01.01.2006 | WEG
Teilrechtsfähigkeit der WEG-Gemeinschaft: Das sind die wichtigsten Konsequenzen
von RA, Dipl.-Finanzwirt Hermann Kahlen, FA StR, Senden/Westf.
Seit der Teilrechtsfähigkeits-Entscheidung des BGH (MK 05, 147 und 168, Abruf-Nr. 051926) herrscht Unsicherheit im Hinblick auf ihre konkreten materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Konsequenzen. Die folgenden Checklisten fassen die wichtigsten Problembereiche zusammen.
Checkliste 1: Rechtsfähigkeit der WEG-Gemeinschaft – die materiell-rechtlichen Konsequenzen |
- Erbfähigkeit: Die Erbfähigkeit der WEG-Gemeinschaft ist zurzeit noch nicht geklärt.
- Forderungsinhaber: Die WEG-Gemeinschaft ist für die Forderungen, die der Gemeinschaft zustehen, Forderungsinhaberin und auch -schuldnerin. Insoweit geht es um das so genannte Verwaltungsvermögen. Dazu gehören z.B. Wohngeldschulden aus beschlossenen Abrechnungen und Wirtschaftsplänen, ebenso Forderungen aus Sonderumlagen. Außerdem sind Forderungen gegenüber Banken wegen bestehender Gemeinschaftskonten oder ähnlichem umfasst.
- Gesamtschuld: Eine gesamtschuldnerische Haftung der Eigentümer neben der Gemeinschaft kommt nach dem BGH (a.a.O.) nur in Betracht, wenn diese sich neben der Gemeinschaft auch klar und eindeutig persönlich verpflichtet haben.
- Gesellschaftsrecht: Die Gemeinschaft kann – soweit es um ihre eigenen Interessen geht – Mitglied eines Verbands sein.
- Grundbuch: Die Gemeinschaft kann als Gläubigerin einer Zwangshypothek in das Grundbuch eingetragen werden.
- Haftung: Die WEG-Gemeinschaft haftet mit ihrem Verwaltungsvermögen.
- Insolvenzfähigkeit: Ob die WEG-Gemeinschaft insolvenzfähig ist, ist zurzeit noch nicht geklärt.
- Mängel: Wenn die Gemeinschaft Arbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum in Auftrag gegeben hat und diese mangelbehaftet sind, ist sie Inhaberin des Gewährleistungsanspruchs.
- Mietverträge: Auch Mietverträge stellen „Teilnahme am Rechtsverkehr“ i.S. des BGH dar. Vertragspartner ist somit die Gemeinschaft.
- Scheck- und Wechselfähigkeit: Ob die Gemeinschaft scheck- und wechselfähig ist, ist noch nicht endgültig geklärt.
- Verträge: Die WEG-Gemeinschaft kann als solche Verträge mit Dritten schließen. In Betracht kommen z.B. Energielieferungs-, Versicherungs- und Bankverträge. Dazu gehört aber auch der Vertrag mit dem Verwalter.
- Verwaltungsvermögen: Das Verwaltungsvermögen (Forderungen gegenüber Banken, die angesammelte Instandhaltungsrücklage) steht der Gemeinschaft als solcher zu. Es ist unabhängig vom Wechsel der Wohnungseigentümer.
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Checkliste 2: Rechtsfähigkeit der WEG-Gemeinschaft – die verfahrensrechtlichen Konsequenzen |
- Altverfahren/Anträge: Eine Klageänderung in entsprechender Anwendung der §§ 263 ff. ZPO dürfte überflüssig sein, jedenfalls aber ist Sachdienlichkeit gegeben.
- Altverfahren/Gestaltungsanträge: In laufenden Beschlussanfechtungsverfahren keine Änderung.
- Altverfahren/Leistungsklagen: Verfahren im Aktivprozess dürften unverändert fortgeführt werden, etwa in anhängigen Wohngeldverfahren gegen einen säumigen Eigentümer. Ein Parteiwechsel wird nicht angenommen. Notwendig ist lediglich eine Rubrumsberichtigung.
- Anwaltsbeauftragung: Es bleibt bei der Regelung, dass der Verwalter nach § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG Anwälte beauftragen darf. Ggf. ist eine besondere Ermächtigung im Beschlussweg erforderlich.
- Anwaltsvergütung: Der Anwalt hat nur noch einen Auftraggeber (§ 7 Abs. 1 RVG). Die Erhöhungsgebühr entfällt.
- Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche: Die Abwehr von Störungen in der Gemeinschaft betrifft nicht den Rechtsverkehr. Sie bleibt daher Angelegenheit der Eigentümer als Einzelpersonen. Folge: Sie sind Verfahrensbeteiligte (OLG München NZM 05, 672).
- Beschwerdebefugnis: Wenn die Gemeinschaft klagt oder verklagt wird, ist sie beschwerdebefugt.
- Beschlussanfechtung: Die Anfechtung von Beschlüssen betrifft die Willensbildung innerhalb der Gemeinschaft und nicht die Teilnahme am Rechtsverkehr. Sie bleibt daher den einzelnen Wohnungseigentümern vorbehalten.
- Duldungsansprüche: Ansprüche nach § 14 Nr. 3 und Nr. 4 WEG stehen der Gemeinschaft zu.
- Kosten: Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist Kostenschuldner.
- Parteifähigkeit und Beteiligtenfähigkeit: Geht es um Verwaltungsvermögen, ist die Gemeinschaft partei- und beteiligungsfähig (OLG München NZM 05, 673).
- Prozessfähigkeit: Die Gemeinschaft ist nicht prozessfähig. Der Verwalter vertritt sie (§ 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG). Fehlt ein Verwalter oder ist er nicht i.S.d. WEG ermächtigt, fragt sich, ob ein Klageverfahren ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Falls ja, ist ein Anspruch i.S.d. § 21 Abs. 4 WEG gegeben.
- Prozessvollmacht: Einem Prozessvertreter erteilte Vollmachten gelten weiter. Es wird vertreten, dass sie so zu lesen sind, als habe sie die Gemeinschaft erteilt. Konsequenzerweise kann ein Prozessvertreter seine Ansprüche auf Honorar auch nur gegenüber der Gemeinschaft geltend machen.
- Rechtskraft: Wenn in Altverfahren Sachverhalte gegeben sind, für die seit der Entscheidung des BGH (a.a.O.) die Gemeinschaft zuständig wäre, gilt die Rechtskraft früherer Entscheidungen auch gegen und für die Gemeinschaft.
- Titelumschreibung: In Altverfahren von den Wohnungseigentümern erstrittene Titel können nach §§ 724, 727 ZPO auf die Wohnungseigentümergemeinschaft umgeschrieben werden.
- Zustellung: Zustellungen gegenüber der Gemeinschaft können an den Verwalter erfolgen (§ 170 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG). Bei Interessenkollisionen muss ein Notverwalter bestellt werden, der für die Zustellung zuständig ist (§ 26 Abs. 3 WEG). Wurde kein Verwalter bestellt, ist an jeden einzelnen Eigentümer zuzustellen.
- Zwangsvollstreckung: Gläubiger der WEG-Gemeinschaft können gegen die Gemeinschaft nur in das Verwaltungsvermögen vollstrecken. In das Grundstück oder in einzelnes Wohnungseigentum kann ohne Titel gegen den jeweiligen Eigentümer nicht vollstreckt werden.
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Quelle:
Ausgabe 01 / 2006 | Seite 17 | ID 88489
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