27.01.2010 | Genossenschaftswohnung
Keine absolute Pflicht zur Gleichbehandlung der Genossenschaftsmieter
von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf
Zum genossenschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz im Fall eines Mieterhöhungsverlangens nach § 558 BGB nur gegenüber einem einzelnen Mitglied der Genossenschaft (BGH 14.10.09, VIII ZR 159/08, Abruf-Nr. 094008). |
Sachverhalt
Im Herbst 05 modernisierte die Beklagte die Fenster der Wohnanlage und führte Sanierungsarbeiten an den Balkonen durch. Deswegen minderte die Klägerin - als einziges Genossenschaftsmitglied - die Grundmiete für 11/05 um 50 Prozent. Die Beklagte appellierte vergeblich an die Klägerin im Hinblick auf den genossenschaftlichen Grundgedanken auf eine Minderung zu verzichten und wies zugleich darauf hin, dass sie in der Regel von einer (Modernisierungs-) Mieterhöhung für ihre Mitglieder absehe. Mitglieder, die auf ihrem Mietminderungsrecht bestünden, müssten jedoch mit einer solchen rechnen. Da die Klägerin auf der Minderung beharrte, verlangte die Beklagte von ihr vergeblich die Zustimmung zu einer Anhebung der Grundmiete. Die Zustimmungs-Widerklage der Beklagten war in allen Rechtszügen erfolgreich.
Entscheidungsgründe/Praxishinweis
Bei dem zwischen einer Genossenschaft und einem Mitglied geschlossenen Dauernutzungsvertrag über eine Wohnung handelt es sich der Sache nach um einen Mietvertrag (BGH MK 03, 181 Abruf-Nr. 032375). Das Zustimmungsverlangen der Beklagten ist demgemäß nach § 558 BGB zu beurteilen. Dessen formelle und materielle Voraussetzungen sind erfüllt. Die Besonderheit des Streitfalls besteht darin, dass die Beklagte die Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung lediglich von der Klägerin nicht aber von den übrigen Mitgliedern verlangt. Wegen dieser „Ungleichbehandlung“ muss die Zustimmungsklage scheitern, wenn die Beklagte die Klägerin nach dem genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatz so zu stellen hat, wie die anderen Genossen. Umgekehrt ist die Zustimmungsklage begründet, wenn das genossenschaftliche Gebot zur Gleichbehandlung im Verhältnis zur Klägerin nicht anzuwenden ist.
Der BGH verhilft der Zustimmungsklage zum Erfolg. Diese verstößt weder gegen den genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen die genossenschaftliche Treuepflicht der Beklagten. Grund: Der genossenschaftliche Gleichheitsgrundsatz ist keine Einbahnstraße. Er gilt nicht nur für die sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Beziehungen zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern, sondern auch für die Rechte und Pflichten, die sich für die einzelnen Mitglieder aus der Inanspruchnahme von Genossenschaftseinrichtungen ergeben. Ein verschiedenes Ausmaß dieser Inanspruchnahme kann auch zu einer unterschiedlichen Belastung der Mitglieder führen, wenn nur der Maßstab dafür gleich ist (BGH NJW 60, 2142). Das heißt: Die rechtliche Gleichstellung der Mitglieder ist nicht absolut. Die Genossenschaft und ihre Organe dürfen unterschiedlichen Verhältnissen Rechnung tragen und zwischen den Mitgliedern nach sachlichen Kriterien in angemessener Weise differenzieren (Nachweise Urteilsgründe Tz. 12).
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