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  • · Fachbeitrag · Mieterinsolvenz

    Kündigung des Mietverhältnisses durch den Insolvenzverwalter hat Gesamtwirkung

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Wird bei einem gewerblichen Mietverhältnis über das Vermögen eines Mieters das Insolvenzverfahren eröffnet, beendet die Kündigung des Insolvenzverwalters den Mietvertrag auch mit Wirkung für die Mitmieter (BGH 13.3.13, XII ZR 34/12, Abruf-Nr. 132175).

     

    Sachverhalt

    In den gewerblichen Mietvertrag zwischen dem Kläger V und dem späteren Insolvenzschuldner A trat der Beklagte B als weiterer Mieter ein. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen A kündigte der Insolvenzverwalter (Streithelfer) das Mietverhältnis am 28.4.09 unter Berufung auf § 109 InsO zum 31.7.09. Unter dem 14.9.09 teilte der V dem B mit, dass er von seinem Vermieterpfandrecht Gebrauch mache. Am 30.10.09 verschaffte er sich Zutritt zu den Räumlichkeiten und verwertete die in den Räumlichkeiten vorgefundenen Gegenstände.

     

    Die Klage auf Zahlung rückständiger Miete für 09/09, hilfsweise Nutzungs- bzw. Schadenersatz in Höhe der entgangenen Miete, ist in den Instanzen erfolglos. Der BGH weist die Revision zurück.

    Entscheidungsgründe

    Kernpunkt der Entscheidung ist die vom BGH bejahte Frage, ob die vom Streithelfer als Insolvenzverwalter über das Vermögen des A zum 31.7.09 ausgesprochene Kündigung auch das Mietverhältnis für B beendet hat.

     

    Kündigung ohne Mitwirkung der weiteren Mieter

    Nach § 109 Abs. 1 S. 1 InsO kann der Insolvenzverwalter ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer ein Mietverhältnis über Räume, das der Schuldner als Mieter eingegangen ist, unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Dies gilt auch, wenn der Schuldner nicht alleiniger Mieter der Räume war. Zwar kann bei einer Mehrheit von Mietern ein Mietvertrag grundsätzlich nur einheitlich von allen oder gegenüber allen gekündigt werden (BGHZ 26, 102; 144, 370). § 109 Abs. 1 S. 1 InsO räumt dem Insolvenzverwalter jedoch ein Sonderkündigungsrecht ein, um die Masse vor einem weiteren Anwachsen von Verbindlichkeiten aufgrund eines laufenden Mietvertrags zu schützen, wenn eine wirtschaftlich angemessene Nutzung des Mietobjekts nicht mehr möglich ist. Dieser Zweck der Vorschrift gebietet es, dass der Insolvenzverwalter auch einen Mietvertrag, der von einer Mietermehrheit abgeschlossen worden ist, ohne Mitwirkung der übrigen Mieter kündigen kann.

     

    Gesamtwirkung der Kündigung

    Der BGH schließt sich der überwiegenden Ansicht (Nachweise UE Tz. 16) an, dass durch die Kündigung nach § 109 Abs. 1 S. 1 InsO nicht nur der Insolvenzschuldner aus dem Mietvertrag ausscheidet, sondern das Mietverhältnis insgesamt, also auch mit Wirkung für die übrigen Mitmieter endet. Grund: § 109 Abs. 1 InsO gewährt dem Insolvenzverwalter ein Sonderkündigungsrecht, um Mietverhältnisse, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst mit Wirkung für die Masse fortbestehen (§ 108 Abs. 1 InsO), aber wirtschaftlich für die Masse nicht mehr sinnvoll genutzt werden können, unabhängig von einer vereinbarten Vertragsdauer oder den Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung beenden zu können. Dabei ist die Vorschrift auf die Kündigung eines Mietvertrags ausgerichtet, der vom Insolvenzschuldner allein abgeschlossen worden ist. Zu der Frage, ob durch die Kündigung bei einem Mietvertrag, an dem eine Mehrheit von Mietern beteiligt ist, das Mietverhältnis insgesamt beendet wird, verhält sich die Vorschrift deshalb nicht. Die Wirkung der Kündigung nach § 109 Abs. 1 InsO bei Mietverträgen, die auf Mieterseite von weiteren Personen neben dem Insolvenzschuldner abgeschlossen worden sind, bestimmt sich daher nach allgemeinen mietrechtlichen Grundsätzen. Folge: Die Kündigung eines Mietvertrags kann nur einheitlich für alle oder gegenüber allen Mietern ausgeübt werden (BGH MK 10, 109, Abruf-Nr. 101578).

     

    Hat die Kündigung des Insolvenzverwalters danach auch das Mietverhältnis mit dem B beendet, steht dem V für die Zeit danach kein Anspruch auf Miete und, weil er diesem gegenüber auf der Fortsetzung des Mietverhältnisses bestanden hat, auch kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung gemäß § 546a Abs. 1 BGB zu.

    Praxishinweis

    Normadressat des § 109 InsO ist der Insolvenzverwalter in der Mieterinsolvenz. Hat das gewerbliche Mietverhältnis die Insolvenzeröffnung überdauert, kann es von dem Verwalter gemäß § 109 Abs. 1 S. 1 InsO mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden. Die Vorschrift hebelt zum Schutz der Masse eine feste Laufzeit des Mietvertrags ebenso aus wie einen vereinbarten Kündigungsausschluss. Bereits im Anwendungsbereich des § 19 KO entsprach es obergerichtlicher Rechtsprechung, dass der Konkursverwalter den mit mehreren Mietern geschlossenen Mietvertrag kündigen konnte, obwohl nur über das Vermögen eines Mieters das Konkursverfahren eröffnet war (BGHZ 48, 116; 26, 102; RGZ 141, 391; OLG Celle NJW 74, 2012). Der BGH hält hieran auch für den Anwendungsbereich des § 109 InsO fest.

     

    Zwar genügte es dem Zweck der Norm, die Masse vor einem Anwachsen der Verbindlichkeiten aus dem Fortbestand eines Mietvertrages zu schützen, wenn nur der Insolvenzschuldner aus dem Mietvertrag ausscheiden würde. Die Möglichkeit des Insolvenzverwalters, das Mietverhältnis allein kündigen zu können, ändert jedoch nichts an dem anerkannten und durch den BGH nochmals bestätigten Grundsatz, dass ein Mietverhältnis nur einheitlich mit Wirkung für sämtliche Mieter gekündigt werden kann. Grund: Eine Kündigung mit Wirkung nur für einen der Mieter würde das Mietverhältnis grundlegend zulasten des oder der anderen Vertragsparteien umgestalten und wäre als eine Teilkündigung grundsätzlich unzulässig (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl., § 542 BGB Rn. 87). Das heißt: Der Mietgebrauch ist unteilbare Leistung im Rechtssinne (MüKo/Eckert, InsO, 2. Aufl. § 109 Rn. 36) und kann daher durch eine Kündigung nur einheitlich gegenüber sämtlichen Mietern beendet werden. Das schließt es - auch im Hinblick auf die ratio legis des § 109 InsO - aus, der Verwalterkündigung nur Einzelwirkung beizumessen und das Mietverhältnis mit den übrigen Mitmietern fortzusetzen.

     

    § 425 Abs. 2 BGB besagt nichts Gegenteiliges. Er gilt für Fälligkeitskündigungen, regelt aber nicht, ob Beendigungskündigungen Wirksamkeit entfalten, wenn sie nur gegenüber einem Gesamtschuldner erklärt werden (BGH NJW 02, 2866; WM 74, 723). Der BGH verweist im Übrigen zutreffend darauf, dass mehrere Mieter in Bezug auf die unteilbare Gebrauchsüberlassungspflicht des Vermieters Gesamtgläubiger gemäß § 432 Abs. 1 BGB sind (MüKo/Häublein, BGB, 6. Aufl., § 535 Rn. 48). Wollen Vermieter und die nicht von der Insolvenz betroffenen Mitmieter das Mietverhältnis ohne den Schuldner fortsetzen, bestehen hierfür zwei Möglichkeiten:

     

    • Sie können eine Fortsetzungsklausel in den Mietvertrag aufnehmen, wonach dieser im Fall der Kündigung nach § 109 Abs. 1 S. 1 InsO mit den weiteren Mietern fortgesetzt werden soll (OLG Celle NJW 74, 2012) oder

     

    • einen neuen Mietvertrag abschließen.

     

    Weiterführender hinweis

    • Zur Anlagepflicht des Insolvenzverwalters für eine noch an den Schuldner gezahlte Barkaution, BGH MK 13, 84, Abruf-Nr. 130142
    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 133 | ID 40179450