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  • 29.03.2010 | Eigenbedarf

    Nichten und Neffen sind enge Verwandte

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Leibliche Nichten und Neffen des Vermieters sind kraft ihres nahen Verwandtschaftsverhältnisses zum Vermieter Familienangehörige i.S. von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB (BGH 27.1.10, VIII ZR 159/09, Abruf-Nr. 100747).

     

    Sachverhalt

    Die damals 85-jährige Klägerin vermietete ihre Eigentumswohnung ab 1.9.04 an die Beklagten. Mit Notarvertrag übertrug sie in 8/07 das Eigentum an der Wohnung - unter Nießbrauchsvorbehalt - auf ihre Nichte. Diese verpflichtete sich im Gegenzug, der Klägerin auf Lebenszeit den Haushalt in einem Seniorenstift zu versorgen und ihre häusliche Grundpflege zu übernehmen. Die Klägerin hat das Mietverhältnis in 3/08 wegen Eigenbedarfs für ihre Nichte gekündigt. Diese wolle in die Wohnung ziehen, sodass es ihr räumlich möglich sei, die vorstehende Pflegeverpflichtung persönlich zu erfüllen. Das AG hat die Klage abgewiesen und im Hinblick darauf, dass es die Eigenbedarfskündigung für gerechtfertigt gehalten hat, gemäß § 308a ZPO angeordnet, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien zu denselben Konditionen wie bisher auf unbestimmte Zeit, mindestens jedoch bis zum 31.8.09, fortgesetzt wird. Die Berufung der Klägerin war bis auf den ersatzlosen Wegfall der Fortsetzungsanordnung erfolglos. Auf ihre Revision hat der BGH die Beklagten zur Räumung verurteilt.  

     

    Entscheidungsgründe

    Die Eigenbedarfskündigung ist gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 573c Abs. 1 BGB wirksam. Nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses vor, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Der Senat hat entschieden, dass Geschwister des Vermieters kraft ihres nahen Verwandtschaftsverhältnisses privilegierte Familienangehörige i.S. von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind; zwischen Geschwistern besteht ein so enges Verwandtschaftsverhältnis, dass es keines zusätzlichen einschränkenden Tatbestandsmerkmals, wie etwa einer engen sozialen Bindung zum Vermieter, bedarf (MK 03, 114, Abruf-Nr. 031565 zu § 564b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB a.F.).  

     

    Nichten und Neffen des Vermieters gehören zwar nicht mehr zu den engsten Angehörigen wie Eltern, Kinder oder Geschwister, sie sind aber immer noch eng mit ihm verwandt und keine entfernte, nur weitläufig Verwandte. Das Gesetz erlaubt die Kündigung von Mietverhältnissen wegen des Wohnbedarfs von Familienangehörigen, weil es davon ausgeht, dass innerhalb der Familie aufgrund enger Verwandtschaft ein Verhältnis persönlicher Verbundenheit und gegenseitiger Solidarität besteht, das eine privilegierte Kündigung rechtfertigt. Vom Bestehen einer solchen familiären Verbundenheit und Solidarität, die nicht im Einzelfall nachgewiesen sein muss, ist nicht nur bei Geschwistern auszugehen, sondern auch bei deren Kindern, das heißt den leiblichen Nichten und Neffen des Vermieters. Grund: Deren generelle Einbeziehung in den Kreis der privilegierten Familienangehörigen ist vor dem Hintergrund anderer Regelungen der Rechtsordnung gerechtfertigt. Einen Anknüpfungspunkt dafür, wie weit der Kreis der Familienangehörigen in diesem Sinn zu ziehen ist, bieten die Regelungen über das Zeugnisverweigerungsrecht (§ 383 ZPO, § 52 StPO). Dort wird der Kreis der privilegierten Familienangehörigen - unabhängig vom tatsächlichen Bestehen persönlicher Bindungen - konkretisiert. Danach steht ein Zeugnisverweigerungsrecht neben Verlobten, Ehegatten und Lebenspartnern auch denjenigen zu, die mit einer Partei in gerader Linie verwandt oder verschwägert sind, sowie denjenigen, die in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren (§ 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO). Damit gehören auch Nichten und Neffen noch zu dem Personenkreis, dem allein aufgrund enger verwandtschaftlicher Beziehung ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Bei ihnen bedarf es deshalb - ebenso wie bei Geschwistern - keines zusätzlichen einschränkenden Tatbestandsmerkmals wie etwa einer engen sozialen Bindung zum Vermieter.