26.02.2008 | Der praktische Fall
Fristlose Kündigung: typische Streitpunkte
Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 29.11.07 (I-10 U 86/07, Abruf-Nr. 080433) zu wichtigen Streitpunkten im Zusammenhang mit der fristlosen Kündigung eines gewerblichen Mietverhältnisses Stellung genommen. Seine Ausführungen liefern wichtige Hinweise für die Mandatsbearbeitung.
Der Fall des OLG Düsseldorf 29.11.07, I-10 U 86/07 |
Der Beklagte B. hatte ab 1.3.05 vom Kläger K. ein Ladenlokal gemietet. Unmittelbar daneben liegt das Ladenlokal der Mieterin P. Der Eingang zu beiden Ladenlokalen wird durch ein von Hand zu bedienendes gemeinsames Rollgitter verschlossen. Mit Schreiben v. 6.4.06 hat B. das Mietverhältnis wegen behaupteter Baumängel sowie Störungen durch P. und Störungen des Hausfriedens durch K. gekündigt. Die Mietzins-/Nutzungsentschädigungsklage des K. hatte in allen Instanzen Erfolg. |
Fraglich ist zunächst, ob B. wegen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 543 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB kündigen durfte. Hierzu hält das OLG fest:
Checkliste: Kündigung aus wichtigem Grund |
Letzteres kommt gerade auch beim Auftreten von Mängeln in Betracht (BGH MK 07, 160, Abruf-Nr. 072215), wie sie hier vom Beklagten behauptet werden (Baumängel: schwergängiges Rollgitter, verunreinigte Oberlichter mit Pflanzenbewuchs, eindringende Feuchtigkeit; Störungen durch Mitmieterin: Versperrung des Zugangs, Parken der Zulieferer der Mitmieterin und Abstellen von Fahrrädern ihrer Kunden vor seinem Schaufenster; Störung des Hausfriedens durch den Vermieter).
Ausnahme: Soweit die hierdurch bewirkte Entziehung des vertragsmäßigen Gebrauchs des Ladenlokals unerheblich ist, begründet sie kein Kündigungsrecht (BGH WuM 76, 95; OLG Düsseldorf ZMR 06, 518; KG GE 05, 1426).
Haben die Parteien einen konkret gegebenen schlechten Bauzustand als vertragsgemäß vereinbart, sind insoweit Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche des Mieters ausgeschlossen. Ist keine ausdrückliche Regelung zum „Soll-Zustand“ getroffen, muss anhand von Auslegungsregeln (§§ 133, 157, 242 BGB) geprüft werden, was der Vermieter schuldet bzw. welchen Standard er aufgrund seines Vertrags vom Vermieter verlangen kann. Dabei ist die Verkehrsanschauung als Auslegungshilfe heranzuziehen. In der Regel ist auf den Standard zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen, wobei Veränderungen der Anschauungen über den vertragsgemäßen Standard oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse im Einzelfall zu einer Vertragsanpassung führen können.
Das OLG hat eine Abweichung des Rollgitters von dem vertraglich geschuldeten Zustand nach dem Vortrag des Beklagten nicht feststellen können. Zum einen hat es angenommen, die behauptete Schwergängigkeit des Rollgitters trete im Allgemeinen nicht von heute auf morgen ein, sondern sei nach der Lebenserfahrung Folge eines sich über einen längeren Zeitraum hinziehenden Verschleißprozesses. Das heißt: Angesichts der kurzen Mietzeit sprach den Umständen nach bereits eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Schwergängigkeit bereits seit Beginn des Mietverhältnisses vorhanden war, mithin keine Abweichung der Sollbeschaffenheit von der Istbeschaffenheit vorlag. Zum anderen hatte der Beklagte eingeräumt, dass die Mitmieterin in der Lage war, das Rollgitter zu öffnen, um in ihr neben dem Ladenlokal des Beklagten gelegenes Ladenlokal zu gelangen. Diesen Widerspruch (Mieter = junger Mann von kräftiger Statur / Mitmieterin = ältere Dame) hatte er vergeblich damit zu erklären versucht, er sei aufgrund eines bereits vor Abschluss des Mietvertrags erlittenen Unfalls nicht mehr in der Lage zu körperlichen Arbeiten. Damit lag der Grund für die behauptete Beschwernis beim Öffnen des Rollgitters aber in seiner Risikosphäre und stellte keinen Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB dar.
Neben der Fristsetzung ist zwar die Androhung der Kündigung nicht erforderlich (Gesetzeswortlaut!). Wird jedoch mit der Fristsetzung eine andere Maßnahme als die Kündigung, etwa eine Ersatzvornahme oder – wie hier – eine Minderung, angedroht, fragt es sich, ob die Kündigung wegen des darin liegenden widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) nicht bereits nach erfolglosem Ablauf der gesetzten Abhilfefrist wirksam erklärt werden kann, sondern erst nach erfolglosem Ablauf einer neuen Frist (offen gelassen BGH MK 07, 160, Abruf-Nr. 072215). Das OLG Düsseldorf sieht in dem Verhalten des Mieters, der fristlos kündigt, obwohl er für den Fall der Nichtabhilfe lediglich eine andere Maßnahme – hier: Minderung – angekündigt hat, einen Verstoß gegen Treu und Glauben (so auch OLG Hamm NJW-RR 91, 1035; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., IV Rn. 463; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 543 BGB Rn. 3).
Nach § 314 Abs. 3 BGB, der auch auf die fristlose Kündigung nach § 543 BGB anzuwenden ist (BGH MK 07, 135, Abruf-Nr. 071590), kann der Berechtigte nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die Regelung bezweckt zum einen eine beschleunigte Herbeiführung klarer Verhältnisse; zum anderen liegt ihr die Erwägung zugrunde, dass nach längerem Zuwarten auch die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht unzumutbar ist (MüKo/Gaier, BGB, 5. Aufl., § 314 Rn. 20). Hieran gemessen konnte sich der Beklagte auf einen Mangel der Oberlichter als Kündigungsgrund nicht berufen, denn nach seinem Vortrag waren die Beanstandungen erstmals ca. 11 Monate vor Ausspruch der Kündigung aufgetreten. Gleichwohl hatte der Beklagte hieraus keine Konsequenzen gezogen.
Der Vermieter ist daher gemäß § 535 Abs. 1 BGB zum Einschreiten verpflichtet, wenn Kunden oder Passanten dadurch von dem Betreten eines Ladengeschäfts oder von dem Betrachten der zugehörigen Schaufenster abgehalten werden, dass ein anderer in unmittelbarer Nähe dieses Ladengeschäfts durch abgestellte Fahrzeuge oder herumliegende Gegenstände den Zugang zu dem Ladengeschäft in einer das Maß des Notwendigen und Zumutbaren übersteigenden Weise unmöglich macht oder aber so erschwert, dass Kunden oder Passanten von einem Betreten des Geschäftslokals Abstand nehmen (OLG Düsseldorf, NJW 61, 1925). Dazu gehört notfalls auch die Inanspruchnahme behördlicher Hilfe (BGHZ 99, 182). Es obliegt aber zunächst dem Vermieter, auf welche Weise er den vertragsgemäßen Gebrauch wiederherstellen will. Sind andere Abhilfeversuche erfolglos geblieben, muss er das Mietverhältnis mit dem störenden Mieter beenden. Hierauf hat der in seinem vertragsgemäßen Gebrauch gestörte Mieter ggf. einen nach § 535 Abs. 1BGB durchsetzbaren Anspruch (LG Berlin GE 99, 380).
Wichtig: Nicht jede Streitigkeit oder Beleidigung unter Mitmietern ist als Störung des vertragsgemäßen Gebrauchs einzustufen. Hiervon wird im Regelfall nur ausgegangen werden können, wenn die Streitigkeiten sich über einen längeren Zeitraum hinziehen und nach Art und Ausmaß nicht mehr dem Bagatellbereich zuzuordnen sind.
Diese Voraussetzungen, die vom Mieter darzulegen und zu beweisen sind, waren schon nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten nicht erfüllt. Danach soll der Kläger im Ladenlokal erschienen sein und ihn während eines Kundengesprächs laut und deutlich und für alle vernehmbar gefragt haben, wann er denn „nun endlich gedenke, die Miete zu bezahlen“, obwohl er diese nach dem Urteil des AG im Vorprozess zu Recht gemindert habe. Diese Frage habe er einen Monat später erneut vor seiner Kundschaft wiederholt. Außerdem solle ihn der Kläger in Anwesenheit einiger Kunden gefragt haben, ob er denn wohl ausländerfeindlich sei. Das OLG hat hierin – die Richtigkeit unterstellt – keine nachhaltige Störung des Mietverhältnisses gesehen.
Eine nachhaltige Störung i.S.d. § 569 Abs. 2 BGB setzt eine sich über einen längeren Zeitraum hinziehende erhebliche Beeinträchtigung des Mieters durch einen schweren Verstoß des Vermieters gegen das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme voraus (OLG Düsseldorf GE 06, 325). Die Störung des Hausfriedens muss in ihrem Ausmaß und ihrer Dauer die Toleranzschwelle in hohem Grad überschritten haben und die Vertragsfortsetzung für den anderen Teil unzumutbar machen (Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 569 BGB, Rn. 20). Einmalige oder vereinzelte Vorfälle genügen ebenso wenig wie Störungen, die dem Bagatellbereich zuzuordnen sind (Emmerich/Sonnenschein, Miete, 9. Aufl., § 569 BGB, Rn. 14; Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O, § 569 BGB, Rn. 21), wohl aber mehrere Störungen mit Wiederholungsgefahr (Kraemer, NZM 01, 553, 562 unter 5b). Unter Beachtung dieser Grundsätze stellten die dem Kläger zugeschriebenen Handlungen keine nachhaltige Störung des Hausfriedens dar. Die Frage nach der Zahlungsbereitschaft des Beklagten war berechtigt. Der Beklagte war bis zum Erlass des Urteils im Verfahren vor dem AG am 7.11.06 zur Zahlung der vom Kläger geforderten Miete verpflichtet. Der angeblichen Frage, ob der Beklagte ausländerfeindlich sei, lässt sich bei verständiger Würdigung weder eine Beleidigung noch sonst eine messbare Störung des Hausfriedens entnehmen. Beide Vorfälle sind jedenfalls auch in ihrer Gesamtschau dem Bagatellbereich zuzuweisen und machten die Fortsetzung des Mietverhältnisses aus der Sicht einer verständigen Mietpartei für diese im Übrigen auch nicht unzumutbar. |
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