01.09.2007 | Der praktische Fall
Typische Streitpunkte rund um die Kündigung und Abwicklung des Mietverhältnisses
Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 7.9.06 (I-10 U 30/06, ZMR 06, 927, rkr., Abruf-Nr. 072658) zu häufigen Streitpunkten rund um die Beendigung des Mietverhältnisses Stellung genommen. Seine Ausführungen liefern wichtige Hinweise für die Mandatsbearbeitung.
Der Fall des OLG Düsseldorf 7.9.06, I–10 U 30/06 |
Die Vermieterin, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, hatte das befristete Mietverhältnis mit dem Beklagten vorzeitig wegen Zahlungsverzugs schriftlich gekündigt. Der Beklagte hatte die Miete u.a. wegen eines Lochs in der Zwischendecke der Toilette mit angeblicher Geruchsbelästigung und Ungezieferbefall gemindert. Unklar blieb, ob das Kündigungsschreiben von einem vertretungsberechtigten Organ unterschrieben war. Deswegen zog der Beklagte die Wirksamkeit der Kündigung erstmals im Prozess in Zweifel, d.h. 13 Monate nach deren Zugang und 5 Monate nach seiner Räumung. Gegenüber der Kündigung berief er sich auf Überzahlungen wegen fehlerhafter Mieterhöhung und Mängeln der Mietsache. Nach Ausspruch der Kündigung wurde die einzige Toilettenschüssel des Ladenlokals infolge Beschädigung unbrauchbar. Die Klägerin ließ ein Baugerüst aufstellen und übte schriftlich ihr Vermieterpfandrecht aus. Das LG hat den Beklagten nach (Teil-)Erledigung der Räumungsklage zur Zahlung rückständiger Miete und Nutzungsentschädigung sowie zum Ersatz entgangener Miete verurteilt. Seine Berufung hatte geringfügigen Erfolg. |
Checkliste: Typische Streitpunkte rund um Kündigung und Abwicklung des Mietverhältnisses |
Ist der Vermieter keine natürliche Person, sondern – wie hier – als VVaG organisiert, muss der Mieter damit rechnen, dass einseitige Vertragserklärungen auch von Personen abgegeben werden können, die nicht zu den gesetzlichen Vertretern gehören. Kündigungen, die von einem (nicht als solchen) bezeichneten Vertreter ausgesprochen werden, sollten daher unverzüglich auf formelle Wirksamkeit überprüft werden, um die Rechte aus §§ 174, 180 BGB zu wahren. Das OLG hat dahinstehen lassen, ob die das Kündigungsschreiben unterzeichnenden Personen hierzu nach der Satzung der Klägerin berechtigt bzw. von vertretungsberechtigten Organen rechtsgeschäftlich bevollmächtigt waren. Nach allen in Betracht kommenden Varianten war die Kündigung wirksam:
Wird die Kündigung von einer hierzu nicht bevollmächtigten Person unterschrieben, ist sie regelmäßig unwirksam. Grund: Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft wie der Kündigung ist eine Vertretung ohne Vertretungsmacht nach § 180 S. 1 BGB grundsätzlich unzulässig. Ausnahmsweise findet jedoch gemäß § 180 S. 2 BGB§ 177 BGB auf empfangsbedürftige einseitige Willenserklärungen entsprechende Anwendung, wenn der Erklärungsempfänger die von dem Vertreter durch die Unterzeichnung des Schriftstücks konkludent behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht beanstandet (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 180, Rn. 1; a.A. OLG Celle ZMR 99, 237). Diese Voraussetzung hat das OLG bejaht.
Nach dem Sachverhalt hatte der Beklagte die Kündigungserklärung nach deren Zugang nicht unverzüglich wegen fehlender Vertretungsmacht der Unterzeichnenden beanstandet. Folge: Die analog § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksame Kündigung wurde rückwirkend mit der in der Erhebung der Räumungsklage konkludent liegenden Genehmigung gemäß §§ 185, 184 Abs. 2 BGB wirksam.
Soweit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung die rückwirkende Genehmigung einer rechtsgestaltenden Erklärung verneint wird, betrifft dies nach Auffassung des OLG Düsseldorf nur die Fälle, in denen die Gestaltungswirkung – anders als hier – innerhalb einer gesetzlichen Ausschlussfrist (BGH NJW 60, 1805: § 510 Abs. 2 BGB a.F.), erst nach Ablauf einer gesetzlichen bzw. tarifvertraglichen (BAG AP Nr. 24 zu § 626 BGB: § 626 Abs 2 BGB bzw. § 54 Abs 2 BAT) oder einer rechtsgeschäftlich gesetzten (Ausschluss-) Frist (BGHZ 143, 42: § 326 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB) eintreten konnte und eine konkludente Genehmigung jedenfalls nicht bis zum Ablauf der Frist erteilt worden ist. Das OLG folgt auch nicht der Ansicht des OLG Celle, das eine Anwendung des § 180 BGB auf eine fristlose Kündigungserklärung generell ablehnt. Grund: Der durch § 180 BGB bezweckte Schutz des Erklärungsempfängers vor einseitigen Rechtsgeschäften eines Vertreters besteht nicht unbeschränkt. Unter den dort ausdrücklich genannten Voraussetzungen konstatiert § 180 S. 2 BGB eine Ausnahme von dem in § 180 S. 1 BGB festgeschriebenen Grundsatz der Nichtigkeit einseitiger vollmachtloser Rechtsgeschäfte. Der Erklärungsempfänger hat es in der Hand, die Wirksamkeit einer ihm zugegangenen einseitigen Willenserklärung eines Vertreters zu prüfen und diese ggf. zurückzuweisen. Macht er hiervon keinen Gebrauch, nimmt er einen etwaigen Schwebezustand bewusst oder unbewusst in Kauf. Versäumt er es auch, den Geschäftsherrn analog § 177 Abs. 2 BGB zur Erklärung über die Genehmigung aufzufordern, kann er sich nach deren Erteilung im Nachhinein nicht mehr auf die fehlende Vertretungsmacht des Ausführenden berufen.
Als Zweitbegründung hat das OLG angenommen, dass dem Beklagten der Einwand fehlender Vertretungsmacht wegen seines mehr als 13-monatigen Schweigens nach Zugang der Kündigungserklärung auch unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung (§ 242 BGB) versagt ist.
Nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a BGB liegt ein wichtiger Grund für die außerordentliche fristlose Kündigung u.a. vor, wenn der Mieter mit der Zahlung eines nicht unerheblichen Teils der Miete für zwei aufeinander folgende Monate in Verzug ist. Für die Beurteilung, ob der Mietrückstand in diesem Sinne nicht mehr unerheblich ist, kommt es nicht auf die für den einzelnen Termin rückständige Miete, sondern auf den gesamten Mietrückstand an. Dieser ist nicht mehr unerheblich, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt (BGH ZMR 87, 289). Das war hier der Fall.
Nach § 543 Abs. 2 S. 3 BGB wird eine fristlose Kündigung unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt. Hier hatte sich der Beklagte auf angebliche Überzahlungen wegen fehlerhafter Mieterhöhung und Mängeln der Mietsache in einer den Mietrückstand übersteigenden Höhe berufen. Die hierin materiell-rechtlich zu sehende (konkludente) Aufrechnung konnte aber nicht die Unwirksamkeit der Kündigung bewirken. Die Aufrechnung war durch ein vertragliches Aufrechnungsverbot zulässig (OLG Düsseldorf MK 05, 194, Abruf-Nr. 052934) ausgeschlossen und die Gegenforderungen des Beklagten waren weder entscheidungsreif, unbestritten noch rechtskräftig festgestellt. Da das Aufrechnungsverbot auch nach Vertragsbeendigung und Rückgabe der Mietsache fortgilt (BGH WM 00, 240; OLG Düsseldorf WuM 00, 678; OLG Dresden OLGR 95, 67), hätte der Beklagte die rückständige Miete unter Vorbehalt zahlen müssen, um die Kündigung abzuwehren.
Das OLG hat dem Beklagten für das Loch in der Zwischendecke der Toilette gemäß § 536 Abs. 1 BGB eine Minderung von 10 Prozent von der Bruttomiete zugebilligt. Die hierdurch verursachte Gebrauchsbeeinträchtigung war im Wesentlichen optisch bedingt. Auf vorgelegten Fotos war erkennbar, dass die über dem Loch befindliche Betondecke geschlossen war, mithin keine Einblicke Dritter von oben in den Toilettenraum zuließ. Dass die Geruchsbelästigungen über den unmittelbar betroffenen Toilettenraum hinausgingen, hatte der Beklagte ebenso wenig spezifiziert wie den angeblichen Ungezieferbefall. Er konnte keinen einzigen Tag angeben, an dem es angeblich durch das Loch in der Decke zu einem Befall mit Ungeziefer gekommen ist, obwohl er täglichen Umgang mit empfindlichen Pelzen hatte.
Zwar kann der Vermieter gemäß § 546a Abs. 1 BGB für die Zeit ab Beendigung des Mietverhältnisses bis zur Rückgabe der Mietsache eine monatliche Nutzungsentschädigung i.H.d. vereinbarten Miete verlangen. Bei der Vorenthaltung einer Mietsache, deren Mietwert bei Beendigung des Mietverhältnisses gemindert war, richtet sich die Nutzungsentschädigung aber nach der geminderten Miete, da dieser Betrag die im Augenblick der Beendigung des Mietverhältnisses vereinbarte Miete war (BGH NJW-RR 90, 884). Folgerichtig hat das OLG der Klägerin für die Zeit bis zur Rückgabe des Ladenlokals wegen des fortbestehenden Toilettenmangels nur eine Nutzungsentschädigung i.H.d. um 10 Prozent geminderten Miete zuerkannt.
Nach Beendigung des Mietverhältnisses ist die Toilettenschüssel zerbrochen, und die Klägerin hat vor dem Ladenlokal ein Baugerüst zur Sanierung der Hausfassade aufstellen lassen. Hätte das Mietverhältnis fortbestanden, könnte hierdurch die Gebrauchstauglichkeit des Ladenlokals i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB nicht unerheblich eingeschränkt gewesen sein.
Dies gilt jedoch nicht für die Zeit zwischen Beendigung des Mietverhältnisses und Rückgabe der Mietsache. Das OLG nimmt unter Hinweis auf BGH LM Nr. 3a zu § 557 a.F. BGB an, dass der Mieter nicht geltend machen kann, während der Vorenthaltung sei eine weitere Verschlechterung des Mietobjekts eingetreten, die bei Fortbestehen des Mietverhältnisses eine weitere Minderung zur Folge gehabt hätte. Das beruht auf der zutreffenden Überlegung, dass den Vermieter nach Mietende keine Gebrauchsüberlassungspflicht mehr trifft (Sternel, PiG 35, 111, 124).
Eine Vorenthaltung i.S.d. § 546a BGB setzt voraus, dass der Mieter die Mietsache nicht zurückgibt und das Unterlassen der Herausgabe dem Willen des Vermieters widerspricht (BGH NZM 06, 12; OLG Düsseldorf MK 06, 27, Abruf-Nr. 060195). Hieran fehlt es, wenn der Vermieter durch sein Verhalten zu erkennen gibt, dass er die Mietsache nicht zurückhaben will.
Hiervon ist z.B. auszugehen, wenn der Vermieter im Rechtsstreit die Auffassung vertritt, die Kündigung des Mieters sei unwirksam (BGH ZMR 06, 116), mit einem Feststellungsantrag die Fortsetzung des Mietverhältnisses begehrt (OLG Düsseldorf 21.12.06, I-10 U 80/06), die Schlösser zu den Mieträumen austauscht, so dass der Mieter seine Sachen nicht entfernen kann (KG NJW-RR 06, 514) oder wenn der Mieter mit Zustimmung des Vermieters nach Beendigung des Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen in den Mieträumen vornimmt und zu diesem Zweck die Schlüssel wieder ausgehändigt bekommt (OLG Düsseldorf GE 06, 327; KG 12.5.03, 20 U 2/02; OLG München, WuM 02, 614).
Gleich steht der Fall, dass der Vermieter an den in den Mieträumen befindlichen Sachen des Mieters sein Vermieterpfandrecht geltend macht. Mit der Ausübung des Vermieterpfandrechts spricht der Vermieter gegenüber dem Mieter ein Entfernungsverbot aus. Damit widerspricht die Nichträumung gerade nicht dem Willen des Vermieters, und eine Vorenthaltung scheidet aus (KG GE 05, 613; OLG Düsseldorf DWW 06, 158). Im Streitfall hat der 10. Zivilsenat es ausreichen lassen, dass die Klägerin sich schriftlich auf ihr Vermieterpfandrecht berufen hatte und ihr bis zur Erhebung der Räumungsklage eine Nutzungsentschädigung versagt.
Endet ein befristetes Mietverhältnis – wie hier – vorzeitig aus vom Mieter zu vertretenden Gründen, muss der Mieter dem Vermieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB den Schaden ersetzen, der diesem als Folge des „Auflösungsverschuldens“ entsteht. Dieser beläuft sich auf den Betrag, den der Mieter bis zum Ende der vereinbarten Vertragsdauer oder bis zu einer Neuvermietung – sukzessiv fällig werdend – an Miete hätte zahlen müssen (BGH GuT 05, 113). Etwaige vom Vermieter ersparte Aufwendungen oder andere Vorteile, die er durch die vorzeitige Vertragsauflösung erlangt hat, sind anzurechnen. Zwar muss der Vermieter sich nach § 254 Abs. 2 BGB darum bemühen, den Schaden, ggf. durch anderweitige Vermietung, gering zu halten. Daraus folgt aber nicht die Verpflichtung, sofort um jeden Preis zu vermieten. Die Beweislast für einen Verstoß des Vermieters gegen seine Schadensminderungspflicht trägt der Mieter. Für die Darlegungslast gelten die in MK 05, 78 (Praxishinweis zu Ls. 2) beschriebenen Grundsätze. Hier lag zwischen Rückgabe der Mietsache und der Neuvermietung ein Zeitraum von nicht mehr als fünf Monaten. Dieser liegt noch innerhalb der Karenzzeit, die der Klägerin als Vermieterin hier einzuräumen war. Auch der BGH (a.a.O.) geht davon aus, dass sich aus einem Zeitraum von 8 ½ Monaten zwischen Räumung und Neuvermietung eine Vermutung, die Klägerin habe gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, nicht herleiten lässt.
Macht der Vermieter wegen vorzeitiger Beendigung des befristeten Mietvertrags einen Mietausfallschaden geltend, sind vorhandene und etwaige zwischen Beendigung des Mietverhältnisses und Neuvermietung eintretende Tauglichkeitsbeschränkungen – anders als im Rahmen des § 546a BGB – nach allgemeinen Schadensgrundsätzen ebenso zu berücksichtigen wie sie bei einem fortbestehenden Mietverhältnis zu berücksichtigen gewesen wären. Denn der Vermieter ist im Wege des Schadenersatzes nur so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung gestanden hätte. Folge: Als nicht mehrwertsteuerpflichtigen Schadenersatz kann der Vermieter grundsätzlich nur die ihm entgangene Nettomiete zzgl. Nebenkostenvorauszahlungen, abzüglich einer Minderung wegen bereits während der Mietzeit vorhandener oder nachträglich aufgetretener Mängel verlangen. Der Entscheidung BGH LM Nr. 3a zu § 557 BGB a.F. lässt sich für diesen Fall Gegenteiliges nicht entnehmen. |