerdings keine Aussetzung der Vollziehung.

     

    Ein weiterer beim FG Münster (Az. 8 K 1763/11 E ) anhängiger Sachverhalt betrifft die Darlehensgewährung eines Gesellschafters an eine GbR, an der er zu 50 % beteiligt ist. Die GbR erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger macht geltend, dass die Regelung in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG in Bezug auf nahe Angehörige undifferenziert Missbrauchsfälle konstruiere. Der Kläger rügt damit eine Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG.

     

    PRAXISHINWEIS | Im Hinblick auf das anhängige Verfahren lässt die Finanzverwaltung in vergleichbaren Fällen das Ruhen des Verfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen zu (§ 363 Abs. 2 S. 1 AO).

     

     

    2.2 Gesellschafterdarlehen

    Werden die o.g. Kapitalerträge von Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften an einen zu mindestens 10 % beteiligten Anteilseigner oder eine dem Anteilseigner nahestehende Person gezahlt, findet die Abgeltungsteuer ebenfalls keine Anwendung (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) EStG). Die Kapitalerträge sind der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen. Der Grund für die Ausnahmeregelung liegt in der Tarifspreizung unterschiedlicher Einkünfte (max. 25 % für Einkünfte aus Kapitalvermögen und bis zu 45 % bei anderen Einkunftsarten). Hierdurch könnten die steuerpflichtigen Personen provoziert werden, diese Spreizung der Tarife durch Gestaltungen zu nutzen.

     

    • Beispiel

    S ist Alleingesellschafter einer GmbH. Er hat der GmbH ein Darlehen gewährt, für das er eine übliche Verzinsung von 8.000 EUR p.a. erhält. Die Beteiligung wird im Privatvermögen gehalten.

     

    Die Einnahmen sind den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen. Die vereinnahmten Zinsen unterliegen nicht den Regelungen der Abgeltungsteuer. Fraglich ist hier, ob die Versagung der Abgeltungsteuer verfassungsgemäß ist. Das FG Niedersachsen (12.4.12, 14 K 335/10) hat eine entsprechende Klage als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde zugelassen (Rev. BFH VIII R 23/13).

     

    In einem beim FG Münster anhängigen Verfahren ist die Klägerin zu 50 % an einer GmbH beteiligt und hat als Darlehensgeberin der GmbH verzinsliche Darlehen gewährt. Die Zinseinnahmen unterlagen der tariflichen Besteuerung; die Anwendung der Abgeltungsteuer wurde abgelehnt. In der Klagebegründung wird die Anwendung der Abgeltungsteuer gefordert, weil die Darlehenskonstellation keine missbräuchlichen Gestaltungsansätze enthält.

     

    PRAXISHINWEIS | Gegenwärtig ist noch keine Entscheidung des FG Münster ergangen. Die Finanzverwaltung lässt das Ruhen des Verfahrens in vergleichbaren Sachverhalten aus Billigkeitsgründen zu. Aussetzung der Vollziehung wird nicht gewährt.

     

     

    Weitere Musterverfahren waren vor dem FG Niedersachsen anhängig. Hierbei ging es um eine Mutter, die einer GmbH Geld überlassen hat und dafür angemessene Zinsen erhielt. Da die Tochter an der GmbH zu mindestens 10 % beteiligt war, wurden die Zinserträge individuell besteuert („nahestehende Person“). In dem Musterprozess sollte geklärt werden, ob die Mutter überhaupt eine nahestehende Person ist und ob die 10 %-Grenze nicht zu willkürlich festgelegt wurde. Die Klage wurde aber zurückgenommen.

     

    PRAXISHINWEIS | Zur Frage der Darlehensgewährung an eine GmbH, an der die Tochter und zwei Enkelkinder beteiligt sind, wurde eine Klage als unbegründet zurückgewiesen (FG Niedersachsen 6.7.11, 4 K 322/10, Rev. BFH: VIII R 31/11). Im Hinblick auf dieses beim BFH anhängige Musterverfahren sollte in vergleichbaren Fällen Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt werden. Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der strittigen Steuer wird von der Finanzverwaltung nicht gewährt.

     

    3. Antrag auf Günstigerprüfung

    Rechtlich nicht abschließend geklärt ist, bis zu welchem Zeitpunkt ein Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 S. 1 EStG gestellt werden kann. Das EStG sieht keine ausdrückliche Regelung vor. Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann der Antrag auf Günstigerprüfung bis zur Unanfechtbarkeit - das heißt, der formellen Bestandskraft - gestellt werden (BMF 9.10.12, IV C 1 - S 2252/10/10013, BStBl I 12, 953, Tz. 149). Die grundsätzliche Ausübung des Antrags bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist wird damit durch die formelle Bestandskraft des betreffenden Steuerbescheides eingeschränkt.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Antrag auf Günstigerprüfung muss damit nicht zwingend im Zuge der Abgabe der ESt-Erklärung gestellt werden; er kann auch im Einspruchsverfahren nachgereicht werden, weil insoweit die formelle Bestandskraft noch nicht eingetreten ist. Nach Auffassung des FG Münster (22.3.13, 4 K 3386/12 E, rkr.) lebt bei Änderung eines ESt-Bescheides nach Bestandskraft infolge der Nachmeldung von Zinseinkünften das Wahlrecht zur Günstigerprüfung wieder auf.

     

    4. Werbungskostenabzugsverbot nach § 20 Abs. 9 EStG

    Seit Einführung der Abgeltungsteuer auf Einkünfte aus Kapitalvermögen ist ein Abzug von tatsächlichen Werbungskosten grundsätzlich ausgeschlossen. Stattdessen wird bei der Ermittlung der Einkünfte ein Sparer-Pauschbetrag von 801 EUR/1.602 EUR (Einzel-/Zusammenveranlagung) als Werbungskosten abgezogen. Dieser Sparer-Pauschbetrag kommt selbst dann zur Anwendung, wenn die tatsächlichen Werbungskosten höher sind.

     

    Nach § 32d Abs. 6 S. 1 EStG werden auf Antrag des Steuerpflichtigen anstelle der Anwendung des Proportionalsteuersatzes die nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünfte den Einkünften im Sinne des § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer unterworfen, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer einschließlich Zuschlagsteuern führt (Günstigerprüfung).

     

    PRAXISHINWEIS | Ausweislich der Gesetzesbegründung regelt diese Vorschrift die Wahlmöglichkeit des Steuerpflichtigen, seine Einkünfte aus Kapitalvermögen abweichend von § 32d EStG den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen zur Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen. Der Antrag kann für den jeweiligen Veranlagungszeitraum nur einheitlich für sämtliche Kapitalerträge gestellt werden.

     

     

    4.1 Tatsächliche Werbungskosten im Rahmen der Günstigerprüfung

    Beim FG Baden-Württemberg war eine Sprungklage zur Pauschalierung der Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anhängig (Az. 9 K 1637/10, Rev. BFH: VIII R 13/13). Der Streitfall bezog sich auf den VZ 2009, in dem die Regelungen zur Abgeltungsteuer Anwendung fand.

     

    Im Urteilsfall entstanden der pflegebedürftigen Steuerpflichtigen Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 7.375 EUR. Im zugrunde liegenden ESt-Bescheid wurde lediglich der Sparer-Pauschbetrag berücksichtigt. Das FG Baden-Württemberg ließ den Abzug der weiteren (7.375 EUR - 801 EUR =) 6.574 EUR zu. Zur Begründung wird ausgeführt, dass bei Anwendung der sog. Günstigerprüfung die Kapitaleinkünfte unter Ansatz der tatsächlichen Werbungskosten zu ermitteln sind.

     

    • Beispiel

    S (verwitwet) ist 95 Jahre alt und ihr Kapitalvermögen wird durch einen Steuerberater verwaltet. Es fallen in 2012 Gebühren in Höhe von 4.001 EUR an, denen Einnahmen von 7.500 EUR gegenüberstehen.

     

    Lösung: Zumindest im Rahmen der Günstigerprüfung sind die Werbungskosten, die den Sparer-Pauschbetrag übersteigen, abziehbar.

     

    Höhe: 4.001 EUR - 801 EUR = 3.200 EUR

     

    Praxishinweis: Diese Auffassung des FG Baden-Württemberg (17.12.12, 9 K 1637/10, Rev. BFH: VIII R 13/13) entspricht nicht der bisherigen Verwaltungsauffassung. In vergleichbaren Sachverhalten sollte daher Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren beantragt werden. Die Finanzverwaltung gewährt in solchen Fällen - zumindest bislang - keine Aussetzung der Vollziehung.

     

    4.2 Tatsächliche Werbungskosten außerhalb der Günstigerprüfung

     

    4.2.1 Aufwendungen stehen mit Kapitalerträgen ab 2009 im Zusammenhang

    Die Entscheidung des FG Baden-Württemberg bezieht sich nur auf die Berücksichtigung der tatsächlichen Werbungskosten im Rahmen der Günstigerprüfung. Nicht entschieden hat das FG die Frage, ob der Ausschluss des Abzugs tatsächlicher Werbungskosten in den Fällen verfassungsgemäß ist, in denen der tarifliche Steuersatz höher ist als die Steuerbelastung mit der Abgeltungsteuer.

     

    Hierzu war bei dem FG Münster ein Klageverfahren anhängig (6 K 607/11 F). Es wurde ein Abzug der tatsächlichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen mit der Begründung begehrt, dass das Werbungskostenabzugsverbot gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und das Prinzip der Folgerichtigkeit verstoße. Die Klage wurde aber mittlerweile zurückgenommen. Ein aufgrund des vorgenannten Verfahrens ruhend gestelltes weiteres Klageverfahren wurde nunmehr wieder aufgenommen (3 K 1277/11).

     

    Hinweis | In der Klagebegründung wird vorgetragen, dass die Nichtabziehbarkeit der tatsächlichen Werbungskosten nach § 20 Abs. 9 EStG nicht nur gegen Art. 3 GG, sondern wegen ihrer erdrosselnden Wirkung auch gegen Art. 2 Abs. 1 GG verstoße.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Finanzverwaltung hat keine Bedenken, in Einspruchsverfahren, in denen eine Verletzung des objektiven Nettoprinzips geltend gemacht wird, Ruhen des Verfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen zu gewähren. Aussetzung der Vollziehung wird nicht gewährt.

     

    4.2.2 Aufwendungen stehen mit Kapitalerträgen vor 2009 im Zusammenhang

    Das FG Köln (17.4.13, 7 K 244/12) hat jüngst entschieden, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit Kapitalerträgen, die dem Steuerpflichtigen vor dem 1.1.09 zugeflossen sind, weiterhin unbeschränkt als nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden können. Das FG begründet seine Entscheidung insbesondere mit dem Wortlaut des § 52a Abs. 10 S. 10 EStG. Dieser Wortlaut sehe ausdrücklich vor, dass die Vorschriften der Abgeltungsteuer erstmals auf nach dem 31.12.08 zufließende Kapitalerträge anzuwenden seien. Über die Abziehbarkeit entscheidet somit nicht der Zeitpunkt des Abflusses der betreffenden Aufwendungen. Maßgeblich sei vielmehr, wann die den Aufwendungen zuzuordnenden Kapitalerträge zufließen.

     

    PRAXISHINWEIS | Das FG Köln hat die Revision ausdrücklich zugelassen; das Revisionsverfahren ist unter dem Az. VIII R 34/13 beim BFH anhängig. In einem ähnlich gelagerten Fall hat das FG Düsseldorf den Werbungskostenabzug (ebenfalls) zugelassen (FG Düsseldorf 14.11.12, 2 K 3893/11 E). Gegen diese Entscheidung ist ebenso ein Revisionsverfahren beim BFH anhängig (VIII R 53/12). Vergleichbare Fälle sollten offengehalten werden.

     
    • Beispiel

    In 2013 werden Steuerberatungskosten in Höhe von 2.500 EUR für die Ermittlung von Kapitalerträgen der Veranlagungsjahre vor 2009 gezahlt. Diese Werbungskosten beziehen sich auf Kapitalerträge, die vor dem 1.1.09 zugeflossen sind. Damit können diese Aufwendungen von 2.500 EUR neben dem Sparer-Pauschbetrag als Werbungskosten in Ansatz gebracht werden (Eggers, NWB 8/2011, 646 m.w.N.; siehe hierzu auch FG Rheinland-Pfalz 14.12.11, 2 K 1176/11, EFG 2012, 1146, rkr. und FG Düsseldorf 14.11.12, 2 K 3893/11 E, Rev. BFH: VIII R 53/12)

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 362 | ID 39625960