· Fachbeitrag · Schriftform
BGH bestätigt nochmals: Auf die äußere Form der Urkunde kommt es an
Entspricht der Vertragsschluss nicht den Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB, ist aber eine von beiden Parteien unterzeichnete Mietvertragsurkunde vorhanden, die inhaltlich vollständig die Bedingungen eines später mündlich oder konkludent abgeschlossenen Mietvertrags enthält, ist die Schriftform nach § 550 S. 1 BGB gewahrt (BGH 17.6.15, XII ZR 98/13, Abruf-Nr. 178000). |
Sachverhalt
G ist zu 1/2 Eigentümer des Hauses. Der Beklagte B übersandte G einen von ihm unterzeichneten Mietvertrag. Darin war nur G als Vermieter bezeichnet. Laut Vertrag war die Mietdauer auf fünf Jahre befristet. B fügte eine von ihm unterschriebene Anlage zum Mietvertrag bei, nach der der Mieter „mehrmals“ verlangen kann, dass das Mietverhältnis jeweils fünf Jahre fortgesetzt wird. Die Mietanpassungsklausel im Vertrag hatte B gestrichen. G unterzeichnete den Vertrag ohne Vertretungszusatz und fügte eine Anlage mit einer Mietanpassungsklausel bei. B unterzeichnete diese nicht. In der Folgezeit wurde das Mietverhältnis ohne Mietanpassung praktiziert.
Die Klägerin kaufte das Grundstück von den Eigentümern. Laut Kaufvertrag wird das bestehende Mietverhältnis vom Käufer übernommen. Die im Mietvertrag enthaltene Verlängerungsoption wurde von B mehrfach auch gegenüber der Klägerin ausgeübt. Sie kündigte das Mietverhältnis wegen Schriftformmangels. Das OLG Düsseldorf (I-10 U 98/12) gibt der Räumungsklage statt. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat Erfolg.
Entscheidungsgründe
Der BGH weist die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des LG zurück. Zentraler Aspekt des Urteils ist die Frage, ob die Schriftform bei Abschluss des Mietvertrags eingehalten wurde. Einerseits teilt der BGH die Ansicht des OLG, dass ein Vertragsschluss, der den sich aus § 126 Abs. 2 BGB ergebenden Anforderungen an die Schriftform genügt, nicht vorliegt. Andererseits sieht er die Form des § 550 BGB hinsichtlich des konkludent in Vollzug gesetzten Mietvertrags unter den im Leitsatz genannten Voraussetzungen als gewahrt an.
Abändernde Annahme (§ 150 Abs. 2 BGB)
Ein Vertrag unter Abwesenden, für den die gesetzliche Schriftform vorgeschrieben ist, kommt nur rechtswirksam zustande, wenn sowohl der Antrag als auch die Annahme (§§ 145 ff. BGB) in der Form des § 126 BGB erklärt werden und in dieser Form dem anderen Vertragspartner zugegangen sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Grund: G als Vermieter hat das ihm vom Beklagten durch die Übersendung des unterzeichneten Vertragsentwurfs übersandte Angebot auf Abschluss eines Mietvertrags nicht angenommen, sondern um eine Preisanpassungsklausel ergänzt an diesen zurückgesandt. Das heißt: Damit hat er gemäß § 150 Abs. 2 BGB ein neues Angebot abgegeben. Dieses hat der Beklagte wiederum nicht angenommen, weil er den Nachtrag, der die Preisanpassungsklausel enthielt, nicht unterzeichnet hat. Auch eine solche Annahme unter Einschränkungen gilt nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung des Angebots verbunden mit einem neuen Antrag. Folge: Der Mietvertrag ist nur mündlich oder konkludent durch den Vollzug des Mietverhältnisses zustande gekommen.
Konkludenter Mietvertrag und Einhaltung der äußeren Form
Ein Mietvertrag genügt jedoch auch dann der Schriftform des § 550 BGB, wenn er inhaltsgleich mit den in der äußeren Form des § 126 BGB niedergelegten Vertragsbedingungen nur mündlich oder konkludent abgeschlossen worden ist. § 550 BGB dient in erster Linie dem Informationsbedürfnis des Erwerbers, dem durch die Schriftform die Möglichkeit eingeräumt werden soll, sich von dem Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zuverlässig zu unterrichten. Diesen Schutzzweck erfüllt eine nur der äußeren Form genügende Mietvertragsurkunde, in der die von beiden Parteien unterzeichneten Bedingungen des später konkludent abgeschlossenen Vertrags enthalten sind. Das heißt: Eine solche Urkunde informiert den Erwerber über die Bedingungen des Mietvertrags, in die er, wenn der Mietvertrag mit diesem Inhalt zustande gekommen ist und noch besteht, eintritt. Auch die zusätzlich mit der Schriftform des § 550 BGB verfolgten Zwecke, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sicherzustellen und die Vertragsparteien zu warnen, unbedacht langfristige Bindungen einzugehen, werden durch die bloße Einhaltung der äußeren Form gewahrt (BGH MK 10, 91, Abruf-Nr. 101182). Diese Erwägungen gelten auch im vorliegenden Fall.
Folge: Da die Schriftform des § 550 BGB gewahrt ist, scheidet eine ordentliche Kündigung aus und dies obwohl § 126 Abs. 2 BGB nicht eingehalten wurde, weil die Mietanpassungsklausel nicht unterschrieben war.
Praxishinweis
Der BGH betont wie schon in MK 10, 91 die graduellen Unterschiede zwischen den formellen Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB und der Schriftform des § 550 BGB. Nach § 126 Abs. 2 BGB genügt ein Vertrag der gesetzlichen Schriftform, wenn eine einheitliche Vertragsurkunde von beiden Parteien - wie hier ohne die Anlage Mietanpassung - unterzeichnet worden ist. Von der Einhaltung dieser äußeren Form zu trennen ist, ob der Vertrag unter Einhaltung der gesetzlichen Schriftform wirksam zustande gekommen ist. Das richtet sich nach den allgemeinen Regeln über den Abschluss von Verträgen.
Wichtig | § 550 BGB setzt über die Einhaltung der äußeren Form hinaus nicht voraus, dass der Vertrag durch die schriftlich abgegebenen Erklärungen zustande gekommen ist.
Der BGH lässt es im Einklang mit dem Schutzzweck des § 550 BGB genügen, dass die Bedingungen des später inhaltsgleich mündlich oder konkludent durch Überlassung der Mieträume und Zahlung der Miete in Vollzug gesetzten Mietvertrags ebenso wie im Fall der verspäteten Annahme gemäß § 150 Abs. 1 BGB (BGH, MK 10, 91) auch im Fall der modifizierten Annahme nach § 150 Abs. 2 BGB in einer der äußeren Form des § 126 Abs. 2 BGB entsprechenden Vertragsurkunde enthalten sind.
Auch aus dem Umstand, dass G den Mietvertrag als Vermieter allein unterzeichnet hat, lässt sich kein Schriftformmangel ableiten. Zwar ist es für die Einhaltung der Schriftform erforderlich, dass alle Vertragsparteien die Vertragsurkunde unterzeichnen. Das heißt: Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein Vertreter den Mietvertrag, muss dies aus der Urkunde hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen.
Beachten Sie | Dieser Grundsatz gilt aber nur, wenn - anders als hier - nach dem Erscheinungsbild der Urkunde die Unterschrift des Unterzeichners in seiner Eigenschaft als Mitglied eines mehrgliedrigen Organs abgegeben ist. Nur dann erweckt die Urkunde den Anschein, es könnten noch weitere Unterschriften, nämlich diejenigen der übrigen Organmitglieder, fehlen.
Die Einhaltung der Schriftform des Mietvertrags wird auch nicht durch den rechtsgeschäftlichen Vermieterwechsel infrage gestellt. Zwar sind Veräußerer und Vermieter nicht identisch. Das LG hat eine analoge Anwendung des § 566 BGB befürwortet, wenn das Mietobjekt durch einen von mehreren Miteigentümern vermietet wird und die anderen Miteigentümer hiermit einverstanden sind. Das OLG ist dieser Auffassung für den Streitfall gefolgt, hat aber zusätzlich angenommen, dass die Klägerin jedenfalls im Wege der Vertragsübernahme durch zweiseitigen Vertrag zwischen ihr und der veräußernden Miteigentümergemeinschaft mit Zustimmung des Beklagten als neue Vermieterin in den mit diesem bestehenden Mietvertrag eingetreten ist. Von letzterem geht auch der BGH aus.
Beachten Sie | Die Zustimmung des Mieters zu einem zwischen früherem und neuem Vermieter vereinbarten Vermieterwechsel bedarf nicht der Schriftform und liegt regelmäßig konkludent schon in der Zahlung der Miete an den neuen Vermieter.
Um die Schriftform des § 550 BGB zu wahren, ist es ferner erforderlich, dass sich die wesentlichen Vertragsbedingungen - insbesondere Mietgegenstand, Mietzins sowie Dauer und Parteien des Mietverhältnisses - aus der Vertragsurkunde ergeben. Regelungen zur Dauer der Mietzeit wahren dann die Schriftform, wenn sich Beginn und Ende der Mietzeit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in hinreichend bestimmbarer Weise aus der Vertragsurkunde ergeben (BGH, MK 10, 91).
Wichtig | Die Einhaltung der Schriftform wird nicht dadurch infrage gestellt, dass die Vereinbarung über die Mietzeit auslegungsbedürftige Begriffe enthält oder die Feststellung, ob die Umstände, an die die Parteien eine Verlängerung der Vertragslaufzeit geknüpft haben, tatsächlich auch eingetreten sind (MK 13, 189, Abruf-Nr. 133038). Es genügt, dass für einen möglichen Erwerber der Mietsache aus der schriftlichen Vereinbarung die für die Mietzeit maßgeblichen Umstände so genau zu entnehmen sind, dass er beim Vermieter oder Mieter entsprechende Nachforschungen anstellen kann.
Das OLG hat offengelassen, ob die vertragliche Optionsregelung dem Bestimmtheitsgebot genügt. Zweifel ergeben sich daraus, dass das Adverb „mehrmals“ nicht mit Sicherheit erkennen lässt, wie oft der Mieter das Optionsrecht ausüben konnte. Nach der weiten Auslegung des BGH ist die hinreichende Bestimmbarkeit der Mietzeit durch Auslegung gewahrt. Grund: Aufgrund des hier anwendbaren § 544 S. 1 BGB weiß der Erwerber jedenfalls, dass er das Mietverhältnis nach Ablauf von 30 Jahren durch eine außerordentliche Kündigung mit der gesetzlichen Frist beenden kann. Dem von § 550 S. 1 BGB bezweckten Schutz des Grundstückserwerbers ist damit ausreichend Genüge getan.