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  • · Fachbeitrag · Mieterhöhungsverlangen

    Allgemein zugängliche Mietspiegel müssen nicht beigefügt werden

    von RiOLG a. D. Günther Geldmacher, Düsseldorf

    | Gehört es zu den formellen Voraussetzungen eines Mieterhöhungsverlangens, dass der Vermieter diesem den in Bezug genommenen Mietspiegel beifügt? Hierüber musste jetzt der BGH entscheiden. |

     

    Sachverhalt

    Der Beklagte ist Mieter einer circa 80 qm großen Dreizimmerwohnung. Die klagende Vermieterin forderte den Beklagten erfolglos auf, einer Erhöhung der seit Mietbeginn vereinbarten Nettokaltmiete (490 EUR) um 73,50 EUR (= 15 Prozent) auf 563,50 EUR zuzustimmen. Das Erhöhungsschreiben nahm Bezug auf den Nürnberger Mietspiegel 2018 und enthielt den Hinweis, dass dieser beim Vermieter eingesehen werden könne, sowie folgende Darstellung der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete:

     

    • So ermittelte die Vermieterin die Vergleichsmiete
    Wohnfläche ca.:
    Basis-Nettokaltmiete je qm Basis-Nettokaltmiete je Monat
    80 qm
    8,01 EUR
    640,80 EUR

    Altstadtlage

    4 %

    Baujahr 1957

    - 1 %

    Kein Balkon

    - 3 %

    Keine Sprechanlage

    - 2 %

    Ergebnis

    - 2 %

    - 0,16 EUR

    = - 12,82 EUR

    Vergleich Nettokaltmiete je qm

    7,85 EUR

    Vergleich Nettokaltmiete gesamt je Monat

    627,98 EUR

     

    Alle Instanzen haben die Zustimmungsklage als unzulässig abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg (7.7.21, VIII ZR 167/20, Abruf-Nr. 224894).

     

    Entscheidungsgründe

    Das Berufungsgericht hat das Vorliegen der formellen Voraussetzungen des Erhöhungsverlangens nach § 558a BGB rechtsfehlerhaft verneint. Nach § 558 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Vermieter die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert geblieben ist. Nach § 558a Abs. 1 BGB ist das Erhöhungsverlangen dem Mieter in Textform (§ 126b BGB) zu erklären und zu begründen, wobei nach § 558a Abs. 2 Nr. 1 BGB zur Begründung auf einen Mietspiegel Bezug genommen werden kann.

     

    Beachten Sie | Die Begründung soll dem Mieter ‒ auch im Interesse einer außergerichtlichen Einigung zur Vermeidung überflüssiger Prozesse ‒ die Möglichkeit eröffnen, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen und sich darüber schlüssig zu werden, ob er dem Erhöhungsverlangen zustimmt oder nicht (Nachweise Urteilsgründe Tz. 21).

     

    Hierfür ist erforderlich, dass die Begründung dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens gibt. Dieses muss in formeller Hinsicht Angaben über die Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (Nachweise Urteilsgründe Tz. 22). Bei Bezugnahme auf einen Mietspiegel (§ 558a Abs. 2 Nr. 1, §§ 558c, 558d BGB) muss die Begründung die Angaben zur Wohnung enthalten, die nach diesem Mietspiegel für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete bestimmend sind (Nachweise Urteilsgründe Tz. 23).

     

    Der von der Klägerin in Bezug genommene Nürnberger Mietspiegel 2018 bildet die ortsübliche Vergleichsmiete ab, indem er zunächst eine ‒ allein anhand der Wohnfläche zu bestimmende ‒ Basismiete ausweist (Tabelle 1), dann konkrete Merkmale betreffend Baujahr, Ausstattung und Lage benennt, die einen der Höhe nach vorgegebenen Ab- bzw. Zuschlag rechtfertigen (Tabelle 2), und schließlich von einer für alle Wohnungen gleichermaßen geltenden Mietpreisspanne von +/- 20 Prozent um den auf diese Weise ermittelten Tabellenwert (= Mittelwert) ausgeht (Tabelle 3).

     

    Die Klägerin hat in dem Erhöhungsschreiben alle danach maßgeblichen Merkmale der Wohnung benannt, um die ortsübliche Vergleichsmiete anhand des Mietspiegels zu ermitteln: namentlich die Wohnfläche (hier: 80 qm) sowie die Merkmale, die aus Sicht der Klägerin Zu- bzw. Abschläge in der jeweils vorgegebenen Höhe rechtfertigen (hier: Altstadtlage [+ 4 Prozent], Baujahr 1957 [- 1 Prozent], kein Balkon [- 3 Prozent] und keine Sprechanlage [- 2 Prozent]). Da die Bestimmung der konkreten Mietpreisspanne ausschließlich von dem sich aus diesen Daten ergebenden Tabellenwert und nicht etwa von weiteren Faktoren abhängt, wird dem Beklagten durch jene Angaben die (ansatzweise) Überprüfung der Berechtigung der Mieterhöhung ermöglicht.

     

    MERKE | In einem solchen Fall ist es nicht erforderlich, dass dem Erhöhungsverlangen der vom Vermieter herangezogene Mietspiegel beigefügt wird oder das Schreiben die nach diesem Mietspiegel gegebene Mietpreisspanne aufführt bzw. wenigstens auf das Bestehen einer solchen Spanne hinweist.

     

    Ob die Klägerin ‒ wie der Beklagte einwendet ‒ die auf der Grundlage der Wohnfläche zu bestimmende Basismiete fehlerhaft ermittelt hat, ist ein inhaltlicher Fehler, der die Wahrung der Förmlichkeiten des Erhöhungsverlangens nach § 558a BGB nicht berührt.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der BGH knüpft hinsichtlich der formellen Voraussetzungen des Erhöhungsverlangens an seine Entscheidung BGH MK 08, 55 an. Er hält entgegen der Auffassung des LG daran fest, dass der vom Vermieter zur Begründung des Erhöhungsverlangens herangezogene Mietspiegel dem Erhöhungsschreiben nicht beigefügt werden muss, wenn dieser ‒ wie hier ‒ etwa durch Veröffentlichung im Amtsblatt allgemein zugänglich ist (Nachw. Urteilsgründe Tz. 28).

     

    MERKE | Dem Informationsinteresse des Mieters ist selbst dann genügt, wenn der Mietspiegel gegen eine geringe Schutzgebühr (ca. 3 EUR) bei Mieter- oder Vermietervereinen für jedermann erhältlich ist oder der Vermieter ihm eine (wohnortnahe) Einsicht ermöglicht (z. B. örtliches Büro der Hausverwaltung).

     

    In diesen Fällen ist es dem Mieter zumutbar, zur Prüfung des Mieterhöhungsverlangens auf den ihm ‒ wenngleich unter gewissen Mühen bzw. nur gegen einen geringfügigen Kostenaufwand ‒ zugänglichen Mietspiegel zuzugreifen.

     

    Dem Beklagten war es hier also zuzumuten, sich den zugänglichen Mietspiegel der Stadt Nürnberg zu beschaffen. Er hätte nach Einsichtnahme das Bestehen und ‒ mit schlichter Prozentrechnung ‒ die Größenordnung der Mietpreisspanne bestimmen können. Es bedurfte deshalb weder der konkreten Bezifferung dieser Spanne noch eines ausdrücklichen Hinweises auf das Vorliegen einer Spanne in dem Erhöhungsschreiben selbst.

     

    Beachten Sie | Der BGH weist noch en passant darauf hin, dass gemäß seiner inzwischen geänderten Rechtsprechung die Einhaltung der Förmlichkeiten des Verfahrens auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung durch den Vermieter nach § 558a BGB dem materiellen Recht zuzuordnen ist und deshalb ‒ anders als die Instanzgerichte angenommen haben ‒ die Begründetheit und nicht die Zulässigkeit der Klage betrifft (MK 20, 143, Abruf-Nr. 216113).

    Quelle: Ausgabe 12 / 2021 | Seite 223 | ID 47727791