01.10.2005 | Zwangsverwaltung
Haftet der Zwangsverwalter für eine verwahrloste Wohnung?
1. Der Zwangsverwalter muss die Gefahr für das seiner Obhut anvertraute Eigentum durch Feststellungen vor Ort aufklären, wenn er nach erhaltenen Hinweisen mit der Möglichkeit rechnen muss, dass ein Mieter durch seinen vertragswidrigen Gebrauch der Wohnung den Schuldner nicht unwesentlich schädigt. |
2. Versäumt der Zwangsverwalter die für ein wirksames Eingreifen gegen eine Wohnungsverwahrlosung erforderlichen Feststellungen, trifft ihn die Beweislast, dass der bei Aufhebung der Zwangsverwaltung bestehende Verwahrlosungsschaden an der Mietwohnung nicht auf seinem Unterlassen beruht. |
(BGH 23.6.05, IX ZR 419/00, n.v., Abruf-Nr. 052441) |
Sachverhalt
Der Mieter einer der Klägerin gehörenden Eigentumswohnung verstarb kurz vor Ende der Zwangsverwaltung. Nach seinem Tod befand sich die Wohnung in einem völlig verwahrlosten Zustand, den die Klägerin durch Desinfektion, Reinigung, Entrümpelung und Renovierung beheben ließ. Ihre Aufwendungen von ca. 35.000 EUR verlangt sie vom beklagten Zwangsverwalter wegen Verletzung seiner Erhaltungspflicht ersetzt. Anlass der Vorwürfe sind mehrere Beschwerden des Wohnungseigentumsverwalters über die vom Mieter der zwangsverwalteten Wohnung ausgehenden Beeinträchtigungen, denen der Beklagte nicht nachgegangen ist. Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.
Praxishinweis
Nach § 152 Abs. 1 ZVG hat der Verwalter das Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu benutzen. Dazu zählt auch der Erhalt der Eigentumssubstanz der Mietwohnung im Interesse des Eigentümers. Für die Erfüllung dieser Pflicht haftet der Zwangsverwalter gemäß § 154 S. 1 ZVG auch dem Eigentümer persönlich. Da der Zwangsverwalter den Eigentümer nach § 150 Abs. 2, § 148 Abs. 2 ZVG aus der Verwaltung und dem mittelbaren Besitz der vermieteten Wohnung verdrängt, stellt der BGH an die Schutzpflicht des Verwalters strenge Anforderungen. Er muss sich mit der verkehrsüblichen Sorgfalt eines Verwalters fremden Vermögens gegenüber dem Mieter für die unversehrte Erhaltung der Wohnung einsetzen. Diesem objektiven Sorgfaltsmaßstab genügt er nur, wenn er bei einem Verdacht die Gefahr für das verwaltete Eigentum unverzüglich aufklärt und erforderliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr trifft. Für die Sachaufklärung kann er nach § 1 Abs. 2 ZwVerwVO (neu: § 1 Abs. 3 S. 4 ZwVwV) eine geeignete Hilfsperson hinzuziehen. Welche Maßnahmen der Verwalter im Einzelfall treffen muss, hängt von der Art der konkreten Gefahr ab:
- Erlangt der Verwalter – wie hier – Kenntnis von Beschwerden gegen eine vom Hund des Mieters ausgehende Geruchsbelästigung, muss er die zwangsverwaltete Wohnung noch nicht kontrollieren. Es genügt, wenn er den Mieter zunächst schriftlich – ggf. unter Androhung der Kündigung – abmahnt. Auch ohne Antwort darf der Verwalter zunächst davon ausgehen, dass der Mieter auf die Beanstandung hin reagiert.
- Bei wiederholten Anzeigen muss sich der Verwalter durch Inaugenscheinnahme der Wohnung von deren Zustand überzeugen. Vor allem, wenn sich andere Hausbewohner beschweren, dass – wie hier – „Dreck und Gestank“ in das Treppenhaus dringt, begründet dies den Anfangsverdacht, dass der Mieter durch allgemeines Verhalten von der Wohnung vertragswidrigen Gebrauch macht und seine Obhutspflicht zur pfleglichen Behandlung der Mietsache verletzt. Der Verwalter muss nun umgehend tätig werden und vor Ort Feststellungen über einen möglichen Kündigungs- und Räumungsgrund gegen den Mieter treffen. Erhärtet sich vor Ort der Verdacht vertragswidrigen Mietgebrauchs, können Feststellungen für ein Vorgehen im einstweiligen Rechtsschutz (§§ 935, 940 ZPO) geboten sein.
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