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  • · Fachbeitrag · Betriebsprüfung

    Im Visier: Die zehn wichtigsten Schwerpunkte bei der Sozialversicherungsprüfung

    | Dem Betriebsprüfer der Rentenversicherungsträger einen Schritt voraus sein, das können Arbeitgeber sowie Mitarbeiter von Personal- und Steuerbüros, wenn sie wissen, welche Bereiche besonders kontrolliert werden. „LGP“ zeigt, wie sich Unternehmen bestmöglich auf die zehn wichtigsten Prüfungsschwerpunkte vorbereiten. |

    Das A und O: Eine gute Vorbereitung

    Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) prüft grundsätzlich alle vier Jahre (§ 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch [SGB] IV), ob

    • die Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit von einzelnen Personen korrekt beurteilt wurde,
    • die Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß gemeldet und in der richtigen Höhe überwiesen wurden,
    • die Erstattung nach dem Lohnfortzahlungsgesetz richtig erfolgt ist,
    • die unfallversicherungspflichtigen Arbeitsentgelte gemeldet wurden und
    • die Künstlersozialabgabe an die Künstlersozialkasse gezahlt wurde.

     

    Beachten Sie | Die Betriebsprüfer der DRV dürfen über die Lohnkonten, Gehaltsabrechnungen, Sozialversicherungsmeldungen und Beitragsnachweise hinaus auch einen Blick in das gesamte Rechnungswesen werfen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Beitragsverfahrensverordnung). Dazu gehören alle Unterlagen der Finanzbuchhaltung. Außerdem braucht der Betriebsprüfer die letzten Prüfberichte des Finanzamts, insbesondere die Lohnsteuerhaftungsbescheide. Diese sollten am besten vor Beginn der Prüfung vorgelegt werden.

     

    PRAXISHINWEIS | Arbeitgeber oder Sachbearbeiter sollten regelmäßig selbst die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung sowie Finanzbuchhaltung kontrollieren. Kündigt sich der Prüfer erst einmal an, ist es erfahrungsgemäß schwierig, innerhalb kürzester Zeit vier Kalenderjahre zurück alles prüfungssicher zu machen. Fehlende Nachweise sollten nicht erst kurz vor der Prüfung beschafft werden.

     

    Teure Nachzahlungen für den Arbeitgeber

    Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen die Gesamtsozialversicherungsbeiträge grundsätzlich zu gleichen Teilen tragen. Nachforderungen treffen den Arbeitgeber aber alleine, sofern der Abzug nicht ganz ohne sein Verschulden unterblieben ist. Der Arbeitnehmer muss für seinen Anteil in der Regel nur für die letzten drei Monate vor der Betriebsprüfung aufkommen (§ 28g Satz 3 SGB IV). Hieraus resultiert ein zusätzliches Problem: Die Arbeitnehmeranteile, die der Arbeitgeber nach einer Betriebsprüfung des Rentenversicherungsträgers trägt, lösen einen geldwerten Vorteil beim Arbeitnehmer aus. Aus diesem werden auch wieder Lohn- und gegebenenfalls Kirchensteuer samt Solidaritätszuschlag sowie Sozialversicherungsbeiträge fällig.

    Top 10: Die wichtigsten Prüfungsschwerpunkte

    Betriebsprüfungen der DRV sind Stichprobenprüfungen. Jeder Kontrollbeamte setzt je nach Branche und Betriebsgröße seine eigenen Schwerpunkte. Am häufigsten schauen sich Prüfer die folgenden zehn Bereiche an:

     

    1.

    Abhängige Beschäftigung versus selbstständige Tätigkeit

    Viele Unternehmen bevorzugen freie Mitarbeiter, weil diese weniger Personalkosten verursachen. Eine falsche Einstufung als selbstständige Tätigkeit kann aber hohe Nachforderungen verursachen. Alleine deshalb und weil sie rechtlich dazu verpflichtet sind, müssen Auftraggeber vor Beginn der Tätigkeit die Kriterien prüfen, die für oder gegen eine Beschäftigung sprechen (§ 7 SGB IV).

     

    PRAXISHINWEISE |  

    • Ein Clearingverfahren bei der DRV Bund bringt Sicherheit (§ 7a SGB IV). Dieses kann auch der Auftraggeber beantragen. Neben der Klärung des Versicherungsstatus bietet ein rechtzeitiger Antrag innerhalb eines Monats nach Beschäftigungsaufnahme den Vorteil, dass bei der Feststellung einer abhängigen Beschäftigung die Versicherungspflicht erst ab Bekanntgabe des Ergebnisses entsteht. Damit lassen sich Beiträge samt Säumniszuschlägen sparen.
    • Die Kriterien zur „Scheinselbstständigkeit“ sowie den „Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status“ finden Sie auf lgp.iww.de unter Downloads → Arbeitshilfen und Checklisten → Sozialversicherung.

    2.

    Studenten

    Arbeitgeber können entgeltlich beschäftigte Studenten - außerhalb einer geringfügig entlohnten oder kurzfristigen Beschäftigung (siehe unten 4. und 5.) - in der gesetzlichen Kranken-(KV), Pflege-(PV) und Arbeitslosenversicherung (AV) versicherungsfrei behandeln (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, § 27 Abs. 4 Nr. 2 SGB III). Die Rentenversicherungs-(RV)pflicht bleibt bestehen. Voraussetzung für das „Werksstudentenprivileg“ ist, dass das Studium im Vordergrund steht, und nicht die Tätigkeit als Arbeitnehmer. Zeitlich müssen Arbeitgeber aufpassen:

     

    • Der Student darf grundsätzlich nicht mehr als 20 Wochenstunden arbeiten. Seine Zeit und Arbeitskraft muss überwiegend dem Studium dienen.
    • Nach der Rechtsprechung des BSG darf die wöchentliche 20-Stunden-Grenze überschritten werden, wenn nur in den Semesterferien oder überwiegend am Abend, in der Nacht sowie am Wochenende mehr gearbeitet wird, wenn die Beschäftigung von vorneherein auf maximal zwei Monate bzw. ab 2015 auf drei Monate befristet ist oder innerhalb eines Zeitjahres - rückgerechnet vom voraussichtlichen Ende der zu beurteilenden Beschäftigung - nicht mehr als 26 Wochen dauert. Hierbei werden alle Jobs über 20 Stunden zusammengerechnet.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Versicherungsbefreiungen gelten nur für ordentlich Studierende in aktiven Semestern, Urlaubssemester sind ebenso wenig begünstigt wie duale Studiengänge. Arbeitgeber sollten sich spätestens ab Beschäftigungsbeginn lückenlose Studienbescheinigungen vorlegen lassen (Vermerk „Urlaubssemester“ prüfen) und Stundenaufzeichnungen führen. Kommt die Bescheinigung nicht pünktlich, sollten Arbeitgeber vorerst alle Sozialversicherungsbeiträge abziehen. Nach der Vorlage können sie dann berichtigen.

    3.

    Praktikanten 

    Bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung müssen Arbeitgeber sehr genau unterscheiden, ob ein Praktikant ein vorgeschriebenes oder nicht vorgeschriebenes Vor-, Zwischen- oder Nachpraktikum ableistet. Nur bei einem vorgeschriebenen Zwischenpraktikum fallen unabhängig von der Arbeitszeit und der Entlohnung keine Sozialversicherungsbeiträge an. Bei allen anderen Praktikumsarten sind Spezialregelungen zu beachten (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 9 SGB XI, § 5 Abs. 3 SGB VI, § 27 Abs. 4 Nr. 2 SGB III).

    Arbeitgeber dürfen nicht übersehen, dass selbst bei unentgeltlich beschäftigten Praktikanten Mindestbeiträge zur Rentenversicherung fällig werden können. Neben den besonderen Vorschriften für Praktikanten gelten auch die Regelungen für geringfügige oder kurzfristige Beschäftigungen.

     

    PRAXISHINWEIS | Arbeitgeber müssen für versicherungsfreie Praktikanten, die ein vorgeschriebenes Zwischenpraktikum absolvieren, unbedingt den Praktikantenvertrag zwischen der Hochschule und dem Arbeitgeberbetrieb zu den Lohnunterlagen nehmen. Fehlt der Vertrag bei der Prüfung, drohen Nachforderungen.

    4.

    Geringfügig entlohnte Beschäftigung

    Arbeitnehmer mit einem monatlichen Verdienst bis zu 450 Euro sind zwar in der KV, PV und AV versicherungsfrei (§ 7 Abs. 1 SGB V, § 27 Abs. 2 SGB III). Allerdings muss der Arbeitgeber Pauschalbeiträge abführen. Die 13 Prozent für die KV gelten für alle gesetzlich krankenversicherten Minijobber, auch für freiwillig Versicherte oder mitversicherte Angehörige. Die Pauschalbeiträge muss der Arbeitgeber alleine tragen, er darf sie nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen (§ 32 SGB I). Prüfer nehmen außerdem gerne folgende drei Punkte ins Visier:

     

    • Ob die Entgeltgrenze von jährlich 5.400 Euro unter Berücksichtigung aller Entgeltbestandteile eingehalten wird und ob im Falle einer bis zu zweimal jährlich zulässigen Überschreitung diese durch unvorhersehbare Ereignisse gerechtfertigt ist.
    • Stellt ein Prüfer die Zusammenballung mehrerer Minijobs fest, droht die Versagung der Versicherungsfreiheit. Hier muss der Arbeitgeber unbedingt die Angaben des Minijobbers im Einstellungsbogen beachten.
    • Auch für nebenberufliche, rentenversicherungsfreie Beamte fällt der Pauschalbeitrag zur RV an.

     

    PRAXISHINWEISE |  

    • Für privat krankenversicherte Minijobber fallen keine Pauschalbeiträge für die gesetzliche KV an. Dazu ist im Lohnkonto ein Nachweis über die private Krankenversicherung zu führen.
    • Im Hinblick auf die RV müssen Arbeitgeber insbesondere darauf achten, dass ein Befreiungsantrag des Arbeitnehmers nur bei rechtzeitiger Übermittlung gültig wird (siehe Beitrag „Verspätete Meldung führt zu Rentenversicherungspflicht“, LGP 7/2014, Seite 111). Entscheidet sich der Minijobber für die RV-Pflicht, muss der Arbeitgeber die Beiträge aus einem Arbeitsentgelt von mindestens 175 Euro monatlich entrichten.

    5.

    Kurzfristig Beschäftigte 

    Versicherungsfrei bleiben kurzfristig Beschäftigte nur, wenn sie von vorneherein bei einer fünf-Tage-Woche nicht länger als zwei Monate oder ansonsten nicht länger als 50 Tage arbeiten sollen (§ 8 SGB IV). Die Fristen werden zum 1. Januar 2015 auf drei Monate bzw. 70 Tage angehoben.

     

    Betriebsprüfer kontrollieren besonders, ob ein kurzfristig Gemeldeter mit einem monatlichen Verdienst über 450 Euro nicht berufsmäßig tätig wird, was zum Ausschluss der Versicherungsfreiheit führen würde. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn der kurzfristig Beschäftigte unmittelbar vor Beschäftigungsbeginn arbeitslos war. Ansonsten liegt Berufsmäßigkeit vor, wenn die Beschäftigung für die Person von nicht nur untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist. Demnach liegt Berufsmäßigkeit

    • insbesondere vor, wenn eine kurzfristige Beschäftigung zwischen Schulentlassung bzw. dem Abschluss eines Studiums und dem Eintritt in das Berufsleben oder während eines unbezahlten Urlaubs ausgeübt wird;
    • unter anderem nicht vor, wenn die kurzfristige Beschäftigung neben einer versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung ausgeübt wird oder daneben Vorruhestandsgeld oder eine Vollrente bezogen wird.

     

    PRAXISHINWEIS | Vor Beschäftigungsbeginn sollten sich Arbeitgeber schriftlich bestätigen lassen, was der Bewerber vor Aufnahme der Tätigkeit getan hat und entsprechende Nachweise verlangen.

    6.

    Familienangehörige

    Egal, ob ein Ehegatte freiberuflich oder sozialversicherungspflichtig (§ 7 Abs. 1 SGB IV) im Betrieb mitarbeiten soll, die Betriebsprüfer werden immer kontrollieren, ob nicht das Gegenteil vorliegt. Entweder um eine über die gesetzliche Versicherung gewünschte günstige Absicherung zu verhindern oder um Beiträge für einen nicht angemeldeten Ehegatten nachzufordern.

    PRAXISHINWEIS | Sicherheit bringt nur ein Statusfeststellungsverfahren. Bei der sozialversicherungsrechtlichen Anmeldung eines Ehegatten ist dieses obligatorisch. Lesen Sie auch die Beitragsreihe „Ehegatten-Arbeitsverhältnisse rechtssicher und optimal gestalten“, LGP 9/2013 Seite 157; LGP 10/2013, Seite 166 und LGP 11/2013, Seite 196 sowie den Beitrag „Vorsicht Falle: Niedriger Lohn und teures Fahrzeug“, LGP 4/2014, Seite 60.

    7.

    GmbH-Gesellschafter(-Geschäftsführer)

    Bei angestellten Gesellschaftern ist oftmals nicht klar, ob diese eine abhängige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder eine selbstständige, sozialversicherungsfreie Tätigkeit ausüben. Eine falsche Einschätzung kostet entweder unnötige Sozialbeiträge, ohne Versicherungsschutz zu erhalten, oder hohe Nachzahlungen im Falle einer späteren Feststellung der Versicherungspflicht.

     

    PRAXISHINWEIS | Beitrag „Änderungen beim sozialversicherungsrechtlichen Status von „Beschäftigten“ in der GmbH“, LGP 10/2014, Seite 175 sowie „Anlage zum Statusfeststellungsantrag für Gesellschafter/Geschäftsführer einer GmbH“ auf lgp.iww.de unter Downloads → Arbeitshilfen und Checklisten → Sozialversicherung.

    8.

    Beschäftigung von Rentnern

    Nicht selten sind Arbeitgeber der irrigen Auffassung, dass sie für geringfügig angestellte Rentner keine Pauschalbeiträge zur RV abführen müssten, weil diese bereits Rente beziehen. Das führt im Prüfungsfall zu Nachforderungen. Werden Bezieher einer Altersvollrente mit einem Lohn über 450 Euro monatlich beschäftigt, fällt nur der Arbeitgeberanteil zur RV an, ein Arbeitnehmeranteil ist nicht einzubehalten. Hat ein Rentner das 65. Lebensjahr vollendet, gilt das auch für die AV. KV-Beiträge sind nach dem ermäßigten Beitragssatz zu berechnen, weil für Rentner kein Krankengeldanspruch besteht. Der Pauschalbeitrag zur KV entfällt, wenn der Rentner einen Nachweis über eine private Krankenversicherung vorlegt. Für die PV ergeben sich keine Besonderheiten.

     

    PRAXISHINWEIS | Arbeitgeber müssen immer einen aktuellen Rentenbescheid zu den Lohnunterlagen nehmen.

    9.

    Phantom-Lohn

    In der Sozialversicherung gilt für laufende Lohnbestandteile das Entstehungsprinzip und für Einmalzahlungen das Zuflussprinzip. Somit fallen Beiträge auch auf geschuldeten, aber nicht gezahlten laufenden Lohn an. Das führt von Beitragsnachforderungen bis hin zur Versagung der Versicherungsfreiheit für Minijobs, wenn der Arbeitgeber geltenden Tariflohn oder ab 2015 den gesetzlichen Mindestlohn nicht einhält. Auf einmalige Sonderzahlungen werden Sozialbeiträge nur fällig, wenn diese tatsächlich gewährt wurden (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

     

    PRAXISHINWEIS | Das Entstehungsprinzip gilt grundsätzlich selbst dann, wenn der Arbeitnehmer sein Gehalt nicht einfordert. Ein Gehaltsverzicht wird beitragsrechtlich nur anerkannt, wenn der Verzicht arbeitsrechtlich zulässig ist und schriftlich für künftiges Arbeitsentgelt vereinbart wurde. Ist eine der drei Voraussetzungen nicht erfüllt, ist der Verzicht beitragsrechtlich unwirksam, sodass der Prüfer die Sozialabgaben nachfordert.

    10.

    Umlagen bei laufend gezahlten Sonderzahlungen

    Die Umlagenbeiträge nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) - U1 für Krankheit und U2 für Mutterschaft - sind nur von laufendem Arbeitsentgelt zu berechnen. Für einmalig gezahltes Entgelt fallen keine Umlagen an (§ 7 Abs. 2 AAG). Zahlen Arbeitgeber beispielsweise Weihnachts- bzw. Urlaubsgeld, Tantiemen oder Gratifikationen mit einem Zwölftel monatlich aus, verlieren diese Sonderzahlungen ihren Charakter als Einmalzahlung und werden laufendes Entgelt. Prüfer fordern in diesem Falle die Umlagenbeiträge nach.

     

    PRAXISHINWEIS | Auch für Überstundenvergütungen fallen Umlagen an. Grundsätzlich sind Überstunden in den Monaten zu verbeitragen, in denen sie angefallen sind. Werden sie über einen gewissen Zeitraum angesammelt, können sie wie einmalig gezahltes Entgelt verbeitragt werden. Dennoch fallen die Umlagen an.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Noch besser vorbereitet auf Betriebsprüfungen mit dem Beitrag „Im Visier: Die 28 typischen Schwerpunkte bei der Lohnsteuer-Außenprüfung“, LGP 10/2014, Seite 167
    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 191 | ID 43003341