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  • · Fachbeitrag · Schönheitsreparaturen

    BGH definiert Erhaltungslast des Vermieters bei Übergabe einer unrenoviert überlassenen Wohnung

    von RiOLG a. D. Günther Geldmacher, Düsseldorf

    | Eine Schönheitsreparaturklausel ist unwirksam, wenn dem Mieter ohne angemessene Kompensation eine unrenovierte Wohnung überlassen wird. Welche Folgen hat dies für die Erhaltungslast des Vermieters? Kann der Mieter bei Bedarf eine Neurenovierung der Wohnung auf Kosten des Vermieters verlangen oder muss er sich an den Kosten der Renovierung beteiligen? Oder trifft keine Partei eine Renovierungspflicht? Der Fall des LG Berlin (GE 18, 713) gibt dem BGH Gelegenheit, diese Fragen zu klären. |

    Sachverhalt

    Die Kläger mieteten 2002 von der Beklagten eine unrenovierte Wohnung. Formularmäßig waren ihnen die Schönheitsreparaturen auferlegt. Wegen einer gegenüber dem Überlassungszustand dekorativen Verschlechterung der Wohnung forderten sie die Beklagte unter Übersendung eines Kostenvoranschlags im März 2016 vergeblich auf, im Einzelnen bezeichnete Renovierungsmaßnahmen (Tapezieren, Anstricharbeiten) ausführen zu lassen. Die Klage wird in den Instanzen abgewiesen. Die Revision hat Erfolg.

     

    • a) An die Stelle einer nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksamen Klausel zur Durchführung von Schönheitsreparaturen durch den Mieter bei einer ohne angemessenen Ausgleich unrenoviert bzw. renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung tritt nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Regelung des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB.

     

    • b) Die hiernach den Vermieter treffende Instandhaltungslast ‒ vorliegend die Ausführung von Schönheitsreparaturen ‒ bestimmt sich nach dem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand; dies kann auch der unrenovierte beziehungsweise renovierungsbedürftige Zustand der Wohnung zum Zeitpunkt ihrer Überlassung sein. Bei einer wesentlichen Verschlechterung des anfänglichen Dekorationszustandes kommt ein Instandhaltungsanspruch des Mieters in Betracht. Da die (Wieder-)Herstellung dieses ursprünglichen Dekorationszustands der Wohnung in der Regel nicht praktikabel, zumindest aber wirtschaftlich nicht sinnvoll ist und deshalb nicht im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien liegt, ist in diesen Fällen allein eine Durchführung von Schönheitsreparaturen sach- und interessengerecht, durch welche der Vermieter die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt. Mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann der Mieter eine solche Renovierung verlangen, muss sich aber wegen der dadurch bewirkten Besserstellung gegenüber dem unrenovierten (vertragsgemäßen) Zustand bei Mietbeginn in angemessenem ‒ in der Regel hälftigem ‒ Umfang an den erforderlichen Kosten beteiligen.

    (Abruf-Nr. 216764)

     

    Entscheidungsgründe

    An die Stelle der unwirksamen Schönheitsreparaturklausel tritt gemäß § 306 Abs. 2 BGB die dispositive gesetzliche Bestimmung des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB.

     

     

    Beachten Sie | Fehlen ‒ wie hier ‒ Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache, wird der zu erhaltende vertragsgemäße Zustand unter Beachtung des vereinbarten Nutzungszwecks, hier die Nutzung als Wohnung, und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt. Ist ‒ wie hier ‒ die Mietsache selbst betroffen, ergibt sich der geschuldete vertragsgemäße Gebrauch bereits im Wege der Gesetzesauslegung des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Es bedarf also nicht des Rückgriffs auf eine ergänzende Auslegung des Mietvertrags.

     

    Hiernach ist der ‒ unrenovierte ‒ Zustand der Wohnung bei Überlassung an die Mieter der vertragsgemäße „Soll-Zustand“. Dieser hat sich im Verlauf der Mietzeit wesentlich verschlechtert. In dieser für die Kläger negativen Abweichung vom vertragsgemäßen Zustand liegt ein Mangel. Ihn muss die Beklagte beseitigen. Einem Mieter, der eine Wohnung mit „gebrauchter Dekoration“ anmietet und bereits vorhandene Gebrauchsspuren als vertragsgemäß akzeptiert, sind nicht allein deswegen jegliche Erhaltungs- und Gewährleistungsansprüche infolge eines weiteren Verschleißes abzusprechen. Denn auch eine bereits renovierungsbedürftige Wohnung kann noch weiter abgenutzt werden.

     

    PRAXISTIPP | Der Mieter kann nach § 536a Abs. 2 BGB als Vorschuss nur den Betrag verlangen, der zur Mangelbeseitigung erforderlich ist. Es muss sich somit um Aufwendungen handeln, die er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt für angemessen halten darf. Darunter fallen solche Kosten, die nach vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise nötig und zweckmäßig sind.

     

    Beachten Sie | Die (Wieder-)Herstellung des ursprünglichen Dekorationszustands der Wohnung ist i. d. R. nicht praktikabel, zumindest aber wirtschaftlich nicht sinnvoll. Daher liegt diese nicht im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien. In diesen Fällen sind nur Schönheitsreparaturen sach- und interessengerecht, durch die der Vermieter die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt. Durch die nach Vorstehendem allein sachgerechte umfassende Renovierung werden allerdings nicht nur die vom derzeitigen Mieter bewirkten ‒ von ihm grundsätzlich nicht zu vertretenden (§ 538 BGB) ‒ Gebrauchsspuren beseitigt, sondern auch die aus dem Zeitraum vor dem gegenwärtigen Mietverhältnis. Der Mieter erhält damit eine Wohnung, die einen Dekorationszustand aufweist, der über den vertraglich seitens des Vermieters geschuldeten Zustand hinausgeht.

     

    Deshalb muss sich der Mieter regelmäßig an den Kosten der Renovierung in angemessenem Umfang beteiligen. Allein mit diesem Inhalt besteht der Anspruch des Mieters. Denn das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Schranke des Anspruchs. Damit kann sich ein Vermieter nicht mit Erfolg darauf berufen, ihm sei die Wiederherstellung des unrenovierten Anfangszustands unmöglich, sodass ein Anspruch des Mieters auf Vornahme von Schönheitsreparaturen ausgeschlossen sei (§ 275 Abs. 1 BGB). Vielmehr ist der unter Beachtung der vorstehend dargestellten Maßstäbe von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegebene Anspruch des Mieters vom Vermieter erfüllbar.

     

    MERKE | Den Umfang der Kostenbeteiligung im Einzelfall zu bestimmen, ist Sache des Tatrichters, der von der ihm nach § 287 Abs. 2 ZPO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen kann. Unter angemessener Berücksichtigung der wechselseitigen Interessenlage von Vermieter und Mieter wird es in der Regel sachgerecht sein, die Kosten hälftig zu teilen, soweit nicht im Einzelfall Besonderheiten vorliegen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung wirft viele ungelöste Fragen auf. Der BGH versucht, die Folgen seiner Paukenschlag-Entscheidung vom 18.3.15 (MK 15, 95, Abruf-Nr. 176742) für den Vermieter abzumildern. Denn der ist wegen der Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel nach § 306 Abs. 2 BGB i. V. m. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB instandhaltungspflichtig. Allerdings geht dieser Weg über § 242 BGB zum Nachteil des Mieters:

     

    • BGH zu § 242 BGB

    Der BGH verneint jegliche Auswirkung der unwirksamen Renovierungsklausel auf die Verteilung der Schönheitsreparaturlast. Er billigt dem Mieter zwar auch bei einer unrenoviert übernommenen Wohnung einen Anspruch auf Komplettrenovierung zu. Zugleich verlangt er aber, dass sich dieser nach dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) an der Besserstellung beteiligt. Hierzu ist im Einzelfall eine angemessene Kostenquote ‒ i. d. R. Regel hälftig ‒ festzustellen, mit der sich der Mieter beteiligen muss. Macht er einen Vorschuss geltend oder verlangt er Ersatz seiner aufgewendeten Kosten, ist sein Anspruch von vornherein auf diese Höhe begrenzt. Wegen dieses Kostenrisikos werden viele Mieter auf eine Inanspruchnahme des Vermieters verzichten und nicht oder ggf. in Eigenleistung renovieren.

     

    Renovierungspflicht nur bei wesentlicher Verschlechterung

    Die unwirksame Schönheitsreparaturklausel hat nicht zur Folge, dass nun ohne Weiteres der Vermieter ‒ ungeachtet des zu Mietbeginn als vertragsgemäß übernommenen unrenovierten Zustands der Wohnung ‒ jegliche Schönheitsreparatur auszuführen hätte.

     

    Beachten Sie | Insoweit hält der BGH daran fest, dass der vom Vermieter zu erhaltende vertragsgemäße Zustand, soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, unter Beachtung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt wird (zuletzt BGH MK 20, 157, Abruf-Nr. 216204).

    MERKE | Hat der Mieter die unrenovierte Wohnung vor Abschluss des Mietvertrags besichtigt und wird sie ihm in diesem Zustand überlassen, entspricht der unrenovierte Dekorationszustand dem Sollzustand und löst nur bei einer wesentlichen Verschlechterung (BGH NJW 87, 2575) die gesetzliche Erhaltungspflicht des Vermieters aus.

     

    Den unrenovierten Zustand bei Mietbeginn wiederherzustellen ist in der Regel ‒ technisch mag dies in Einzelfällen anders sein ‒ weder praktikabel noch wirtschaftlich sinnvoll, sodass die Erhaltungspflicht auf eine Neurenovierung hinausläuft, die den Mieter besserstellt als bei Anmietung der Wohnung.

     

    Beachten Sie | Die wesentliche Verschlechterung des Istzustands gegenüber der zu Mietbeginn vorhandenen Dekoration ist im Streitfall beweisbar festzustellen. Der BGH macht hierzu keine Ausführungen. Verlangt der Mieter vom Vermieter, die Schönheitsreparaturen auszuführen oder ‒ wie hier ‒ einen Vorschuss für deren Selbstvornahme aus § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast. Er muss den malermäßigen Zustand der Wohnung im Zeitpunkt ihrer Überlassung sowie den Istzustand im Zeitpunkt des Ausführungsverlangens darlegen und beweisen. Streit ist vorprogrammiert.

     

    PRAXISTIPP | Vermieter/Mieter sollten deshalb den Zustand der Wohnung bei Mietbeginn in einem Übergabeprotokoll sorgfältig dokumentieren. Hilfreich sind auch aussagekräftige Fotos.

     

    Ob der Mieter sich unter Umständen mehrmals an den Dekorationskosten beteiligen muss, ist ungeklärt. Durch die Entscheidung des BGH wird der „vertragsgemäße Zustand“ m. E. nicht geändert. Auch nach der mit Kostenbeteiligung des Mieters ausgeführten (ersten) Neudekoration muss der Vermieter künftig nur den unrenovierten Zustand wie bei Vertragsschluss als vertragsgemäß erhalten. Das heißt: Die Erhaltungspflicht des Vermieters wird als eine in die Zukunft gerichtete Dauerpflicht nur erneut fällig, wenn sich der dekorative Wohnungszustand gegenüber dem Zustand bei Vertragsschluss wiederum wesentlich verschlechtert hat. Bei wertender Betrachtungsweise und unter Beachtung des mietvertraglichen Äquivalenzverhältnisses folgt deshalb aus § 242 BGB, dass sich der Mieter, der die Erhaltungspflicht des Vermieters wiederholt einfordert, dann auch angemessen an den Kosten beteiligen muss.

     

    Kosten, wenn Mieter Schönheitsreparaturen dulden muss

    Fraglich ist ferner, ob der Mieter sich an den Renovierungskosten beteiligen muss, wenn der Vermieter seinerseits von ihm verlangt, die Ausführung der Schönheitsreparaturen zu dulden (§ 555a BGB). Allein, dass der Vermieter ein legitimes Interesse daran hat, sein Eigentum in Schuss zu halten, ist kein belastbares Argument, den Mieter über § 242 BGB mit von ihm vertraglich nicht geschuldeten anteiligen Dekorationskosten zu belasten (Zehelein, NZM 20, 709; a. A. Arzt, „Zurückfallende Dekorationslast auf den Vermieter ‒ Ein später Bumerang für den Mieter“ unter 2b), abrufbar unter www.mietgerichtstag.de, Download Vorträge 2020). Da der BGH die Neudekoration der Instandhaltungspflicht zuordnet, dürfte bezüglich der Besserstellung des Mieters auch eine Mieterhöhung wegen Teilmodernisierung nach §§ 555b, 559 BGB ausscheiden.

     

    Einwände des Mieters zum Kostenanteil

    Problematisch ist zudem die Höhe des auf den Mieter entfallenden Kostenanteils. Kann der Mieter gegenüber der vom Vermieter vorgelegten Fachhandwerkerrechnung einwenden, dass er die Schönheitsreparaturen bei wirksamer Abwälzung in Eigenleistung hätte erbringen können? Dann könnte der Vermieter als Kostenbeteiligung nur den Betrag verlangen, den der Mieter billigerweise neben einem Einsatz an freier Zeit als Kosten für notwendiges Material sowie als Vergütung für die Arbeitsleistung seiner Helfer aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis hätte aufwenden müssen (so BGH MK 09, 145, Abruf-Nr. 092225, bei rechtsgrundlos erbrachter Mieterleistung).

     

    Wichtig | Auf den Fall, dass dem Mieter eine renovierte Wohnung überlassen ist, die Schönheitsreparaturklausel aber aus anderen Gründen an § 307 BGB scheitert (z. B. Starre-Fristen-Klausel), ist die Entscheidung des BGH nicht anzuwenden. Hier muss der Vermieter ohne Kostenbeteiligung des Mieters bei Bedarf renovieren, auch wenn die Mietsache erhöhte Abnutzung z. B. infolge vertragsgemäßen Rauchens aufweist. Auch wenn ein bei Mietbeginn bereits abgenutzter Wohnungsbestandteil wegen eingetretener Verschlechterung nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB erneuert bzw. ausgetauscht werden muss (z. B. Teppichboden, abgenutzte Badewanne), ist der Vermieter uneingeschränkt einstandspflichtig.

     

    Beachten Sie | In einer weiteren Entscheidung vom selben Tag (BGH 8.7.20, VIII ZR 270/18, Abruf-Nr. 216765) mit ähnlichem Sachverhalt bestätigt der BGH diese Grundsätze. Hier hatte der Mieter keinen Vorschuss eingeklagt, sondern von seinem Vermieter (im Wege der in den Instanzen erfolgreichen Widerklage) verlangt, die erforderlichen Malerarbeiten auszuführen. Die Revision hatte auch hier Erfolg, weil die Instanzgerichte nicht erkannt haben, dass der Mieter sich an den Kosten in angemessenem ‒ regelmäßig hälftigem ‒ Umfang beteiligen muss.

     

    PRAXISTIPP | Der für Schönheitsreparaturen in Anspruch genommene Vermieter kann dem Mieter ‒ vergleichbar einem Zurückbehaltungsrecht ‒ entgegenhalten, dieser müsse sich an den erforderlichen Kosten beteiligen. Das setzt voraus, dass der Vermieter diese Kosten substanziiert beziffert. Der Mieter kann im Klageverfahren ‒ vor allem zur Vermeidung eines teilweisen Unterliegens ‒ seiner Kostenbeteiligungspflicht nachkommen, indem er die Vornahme der Schönheitsreparaturen (nur) Zug um Zug gegen Zahlung seines Kostenbeitrags verlangt.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2020 | Seite 196 | ID 46859635