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  • · Fachbeitrag · Elektronischer Rechtsverkehr

    FA beantragt, Klage abzuweisen, weil sie der StB nicht über das beA des RA-Kollegen eingereicht hat

    von StB Jürgen Derlath, Münster

    | Nur weil einer der Gesellschafter einer GbR oder PartG als Steuerberater und Rechtsanwalt zugelassen ist, müssen die übrigen Steuerberater der Gesellschaft Klagen vor dem FG nicht über dessen beA einreichen. Eine in Papierform zugegangene Klageschrift ist aus diesem Grund allein nicht unwirksam (FG Hessen 10.5.22, 4 K 214/22, Gerichtsbescheid).|

     

    Sachverhalt

    Der Mandant hatte den Steuerberater mit einer Klage beim FG beauftragt. Das FA hatte beantragt, die Klage u.a. deswegen abzuweisen, weil der Schriftsatz nicht über das beA eingereicht worden war, sondern in Papierform. Begründung: Der Steuerberater ist zusammen mit drei weiteren Steuerberatern Gesellschafter einer PartG mbB. Einer davon hat jedoch auch die Zulassung als Rechtsanwalt. Die Klage ist nach Ansicht des FG daher unzulässig, weil die Klage nicht über das beA des als Rechtsanwalt zugelassenen Gesellschafters eingereicht wurde. Vorsorglich ergänzt das FA noch: Soweit die Abwesenheit dieses Gesellschafters behauptet werde, werde dies bestritten. Hierauf komme es auch nicht an, weil ein Rechtsanwalt für ausreichende Vertretung Vorsorge zu treffen habe. Das sieht das FG Hessen komplett anders.

     

    Entscheidungsgründe

    § 52d FGO gibt für eine solche Auslegung nichts her. Die Klageerhebung durch Papierschriftsatz verstößt nicht gegen

     

    • § 52d S. 1 FGO; denn Steuerberater sind im Adressatenkreis nicht genannt.

     

    • § 52d S. 2 FGO. Zwar wird das beA als einer von sechs sicheren Übermittlungswegen (§ 52a Abs. 4 Nr. 2 FGO) genannt, der Prozessbevollmächtigte ist aber Steuerberater und nicht Rechtsanwalt, und Steuerberatern wird das dem beA gleichgestellte beSt erst ab dem 1.1.23 zur Verfügung stehen.

     

    Nach Systematik sowie Sinn und Zweck folgt aus § 52d S. 2 FGO nicht, dass die Mitgliedschaft eines Rechtsanwalts in einer Sozietät (GbR) oder einer PartG mit Steuerberatern bewirkt, dass über das besondere elektronische Anwaltspostfach des Rechtsanwalts sämtliche finanzgerichtlichen Klageverfahren abzuwickeln sind. Die Nutzungsverpflichtung trifft den Rechtsanwalt nur in den Mandanten, die er selbst betreut.

     

    Beachten Sie | Rechtsanwälte, die zugleich Steuerberater sind, können sich aber nicht darauf berufen, dass die Pflicht zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr für Steuerberater erst mit dem 1.1.23 beginnt (FG Berlin-Brandenburg 8.3.22, 8 V 8020/22).

     

    § 52d FGO

    1Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. 2Gleiches gilt für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen und Bevollmächtigten, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 S. 1 Nr. 2 oder Nr. 4 zur Verfügung steht; ausgenommen sind nach § 62 Abs. 2 S. 2 Nr 1 HS. 1 oder Nr. 2 vertretungsbefugte Personen. 3, 4 (...)

     

    § 52a Abs. 4 FGO

    Sichere Übermittlungswege sind

    (...)

    2. der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts,

    (...)

    4. der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts,

    (...)

     

    Relevanz für die Praxis

    Das FG geht auch auf das Problem ein, das entsteht, wenn die das Dokument signierende Person nicht mit dem Inhaber des Postfachs identisch ist.

    • Handelt es sich um ein und dieselbe Person, kann sie mit einfacher (maschinenschriftlicher) Signatur unterzeichnen.
    • Sind es zwei verschiedene Personen ist, eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich.

     

    Damit stünden Rechtsanwalt und Personengesellschaft vor einem Dilemma: Entweder wird der erhebliche Mehraufwand in Kauf genommen, der dadurch entsteht, dass der Gerichtspostverkehr der übrigen Nicht-RA-Berufsträger qualifiziert signiert werden muss. Oder der Rechtsanwalt versendet die Schriftsätze der anderen mit einfacher Signatur. Damit übernimmt er aber die Verantwortung für den Inhalt der fremden Schriftsätze und ihn trifft somit auch im Außenverhältnis zum Mandanten die persönliche Außenhaftung. Ohne eine solche wesentliche Beteiligung an der Mandatsführung könnte er sich auf die Beschränkung der Haftung auf das Vermögen der Sozietät oder Partnerschaftsgesellschaft und ggf. des ansonsten die Sache bearbeitenden Steuerberaters berufen (vgl. § 8 Abs. 2 PartGG).

     

    • Alles Wichtige zum beSt und zur Steuerberaterplattform

    Zum 1.1.23 kommt das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt). Alle Berufsangehörigen sind ausnahmslos gesetzlich dazu verpflichtet, sich zu registrieren, das Postfach technisch einzurichten und es aktiv und passiv zu nutzen.

     

    Der IWW Informationsdiensts KP Kanzleiführung professionell informiert regelmäßig in den kommenden Monaten über alle wichtigen Neuerungen:

     

    • Digitale Kanzleiprozesse ‒ Mit dem beSt von der analogen zur digitalen Unterschriftenmappe (KP 22, 164)
    • Alles Wichtige, damit Sie am 1.1.23 mit dem beSt sofort durchstarten können (KP 22, 149)
    • Die Steuerberaterplattform auf der Zielgeraden ‒ Interview mit BStBK-Geschäftsführerin Claudia Kalina-Kerschbaum (KP 22, 146)
    • Digitalisierung des Berufsstands: Steuerberaterplattform und beS ‒ Das kommt auf die Beraterschaft zu (Derlath, KP-Beitrag vom 9.8.22)
     
    Quelle: ID 48533140