28.06.2010 | Vertragsgemäßer Gebrauch
Auch bei einem unsanierten Altbau hat der Mieter Gewährleistungsrechte
von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf
1. Ein baufälliger und damit praktisch nicht nutzbarer Balkon oder ein vollständig „abgängiger“ Fußboden sind auch bei einem (unsanierten) Altbau nicht vertragsgemäß. |
2. Die Klausel in einem Wohnraummietvertrag, „Zu Instandsetzungen jeglicher Art, baulichen oder sonstigen Änderungen und neuen Einrichtungen bedarf der Mieter der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Vermieters. Eigenmächtiges Handeln verpflichtet den Vermieter aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Übernahme der Kosten und berechtigt den Mieter nicht zu Aufrechnung oder Zurückbehaltung“, ist gemäß § 307 Abs. 2 BGB unwirksam. |
(BGH 10.2.10, VIII ZR 343/08, Abruf-Nr. 101004) |
Sachverhalt
Der Formularmietvertrag enthält die in LS. 2 genannte Klausel. Der Beklagte hat u.a. die Aufrechnung mit (streitigen) Gegenforderungen wegen der von ihm vorgenommenen Sanierung des Balkons und der Erneuerung des PVC-Bodens erklärt. Der BGH hat die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das LG zurückverwiesen.
Praxishinweis
Gemäß § 536a Abs. 2 BGB kann der Mieter einen Mangel, mit dessen Beseitigung sich der Vermieter in Verzug befindet, selbst beheben und vom Vermieter Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. Ein Mangel ist eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand. Wenn die Parteien über die Geltung eines bestimmten Standards keine Abrede getroffen haben, betrifft die Frage, auf welche Standards abzuheben ist, die Auslegung des Begriffs „vertragsmäßiger Gebrauch“ i.S. von § 536 Abs. 1 BGB. Der BGH hat hierzu den Grundsatz aufgestellt, dass bei Fehlen ausdrücklicher Parteiabreden jedenfalls die Einhaltung der maßgeblichen technischen Normen geschuldet ist. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei der Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen (BGH MK 09, 174, Abruf-Nr. 092406), wobei Veränderungen der Anschauungen über den vertragsgemäßen Standard oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse im Einzelfall zu einer Vertragsanpassung führen können (BGH MK 06, 134, Abruf-Nr. 061846; MK 06, 170, Abruf-Nr. 062017). Handelt es sich - wie hier - um einen nicht sanierten Altbau, muss der Wohnstandard nicht den Ausstattungsstandard eines modernisierten Alt- oder eines Neubaus aufweisen. Dies schließt gleichwohl die Berufung des Mieters auf einen Mangel nicht aus.
In der Gerichtspraxis wird häufig vorschnell angenommen, ein bei Vertragsschluss vorhandener schlechter Zustand der Mietsache (z.B. des Fußbodens) könne in der Folge keine Gewährleistungsrechte des Mieters mehr auslösen. Der BGH tritt dem zu Recht entgegen. Grund: Andernfalls wären dem Mieter, der eine Wohnung mit „gebrauchter Ausstattung“ anmietet und vorhandene Gebrauchsspuren als vertragsgemäß akzeptiert, jegliche Gewährleistungsansprüche auch bei weiterem nach langjähriger Mietdauer eingetretenem (vollständigen) Verschleiß der Mietsache abzusprechen.
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