· Fachbeitrag · Verlängerungsoption
Erklärung unterliegt nicht der Schriftform
| Gewerbliche Mietverträge enthalten oft eine Verlängerungsoption zugunsten des Mieters. Wird diese schriftlich ausgeübt, verlängert sich das Mietverhältnis um den vereinbarten Optionszeitraum. Gilt das auch, wenn sie nicht schriftlich gezogen wird oder liegt dann ein Schriftformmangel vor, sodass der Vermieter das Mietverhältnis vorzeitig kündigen kann? Der BGH sagt, Nein. |
Sachverhalt
Zur Mietzeit war in der dem Mietvertrag über ein Gewerbeobjekt angefügten „Sondervereinbarung“ geregelt:
|
Das Mietverhältnis beginnt am 1.2.06 und endet am 31.1.15. Die Mieterin kann aber die Verlängerung des Mietverhältnisses um 10 Jahre über den vereinbarten Beendigungstermin hinaus verlangen, wenn sie das Optionsrecht spätestens 5 Monate vor Ablauf der vereinbarten Mietzeit ausübt.
Außerdem enthielt der Mietvertrag die Klausel: „Nachträgliche Änderungen und Ergänzungen dieses Mietvertrages bedürfen der schriftlichen Vertragsform. Dies gilt auch für einen teilweisen Verzicht auf das Schriftformerfordernis.“ |
Nachdem die Zwangsverwaltung angeordnet war, übermittelte die Beklagte dem Zwangsverwalter am 27.8.14 ein Computerfax ohne Unterschrift. Darin teilte sie mit, dass sie von ihrem Optionsrecht Gebrauch mache, der Vertrag sich damit um zehn Jahre verlängere und dieses Schreiben dem Zwangsverwalter „auch noch per Post“ zugehen werde. Der Zugang des angekündigten Einschreibens scheiterte, weil es vom Zwangsverwalter nicht bei der Post abgeholt wurde. Ebenfalls am 27.8.14 erklärte die Beklagte schriftlich gegenüber dem Vermieter, von dem Optionsrecht Gebrauch zu machen.
Nach Erwerb des Gewerbeobjekts durch Zuschlag, kündigte die Klägerin das Mietverhältnis zum 31.3.16 wegen eines Schriftformmangels. Ihre Klage, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis nicht aufgrund der Ausübung einer Verlängerungsoption durch die Beklagte bis zum 31.1.25 fortbestehe, scheitert in allen Instanzen.
|
(Abruf-Nr. 206649) |
Relevanz für die Praxis
Während bei einer „einfachen“ Verlängerungsklausel die Partei durch Schweigen den Vertrag verlängern können (BGH MK 16, 10, Abruf-Nr. 180606), handelt es sich bei einer vertraglichen Verlängerungsoption um das Recht, ein befristetes Mietverhältnis vor Ablauf der Mietzeit durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung um einen bestimmten Zeitraum zu verlängern. Der Mieter muss also tätig werden. Unterliegt das vermietete Grundstück der Zwangsverwaltung, ist es für die Beratungspraxis ganz wichtig zu wissen, gegenüber wem die Option auszuüben ist (Leitsatz 1), und welche Folgen es hat, wenn dies nicht schriftlich geschieht (Leitsatz 2). Beides klärt der BGH.
Zwangsverwalter als richtiger Adressat der Optionserklärung
Mit der Bestellung eines Zwangsverwalters wird dem Schuldner die Verwaltung und Benutzung seines Grundstücks entzogen (§ 148 Abs. 2 ZVG) und dem Zwangsverwalter zur Ausübung übertragen. Dieser hat die Rechte des Schuldners im Rahmen der ihm nach § 152 ZVG obliegenden Aufgaben wahrzunehmen, wobei ein Mietvertrag gem. § 152 Abs. 2 ZVG auch dem Zwangsverwalter gegenüber wirksam ist, wenn das Grundstück ‒ wie hier ‒ dem Mieter vor der Beschlagnahme (§ 20 ZVG) überlassen war (BGH NJW 16, 1242).
Wird die Verwaltungsbefugnis auf den Zwangsverwalter übertragen, hat dies zwei Folgen: Der Zwangsverwalter darf alle Vermieterrechte aus dem Mietvertrag geltend machen. Zudem ist er für alle den Mietvertrag betreffenden Erklärungen Ansprechpartner des Mieters und für einseitige, den Vertrag betreffende Willenserklärungen des Mieters (z. B. Kündigung) allein empfangszuständig (BGH MK 05, 138, Abruf-Nr. 051689). Das heißt: Eine Verlängerungsoption muss während der Zwangsverwaltung ihm gegenüber ausgeübt werden.
Mit dem Computerfax vom 27.8.14 hat die Beklagte für den Zwangsverwalter erkennbar eine derartige, auf Verlängerung des Mietverhältnisses um zehn Jahre gerichtete einseitige Willenserklärung fristgerecht abgegeben.
Fehlende Schriftform der Optionsausübung als Verstoß gegen § 550 BGB
Der BGH stellt zu Recht fest, dass es keinen Verstoß gegen die Schriftform des § 550 BGB darstellt, wenn die Verlängerungsoption ‒ wie hier ‒ durch ein nicht unterschriebenes Computerfax ausgeübt wird.
Beachten Sie | Bei der Frage, ob die Form des § 550 BGB eingehalten ist, ist zwischen der Vereinbarung des Optionsrechts und seiner Ausübung zu unterscheiden.
Sofern die Jahresgrenze des § 550 S. 2 BGB nicht überschritten wird, bedarf schon die Vereinbarung eines Optionsrechts der ‒ hier eingehaltenen ‒ Schriftform des § 550 BGB, um nicht laufzeitschädlich zu sein (BGH NJW-RR 87, 1227).
Soweit es die Ausübung der Verlängerungsoption betrifft, hat der XII. Zivilsenat bereits mehrfach darauf hingewiesen (MK 18, 99 Abruf-Nr. 200781), dass diese nicht schriftformbedürftig i. S. d. § 550 S. 1 BGB ist. Hieran hält er entgegen verbreiteter Gegenmeinung (Nachweise Urteil Tz. 22) fest.
Beachten Sie | Bei der Frage nach der Einhaltung der Form des § 550 BGB geht es nicht um die Wirksamkeit mietvertraglicher Vereinbarungen, sondern allein darum, wie lange die Mietvertragsparteien an diese ‒ ihre Wirksamkeit vorausgesetzt ‒ gebunden sind (BGH MK 18, 99, Abruf-Nr. 200781). Das heißt: Die Frage, ob die Ausübung einer Verlängerungsoption dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB unterfällt, betrifft nicht die Wirksamkeit der Laufzeitverlängerung. Sie hat vielmehr nur Bedeutung dafür, ob eine Vertragspartei trotz des wirksam herbeigeführten neuen Vertragsendes schon vorzeitig den Vertrag durch ordentliche Kündigung beenden kann.
Durch Ausübung einer Verlängerungsoption kommt kein neuer Vertrag zustande. Es handelt sich entgegen Schmidt-Futterer/Lammel (Mietrecht 13. Aufl. § 550 BGB Rn. 12) nicht um die Annahme eines im Ursprungsvertrag bereits enthaltenen Angebots des Vermieters auf Vertragsverlängerung und damit um eine neue vertragliche Vereinbarung, sondern um die Wahrnehmung zuvor vertraglich eingeräumter Rechtsgestaltungsmacht (BGH MK 15, 3, Abruf-Nr. 173265). Das heißt: Die Optionsausübung selbst ist kein von § 550 BGB erfasster Vertragsschluss.
Das widerspricht weder dem bezweckten Erwerberschutz noch dem weiteren Zweck der Schriftform des § 550 BGB, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sicherzustellen und als Übereilungsschutz die Vertragsparteien vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu warnen.
Da die vertragliche Vereinbarung zum Optionsrecht schriftformbedürftig ist, sind auch die Vertragsparteien ausreichend vor Übereilung geschützt. Dazu ist die Beweisbarkeit der Vereinbarung selbst gewährleistet. Wie der BGH im Übrigen schon wiederholt ausgeführt hat, existieren zahlreiche Varianten, bei denen es § 550 BGB nicht hundertprozentig gelingt, dem Erwerber Klarheit über einen langfristigen Mietvertrag zu verschaffen. Dies gilt u. a. für die wichtige Kenntnis, bis wann ein langfristiges Mietverhältnis besteht. Enthält der Mietvertrag eine Verlängerungsoption zugunsten des Mieters, kann der Grundstückserwerber der Urkunde zwar nicht entnehmen, ob die Option vor dem Eigentumserwerb ausgeübt wurde. Er ist aber durch die aus der Urkunde ersichtliche Option hinreichend gewarnt, sodass es ihm zuzumuten ist, sich bei dem Verkäufer oder dem Vermieter hierüber zu erkundigen (BGH MK 14, 78, Abruf-Nr. 140833; MK 14, 81, Abruf-Nr. 140605).
Optionsausübung und qualifizierte Schriftformklausel
Der Mietvertrag enthält eine qualifizierte Schriftformklausel, die für Änderungen und Ergänzungen des Vertrags die „schriftliche Vertragsform“ vorschreibt. Der BGH stellt klar, dass die Ausübung eines vertraglich eingeräumten Gestaltungsrechts weder eine vertragliche Änderung noch eine Ergänzung ist. Die Ausübung der Option als Willenserklärung kann wegen ihrer notwendigen Einseitigkeit von vorneherein nicht der „Vertragsform“ entsprechen.
Beachten Sie | Bewirkt die Ausübung der Verlängerungsoption aber weder eine Vertragsergänzung noch eine Vertragsänderung, kann auch der Bürge seine Haftung für den Verlängerungszeitraum entgegen OLG Düsseldorf MK 16, 194 (Abruf-Nr. 189397) über § 767 Abs. 1 S. 3 BGB nicht abwehren.