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  • 09.11.2010 | Verwertungskündigung

    BGH erleichtert den Grundstückserwerb zum Zwecke der Neuerrichtung nach Abriss

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    1. Eine wirtschaftliche Verwertung ist angemessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB, wenn sie von vernünftigen, nachvollziehbaren Erwägungen getragen wird.  
    2. Die Beurteilung der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand eines Mietvertrags erhebliche Nachteile entstehen und er deshalb zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt ist, ist vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) und damit des grundsätzlichen Bestandsinteresses des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, vorzunehmen. Die hierzu erforderliche Abwägung entzieht sich einer generalisierenden Betrachtung; sie lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der konkreten Situation des Vermieters treffen.  
    3. Ist wegen des Alters und schlechten baulichen Zustands eines Gebäudes gemessen an üblichen Wohnverhältnissen eine „Vollsanierung“ oder ein Abriss mit anschließender Errichtung eines Neubaus geboten, kann ein erheblicher Nachteil des Vermieters im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB darin liegen, dass er anderenfalls auf notdürftige Maßnahmen („Minimalsanierung“) verwiesen ist, die weder zu einer nachhaltigen Verbesserung noch zur Verlängerung einer verhältnismäßig geringen Restlebensdauer des Gebäudes (hier 15 bis 20 Jahre) führen.  
    (BGH 28.1.09, VIII ZR 8/08, Abruf-Nr. 090721)

     

    Sachverhalt

    Der Beklagte ist seit 1981 Mieter einer Wohnung in einem 1914 errichteten Gebäude, das nach Vornahme von Umbauten seit Jahrzehnten als Mehrfamilienhaus genutzt wird und sich in innenstadtnaher Wohnlage befindet. Die Klägerin hat das Objekt Anfang 05 für 653.500 EUR erworben und danach sämtlichen Mietern zum 31.1.06 gekündigt. Sie plant - baurechtlich genehmigt - den Abriss des bestehenden sanierungsbedürftigen Gebäudes und die Neuerrichtung einer Wohnanlage mit sechs Eigentumswohnungen. Sie bietet die projektierten Eigentumswohnungen bereits zum Kauf an. Die Revision des Beklagten gegen das der Räumungsklage stattgebende Berufungsurteil war erfolglos.  

     

    Praxishinweis

    Der Räumungsanspruch der Klägerin (§ 546 Abs. 1 BGB) setzt voraus, dass das Mietverhältnis durch die Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB beendet worden ist. Ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt danach vor, wenn der Vermieter durch dessen Fortsetzung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert wird und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde.  

     

    Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird eine Sache wirtschaftlich verwertet, wenn der ihr innewohnende materielle Wert realisiert wird. Dies geschieht in erster Linie durch Vermietung und Veräußerung (vgl. BVerfGE 79, 283). Anders als der ersatzlose Abriss eines Gebäudes stellt auch der mit einem Neubau gekoppelte Abriss des Gebäudes eine wirtschaftliche Verwertung i.S. des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar (BGH NJW 04, 1736). Hieran hält der VIII. Senat fest. Diese ist angemessen, wenn sie von vernünftigen, nachvollziehbaren Erwägungen getragen wird (MüKo/Häublein, BGB, 5. Aufl., § 573 Rn. 88; Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 573 Rn. 131; AnwK/Hinz, BGB, § 573 Rn. 58).