Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Betriebskosten


    Keine gesetzlichen Verzugszinsen bei verspäteter Auszahlung von Betriebskostenguthaben 


    Wenn ein Betriebskostenguthaben verspätet an den Mieter ausbezahlt wird, weil der Vermieter mit der Verpflichtung auf Erstellung einer Betriebskostenabrechnung in Verzug geraten ist, ergibt sich ein Anspruch auf gesetzliche Verzugszinsen auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB (BGH 5.12.12, XII ZR 44/11, Abruf-Nr. 130229).

    Sachverhalt


    Die Beklagte hatte von der Klägerin bis 31.12.09 Gewerberäume gemietet. Der Mietvertrag sieht vor, dass die entstandenen Nebenkosten „in einem Zeitraum von zwölf Monaten in tatsächlicher Höhe abgerechnet“ werden sollen. Erst nach schriftlicher Aufforderung der Beklagten vom 25.8.09 erstellte die Klägerin die Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 02 bis 07, aus denen sich ein erhebliches Guthaben zugunsten der Beklagten ergab. Die Parteien streiten im Rahmen der vom OLG abgewiesenen Widerklage nur noch darüber, ob die Klägerin für die Guthaben aus den Abrechnungszeiträumen 04 bis 07 jeweils vom ersten Tag des Folgejahres an bis zum Zeitpunkt der Abrechnung wegen deren Verspätung gesetzliche Verzugszinsen zahlen muss. 


    Entscheidungsgründe


    Nach § 288 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine Geldschuld, mit der der Schuldner in Verzug geraten ist, zu verzinsen. Dessen Voraussetzungen liegen bereits deshalb nicht vor, weil die Klägerin im Zeitraum, für den die Beklagte Verzugszinsen verlangt, nur zur Erstellung einer Betriebskostenabrechnung verpflichtet war und daher keine Geldschuld vorlag. Ein Anspruch auf Verzugszinsen für die Beklagte ergibt sich auch nicht aus der analogen Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB. Der BGH entscheidet die Streitfrage, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Mieter bei einer unterbliebenen oder verspäteten Abrechnung der Betriebskosten Verzugszinsen auf sein Guthaben verlangen kann (Nachweise Urteilsgründe Tz. 18, 19), wie aus dem Leitsatz ersichtlich. Er begründet diese Auffassung unter Hinweis auf Sinn und Zweck des § 288 Abs. 1 BGB.


    Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des BGH. Soweit dort verschiedentlich eine entsprechende Anwendbarkeit von § 288 Abs. 1 BGB angenommen wurde (BGHZ 74, 231: Anspruch auf Verschaffung eines zinslosen Darlehens; NJW 05, 3709: Anspruch auf Herausgabe von Geld gemäß § 667 Alt. 2 BGB; BGHZ 167, 268: Verzug mit Freigabeerklärung für hinterlegtes Geld), beruhte dies jeweils auf den Besonderheiten der geltend gemachten Ansprüche, weshalb sich diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht übertragen lässt. Grund: In den genannten Entscheidungen waren die geltend gemachten Ansprüche unmittelbar darauf gerichtet, dem Gläubiger einen Geldbetrag zu verschaffen. Dieses gemeinsame Merkmal rechtfertigte die Gleichstellung mit einer „echten“ Geldschuld. 


    Die Verpflichtung des Vermieters zur Erstellung einer Betriebskostenabrechnung weist dieses Merkmal hingegen nicht auf. Der Anspruch auf Erstellung einer Betriebskostenabrechnung ist nicht unmittelbar auf die Verschaffung eines Geldbetrags gerichtet und somit nicht mit den in den o.g. Entscheidungen des BGH geltend gemachten Ansprüchen vergleichbar. Zwar führt die verspätete Abrechnung der Betriebskosten in den Guthabenfällen dazu, dass dem Mieter (jedenfalls zeitweise) unberechtigt ein Geldbetrag vorenthalten wird. Aufgrund des vom Gesetzgeber bewusst eng gefassten Anwendungsbereichs des § 288 Abs. 1 BGB kann die Vorschrift jedoch nicht auf alle Fälle angewendet werden, in denen mittelbar die Verschaffung von Geld geschuldet wird (Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB, 2009, § 288 Rn. 11).


    Praxishinweis


    Der Vermieter ist nach Ablauf der Abrechnungsfrist zunächst nur verpflichtet, über die auf die Betriebskosten geleisteten Vorauszahlungen abzurechnen. Erst nach der Erstellung der Betriebskostenabrechnung und unter der Prämisse, dass die Abrechnung zugunsten des Mieters ein Guthaben ausweist, erlangt der Mieter einen fälligen, auf die Zahlung von Geld gerichteten Anspruch. Entsprechen die Betriebskosten den geleisteten Vorauszahlungen oder übersteigen sie diese sogar, steht dem Mieter auch bei einer verspäteten Abrechnung kein Zahlungsanspruch zu. Das heißt: Der Anspruch des Mieters auf Abrechnung der Betriebskosten kann nicht mit einer Geldschuld i.S. von § 288 Abs. 1 BGB gleichgesetzt werden, bei der von vornherein feststeht, dass dem Gläubiger durch eine verspätete Leistung des Schuldners Geld vorenthalten wird. Für eine analoge Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB sieht der BGH zu Recht auch kein praktisches Bedürfnis. Der Mieter verfügt anders als der Gläubiger einer „echten“ Geldschuld über ausreichende Möglichkeiten, den Vermieter zeitnah zur Erstellung der Betriebskostenabrechnung zu veranlassen. Macht er hiervon keinen Gebrauch, muss seine Saumseligkeit nicht durch eine entsprechende Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB „belohnt“ werden.


    • Während des Mietverhältnisses kann der Mieter weitere Betriebskostenvorauszahlungen gemäß § 273 Abs. 1 BGB verweigern (BGH MK 06, 136). 


    • Im beendeten Mietverhältnis kann er nach Ablauf der Abrechnungsfrist sofort die Rückzahlung der geleisteten Vorschüsse verlangen und diese auch im Wege einer Klage geltend machen, ohne zuvor auf die Erstellung der Betriebskostenabrechnung klagen zu müssen (BGH MK 05, 95). 


    Der Mieter sollte den Vermieter mit der Erstellung der Betriebskostenabrechnung in Verzug setzen und einen konkreten Schaden, der ihm aufgrund ihrer Verspätung entstanden ist, nach § 280 Abs. 2, §§ 286, 249 BGB liquidieren. Der Schaden kann etwa darin bestehen, dass der Mieter in Höhe des Guthabens einen Überziehungskredit in Anspruch genommen hat, aber auch abstrakt nach § 252 BGB berechnet werden, wenn er z.B. geltend machen kann, er habe das Guthaben gewinnbringend anlegen können (Schmid, GE 05, 905).


    MERKE | Für die Abrechnungszeiträume, in denen der Mieter während des noch laufenden Mietverhältnisses die Möglichkeit gehabt hätte, von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch zu machen, kann er auch nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht unmittelbar auf Rückzahlung der geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen klagen (BGH MK 12, 204, Abruf-Nr. 123276).

    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 70 | ID 38535410